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6. Reistag          Svolvaer - 16.11.2022

 

In der vergangenen Nacht haben wir den Polarkreis gegen 1:07:42 überschritten. Am gestrigen Tag wurden die Gäste aufgerufen zu schätzen, wann wir diesen überschreiten würden. Da war ich mit meiner Fingernavigation mit GEO-Daten vom Mobiltelefon als Startpunkt und Zielort in Svolvaer mit einer geplanten Ankunftszeit um 10:30 Uhr und meiner Schätzung von 0:53:38 nicht mal schlecht. Aber eine Mitreisende hat den Zeitpunkt bis auf rund 30 Sekunden richtig vorausgesagt – sensationell. Damit war sie übrigens noch besser als die Vorhersage des Kapitäns selbst. Aber dafür ist der pünktlich wie die Eisenbahn in den Häfen, ohne unserer Deutschen Bahn etwas vorwerfen zu wollen, muss man eigentlich sogar sagen noch pünktlicher. Aber bis das heute um 10:30 soweit ist, gab es gegen halb Zehn noch den Besuch von Njörör, einer Gestalt der nordischen Mythologie. In der Mythologie wird ihm die Herrschaft über das Meer und den Himmel nachgesagt, in dessen Hand die Fischer auf dem Meer waren. Unseren Njörör hat der im positivsten Sinne verrückte Ole aus dem Expeditionsteam gegeben, immerhin ein waschechter Norweger. Im Anschluss gab es dann für die Willigen noch die obligatorische Polartaufe mit einer Kelle Eis und eisigem Wasser in den Nacken, und anschließend einem Löffel Lebertran und einem Schnaps. Ich selbst habe diese Zeremonie ausgelassen.

Um kurz vor 11 Uhr ist dann alles bereit, um an Land zu gehen. Von da geht es für mich dann schon direkt zu meinem gebuchten Ausflug mit einem motorisierten Schlauchboot, einem sogenannten Rib-Boot. Dafür bekommen wir alle noch einen Thermoanzug, die obligatorische Schwimmweste, und dann noch eine Sicherheitsbrille gegen das Salzwasser bzw. dem kalten Wind. Wir sitzen mit 12 Leuten in zwei Reihen hintereinander vor dem Fahrer. So geht es dann raus zwischen den Inseln unmittelbar vor Svolvaer. Auf den Booten führen wir ein paar Stücke tiefgefrorenen Fisch mit, auch die Seeadler, zu denen wir auf dem Weg sind, ist das ganz offensichtlich nicht unbekannt. So ist es ein bisschen auch eine Vorführung, der hier wild lebenden Tieren. Aber wieso sollen die Tiere selbst jagen, wenn es hier auch leichtere Beute gibt. Seeadler kommen übrigens fast an der ganzen norwegischen Küste vor, aber hier um die Lofoten herum ist deren Population am größten, zusammen mit den Vesteralen kommen hier etwa 40% der Gesamtpopulation vor. Heute schätzt man ihre Zahl in Norwegen auf etwa 2200 Paare. Zum Ende der 1960 war der Bestand schon einmal auf rund 400 Paare abgesunken. Damals stellte man die Vögel unter Naturschutz, was dann dafür sorgte, dass sich die Bestände wieder deutlich ausweiten konnten. Seeadler sind die größten Greifvögel in Norwegen. Ihre Flügelspannweite beträgt etwa 2,4m, dabei können sie ein Gewicht von etwa 6,5kg erreichen. Wobei die Weibchen etwas größer und schwerer sind als die Männchen. Sie ernähren sich von Fischen und kleinen Seevögeln, die sie im Flug greifen. Sie haben relativ dicke gelbe Schnäbel, das Federkleid ist abgesehen von den weißen Schwanzfedern braun gesprenkelt. Die Seeadlerpaare bleiben ein Leben lang verbunden. Etwa im April legt das Weibchen ein bis drei Eier. Nach einer Brutzeit von 38 Tagen schlüpfen die Jungvögel. Nach etwa 10 Wochen verlassen die Jungen das Nest, die Nester werden übrigens über Jahre von den Elterntieren benutzt und immer weiter ausgebaut. So kann ein solches Nest, das meist auf Felsvorsprüngen und selten auch in Bäumen und auf dem Boden sein kann, eine Höhe von bis zu 2m erreichen.

Nach etwa einer Stunde sind wir zurück in Svolvaer, übrigens mit rund 4800 Einwohnern eine der beiden Verwaltungssitze hier auf den Lofoten. Die Lofoten lebten früher im Wesentlichen vom Fischfang. Bereits seit 1000 Jahren wird hier Fischfang betrieben. Die Fischerei wurde dann ab dem 19. Jahrhundert deutlich ausgebaut. Die Hauptsaison ist von Januar bis April. Damals kamen bis zu 30000 Fischer auf die Lofoten, um in den stürmischen Wintermonaten Dorsch in den Gewässern um die Lofoten herum zu fangen. Der Dorsch zieht in dieser Zeit vom Polarmeer an der norwegischen Küste hinunter zum Laichen. Aber die Dorschfischerei war nicht für alle gleichermaßen ein Geschäft. Im 19. Jahrhundert hatten einige sogenannte Nessekonger das Geschäft unter sich aufgeteilt. So wurde etwa 1828 der ganze Ort Svolvaer an einen Spekulanten für 3000 norwegische „Spezialtaler“ verkauft. Ihm gehörten ab diesem Zeitpunkt alle Häuser, die er an die Fischer vermietete. Gleichzeitig hatte er das alleinige Recht mit Fisch oder auch Schnaps zu handeln. Er hat das alleinige Recht Tanz, Kartenspiel oder auch andere „öffentliche Verlustigung“ anzubieten. So waren die einfachen Leute meist bei den Nessekonger verschuldet, und waren damit vom ihm abhängig. Insbesondere im 19. Jahrhundert kam pro Jahr meist mehrere Hundert Fischer in den Winterstürmen ums Leben, was dann zumeist alle Männer einer Familie waren, da sie zusammen auf den Booten arbeiteten. Mit der Zeit wurden die Fangmengen geringer. So war zum Ende des 19. Jahrhundert noch 30.000 Fischer zur Fangsaison auf den Lofoten aktiv. 1951 war es noch 22.000 Fischer, die aber immer noch 116.000 t Dorsch gefangen haben. Im Jahre 1984 war dann der absolute Tiefpunkt, in dem Jahr haben 2.300 Fischer noch 6.000 t Dorsch angelandet. Man setzte ab diesem Zeitpunkt Fangquoten durch, was dafür sorgte, dass sich die Bestände etwas erholen konnten. Etwa 10 Jahre später gab es wieder 5.000 Fischer, die rund 30.000 t gefangen haben. Aber die großen Zeiten des Dorschs sind auch auf den Lofoten vorbei. Heute kann sich überhaupt nur noch in den größeren Orten wie eben hier in Svolvaer eine Fischindustrie halten. Die Rückgänge der Dorschbestände hatte unter anderem zur Folge, dass es zu einer förmlichen Invasion von Seehunden kam, die dem noch verbliebenen Dorsch nachstellten. Neben dem Dorsch werden auf den Lofoten noch Tintenfisch, Heilbutt, Lumb, Hering, Scholle, Seelachs und Rotbarsch gefangen. Der für die Fischerei wichtigste Fisch blieb aber der Dorsch. Er wurde früher traditionell zu Trockenfisch verarbeitet, dafür sieht man auch heute noch zahlreiche Trockengestelle. Dabei wird der Dorsch ausgenommen und gereinigt und dann zum Trocknen auf Holzgestellen aufgehängt. Diese Jahrhunderte alte Tradition geht bereits auf die Wikinger zurück, die Trockenfisch mit auf ihre Seereisen, die sie immerhin bis nach Neufundland brachten, als Nahrung aber auch als Handelsgut mitnahmen. Trockenfisch trocknet zunächst drei Monate an der frischen Luft, wobei idealerweis Temperaturen von um die 0 Grad herrschen, dabei verliert der Dorsch rund 70% seines Wassergehalts, Vitamine, Protein, Eisen und andere Inhaltsstoffe bleiben aber enthalten. Vor dem Verzehr muss der Trockenfisch dann mindestens 5-6 Tage wieder gewässert werden, wobei das Wasser dabei täglich gewechselt werden muss.

Da die Fangsaison noch nicht begonnen hat, sind die Trockengestelle aktuell logischerweise noch leer. Und ich kann nicht sagen, dass ich das bedauere, denn der Trockenprozess geht mit einer intensiven Duftnote einher, man könnte auch sagen, dass es stinkt. Bei meinem kleinen Rundgang durch Svolvaer fällt mir auf, das auf den Straßen und soweit vorhanden Bürgersteigen ein Granulat verstreut liegt. Denn inzwischen hat uns der Winter eingeholt, oder eigentlich eher umgekehrt wir den Winter auf unserem Weg nach Norden. Als wir heute vom Schiff kamen, war der Boden an einigen Stellen noch vereist, was auch den ganzen Tag so bleiben sollte. Auch die Sonne ist heute erst gegen 09:30 aufgegangen, und gegen 14 Uhr auch schon wieder untergegangen. Wobei es hier vorher bzw. danach noch relativ lange relativ hell ist. Aber gefühlt fallen die Temperaturen mit der Sonne auch noch ein paar Grad, was aber eher ein gefühlter Wert ist. Die Tageshöchsttemperatur ist heute 2°C und als wir Svolvaer gegen 16:40 wieder verlassen, ist es immer noch 1°C warm oder kalt, wie man es eben nimmt. Offensichtlich sind alle Passagiere auch heute wieder sehr pünktlich zurück auf dem Schiff gewesen. Es war geplant, dass alle um 16:30 zurück sein sollen, und wir dann gegen 17 Uhr den Anleger wieder verlassen. Aber um 16:40 manövrieren wir wieder aus dem Hafen hinaus.

Nach dem ich mit meinen gestrigen Fotos von Polarlichtern ein bisschen unglücklich war, habe ich mir heute noch mal den Vortrag des Bordfotografen, auch er gehört zum Expeditionsteam, angehört. Im Grund habe ich nicht so viel gehört, was ich mir nicht auch schon vorher angelesen hatte. Aber wie mir beim Vortrag aufging, war meine Umsetzung „schlampig“. Ich hatte die Kamera brav auf „M“ gestellt, die Blende auf den Maximalwert 2.8 meines Objektivs gestellt, die Belichtungszeit sogar fast ein bisschen hoch eingestellt, immerhin fährt das Schiff und schwankt logischerweise auch im Wind. Dazu hatten wir gestern auch noch einen ziemlich strammen Wind. Aber das war nicht die eigentliche Ursache. Ich hatte nicht auf den manuellen Fokus gestellt – Anfängerfehler. Und meine alternativen Versuche haben dann eben die ziemlich mäßigen Aufnahmen gebracht. Außerdem wurde noch eine zeitverzögerte Auslösung empfohlen, um eine mögliche Bewegung beim Drücken des Auslösers noch zusätzlich zu vermeiden. Aber das schien mir eher noch eine Detail-Verbesserung, aber nicht mein grundsätzliches Problem gewesen zu sein. Der Vortrag ging von 17:00 bis 17:30, und danach hatte man noch die Möglichkeit mit dem Profi die Einstellungen an der eigenen Kamera durchzugehen. Ich hatte mein Problem erkannt, also alles gut. Kaum das ich wieder in der Kabine war, um die Kamera zurück zu bringen, kam die Durchsage: Nordlichter auf der Backbordseite. Also schnell in die Jacke, Mütze auf – wo waren noch die dünnen Handschuhe, die Kamera noch soweit fertig einstellen, bis auf die manuelle Fokussierung … und raus auf Deck 5. Wo war eigentlich noch mal Steuerbord? Jedenfalls nicht da, wo ich stand. Aber egal also rüber auf die andere Seite. Das Polarlicht war nicht so deutlich, aber trotzdem schnell das erkannte Problem von gestern noch mal überprüft, alles richtig, versucht manuell zu fokussieren – naja … wird schon gehen. Ähhh nein, tat es nicht. Neben mir hat jemand ein einigermaßen brauchbares Bild hinbekommen, meines war eher eine Darstellung von ein paar im Bild verstreuten grünen Punkten. Hhhmmmm. Noch mal die ISO-Zahl ein bisschen rauf – auch nicht wirklich besser. Und damit wurden die Polarlichter auch schon wieder schwächer. Schon die zweiten Polarlichter, und ich habe immer noch kein halbwegs ordentliches Foto, von einem Bild will ich gar nicht sprechen. Aber es hilft ja nichts. Also erstmal zum Abendessen.

Gegen 20:30 Uhr kommt erneut die Durchsage, es gebe Polarlichter am Bug. Also wieder in die Jacke(n) gesprungen, Mütze auf, die dünnen Handschuhe stecken noch in der Jackentasche und die Kamera gegriffen und nichts wie raus. Immerhin war klar, dass der Bug vorne ist. Mein Stativ habe ich drinnen gelassen, und benutze stattdessen die Reling. Jeeeaaahhhhppp, immerhin schon mal ein Foto. Zur Sicherheit habe ich gleich noch eins gemacht. Und dann noch mal die ISO-Einstellungen ein bisschen nach unten gedreht. Das hat die Fotos nicht gerade verbessert, aber gleichzeitig lässt auch das Polarlicht schon wieder nach. Das hatte jetzt nur ein kurzes Gastspiel. Aber ich habe schon mal ein Foto. Wie gut es wirklich ist, wird sich erst zu Hause am PC zeigen, aber für den Moment bin ich schon mal sehr zufrieden. Zumal die Wetterlage weiterhin gut sein soll, und morgen habe ich schließlich auch noch den Ausflug zur Polarlichtjagd gebucht. Und dann werden wir auf festem Boden und nicht auf einem fahrenden Schiff sein. Hoffen wir mal, dass es dann auch keine Wolken gibt, und sich dann auch noch Polarlichter zeigen.