6. Reisetag Emstrur – 15.08.2017
In der letzten Nacht hatten wir fast durchgehend Regen, und dazu einen ziemlich starken Wind. Am Abend kam dieser noch vom See, also aus Sicht meines Zeltes von hinten. Er drehte dann aber mit einigen ordentlichen Böen auf die Seite, was auch im Zelt zu einigen ordentlichen gefühlten Neigungen und „Flatterei“ des ganzen Zeltes führte. Und obwohl ich auf der Windseite gelegen habe, hatte ich einen massiv flatternden Zellboden. Beim Zusammenpacken und Zusammenräumen im Zelt zeigten sich dann am nächsten Morgen auch ein paar kleine feuchte Flecken, insbesondere unter der Isomatte. Aber das wichtigste ist ja, dass Zelt blieb stehen. Wie ich später am Morgen erfuhr, hatten nicht alle so viel Glück. Nicht dass Zelte weggeflogen wären, aber einige kamen wohl erst etwas später, und haben in dem schon da vorhandenen Wind ihr Zelt schon gar nicht mehr aufbauen können. Wie man hörte, haben sie dann in einer der Hütten Unterschlupf gefunden, nachdem sie sich anfangs auf der windabgewandten Seite unter dem Dachüberstand eingemummelt hatten.
Als wir schließlich am Morgen nach dem Frühstück unsere Zelte abbauen wollten, hatte der Wind weiter nachgelassen, nur der feine Sprühregen darin machte die Sache trotzdem unangenehm. Außerdem sind wir dazu übergegangen, immer mit mehreren Leuten Zelt für Zelt abzubauen, um es in dem Wind bändigen zu können. Die Taschen blieben als Gewicht bis unmittelbar vor dem Abbau des jeweiligen Zeltes in diesem liegen. Wegen des Wetters hatten wir es auch nicht besonders eilig, und so dauerte es bis ca. 10:00 Uhr, bis wir dann Alftalavatn verließen. Der Wind war zwar immer noch frisch, hatte sich aber weiter abgeschwächt, und auch der Regen war nochmals schwächer geworden. Nach ca. 1,5 km kamen wir zu unserer ersten Furt auf dieser Reise. Also Hose hochkrempeln und in die Wandersandalen reinschlüpfen. Diese sorgen vor allem dafür, dass man sich keine Schnittverletzungen an den Steinen in den Wasserläufen einfängt. Wie man sich denken kann, ist das Wasser „belebend frisch“. Aber nachdem die Füße abgetrocknet und in Socken und Wanderstiefeln steckten, werden sie auch schnell wieder warm.
Die Landschaft wird von den grünen mit moosbewachsenen Bergen dominiert, auch wenn man das Panorama wegen des immer wieder einsetzenden Nieselregen nur eingeschränkt genießen kann. Immerhin kommt der Wind meist von hinten, so ist dieser nicht mehr so unangenehm. Es geht weiter vorbei an dem Camp in Hvanngil. Den nächsten Fluss, und der führt sehr viel mehr Wasser und hat eine mächtige Strömung, überqueren wir auf einer Fußgängerbrücke. Noch vor dem Mittagessen ist eine weitere Furt zu meistern. Hier ist die Furt für uns Fußgänger ca. 150 m flussaufwärts. Er ist deutlich breiter und auch schneller fließend, wie der bei unserer ersten Furt. Dazu kommt noch, dass das Wasser auch mir, bei 1,87m Größe, gut bis zu den Knien geht. So zerrt die Strömung schon recht ordentlich an den Beinen. Und für uns Wanderer gilt eigentlich das gleiche, wie es auch für die Fahrzeuge gilt. Kennt man sich nicht aus, beobachtet man zunächst, wo andere versuchen über den Fluss zu kommen, und wie die Tiefe und Strömung dort einzuschätzen ist. Etwa an der Stelle, an der auch der Wanderweg auf den Fluss trifft, sehen wir auch einen 4x4 Jeep stehen. Er wartet ganz offensichtlich darauf, dass ein Fahrer vorbeikommt, der die beste Furt für die Fahrzeuge an dieser Stelle kennt. Wie schon gesagt, ist die für Fußgänger aber ein wenig versetzt. Eine Mitreisende hat hier übrigens einmal das Thermometer ins Wasser gehalten: 7 °C. Nicht weit vom Fluss machen wir dann schließlich auch unsere Mittagspause an einer kleinen Erhöhung, eigentlich mehr im Windschatten davon. Wir bewegen uns hier auf einer ausgedehnten Ebene, die nahezu komplett mit Vulkanasche und ein bisschen Geröll bedeckt ist. Bewuchs gibt es nahezu gar keinen mehr. Der Weg ist wieder mit Holzblöcken markiert, so dass man ihn leicht findet. Noch dazu sind ja auch einige andere Wanderer unterwegs, an denen man sich orientieren kann. Wir sind einige Kilometer auf dieser Ebene unterwegs. Neben den mit Moos bewachsenen Bergen, gibt es auch einige schwarze und am Horizont taucht langsam ein weißer Gletscher auf. Auch wenn der Regen inzwischen aufgehört hat, so ist die Sicht nach wie vor bescheiden. Es gilt noch den Gletscherfluss Innri-Emstrua zu überqueren. Über ihn gibt es sogar eine mit Autos zu befahrene Brücke. Er führt auch jetzt noch sehr viel Wasser, dass sich tosend durch das Flussbett stürzt. Das Wasser ist aufgrund der enthaltenen Sedimente milchig grau und „muffelt“ ein bisschen nach Schwefel. Schon von weitem sieht man einen relativ dominant stehenden grünen Berg, den Botnar. Ihn gilt es noch halb zu umrunden, bis unser heutiges Ziel Emstrur in Sicht kommt. Bevor es aber soweit ist, überholt uns noch ein Bus, an dieser Stelle führt der Wanderweg ganz in der Nähe einer Piste, der F261, entlang. Auf der Anhöhe vor Emstrur hält dieser an und einige Wanderer steigen aus. Auch dieses Camp ist mit einem normalen Linienbus zu erreichen - jedenfalls fast. Die Haltestelle ist oberhalb des Camps, da der Bus den Anstieg zurück vermutlich nicht wieder schaffen würde. Emstrur liegt schön geschützt von den umliegenden Bergen in einer kleinen Senke. Wir erreichen es gegen 15:15 Uhr. Die heutige Tagesetappe waren rund 15 km. Vroni, unsere Küchenfee, hat bereits begonnen die ersten Zelte aufzubauen, damit diese noch ein wenig trocknen können. Schließlich haben wir sie heute Morgen im Regen zusammengelegt. Ich habe Glück, und mein Zelt steht schon fast. Die letzten Handgriffe sind schnell gemacht. Es beginnt schon wieder leicht zu tröpfeln, zum Glück wird nicht mehr daraus. Mein Gepäck steht auch noch draußen, da ich zunächst noch damit beschäftigt bin, den Zeltboden ein bisschen trocken zu wischen. Da meine Tasche aber ohnehin wasserdicht ist, sehe ich das relativ entspannt. Und der Regen ist auch kaum mehr als ein kurzer Schauer, nach dem die Sonne herauskommt. Vroni hat uns ein zwar relativ kleines Stück des Campingplatzes sichern können, dafür ist dieser ziemlich eben. Viele Stellen hier sind ein bisschen sehr abschüssig. So stehen unsere Zelte nun dicht gedrängt, und man muss ein bisschen mit den Schnüren aufpassen. An dieser Stelle vielleicht noch eine kleine Erklärung, warum Vroni mit ihrem Küchenzelt und dem ganzen Gerödel, eigentlich erst beginnt abzubauen, wenn wir bereits weg sind, und doch vor uns im Camp sein kann. Alle Camps auf unserer Reise sind mehr oder weniger gut mit dem Fahrzeug zu erreichen. Wobei diese Fahrzeuge dann bevorzugt ein Jeep bzw. Superjeeps mit Anhänger, oder auch mal ein Unimog ist. Einige Isländer haben sich besonders darauf spezialisiert, in diese entlegenen Gebiete mit ihren Fahrzeugen diese Transporte durchzuführen. Die Vorräte auf dieser Reise werden soweit möglich unterwegs aufgefüllt, oder an einigen Stellen werden sie uns sogar mit dem Linienbus geliefert.
Aber zurück zu unserem Tag, denn einige von uns machen noch einen kleinen Spaziergang durch die nähere Umgebung. Schon vom Camp aus sieht man den Myrdalsjökull, immerhin mit 590 Quadratkilometern der viertgrößte Gletscher Islands. Aber das eigentliche Ziel unseres kleinen Ausflugs ist die Markarfljotsgljufur, eine Schlucht mit einer Tiefe von bis zu 180m. Sie ist mit ihrem steilen Einschnitt ziemlich imposant, und bietet darüber hinaus an den steilen Wänden an einigen Stellen ein interessantes Farbspiel. Da wir hier fast alleine sind, verstärkt sich der Eindruck noch einmal. Man hat fast den Eindruck, als gehörten wir zu den ersten Menschen, die hier unterwegs sind. Das ist natürlich völliger Quatsch, aber doch sieht das Land hier noch völlig unberührt von Menschenhand aus. Ein Ort, der eine unglaubliche Ruhe ausstrahlt. So vergessen wir auch ein bisschen die Zeit, um einfach nur zu genießen. Auch wenn wir dafür auf dem Rückweg ein bisschen hetzen müssen, um nicht zu spät zum wieder um 19:00 Uhr angesetzten Abendessen zu kommen. Gegen meine sonstigen Gewohnheiten, schaue ich mir heute Abend, schon im Schlafsack liegend noch einmal die letzten Bilder auf der Kamera an. Irgendwie erscheinen mir die Bilder nicht recht klar genug. Auch wenn das auf dem kleinen Kameradisplay natürlich nur schwer zu beurteilen ist. Als ich mir dazu noch ein Histogramm ansehen, sehe ich sofort, was schiefgelaufen ist. Ich habe die letzten Tage mit einem festen ISO Wert von 6400 fotografiert. Aber was soll ich mich aufregen, über etwas was ich nun ohnehin nicht mehr ändern kann. So gilt es dann zu Hause einfach das Beste aus den Bildern zu machen.