16.10.2007 17. Reisetag – Okapuka Lodge
Am Vormittag gab es noch eine letzte Pirschfahrt aus dem Gelände der Lodge, auf der auch einige Tiere neu angesiedelt worden sind. Da es im Moment kaum noch Gras gibt, werden einige Tiere mit zusätzlichem Futter an den Wasserstellen versorgt. So ist es auch nicht schwierig, schnell einige zu finden. Unter ihnen sind auch ein paar Nashörner, die wir im Etoscha-Park noch vergeblich suchten. Den Nachmittag bin ich noch ein bisschen im Umfeld der Farm durch die Gegend gestreift. Fast unglaublich, das man sich hier etwa 1400 m über dem Meeresspiegel befindet. Die Berge, die nochmal bis zu 600m um mich herum auftragen, sind weitestgehend durch Erosion abgerundet, aber bis zur Spitze mit mehr oder weniger Buschland bewachsen. Überhaupt liegen große Teile des Landes sehr hoch über dem Meer, 1000 m sind keine Seltenheit. Wobei mir persönlich das nicht sonderlich aufgefallen ist. Ich hatte nicht das Gefühl „kurzatmig“ zu sein wegen der dünneren Luft. Das mag durchaus auch an den ohnehin höheren Temperaturen liegen, die eine genaue Zuordnung der Ursachen verhindern. Noch mal kurz ein Satz zur Topologie von Namibia. Der etwa 200km breite Küstenstreifen ist mal abgesehen von einigen Dünen relativ flach. Dann gibt es eine urzeitliche Randkante, die einige hundert Meter aufragt, und dann in das Hochland übergeht. Diese Randkante zieht sich von Norden nach Süden und ist häufig auch von der „B1“, der wichtigen –geteerten- Nationalstraße aus zu sehen.
Im Allgemeinen hat man nicht unbedingt den Eindruck, dass Namibia bereits touristisch völlig überlaufen ist. Meist haben wir auf einsamen Lodges übernachtet. Das Land erscheint mit seinen etwa 2 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von etwa 825000 km² nicht gerade übervölkert sondern eher einsam. Aus den beiden Zahlen ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von nur knapp über 2 pro km², und ist damit eine der niedrigsten in der ganzen Welt. In den letzten Jahren hat sich eine Landflucht noch verstärkt, das Leben in der Stadt, so man denn Arbeit findet und ca. 40% der Arbeitswilligen haben keine, verspricht zumindestens ein Mindestmaß an Comfort. Und sei es, das es dort gesichert Trinkwasser und Strom gibt. Da passen dann auch die scheinbar irgendwo im Nirgendwo liegenden Lodges gut ins Bild. Die Lodges haben aber neben dem Tourismus auch noch eine andere Funktion in ihrem jeweiligen Gebiet. Einige gehören den dort eigentlich heimischen Stämmen bzw. müssen um ihre Konzession dort zu erhalten, Abgaben an diese zahlen. Das Geld wird dann für Entwicklungsprojekte in diesem Gebiet verwand. Dieses können z.B. Brunnenbohrungen sein. Gleichzeitig müssen sie wie allen anderen Unternehmen im Land auch, ein bestimmter Anteil der Beschäftigten aus früher benachteiligen Volksgruppen stammen. Auch diese Maßnahme soll dafür Sorge tragen, dass sich der Lebensstandard im Land weiter angleicht – was auch ein Ziel der Verfassung ist. Ein anderes großes aber umstrittenes Projekt im Lande ist die gerade mal wieder angelaufene Landreform. Dabei werden weiße Farmer von ihrem Land zwangsweise ausgekauft. Sie haben dabei oft keine Wahl ob sie überhaupt verkaufen wollen, strittig ist oft nur der Preis. Der Staat kauft diese Ländereien auf, und verteilt in kleineren zuweilen kaum lebensfähigen Parzellen weiter an früher benachteiligte Volksgruppen. Die nächste Ungerechtigkeit ist dabei schon die Verteilung, fast alle Ländereien werden an Owambo gegeben, die machen zwar 52% der Bevölkerung aus aber stellen auch die Regierung. Namibia hat wie viele Länder in Afrika auch Probleme mit Korruption. Vielleicht nicht in dem Maße wie andere Länder auf dem Kontinent, aber auf jeden Fall in problematischen Größenordnungen. Große Einnahmequellen für Namibia sind eigentlich vor allem der Bergbau mit der Miene in Tsumeb, den Uran-Mienen bei Swakopmund und denen Diamanten-Vorkommen um Lüderitz. Zwei weitere große Einnahmequelle sind danach der Fischreichtum und etwa gleichbedeutend der Tourismus.
Auch wenn meine Umgebung hier auf der Okapuka Lodge eigentlich eher ein Bild der „heilen Welt“ vermittelt, muß auch noch mal etwas zu einem der großen Problem des Landes gesagt werden: Kriminalität. Hier auf dem Land ist man sicher, und ich hätte auch keine Bedenken mein Hab und Gut nachts vor die Tür zu stellen. Das mag ein Trugschluß sein, aber gefühlt ist es so. Wer hier arbeiten darf, und genau so muß man das bei einer Arbetslosenqoute von 30 - 40% sehen, hat sehr viel zu verlieren. Ein Sozialsystem, das zumindestens einen Grundsockel zum Überleben garantiert, gibt es in Namibia nicht. Da könnte eine Kameraausrüstung für vielleicht 700 € bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von etwa 120 € (unter hohen Schwankungen) ein Vermögen sein, und doch haben die Menschen mehr zu verlieren, als nur die 6 Monatsgehälter zu gewinnen. In den Städten sieht es anders aus. Hier leben viele ohnehin nicht mehr in den alten starken Familienverbünden, und wenn man nichts mehr zu essen hat, dann ist auch Diebstahl ein zwar rechtlich verwerflicher Vorgang, aber ein menschlich nachvollziehbarer. Und diese Verzweiflung ist in den Städten fast zu riechen, und löst dann auch beim Besucher sofort ein gewisses Maß an Angst um sich und das eigene Hab und Gut aus. Man mag zu unserem Sozialsystem stehen wie man will, und über gewisse Auswüchse schimpfen oder nicht, aber es schafft auf jeden Fall auch ein gewisses Maß an Sicherheit für alle.