10. Tag Moose Creek – 08.06.2015
Heute steht wieder ein Fahrtag an, wenn auch ein kurzer. So ist Frühstück erst gegen 8:30 Uhr und Abfahrt entsprechend eine Stunde später. Zunächst ist das erste Ziel ein kleines Zentrum einer Native Nation, also einem der hier ursprünglich lebenden Völker. Diese Gruppe lebte vor allem vom Fischfang im Yukon, im Zentrum gezeigt werden einige historische Geräte und alte Fotos, aber auch neuere Stücke nach alten Vorgaben wie etwa Kleidung. Man berichtete uns von Schwierigkeiten, unter anderem die alten Dialekte und Sprachen zu erhalten. Hier gibt es zwar auch in der Schule entsprechenden Unterricht, nur sprechen die Lehrerinnen dort einen nur einen ähnlichen Dialekt, wodurch der ursprünglich aus dieser Gegend langsam verloren geht. Dabei muss man natürlich wissen, dass es sehr viele Gruppen und Stämme gibt. Dazu kommt noch, dass es für die Kinder von heute dann keine praktische Anwendung gibt, da in den Familien fast nur Englisch gesprochen wird.
Allgemein kann man also sagen, es gibt nicht nur eine Native Nation, also ein Urvolk der Indianer, sondern in Alaska und dem Nordwesten Kanadas gibt es sehr viele verschiedene Gruppen und Völker, die auch zu sehr unterschiedlichen Zeiten hierhergekommen sind. Die ältesten Hinweise auf die Besiedlung sind etwa 27.000 Jahre alte bearbeitete Karibu-Knochen, die man hier im Norden des Yukon gefunden hat. Die damaligen Volksgruppen zählt man wegen ihrer Sprache / ihres Dialektes zu den Athabasca Indianern. Es folgten aber zum Beispiel noch mongolische Eskimo oder auch Thule, die alle wieder in viele unterschiedliche Völker differenziert werden. Die heutige Einteilung erfolgt eher nach den Sprachfamilien der Völker. Ihnen allen gemein ist aber, dass sie vermutlich über die Beringstraße eingewandert sind. Sie dürfte im Laufe der Jahrtausende einige Male trocken gefallen sein, so dass es einen Landweg zwischen dem heutigen Russland und Alaska gab. Interessanterweise passierte das vor allem während der großen Eiszeiten, zum letzten Mal vor vermutlich etwa 10.000 Jahren. Was sich einfach dadurch begründet, dass in diesen Zeiten große Mengen von Wasser als Eis gebunden waren, und dadurch der Meeresspiegel nach heutigen Berechnungen etwa 70 m tiefer lag. Noch heute friert die Beringstraße regelmäßig im Winter zu. Andere Theorien gehen deshalb davon aus, dass es auch Einwanderung über das Eis gegeben haben könnte / müsste. Heute gibt es in diesem Bereich Wassertiefen von lediglich 30-50 m. Die Beringstraße ist übrigens nach dem dänischen Seefahrer Vitus Bering benannt. Er war im Auftrag des russischen Zaren unterwegs um einen Landweg von Asien nach Amerika zu suchen. Seinen ersten Versuch bricht er, nachdem er die Straße eigentlich schon durchquert hatte, aber das Land verfehlte, wegen schlechten Wetters ab. Auch beim zweiten Versuch betritt er selbst nie Alaska, sondern lediglich Männer eines zweiten Expeditionsschiffes. Er selbst stirbt auf der Rückreise von dieser zweiten Expedition. Die Beringstraße gilt unter Klimaforschern übrigens als eine sehr großer Einflussgrößen für das Weltklima. Durch sie vermischt sich der weniger salzhaltige Pazifik mit dem sehr salzhaltigen Nordatlantik. Insbesondere in den Sommermonaten vermischt sich dann das leichtere Oberflächenwasser des Pazifiks mit dem schwereren Atlantik Wasser. Und je mehr Pazifik-Wasser einströmt, desto langsamer fließt der Golfstrom aus der Karibik bzw. dem Golf von Mexiko vorbei an Europa bis nach Grönland. Der Golfstrom wiederum beeinflusst massiv das Wetter in Europa, er bringt bei uns höhere Temperaturen und auch höhere Niederschlagsmengen. Umgekehrt würde das Trockenfallen der Beringstraße das Vermischen des Pazifiks mit dem Nordatlantik natürlich verhindern. Dadurch würde der Golfstrom stärker und schneller fließen, folglich bei uns die Temperaturen steigen lassen. Es würde aber auch durch den warmen Golfstrom mehr Nebel auf und um Grönland entstehen, was zu mehr Schneefall führen würde, und damit den Eispanzer auf dem grönländischen Festland anwachsen lassen würde. Im Moment passiert allerdings genau das Gegenteil. Aber auch für diese Entwicklung gibt es historische Vorlagen. So geht die Bezeichnung Grönland bereits auf die Wikinger zurück, sie bezeichneten es als „Grünland“. Sie trafen übrigens dort auch auf Gruppen der Thule Völker, die ein paar tausend Jahre zuvor über die Beringstraße aus Asien gekommen waren.
Aber zurück in die Neuzeit, oder genauer gesagt zu unserem Tag. Für uns geht es weiter auf dem Klondike Highway bis zu den Five Finger Rapids. Sie bezeichnen eine in den Zeiten der Dampfschiffe gefährliche Engstelle auf dem Yukon. Insbesondere zur Zeit des Goldrausches zerschellten hier zahlreiche Schiffe. Die Five Finger Rapids sind Felsen, die den Yukon teilen. Schiffbar für die etwas größeren Schiffe, also alle Schaufelrad Dampfer, war nur der Durchgang am rechten Ufer des Yukon. Später wurde hier sogar ein Drahtseil angebracht, an dem sich die Schaufelrad Dampfer einhängen und dann mit eigener Motorkraft am Seil durch die Engstelle zogen. Heute liegt die Stelle direkt am Highway, und ist durch eine Treppe mit etwa 270 Stufen relativ leicht zu erreichen. Hier machen wir auch unsere Mittagspause. Die restliche Tagesetappe zum Moose Creek Campground ist nicht mehr weit. Doch bevor wir zu dem staatlichen Campingplatz fahren, machen wir noch einen kurzen Stopp an der gleichnamigen Lodge. Hier findet sich eine etwas besondere Telefonzelle. Genau genommen ist es ein Telefon, welches etwa 3 m hoch in einem Baum hängt, und nur über eine Leiter zu erreichen ist. Außerdem finden sich vor dem Lodge Gebäude einige ältere ausgemusterte Autos, aber auch etwa eine ehemalige Kühltruhe mit Coca-Cola Werbung. Alte Fahrzeuge oder Geräte einfach draußen auf den Hof zu stellen, ist aber, wie wir auf unserer bisherigen Reise feststellen konnten, nicht gerade eine Besonderheit für diese Gegend. Als wir auf dem Campingplatz eintreffen, sind wir nicht mehr alleine. Es sind schon gefühlt ein paar 1000 Mücken unterwegs. Natürlich wird man hier oder da auch einmal gestochen, aber insgesamt erscheinen mir die Blutsauger hier weniger aggressiv, als bei uns zu Hause. Trotzdem bemühe ich dann doch lieber meine chemische Keule, um mir die Viecher vom Leib zu halten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir noch ein kleines Stück am Moose Creek entlang durch den Wald gehen, um zu dessen Mündung in den Steward zu gelangen. Auf dem Weg sehen wir nicht nur ein Eichhörnchen direkt über uns sitzen, sondern auch ein flüchtende Stachelschwein. Wieder eine Spezies, die ich noch nie zuvor gesehen habe.