13. Tag 23.10.2014 - Pang Pema (5140m)
Auch heute sind die Zeiten wieder wie gehabt, also 6:30 Uhr den Morgentee, 7:00 Uhr Frühstück und anschließend Abmarsch, was wieder kurz vor 8:00 Uhr der Fall ist. Vielleicht heute noch ein paar Hinweise zu den klimatischen Bedingungen. Am Morgen war es im Zelt -2 °C warm oder kalt wie man es nimmt. Denn draußen wurden -14 °C gemessen. Das treibt mich nicht gerade aus dem Schlafsack. Ansonsten scheint hier wie bisher jeden Morgen die Sonne. In den letzten Tagen verschwand sie gegen etwa 16:00 Uhr hinter den Wolken bzw. auch hinter den Gipfeln, was die Temperaturen dann augenblicklich nach unten treibt. Das umgekehrte Verhalten natürlicher am Morgen, kaum kommt die Sonne raus wird es merklich wärmer.
Auf unserem Programm steht heute die höchste Übernachtung im Pang Pema Camp. Es wird zuweilen auch als Basislager des Kangchendzönga bezeichnet, was genau genommen aber eigentlich nicht stimmt. Denn es gibt noch drei Basislager oberhalb von Pang Pema, und die werden eigentlich nur von den richtigen Gipfelstürmern frequentiert. Unsere Tour beginnt sanft über die Almen oberhalb von Lhonak. Wobei sanft natürlich relativ ist, immerhin starten wir auf etwa 4760 m, unser Ziel liegt auf 5140 m. Das Gefälle steigt nur leicht an, vom Gelände her ist es also relativ leicht. Am heutigen Morgen habe ich leichte Kopfschmerzen, aufgrund der Höhe empfinde ich es aber nicht als bedenklich oder bin auch nur wirklich überrascht davon. Auch mein Magen ist ein bisschen sauer, was sich aber mit einer Reisetablette leicht beheben lässt. Trotzdem bin ich heute mit den Mahlzeiten ein bisschen vorsichtig. Der heutige Anstieg ist mit etwa 5-6 Stunden Gehzeit veranschlagt. Der Weg führt fast die ganze Zeit am unteren harschen Teil des Kangchendzönga Gletschers entlang.
Dieser sieht ein wenig dunkel aus, da sich auf der Oberfläche allerhand Schmutzpartikel befinden. Diese dunklen Flecken sorgen übrigens für ein schnelleres schmelzen der Gletscher. Dabei kann es sich um Gesteinspartikel handeln, in jüngerer Vergangenheit haben aber wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass sie auch zu einem erheblichen Teil aus Verbrennungsresten bestehen. Wobei diese Aussage im Prinzip für den gesamten Himalaya gilt, und hier nicht besonders auf den Gletscher des Kangchendzönga bezogen werden kann. Die Ursache für diese Aschepartikel sind häufig Feuerstellen, die nur eine Öffnung haben. Diese finden sich typischerweise nicht nur in Nepal sondern zum Beispiel auch auf dem ganzen indischen Subkontinent. Das führt nicht nur bei den Frauen in Haushalten zu sehr erhöhten Gesundheitsrisiken, die Belastung ist etwa so groß wie mehrere Schachteln Zigaretten pro Tag, sondern durch die Winde aus südlichen Richtungen, also vornehmlich Indien, werden diese Partikel bis hoch hinauf in den Himalaya transportiert und regnen dann hier ab. Die schwarzen Partikel wiederum absorbieren das Sonnenlicht, was zu einer Erhöhung der Temperatur auf den Schnee- bzw. Gletscheroberfläche führt, was als Folge dann das Schmelzen bzw. schnellere Schmelzen der Gletscher nach sich zieht. So gehen auch im Himalaja praktisch alle Gletscher zurück. Das führt zum einem zu mehr ins Tal fließenden Schmelzwasser, was für die Landwirtschaft im Moment sogar eher positiv ist, aber eben leider auch Bodenerosion besonders befördert. Langfristig bedeutet das aber, dass es deutlich weniger Schmelzwasser geben werden wird. Was für die Landwirtschaft im betroffenen Gebiet verheerende Auswirkungen haben dürfte. Immerhin lieben in diesem Gebiet weit über 1 Milliarde Menschen. Und wir sprechen hier nur von der südlichen Seite des Himalajas. Das Problem gibt es genauso auf der nördlichen Seite also der chinesischen Seite. Auch dort sind mehrere 100 Millionen Menschen im Einflussbereich der großen Flüsse aus dem Himalaja. Zusätzlich gibt es in China große Wasserkraftwerke, die natürlich auf das Schmelzwasser angewiesen sind.
Aber zurück zu unserem Tag. Nachdem wir anfangs über die Almen gingen, folgt eine Überquerung eines kleinen Moränenabgangs, was aber nur der Vorgeschmack auf das ist, was dann folgt. Eine lange Moräne bzw. Schuttfeld, das in dieser Höhe eine Menge Kraft abverlangt. Es lässt mich auch ein bisschen „blau“ laufen. Ich versuche, das bei der nächsten Rast mit Traubenzucker und langfristig wirkenden Energiezufuhr auszugleichen. Von hier ist es nur noch ca. 1 Stunde, bis wir gegen 13:00 Uhr am Lagerplatz ankommen, dort erwarten uns schon das Mittagessen und ein freier Nachmittag. Das Lager Pang Pema ist etwas vorgelagert vor der Nordseite des Kangchendzönga, der im deutschen aber auch als Kangchenjunga bezeichnet wird. Überhaupt ist es mit den Übersetzungen oftmals ein bisschen schwierig, da meist eine Mischung aus offizieller Umsetzung der Buchstaben und „Lautschrift“ benutzt wird, was natürlich zu unterschiedlichen Ergebnissen und damit Übersetzungen führt. Von Pang Pema sind es noch fast 3500 m bis zum höchsten Gipfel des Kangchendzönga oder Kansch, wie man ihn in der deutschen Kurzform auch noch nennt. Nur zum Vergleich die Zugspitze, der höchste Berg Deutschlands, bringt es insgesamt nur auf knapp 3000 m. Wobei der Gipfel des Kangchendzönga leicht nach links versetzt liegt. Da er zusätzlich noch ein bisschen gegenüber seinen näheren Nachbarn zurückversetzt ist, kommt seine Dimension dabei nicht mal wirklich richtig raus. Und auch seine Nachbarn wie etwa der Nepal Peak sind schon über 7000 m hoch, und doch überragt der Kangchendzönga sie natürlich deutlich.
Noch ein paar weitere Informationen zum Kangchendzönga. Er ist mit 8586 m der dritthöchste Berg der Erde. Sein Name bedeutet übersetzt: „Die fünf Schätze des großen Schnees“. Die fünf Schätze sind Gold, Silber, Juwelen, Getreide und heilige Schriften, für die jeweils die fünf Gipfel der Größe nach stehen. Im Buddhismus gilt er als Heimstädte des Gottes des Reichtums. Im Buddhismus heißt er Vaisravana im Hinduismus Kubera. Er hütet dort die Schätze, verteilt sie aber auch ans Volk. Er gilt unter den Achttausendern als der heiligste Berg. Insgesamt gibt es auf der Welt 14 Achttausender. Davon sind acht Stück mit nepalesischer Beteiligung, Beteiligung deshalb weil 9 der 14 Achttausender eigentlich Grenzberge sind, also die Grenze zwischen zwei Ländern markieren. Sie galten auch lange als unüberwindbar von daher stellten sei eine natürliche Grenze dar. Immerhin sind drei der fünf übrigen Berge alleine in Nepal. Einer von ihnen der Annapurna fordert übrigens statistisch gesehen die meisten Todesopfer. Bei 154 erfolgreichen Besteigungen kam es zu 60 Todesfällen (Zahlen von 2008). Das Hauptproblem bei ihm sind sehr viele Lawinen, wodurch etwa zwei Drittel der Opfer umkamen. Beim Kangchendzönga bestehen die Schwierigkeiten vor allem durch sehr große Neuschneemengen, dadurch bedingt Lawinen auf allen Routen und häufige Höhenstürme. Wahrscheinlich ist der Mount Everest der am häufigsten bestiegene Achttausender. Bis 1979 gab es lediglich 99 erfolgreiche Besteigungen. Bis 1985 waren es bereits über 200, und im Jahre 2007 dann alleine 630 erfolgreiche Besteigung. In diesem Rekordjahr nahm Nepal alleine 2,3 Millionen $ für die staatlichen Permits am Mt. Everest ein. So ist die Besteigung des höchsten Berges der Erde zu einem kommerziellen Massenphänomen geworden, wobei es statistisch nur jeder fünfte Gipfelaspirant auch wirklich bis nach ganz Oben schafft. Die Teilnahme an einer der Besteigungsexpeditionen kann man sich bereits für ca. 40.000 $ erkaufen. So waren auch am 23. Mai 2010 169 Bergsteiger auf dem Gipfel. Genau das ist auch Teil des Problems, so versuchen zunehmend immer mehr eigentlich nicht geeigneter Personen auf den höchsten Berg der Welt zu kommen. Wegen des „Gedränges“ und des relativ kleinen Zeitfensters im Jahr, in der der Gipfel überhaupt vom Wetter her offen ist, brechen zuweilen Expeditionen auch zu eigentlich ungünstigen Bedingungen auf. So kamen im Mai 2011 219 Gipfelstürmer bei extrem widrigen Wetterverhältnissen bei der Besteigung ums Leben. Und nach wie vor ist das größte Risiko eigentlich nicht der Aufstieg sondern der Abstieg. Auch hier ist der große Andrang ein Teil des Problems. Denn bereits beim Aufstieg stehen die Gipfelaspiranten häufig im Stau, kühlen aus und sind dann bei dem Abstieg meist schon zu erschöpft bzw. haben sich zusätzlich schwere Erfrierungen eingehandelt. Als Abschluss vielleicht noch eine kleine Anekdote zur Namensvergabe des Berges. Benannt ist er nach George Everest der nicht, wie man hätte meinen können, der erste erfolgreiche Besteiger war, sondern lange der Leiter der Großen Trigonometrischen Vermessung Indiens war. Aber erst unter seinem Nachfolger Andrew Scott Waugh gelang die Bestimmung des höchsten Berges und dann auch die Vermessung. Erstmals wurde er, damals noch unter der Bezeichnung „Peak B“ 1848 von Indien aus vermessen, da Nepal den Zugang verweigerte. Aus über 200 km Entfernung errechnete man die Höhe aus verschiedenen Ansichten auf 8840 m und lag damit lediglich 8 m daneben. Heute ein paar Vermessungen später und mit ganz anderen technischen Möglichkeiten wird seine Höhe mit 8848m angegeben. Die Erstbesteigung gelang dann erst 1953 durch den Neuseeländer Sir Edmund Hillary und den Nepalesen Tenzing Norgay. Dabei startete man übrigens von Kathmandu aus mit insgesamt etwa 1700 Trägern. Drei von ihnen waren Soldaten und nur für den Transport des Geldes zuständig, dass man brauchte um die Träger täglich bezahlen zu können. Das scheint übrigens bis heute üblich zu sein.
Aus aktuellem Anlass noch ein Bericht zu einem Unglück, das während unseres Trekkings hier in Nepal geschah. Im Anna Purna Gebiet kam es zu einem schweren Zyklon, der Schneemengen von teilweise 1,5m in sehr kurzer Zeit brachte. Betroffen war auch die viel begangene „Anna Purna Runde“. Das Problem verschärfte sich offensichtliche durch fehlende Wetterinformationen auf den dort eigentlich mit Satellitentelefonen ausgestatteten Schutzhütten. Dann lief die Hilfe viel zu langsam an, was wohl nicht unerheblich auch mit der langen Entscheidungsfindung der entsprechenden Stellen in Kathmandu zusammen hing. Und als es dann endlich losging, fehlte es an Helfern und vor allem technischen Gerät wie Helikoptern. Dazu muss man auch noch wissen, dass die Traglast von Hubschraubern in solchen Höhen deutlich nachlässt. Selbst als die Rettungsaktion dann lief, war diese wohl auch noch sehr schlecht koordiniert. Eine Bergrettung wie etwa in den Alpen gibt es in Nepal nicht. Manche Stimmen meinten später, ein Teil des Problems wäre auch das Kastensystem in Nepal. Die Entscheidungsträger gehörten meist zu der Kaste der Brahmanen, die vermeintlich Betroffenen aber zu den unteren Kasten. Insgesamt gehörte das Unglück zu den größten jemals statt gefundenen in Nepal. Es konnten 543 Bergsteiger gerettet werden, 43 weitere kamen dabei ums Leben. Unter ihnen waren 22 Nepalesen. Unsere Begleiter, die das Geschehen so gut es ging verfolgten, sich uns gegenüber aber eher bedeckt hielten, die Nachrichtenlage war zu dem Zeitpunkt offensichtlich noch sehr unübersichtlich, machten sich in dem Moment eher Sorgen um die Auswirkung auf den Tourismus, als um die Opfer oder vielleicht auch die eigenen Gefahren, denen sie bei ähnlichen Touren ausgesetzt sein könnten. Denn insbesondere unsere beiden Guides sind beide auch in dem Gebiet tätig. Und im Frühjahr hatte es erst ein schweres Unglück am Mount Everest gegeben, bei dem ebenfalls mehr als 20 Nepalesen ihr Leben verloren, als sie versuchten die Gipfelroute am Berg für die Touristen vorzubereiten.