3. Reisetag Fes - 19.09.2023
Heute beginnen wir wieder mit den Zeiten wie am Vortag, Frühstück gibt es ab 7:00 Uhr, plus ein paar afrikanische Minuten, was aber kein Problem ist, schließlich soll es erst gegen 8:30 Uhr mit dem Bus nach Fes gehen. Die Fahrzeit ist mit rund 1,5 Stunden veranschlagt. Wir kommen ein bisschen schneller voran, so sind wir zu unserer Stadtführung ein bisschen zeitig dran. Fes ist wie auch schon Meknes eine der vier Königsstädten in Marokko. Fes war auch bereits im 9. Jahrhundert die erste Königsstadt im Land überhaupt. Die Stadt mit ihren heute etwa 1,1 Millionen Einwohner, manche sprechen auch schon von 1,4 Millionen, geht bereits auf das Jahr 789 zurück. Sie liegt am gleichnamigen Fluss. Wobei unter Idris I zunächst nur eine Flussseite besiedelt wurde, aber schon wenige Jahrzehnte später errichtete auf der gegenüberliegenden Flussseite Idriss II eine weitere Siedlung, die dann zum heutigen Fes zusammenwuchsen. So gilt heute Idris II als eigentlicher Stadtgründer, ihm ist in Fes auch ein großes Mausoleum gewidmet. Schon früh wurde die Stadt durch große Zuwanderungswellen geprägt. So kamen bereits Anfang des neunten Jahrhunderts ca. 8000 Familien aus Andalusien, die in ihrer alten Heimat aus politischen Gründen verfolgt und vertrieben worden sind. Nur wenig später kamen weitere 2000 aus Kairuan im heutigen Tunesien dazu. Sie alle brachten aus ihrer alten Heimat besondere handwerklichen Fähigkeiten aber auch das Leben in städtischen Strukturen mit. Im Umfeld der Stadt waren alle für den Bau wichtigen Rohstoffe wie Steine, Ton und auch Holz vorhanden. So wuchs die Stadt sehr schnell, und baute gleichzeitig eine funktionierende Verwaltung auf. Dazu kam, dass sich in ihr wichtige Karawanenstraßen kreuzten. Durch die Stadt kamen die Karawanen auf dem Weg vom Atlantik in die heutigen Maghrebstaaten vorbei, und ebenso die Verbindung vom Mittelmeer nach Schwarzafrika. Der Handel brachte Geld in die Stadt. Bereits im Jahre 859 entstand die Universitätsmoschee al-Qarawiyin, die bis heute besteht, und damit eine, manche sagen auch die älteste, durchgehende existierende Universität überhaupt ist. Sie wurde von Fatima el-Fihrya gestiftet, sie war Tochter eines reichen Kaufmanns, aus dessen Nachlass die Moschee wie auch die Koranschule gebaut wurde, aus der dann die Universität entstand. Auch der Kaufmann kam übrigens aus Kairuan im heutigen Tunesien mit einer der großen Flüchtlingswellen. So bildete sich in Fes schnell ein Ort der Geistlichkeit, Kultur und vor allem der Wissenschaft und Bildung. Viele Gelehrte der damaligen Zeit kamen hier her, um hier zu studieren aber auch zu lehren. Schon früh kamen so zum Beispiel führende Astrologen in die Stadt, um sich hier auszutauschen. Damit wurde der Grundstock von Fes als wichtigstes geistliches Zentrum des Islam im westlichen Afrika inklusive Spaniens gelegt. Die Stadt wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach von verschiedenen Berber-Stämmen bzw. Stammesverbände eingenommen, die teilweise auch das ganze frühere Marokko unterwerfen konnten. So ist es auch zu erklären, dass es mehrere Königsstädte, also Sitze des Sultans, in Marokko gibt. Die verschiedenen Stämme verlegten aus ganz unterschiedlichen Gründen den Sitz des amtierenden Sultans nach eigenem Ermessen immer wieder. Fes war von 807- 926 unter den Idrisiden, 1248 – 1465 unter den Meriniden und 1666-1672 und dann noch mal 1727 – 1912 insgesamt vier Mal und damit auch am häufigsten die Hauptstadt des Landes. Fes blieb aber immer Zentrum der Wissenschaft im Land und darüber hinaus, auch wenn es nicht die Status des Sitzes des Sultans innehatte. Die Geschichte von Fes hat logischerweise auch ein paar nicht so rühmliche Episoden. So gab es im Jahre 1033 einen Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung mit etwa 6000 Toten. Gleichzeitig waren die Juden aber auch wichtig für die Entwicklung der Stadt, da sie den Handel förderten. So wurde im Jahre 1325 die jüdische Bevölkerung zu deren Schutz zwangsweise in die Nähe des Königspalasts umgesiedelt. Für sie wurde im Bereich einer ehemaligen Militärgarnison ein ganz neues Stadtviertel, Mellah, errichtet. Heute leben nur noch ein paar Hundert Juden in der Stadt. Trotzdem ist man sich ihres Erbes bis heute bewusst, immerhin gehen ihre Wurzeln bis auf die Vertriebenen aus Andalusien zur Zeit der Stadtgründung zurück.
Aber wieder ins hier und jetzt - zu unserem Tag. Wie alle Königsstädte teilt sich auch Fes in drei Teile auf. Es gibt als Keimzelle die Medina, den Königspalast inklusive der ihn umgebenden Gebäude und Ville Nouvelle, die ursprünglich auf die französische Protektoratszeit zurückgeht, und wo heute die Villen aber auch die modernen Häuser der normalen Menschen entstehen. Und es entstehen viele, die Stadt wächst nicht zuletzt auch wie alle Städte in Marokko durch den Zuzug der Landbevölkerung stürmisch. So hatte die Stadt nach der Volkszählung im Jahre 1994 etwa 770.000 Einwohnen, heute etwa drei Jahrzehnte später steuert man annähernd auf die doppelte Zahl zu, wobei es 1974 nur 330.000 waren. Die Medina von Fes gilt, gemessen an der Bevölkerung, übrigens als die größte Fußgängerzone der Welt. Die dortigen Gassen sind viel zu schmal für Autos, und es leben etwa 160.000 Menschen heute noch dort. Wir starten unsere Stadtführung vor dem Haupttor der Königsstadt mit dem großen obligatorischen Platz davor. Auch dieses Tor ist natürlich reichlich verziert. Das Tor selbst ist mit Bronze beschlagen, und die umgebenden Mauern weisen eine unvorstellbare Zahl an kleinen Mosaiksteinchen auf, die in teilweise sehr komplizierten Mustern angeordnet sind. Fes ist auch heute noch bekannt für die Produktion von Keramik von Hand nach alten Methoden. Bevor wir uns aber eine solche Manufaktur ansehen, besuchen wir noch Mellah, das alte historische jüdische Viertel. Dieses weist bis heute mit den Balkonen auf die Straße raus einige Besonderheiten auf. So sind bis heute häufig kleine Geschäfte unterhalb der Wohnungen mit den Balkonen. Das Viertel ist übrigens UNESCO Weltkulturerbe, und wurde in den letzten Jahren restauriert. Wobei die Arbeiten bis heute noch in vollem Gange sind. Von dort geht es zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen guten Blick über die Stadt Fes hat. Die Topographie von Fes ist geprägt von unzähligen mehr oder weniger kleinen Hügeln, so scheinen die meisten Straßen und Gassen der Stadt immer leicht bergauf oder bergab zu führen. Damit ist es dann auch Zeit, uns die Keramikherstellung anzusehen. Der Ton kommt aus der Gegend, und wird mit Wasser gesättigt zu einer formbaren Masse. Diese wird dann zum Beispiel auf einem kleinen runden Tisch, der durch eine große Holzscheibe angetrieben wird, die wiederum mit einem Fuß des Töpfers in Schwung gehalten wird, mit geschickten Fingern zu einem Gefäß modelliert. Dieses Gefäß wird dann in einem alten mit Olivenkernen befeuerten Ofen gebrannt. Anschließend werden die Erzeugnisse dann von Hand bemalt. An anderer Stelle werden aus der Ton Masse kleine eckige Tafeln gefertigt, die dann wieder in den Farben der vier Königsstädte bemalt werden. Dabei hat jede Königsstadt ihre eigene Farbe, die sich dann auch immer wieder auf allen Toren der Stadtmauern, den Moscheen und anderen Gebäuden in den Mosaiken wiederfinden, und auch nur diese vier Farben. Dabei steht die heutige Hauptstadt Rabat für weiß, Marrakesch ist terrakottafarben, Meknes grün und Fes blau, weshalb man Fes auch als die blaue Stadt bezeichnet. Aus diesen kleinen Tafeln von kaum mehr als 10x10cm werden dann die kleinen einzelnen Mosaike von Hand geschlagen. Wobei dann unzählige kleine einzelne Mosaike mit der immer gleichen Größe und in wenigen Formen geschlagen werden. So machen die Arbeiter vielleicht den ganzen Tag nur kleine grüne Rauten. Dabei sitzen sie auf ihren Beinen hockend auf der Erde, ich würde mal behaupten, in der Haltung könnte ich schon nach weniger als einer Stunde nur noch ziemlich beschwerlich wieder hochkommen, und wie sich dabei mein Rücken anfühlen würde, mag ich mir kaum vorstellen. Diesen kleinen einzelnen Steinchen, bei denen manchmal noch mit ein bisschen Sandpapier eine winzige Nase an- / abgeschliffen wird, werden dann zu den Mosaik-Bildern wieder zusammengefügt. Bei kleineren Objekten arbeiten die Arbeiter mit z.B. einem runden Rahmen, oder bei größeren Objekten frei auf der Erde, nur mit ein paar darauf gezeichneten Bleistiftlinien. Dabei werden die einzelnen Mosaik-Steinchen mit der farbigen Seite auf den Boden in das „Puzzle“ gefügt. Das Gesamtbild entsteht also nur Steinchen für Steinchen im Kopf des Arbeiters, sehen kann er es nicht. Das Einzige was er sieht, ist die Form der einzelnen Steinchen. Am Ende wird dann die jetzt oben liegende Rückseite des Mosaik-Bildes vergossen, damit alle Elemente an ihrem Platz bleiben, und das Gesamtmosaik dann irgendwo im Stück aufgebracht werden kann. Und auch diese Arbeiter sitzen den ganzen Tag mit untergeschlagenen Beinen auf der Erde vor ihrer Arbeit.
Von der Mosaik-Manufaktur geht es für uns dann in die Medina, also im Prinzip die Altstadt von Fes. Wie schon mal angeklungen, gibt es dort keine Straßen. Alles was in die Medina rein oder raus muss, wird entweder selbst getragen, auf Eseln oder kleinen Schubkarren transportiert. Wobei die Gassen in Fes noch ein bisschen kleiner als in Meknes erscheinen. Hier gibt es einige, in der sich zwei Personen nicht normal gehend begegnen können, da sie keine 70cm breit sind. In den etwas größeren Gassen wuseln dann auch noch meist jugendliche Fahrer mit ihren kleinen Rollern und Mopeds durch. Die Läden im Zentrum der Medina sind meist auch nur wenige Meter breit, und sind dann zuweilen auch nur wenige Meter tief. Es gibt natürlich auch größere, aber insgesamt sind sie schon relativ kleinteilig. Das Angebot ist meist wieder in verschiedene Segmente unterteilt. So gibt es Bereiche, wo vor allem Körbe und ähnliches angeboten wird, oder Gegenstände vom Gefäß bis hin zur Lampe aus Metall. An einigen Stellen kann man auch noch beobachten, wie die Gegenstände entstehen und auch poliert werden. Immerhin letzteres passiert schon maschinell, aber alles andere ist pure Handarbeite. In den „Hauptgassen“ finden sich dann zuweilen auch wieder Dinge, die sich vornehmlich eher an Touristen richten, auch wenn sie dabei noch einen einheimischen „Touch“ haben. So gibt es sehr viele Geschäfte für Lederwaren, für die Fes sehr bekannt ist, aber auch Holzschnitzereien. Und natürlich auch die aus China oder Südostasien importieren Trikots der großen internationalen Fußballclubs, die man aus der Champions League kennt. Immerhin behauptet keiner der Verkäufer, dass es sich natürlich um Originale handeln würde. Wie auch insgesamt die Verkäufer eher ruhig und zurückhaltend sind, auch wenn sie natürlich potentielle Käufer in ihre Geschäfte zu lotsen versuchen. Bei allen heißt es aber: handeln. Und ich schreibe es hier bewusst klein, also als Verb oder Tätigkeit. Der erste genannte Preis ist kaum der, den der Händler wirklich haben will. Und für Touristen gibt es sicherlich noch mal einen Aufschlag. Es ist sicherlich unterschiedlich, aber je mehr das Geschäft an einer der größeren Gassen ist, desto mehr Spanne ist daran. Da kann man auch schon mal mit dem halben Preis als Gebot in den Handel einsteigen. Und man muss sich dann auch nicht auf halben Weg zwischen dem ursprünglichen Angebot und dem ersten eigenen Preis treffen. Unser Weg durch die Medina führt uns übrigens auch noch an dem Fluss Fes vorbei, auch wenn der an den meisten Stellen unterirdisch, also längst überbaut, fließt, so ist es an den wenigen sichtbaren Stellen zumindest aktuell auch eher ein größeres Rinnsal mit relativ wenig Wasser. Unser nächstes Ziel ist aber ohnehin die bekannte Gerberei und Färberei innerhalb der Medina von Fes. Sie ist inzwischen als Kooperative organisiert und ebenfalls selbst auch wieder Weltkulturerbe. Es werden verschiedene Ledersorten mit Geflügeldung gegerbt. Früher benutze man dafür reines Ammoniak. Da man bei einer Besichtigung einige Meter erhöht auf einer Terrasse steht, hat man zwar einen guten Überblick über die verschiedenen steinernen Bottiche, ist aber nicht so dicht dran, dass es noch eine wirkliche Geruchsbelästigung ist. Zum Gerben wird das Leder in verschiedene Bottiche gegeben, die nach der Farbe der Flüssigkeit zu urteilen, verschiedene Konzentrationen haben. Wobei der Arbeiter, den wir dabei beobachten zwar Gummistiefel und Gummi-Handschuhe trägt, aber so ganz frei von Rückständen der Flüssigkeit ist er an seinen bloßen Beinen und Armen oder seine Kleidung nicht. Aber nichts gegen die Kollegen, die später, wenn die Leder getrocknet worden sind, das Färben übernehmen. Wobei deren Kredenzen zum Färben vermutlich auch nicht ganz so aggressiv sind. Dazu tragen sie aber auch keinerlei Schutzkleidung, also keine Gummihandschuhe und keine Gummistiefel, sondern hantieren mit bloßen Gliedmaßen in den Bottichen. Ich würde mal annehmen, dass die keinerlei Probleme mit Fußpilz befürchten müssen. Ist aber jetzt natürlich nur ein persönliches Vorurteil, und ich kann nicht wirklich beurteilen, was zum Färben des Leders benutzt wird. In dem angeschlossenen Geschäft der Kooperative konnte man dann noch verschiedene Dinge wie Jacken und Mäntel, Taschen oder auch Sitzsäcke aus Leder erwerben. Die dort herunter zu handelnden Preisspannen waren deutlich kleiner, ob das nun an den Käufern oder dem Verkäufer lag, bzw. die Aufschläge geringer waren, kann ich auch wieder nicht beurteilen. Für deutsche Verhältnisse sind die Preise aber günstig, wenn man denn Bedarf an Ledererzeugnissen hat. Von da ging es dann weiter in Richtung eines Restaurants innerhalb der Medina. Zuvor kommen wir noch an einer Moschee vorbei, in dem sich auch das Mausoleum von Moulay Idriss II befindet, das aber für uns als nicht gläubige Muslime nicht zu besichtigen ist. Und direkt in der Nähe unseres Restaurants befindet sich dann noch eine der ehemaligen Karawansereien, in der früher zu Zeiten der Karawanen die Führer und wichtigeren Teilnehmer der Karawanen unterkamen, und von dort auch ihren Handel trieben. Die einfachen Teilnehmen mussten draußen vor der Stadt bei den Tieren und den transportierten Waren bleiben. Nach dem Mittag geht es noch in ein Geschäft, in dem noch Tücher und Decken selbst gewoben werden. Im Geschäft selbst ist auch noch ein Webstuhl, der tatsächlich noch für die Produktion eingesetzt werden. Insgesamt kann man sagen, ist die Medina von Fes um einiges größer als die Meknes, und die Gassen sind kleiner und auch noch mehr verwinkelt. Insgesamt gibt es rund 9400 kleine und kleinste Gassen in der Medina von Fes. In all den kleinen Gasse kann man sich gefühlt mühelos verlaufen, auch wenn selbst Google-Maps viele davon kennt. Aber die Verbindung zu den Satelliten für die Navigation ist vermutlich in vielen der schmalen Durchgänge schwierig. Aber schon an der Form der Straßenschilder, ja die gibt es tatsächlich für die kleinen Gassen, kann man erkennen, ob es sich um eine Sackgasse in irgendeinem Innenhof handelt, oder es irgendwie weiter geht. Viereckige Schilder bedeuten, es gibt Verzweigungen, bei Sechseckigen handelt es sich um eine Sackgasse. Die Schilder sind übrigens oftmals in drei Sprachen ausgewiesen. Arabisch und Berber sind die beiden Amtssprachen. Wobei Arabisch von rechts nach links geschrieben wird, Berber wie bei uns von links nach rechts, und darüber hinaus steht der Name dann oftmals noch in französischer Sprache. Auch wenn ich kein französisch kann, so kommen einem da wenigstens die Buchstaben geläufig vor, und man, ich jedenfalls, kann sich das deutlich leichter merken. Aber bei den beiden anderen bin ich komplett raus. Für uns geht es dann aus den engen kleinen Gassen auch wieder auf die größeren Straßen hinaus. Wir fahren mit unserem Kleinbus zu unserem Hotel hinüber, das sich im Zentrum vom Ville Nouvelle, also dem neuen und modernen Teil der Stadt, befindet.