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9. Reisetag          Kosyrewsk – 18.08.2018

Wir kehren wieder zu unserer normalen Frühstückszeit um 8:00 Uhr zurück. Zuvor habe ich schon mal gepackt, und auch mein Zelt zum Trocknen des Unterbodens umgedreht. Gegen ca. 9:30 Uhr ist alles auf dem Lkw, über das Aschefeld geht es zurück in Richtung der Hauptstraße, die große Teile des russischen Provinz Kamtschatka in Nord-Süd Richtung verbindet. Heute haben wir dazu auch Sonnenschein, so gelinge noch ein paar freundliche Bilder, bevor es wieder in den dichten Wald geht. Wir fahren auf dem gleichen Weg zurück in Richtung der Hauptstraße, auf dem wir auch schon gekommen sind. Auch die Mittagspause machen wir wieder auf dem ausgetrockneten Fluss, dessen Flussbett komplett mit Geröll bedeckt ist, und auch ein bisschen Treibholz liegt darin herum und vermittelt einen Eindruck, welche mächtige Wasserkraft hier gearbeitet hat. Gefühlt sind die Mücken heute nicht mehr ganz so „garstig“ unterwegs, vielleicht stumpf man aber auch nur ab. Nur der Völkermord im Lkw, nachdem es weitergeht, lässt an Intensität nicht nach. Auf der Hauptstraße angekommen, geht es für uns noch ein kleines Stückchen weiter in Richtung Norden, wo wir heute Station in dem kleinen Ort Kosyrewsk machen. Es gibt eine Post und als wir gerade eine kleine Runde durch den Ort machen, treffen auch gerade zwei öffentliche Busse ein. Einige Mitreisende kaufen auf der örtlichen Post zwei Dutzend Postkarten, ausreichend Briefmarken sind dafür allerdings nicht vorrätig. Die Post öffnet nachmittags übrigens nur in der Zeit von 15 bis 16 Uhr. Wir selbst machen uns noch auf den Weg zum Kamtschatka – dem Fluss. Auch wenn das Wasser sehr ruhig aussieht, hat es doch eine ordentlich Fließgeschwindigkeit. Direkt bei uns kommen auch zwei Fischer mit ihrem Fang an Land. Kein Zweifel, die Lachse ziehen. Sie bieten uns auch gleich die Fische zum Kauf an, was wir dankend ablehnen. Dafür gönnen wir uns am späten Nachmittag noch eine Banja, also die russische Version einer Sauna. Zunächst wäscht man sich mittels einer Schöpfkelle aus dem selbst gemischten warmen und kalten Wasser. Dann geht es in die eigentliche Sauna, in der auch der Eimer mit dem kalten Wasser zur Abkühlung an der Decke hängt. Die Banja wird hier natürlich mit Holz befeuert. Nach den letzten Tagen ist die Banja auf jeden Fall sehr angenehm, und vermittelt ein buchstäblich porentiefes Reinheitsgefühl. Man könnte eigentlich direkt ins Bett gehen.

Vielleicht noch ein paar Sätze dazu, wo wir uns überhaupt befinden. Der Ort heißt wie bereits erwähnt Kosyrewsk. Nun, damit werden die wenigsten etwas anfangen können. Das ging mir im Vorfeld auch genauso, und wenn man ehrlich ist, ist es im Nachhinein nicht so sehr viel anders. Selbst den Namen musste ich anhand der aufgezeichneten GPS-Koordinaten ermitteln. Der Ort hat heute rund 1200 Einwohner, vor 20 Jahren waren es noch etwa doppelt so viele, er liegt zwar an der Hauptverkehrsstraße der Provinz, und trotzdem im Niemandsland. Nicht zuletzt, da die Straße nicht mehr sehr viel weiter in den Norden führt. Dazu muss man wissen, wir befinden uns auf der Ausdehnung von 1600 Kilometer in Nord-Südrichtung der Halbinsel Kamtschatka etwa in der Mitte. Die Provinz Kamtschatka geht noch ein paar Hundert Kilometer weiter in den Norden. Daraus kann man erkennen, es gibt keine wirklich durchgehende Straßenverbindung vom russischen Kernland in den eigentlich nur bewohnten Süden der Halbinsel. Diesen erreicht man entsprechend nur mit dem Schiff oder per Flugzeug. Ich weiß, ich tue jetzt einigen Einwohnern im Norden damit Unrecht, aber hier scheint die Welt ein bisschen zu Ende zu gehen. Schon in den hiesigen Verwaltungsbezirken liegt die Bevölkerungsdichte bei 0,3 Einwohner pro Quadratkilometer – noch mal zur Erinnerung Kosyrewsk hat 1200 Einwohner, rein statistisch deckt das dann eine Fläche von rund einem Viertel von Schleswig-Holstein oder Thüringen ab. Und weiter im Norden der Provinz fällt die Bevölkerungsdichte bis auf 0,02 Einwohner pro Quadratkilometer ab. Wie in weiten Teilen der Provinz gibt es nur wenig Arbeitsplätze. Fischerei gibt es nur am Fluss und Landwirtschaft eigentlich auch nicht wirklich, wenn man mal von dem eigenen Garten absieht. Denn jeder hat in seinem Garten vor allem noch ein paar Kartoffel und ein bisschen Gemüse für den Eigenbedarf. Aber die Möglichkeiten sind begrenzt, nicht zuletzt da die Vegetationszeit nur kurz ist. Dann bleibt noch ein bisschen Forstwirtschaft, aber viel mehr dann schon nicht mehr. So sind die meisten Menschen nicht eben wohlhabend. Daher ist auch die bedrohliche Entwicklung der Einwohnerzahl durchaus nachvollziehbar. Zu Sowjetzeiten gab es sehr viele Militärbasen in Kamtschatka, bis in die Anfänge der Neunziger-Jahre hinein war die komplette Halbinsel militärisches Sperrgebiet. Entsprechend kam auf diesem Wege Geld ins Land, und auch die Zentralregierung subventionierte viele Güter. Dies ist heute deutlich zurückgefahren und so ist das Leben für die Menschen hier sehr teuer, und die Verdienstmöglichkeiten schlecht. So sehen viele der Gebäude auch ein bisschen runtergekommen aus. Hier und da hat noch jemand mit bevorzugt einem ziemlich bunten Farbanstrich etwas gemacht, aber das ist dann meist kaum mehr als ein bisschen optische Kosmetik. Da für die Jungen kaum eine Perspektive besteht, ziehen diese in den Großraum Petropawlowsk oder gleich noch weiter weg in andere russische Provinzen. So überaltert die Bevölkerung zusätzlich, und es finden sich entsprechend keine Investoren, da diese dann wiederum keine Arbeitskräfte finden - ein Teufelskreis. Das Einzige, was nicht von weit her rangeschafft werden muss, ist Brennstoff für den Winter. Nach Maßstäben der deutschen Energieeinsparverordnung wird hier nachhaltig mit Holz aus dem praktisch alles umgebenden Wald geheizt. Auch wenn der Wirkungsgrad dabei vermutlich eher mäßig ist. Aber praktisch jedes Haus hat hier größere Mengen Holz entweder vor dem Haus und deutlich sichtbar auf dem Hof liegen. Aber die Winter hier sind schließlich auch lang und kalt, wenn auch nicht so kalt, wie ich im Vorfeld, ohne mich damit beschäftigt zu haben, dachte. So sinken die Temperaturen auch im Winter kaum einmal unter die -20°C. In Gegenden in Jakutien oder Sibirien, die auf einem ähnlichen Breitengrad liegen, können es auch schon mal -70°C werden. Dort ist das Klima kontinental geprägt, hier auf der Halbinsel Kamtschatka wird es ganz wesentlich von dem umgehenden Pazifik, oder genauer müsste man eigentlich Ochotskischen Meer und dem Beringmeer mäßigend beeinflusst. Heute ist ein für mitteleuropäische Verhältnisse frischer Sommertag mit vielleicht 12°C, auch wenn sich die Sonne nach ihrem morgendlichen Gastspiel wieder versteckt alles in allem nicht unangenehm. Ja man würde sich nur wegen der Mücken ein bisschen mehr Wind wünschen. Aber das wusste man schließlich vorher, und im Reiseführer ist den Stechinsekten auch ein eigenes (Unter-) Kapitel gewidmet. Die Mücken auf Kamtschatka gehören wie die bei uns heimische Gemeine Stechmücke zur Familie der Culex, die sich übrigens in derzeit 768 bekannte verschiedene Spezies unterteilt. Die Mücken auf Kamtschatka sind ein bisschen größere als unsere, aber leider auch nicht die einzigen Steckinsekten, mit denen man es hier zu tun hat. Auch Beißfliegen mit einer Größe von lediglich rund 4mm sind hier an meinem Blut interessiert, und dann gibt es auch noch die kaum einen Millimeter großen Gnitzen. Nicht unerwähnt, aber zu unserer Reisezeit schon durch, sind auch noch Pferdefliegen, besser bekannt als Bremsen, anzutreffen. Sie erleben ihre Hochphase in Kamtschatka im Juli. Ich kann nicht sagen, dass ich sie vermisse.