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18. Reisetag         Palomino – 18.02.2020

Das Programm für heute sieht so aus: „ “. Nichts, heute steht so gar nichts auf dem Plan, praktisch ein freier Tag im Urlaub. So gehe ich, da ich wieder früh wach bin, an den noch fast menschenleeren Strand und lasse mir den Wind um die Ohren blasen. Wobei man sagen muss, auch sonst ist es nicht gerade überfüllt hier. Auch wenn ich alles andere als der Strandtyp bin, und von den Mittelmeerstränden oder den Handtuch-Reservierungen nur von Hörensagen weiß, geht es hier ziemlich entspannt zu. Gegen 8:00 Uhr gehe ich zum Frühstück, wo schon einige andere aus unserer Gruppe sitzen. Auch sie starten wie ich sehr entspannt in den Tag. Einige planen für den Vormittag noch eine Fahrt auf einem Fluss in der Nähe, ich entscheide mich aber für die totale Muße. So verbringe ich den größten Teil des Tages am Strand in einer Hängematte im Schatten der Bäume lesend. Ich hatte mir die E-Paper meiner Zeitung der letzten Woche heruntergeladen, und bringe mich wieder ein bisschen auf dem Stand, schiebe auch über den ganzen Tag verteilt immer wieder Zeiten der tiefen inneren Ruhe ein, man könnte auch sagen, ich döse ein bisschen.

Da heute nicht so viel passiert, ist an dieser Stelle ein breiter Raum noch ein bisschen näher auf die Geschichte Kolumbiens einzugehen. Ich hatte an einem der ersten Tage schon den Abschnitt bis der Gründung Groß-Kolumbiens unter Bolivar und dessen späteren Zerfall geschrieben. So soll es hier dann um die Zeit ab 1850 gehen. Inzwischen hieß das Staatsgebilde Nueva Granda. Es kam immer wieder zu Zwistigkeiten zwischen den Teilgebieten, es folgte eine Konföderation verschiedenen Staaten, man versuchte die Vereinigten Staaten von Kolumbien zu etablieren, das Resultat waren zeitweise Bürgerkriege, kurze Kriege zwischen den Provinzen wie etwa zwischen Peru und Kolumbien, das sich im Jahre 1886 in Republik Kolumbien umbenannte. Im Jahre 1899 schließlich brach im heutigen Kolumbien ein Bürgerkrieg zwischen den Konservativen in Verbindung mit der bis heute sehr einflussreichen katholischen Kirch gegen die Liberalen aus. Die Konservativen, als „Kinder“ von Simon Bolivar, strebten eine starke Zentralregierung an, die Liberalen im politischen Erben von Francisco de Paula Santander verankert, wollten das genaue Gegenteil. Im sogenannten Krieg der 1000 Tag zwischen 1899 und 1902 kamen 100000 Menschen ums Leben. Er endete mit einem Sieg der Konservativen aber auch mit einem tiefen Riss durch die Gesellschaft. Das Land Kolumbien war sehr geschwächt, was dann dazu führte, dass die USA die Abspaltung des heutigen Panama von Kolumbien forcierten. Der amerikanische Präsident Theodore Roosevelt hatte dabei aber weniger Panama selbst im Auge, sondern viel mehr einen Kanal zwischen dem Atlantik und dem Pazifik, der für die Amerikaner große strategische Bedeutung hatte. Im November 1903 war es dann soweit, Panama erklärte seine Unabhängigkeit. Frankreich hatte schon 1881 damit begonnen einen Kanal im heutigen Panama zu bauen, der ganz ohne Schleusen auskommen sollte, nachdem sie beim Suez-Kanal damit einen großen Erfolg gefeiert hatten. Sie musste diesen Versuch aber 1889 abbrechen. Es gab im Vorfeld grobe Fehler in der Planung, aber auch fehlerhafte geologische Untersuchungen, eine schlechte Organisation und ein hohes Maß an Korruption. Durch all diese Umstände explodierten die Kosten. Außerdem gab es viele Opfer unter den rund 100000 Arbeitern, die wegen der Bauarbeiten in das Gebiet gekommen waren. In den Sümpfen grassierte Gelbfieber und Malaria, gegen letzte versuche man übrigens die Betten in Wassereimer zu stellen, um die Übertragung der bis dahin unbekannten Krankheit zu unterbinden. Das Ergebnis war eine optimale Brutstätte für die Mücken, die die Malaria übertrugen. Das Resultat waren insgesamt 22000 Tote unter den Arbeitern. Im Jahre 1903 verkauften die Franzosen schließlich den bis dahin fertig gestellten Teil des Panamakanals an die Amerikaner für 40 Millionen US-Dollar, die dort ihre Flagge hissten. Die USA konnten aber auch nur 40% des bis dahin fertiggestellten Teil des Kanals nutzen. Der ursprüngliche Plan sah eine Länge von 73 Kilometer vor, der heutige von den Amerikanern fertig gestellte Panamakanal hat eine tatsächliche Länge von 82 Kilometer und verfügt im Gegensatz zur Planung der Franzosen über drei Schleusenpaare. Die Einflussnahme der Amerikaner im Panama-Konflikt sorgte noch längere Zeit für ein schwieriges Verhältnis zwischen den USA und Kolumbien.

Das geschwächte Kolumbien kam wieder auf die Beine und erlebte eine wirtschaftliche Blüte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Kaffee wurde zum Exportschlager und machte zeitweise 90% der Ausfuhren aus. Dabei verdienten einige wenige Großgrundbesitzers und Vertreter der Oberschicht sehr gut, es wurde in die Infrastruktur des Landes investiert, aber bei großen Teilen der Bevölkerung kam der wirtschaftliche Aufschwung überhaupt nicht an. Das führte zur Entstehung einer sozialistischen Partei, die gegenüber den seit 1930 regierenden Liberalen zunehmend an Einfluss gewannen. Im Jahre 1948 wurde schließlich der sozialistische Präsidentschaftskandidat bei einem Attentat ermordet, noch am gleichen Tag starben 3000 Menschen bei den Unruhen in Folge des Attentats. Aber es sollte noch viel schlimmer kommen. In den folgenden 10 Jahren wurden im ganzen Land rund 300000 Menschen von verschiedenen Bäuerlichen Guerilla Verbände, aber auch Todesschwadronen fast aller bestehenden Parteien ermordet, es wurde gefoltert und vergewaltigt. Daran konnte zunächst auch ein Putsch durch das Militär unter General Gustavo Rojas Pinilla im Jahre 1953 nur wenig ändern. Er selbst wurde seinerseits im Jahre 1957 von anderen Armeeangehörigen wieder abgesetzt, und es folgte für 15 Jahren eine Koalition zwischen Konservativen und Liberalen, die sich absprachegemäß alle 4 Jahre bei der Stellung des Präsidenten abwechselten. Man bemühte sich um Reformen die insbesondere die Bauern und das einfache Volk stärken sollten. Auch die USA versuchten die Länder in Südamerika zu unterstützen, nicht zuletzt weil Fidel Castro 1959 die Macht auf Kuba übernommen hatte, und man einen kommunistischen Flächenbrand dort vermeiden wollte. Mit der Unterstützung Kubas und deren „Bruderstaaten“, entstanden auch in Kolumbien kommunistische Gruppierungen (MOEC), die später in der ELN aufging, die auch mit militärischer Gewalt und Guerilla Methoden einen Umsturz in Kolumbien anstrebte, und sich dabei nicht zuletzt aus den immer noch bestehenden Bäuerlichen Guerilla Gruppen formierte. Im Jahre 1964 schließlich griff die kolumbianische Armee die Basen verschiedener kommunistisch orientierte Gruppen und Verbände an. Viele gemäßigtere Vertreter dieser Organisationen radikalisierten sich und es entstand die FARC, die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens. Sie konnten in den folgenden Jahren große Teile Kolumbiens unter ihre Herrschaft bringen und besteuerten etwa den inzwischen immer stärkeren Anbau und Handel von Kokain im Land. Sie organisierten zunehmend den Anbau in ihrem Einflussbereich und stiegen auch in die Produktion und Vermarktung der Drogen an die Dealer in den Absatzmärkten ein. Mit den daraus erzielten Millionen finanzierten sie ihre militärischen Auseinandersetzungen mit den kolumbianischen Sicherheitsorganen. Während die linksgerichteten Guerilla-Gruppen vor allem auf dem Land operierte und durch die Gräueltaten von beiden Seiten eine beispiellose Landfluchte auslösten, 1960 lebten 45% der Kolumbianer in Städten, heute sind es über 75%, war die 1974 gegründete M-19 (Gründung am 19. April) vor allem im städtischen Bereich aktiv und war eher nationalistisch orientiert. Sie fiel vor allem durch waghalsige Anschläge auf, so überfiel sie etwa 1980 eine Cocktailparty in der Botschaft der Dominkanischen Republik und brachte dort 14 Botschafter aus Drittländern in ihre Gewalt.

Etwa zur gleichen Zeit, als die M-19 entstand, stellten viele Haschischschmuggler auf Kokain um. Es entstanden in kurzer Zeit gewaltige Einnahmen, und eine sich scheinbar immer schnellere Ausbreitung der Kokainproduktion brachte immer noch höhere Gewinne. Daraus entstanden vor allem zwei sehr bekannte Kartelle in Medellín und Cali. Nur die rücksichtslosesten Vertreter schafften es an die Spitze dieser Kartelle, weltweite Bekanntheit erreichte Pablo Escobar als Chef des Medellín Kartells. Der sich durch die Verteilung von ein paar Millionen, in seinen Dimensionen kaum mehr als ein paar Brotkrumen, an die arme Bevölkerung einer hohen Beliebtheit im Lande erfreute, und die sogar in seine Wahl in den Kongress also in das Parlament des Landes umzumünzen wusste. Die USA, als der größte Absatzmarkt des Kokains, machte zunehmend Druck auf die Regierung Kolumbiens, Escobar auszuliefern damit man ihm in den USA den Prozess machen konnte. Dieser antwortete mit zusätzlicher Gewalt im Land, beide Kartelle unterhielten Todesschwadronen, die unzählige Richter, Polizisten, Journalisten, Politiker und gar einen amtierenden Justizminister ermordeten. Sie verlegten sich ebenso auf Erpressung und Entführung. Sie handelten nach der Devise Silber oder Blei, wer sich nicht mit Geld gefügig machen ließ wurde ermordet oder anderweitig mit maximalem Druck zur Marionette der eigenen Interessen gemacht. Dabei sind die Todesschwadronen anfangs die Antwort der Drogenbosse auf die Entführung einer Tochter eines der Gründer des Medellín Kartells gewesen. Sie wurden mit der Zeit dann immer weiter ausgebaut und es entstanden paramilitärische Einheiten, die ihrerseits mit militärischen Mitteln gegen die linksgerichteten Guerilla Organisationen vorgingen, die sich wiederrum immer mehr im Kokainhandel ausbreiteten. Diese paramilitärischen Einheiten der Drogenbosse wurden dann zunehmend auch die Schutzmacht der Großgrundbesitzer und großen Unternehmen des Landes.

Mitte der 1980er begann die Regierung Kolumbiens mit M-19 und FARC über ein Ende des Krieges gegeneinander zu verhandeln, Teil des Abkommens sollte auch eine Beteiligung an der Regierung sein. Zahlreiche Mitglieder der Sicherheitskräfte widersetzten sich dem zunächst ausgehandelten Waffenstillstand. Daraufhin stürmten 35 Mitglieder der M-19 den Justizpalast und nahmen 300 Anwälte und Richter als Geiseln. Im Zuge des Kampfes um den Justizpalast gab es mehr als 100 Tote unter anderem 11 Mitglieder der 21-Köpfigen höchsten Gerichts des Landes. Kurz darauf beendete die M-19 den bewaffneten Kampf und ihre begnadeten Führer und Kämpfer gründeten eine legale Partei. Die Verhandlungen mit der FARC scheiterten. Ende der 1980er Jahre intensivierten die USA noch mal den Kampf gegen die Kokainbosse und ließen Kokaanpflanzungen großflächig mit Hubschraubern mit Glyphosat besprühen. Dadurch wurden nicht nur Kokapflanzen zerstört, sondern vielen Bauern auch alle anderen Nutzpflanzen und auch Teile des angrenzenden Waldes wurden komplett zerstört. Die Bauern waren buchstäblich ihrer gesamten Existenzgrundlage beraubt worden. Um zu überleben, bauten viele Bauern anschließend umgehend wieder Koka an, weil das die höchsten finanziellen Erträge brachte. Das Medellín-Kartell geriet zunehmend nicht zuletzt durch den Staat mit immenser Unterstützung der USA unter Druck. Escobar ließ daraufhin eine Präsidentschaftskandidatin zu den Wahlen 1989 erschießen, und versuchte einen weiteren mittels eines Bombenanschlags auf eine Linienmaschine zu töten. Das zweite Attentat misslang, da der spätere Präsident die Maschine verpasste. Ironie der Geschichte dabei ist, dass in seiner Amtszeit das Medellín Kartell in seiner bisherigen Form unterging. 1993 schließlich starb Pablo Escobar, wobei bis heute nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob er sich selbst erschoss, oder auf der Flucht von den Sicherheitskräften auf der Flucht erschossen wurde. Seine Familie behauptet bis heute, er hätte sich selbst getötet, da es die einzige Möglichkeit war, seine Familie vor dem sicheren Tod zu schützen, da die Regierung kurz zuvor die offizielle Leibwache in der von Escobar selbst gebauten Luxusvilla abgezogen wurde, und es daher nur eine Frage der Zeit war, bis eine der vom Cali Kartell finanzierten paramilitärischen Gruppen alle ermordet hätte. Durchaus für die Auslegung spricht, dass nur wenige Tage vor seinem Tod täglich Telefonverbindungen von ihm zu seiner Familie mitgeschnitten wurden, obwohl er zuvor 1,5 Jahre spurlos verschwunden war, nachdem er aus seinem Hausarrest in seiner eigenen Luxusvilla geflohen war. Beteiligt an der Jagd auf ihn waren zum Schluss nicht nur die kolumbianischen Sicherheitskräfte mit massiver Unterstützung der USA, sondern auch paramilitärische Einheiten, die von seinem Hauptkonkurrenten dem Cali Kartell bezahlt wurden, und im Vorfeld viele seiner Vertrauten umgebracht bzw. an Regierungsvertreter verraten hatten. Das Cali Kartell selbst wurde faktisch 1995 zerschlagen. Da dieses aber anders als das Medellín Kartell mit Pablo Escobar nicht auf eine Person ausgerichtet war, sondern in unzähligen Zellen agierte, entstanden viele kleinere Nachfolgeorganisationen.

In den letzten Jahren bilden sich auch andere Drogenorganisationen heraus. Ihr Geschäft ist zunehmend weniger der Anbau der Kokapflanzen bis hin zu Produktion von Kokain, sondern viel mehr ein Dienstleistungsangebot rund um den Vertrieb. Dabei geht es vor allem um den Schmuggel bis hin zum Vertrieb an die Drogendealer in den Zielmärkten, aber auch Auftragsmorde, Vertreibung, Erpressung bis hin zum illegalen Bergbau gehören zu ihren Aktivitäten. Und die Drogentransporte werden heute offensichtlich in sehr viele größeren Mengen pro Transport abgewickelt. So wurden in den letzten drei Jahren jeweils Lieferungen von mehr als 5 t wohlgemerkt pro Lieferung von Zollbehörden beschlagnahmt. In Kolumbien selbst wurde im Jahr 2017 gar eine Menge von 12t auf einem Schlag von Sicherheitskräften beschlagnahmt. Dort gab man den Wert mit 360 Millionen US-Dollar an. Die großen Lieferungen von Kolumbien in die USA werden heute vermutlich nicht mehr direkt nach Florida durchgeführt, sondern kommen über weitere „Dienstleister“ in Mexico dann ins Land. Auch in Hamburg wurden im Sommer 2019 4,5t Kokain sichergestellt. Die Ermittler schätzten den Straßenpreis damals auf über 1 Milliarde Euro, was nach den Angaben bei anderen Funden aber vermutlich etwas überhöht sein dürfte. So wurde auch 2019 in Spanien ein U-Boot aufgebracht, in dem Ermittler 3t Kokain sicherstellen konnten, dort wurde der Wert mit über 100 Millionen angegeben. Wobei die U-Boote offensichtlich extra für diese Transporte gebaut werden, um sie dann anschließend zu versenken. Man kann also davon ausgehen, dass der Transport ein extrem einträgliches Geschäft ist, und die Transporteure das ganz offensichtlich in einem extrem großen Maßstab betreiben. Die Kokain Jahresproduktion in Kolumbien wird aktuell auf etwa 1350t taxiert. Und die Verkaufspreise bzw. deren Schätzungen hängt entscheidenden von der Streckung ab. So soll „schlechte“ Ware lediglich noch zu 15% aus reinem Kokain bestehen, während sehr „saubere“ Ware bis zu 50% Kokain enthält. Das hat dann natürlich auch Auswirkungen auf den Preis. Interessant an der Stelle vielleicht noch etwas ganz anderes. Den Drogenkonsum misst man z.B. in Deutschland relativ genau im Abwasser. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Kokain vor allem am Wochenende konsumiert wird, während Chrystal Meth und Amphetamine gleichmäßiger über die Woche verteilt genommen werden. Und auch zwischen den Städten gibt es deutliche Unterschiede, so werden in Dortmund und Berlin deutlich mehr Rückstände sowohl von Kokain als auch von anderen Drogen im Abwasser gefunden als etwa in München. Aber zurück nach Kolumbien. Während der Transport offensichtlich sehr großteilig abläuft, ist die Drogenproduktion heute sehr viel kleinteiliger als zu den Hochzeiten der Drogen-Kartelle organisiert, weiterhin ist aber Medellín der wichtigste Standort im Drogenhandel des Landes. Wobei zum Beispiel die Tötungsdelikte in den 90er Jahren bei rund 5000 pro Jahr lagen, sind sie im Jahre 2019 auf 591 gefallen. Im März 2020 beträgt die wegen der Ausgangssperren anlässlich der Corona Pandemie übrigens nur 18. Offensichtlich wollen auch keine Mörder an einer Corona-Infektion sterben, und bleiben deshalb zu Hause. Die Drogenproduktion selbst findet neben dem Südwesten Kolumbiens vor allem im Nordwesten an der Grenze zu Venezuela und im Norden an der Grenze zu Panama statt. Aktuell schätzt man, das auf einer Fläche von rund 170000 ha Kokapflanzen angebaut werden. Zum Vergleich ist das etwa die doppelte Fläche von Berlin, oder 2/3 des Saarlands.

Um zu verstehen, wie es sein kann, dass man solche riesigen Flächen in Kolumbien nicht finden kann oder vielleicht auch nicht finden will, gehört auch noch ein Blick in die jüngere Geschichte Kolumbiens. Denn wie immer muss man vieles im Leben im Kontext sehen. Die paramilitärischen Einheiten, ursprünglich von den Drogenkartellen für ihre eigenen Zwecken gegründet, werden zu einer weiteren Guerilla Einheit, die eher rechte Ziele verfolgt. So entsteht 1997 neben der linksgerichteten FARC und ELN damit die dritte Guerilla Truppe, die AUC. Sie ist auch weiter als Gegengewicht zu den beiden anderen zu sehen. Zu Beginn des 21 Jahrhundert kontrolliert die FARC ein Gebiet so groß wie Frankreich und hat 16000 Kämpfer unter Waffen. Sie entführen Soldaten, Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens. In diese Zeit fällt auch die Entführung der Touristen im Umfeld der Ciudad Perdida durch die noch radikalere ELN. Die USA initiieren ein Hilfspaket in Höhe von 1,3 Milliarden US-Dollar in Kolumbien, von dem ein großer Teil bei der AUC landet. Darüber hinaus verdienen auch sie weiter an den Drogen. Gleichzeitig werden sie auch noch inoffiziell von Sympathisanten aus der Armee unterstützt. Im Jahre 2002 wird Alvaro Uribe Präsident in Kolumbien. Er versucht mit harter Hand gegen alle Guerilla-Einheiten aus FARC, ELN und AUC vorzugehen und konnte dabei auch durchaus Erfolge vorweisen. Er gewinnt große Teile des Landes von der FARC zurück, die AUC löst sich 2003 auf. Sie handelt dabei aus, dass alle Führer und Kämpfer wie schon bei der M-19 begnadigt werden, gleichzeitig lassen sie sich noch zusichern nicht an die USA ausgeliefert zu werden, sollten sie dort angeklagt werden. Seitdem habe sich einige Personen, die wegen Korruption und Drogendelikten in den USA angeklagt wurden, genau darauf berufen, und behauptet früher Teil der AUC gewesen zu sein. Neben dem Kampf gegen die Guerilla Verbände baut Uribe auch die Sozialausgaben aus. So wurde ihm aus dem Ausland bescheinigt Kolumbien wieder zu einem stabilen Land gemacht zu haben. Sogar die Anbauflächen der Kokapflanzen gingen anfangs zurück. Letztlich konnte er aber weder FARC noch ELN auflösen. Zeitweise überlegte er den Anbau der Kokapflanzen zu legalisieren. Diesen Plan verwarf er dann auf massivsten Druck aus der USA wieder. In der Folge stiegen die Anbauflächen wieder an. Kolumbien setzte weiter bis 2015 auf den massiven Einsatz von Glyphosat. So wurden im Land jährlich 4,5 Millionen Liter aus Flugzeugen versprüht. Wobei die Flugzeuge häufig relativ hoch fliegen mussten, um nicht von Kämpfern der FARC oder ELN beschossen zu werden. Das verhinderte aber deutlich den zielgenauen Einsatz, und zusätzlich sind die genaue Bestimmung, ob auf den Feldern überhaupt tatsächlich Kokopflanzen oder andere Nutzpflanzen angebaut wurden so schwierig. So wurden immer wieder normale Pflanzen vergiftet und die Ernte damit vernichtet. Um Kokapflanzen zuverlässig zu vernichten sind ohnehin bis zu 30 Einsätze nötig. Bis dahin bauten die Bauern einfach erneut Koka an. So berichteten Bauern, dass sie auf nur 5% ihrer Flächen Koka anbauten, damit aber 70% ihres Einkommens erzielten. Und konnte keine Koka mehr auf den Feldern angebaut werden, zogen die Bauern notgedrungen weiter, und rodeten neu Flächen des Regenwaldes um von vorne zu beginnen. Logischerweise wurden auch die Menschen auf den Höfen mit Glyphosat eingesprüht. Gutachten berichteten dabei von teilweise erheblichen Gesundheitsschäden, so berichteten viele über Probleme mit den Augen. Ab 2016 begann Kolumbien dann die Kokapflanzen mechanisch zu entfernen. Aber auch das stellt sich als problematisch heraus, das ist zwar sehr zielgenau, es kamen aber immer wieder zu Unfällen mit Landmienen, die in den Feldern versteckt waren. Im Jahre 2016 konnte dann aber doch noch ein Friedensabkommen mit der FARC geschlossen werden. Die FARC wurde entwaffnet, ihre Kämpfer zogen in besonders ausgewiesene Gebiete, in denen sie in den folgenden zwei Jahren auf ein normales friedliches Leben vorbereitet werden sollen. Wie zuvor schon M-19 und AUC wurde alle Kämpfer und Führer begnadigt. Darüber hinaus wurde den Vertretern der FARC für die beiden nächsten Legislaturperioden Sitze im Parlament fest zugesagt, auch wenn sie bei den Wahlen die dafür nötigen Stimmen nicht erreichen sollten. Außerdem versprach die Regierung eine Landreform insbesondere in Bezug auf die Haziendas der Großgrundbesitzer, eine stärkere Unterstützung und Subvention für die Bauern, die ihre Kokapflanzen zugunsten von anderen Produkten selbst vernichteten. Der Friedensvertrag wurde allerdings zunächst in einer Volksabstimmung mit 50,2% der abgegebenen Stimmen abgelehnt. Wobei nur 37% der Wahlberechtigten überhaupt ihre Stimme abgaben, und die Wahlen in Kolumbien eigentlich permanent unter dem Verdacht von Unregelmäßigkeiten stehen, wenn sie wie die Präsidentschaftswahlen oder die Parlamentswahlen des Landes nicht von ausländischen Beobachtern kontrolliert werden. So wurde der Vertrag noch mal nachverhandelt und dann ohne eine weitere Volksabstimmung so in Kraft gesetzt. Die FARC-Kämpfer haben daraufhin ihre Waffen abgegeben und sind in die vorgesehenen Gebiete gezogen, wobei die Lebensumstände dort erbärmlich sein sollen. Die Landreform oder die Unterstützung der Bauern beim Wechsel weg von der Koka zu anderen Pflanzen hat bis heute für die Bauern nicht stattgefunden. Dafür ist das dafür vorgesehene Geld in anderen dunklen Kanälen der Korruption versickert. Gleichzeitig hat Kolumbien versäumt die Freiräume durch die abgezogene FARC selbst zu füllen und in den Gebieten Recht und Ordnung wiederherzustellen. Stattdessen haben sich dort kleine kriminelle Clans breit gemacht, die nicht selten wieder in der Kokainproduktion verstrickt sind. So bleibt den Bauern wegen der ansonsten schlechten Verdienstmöglichkeiten mit anderen Produkten in diesen nur schwer zugänglichen Gebieten häufig kaum etwas anderes übrig als auch weiterhin Koka anzubauen. Dazu kommen dann noch die Androhungen von Repressalien von den lokalen Clans. Auch die Korruption im Land ist nach wie vor ein großes Problem, und im Drogengeschäft wird sehr viel Geld verdient. So wird das Land wohl noch länger zwischen den Drogenproduzenten und dem Druck der Abnehmerländern insbesondere den USA aufgerieben. Denn solange es in den Abnehmerländern einen derart lukrativen Markt für Kokain gibt, wird es auch immer Anpflanzungen im Kolumbien geben. Zumal die Voraussetzungen für den Kokaanbau in Kolumbien von den klimatischen Bedingungen nahezu ideal sind, dazu wurden auch heute noch große Teile des Landes kaum jemals von einem Menschen betreten wurden, und im undurchdringlichen Wald verborgen liegen, geschweige denn dass es dort Straßen geben würde. So ist Recht und Ordnung weit, und das Leben dort sehr reich an Entbehrungen, und den Rest machen dann ein paar Dollar Schmiergeld. Außerdem ist die Familie in Kolumbien das höchste Gut, und die Menschen tun alles dafür, von ihren Angehörigen Schaden abzuwenden. Und wenn das heißt auch mal ein Auge zuzudrücken, dann werden es die meisten sicherlich tun. Und dabei spielt es keine Rolle, ob jemand ein paar Kokapflanzen hat, oder eines seiner Tiere krank ist. Und die Lebensumstände insbesondere der Bauern sind sehr schwierig. Da ist es nur zu verständlich, wenn sie sich so ein paar Peso dazuverdienen. Dazu muss man auch berücksichtigen, insbesondere in den benachteiligten Gebieten sind sie immer noch mit dem Maultier unterwegs, da sie von ihren kleinen Erträgen kein Auto unterhalten könnten. Sie befinden sich sehr weit unten in einer Gesellschaft, die ohnehin schon riesige Spreizung der Einkommen hat, und an der sich auch in den letzten Jahren nach den Friedensabkommen mit der FARC nichts Wesentliches geändert hat.