6. Reisetag Cabana El Pupito – 06.02.2020
Die Frühstückszeiten sind wie gestern, also wieder um 7:00 Uhr. Abweichend zu gestern teilen wir heute unser Gepäck auf. Schlafsack und das Nötigste für eine Nacht kommt in einen kleinen Extrabeutel mit ins Fahrzeug, der Rest bleibt in unserer Unterkunft. Wir bleiben im Bereich des Nationalparks Cocuy, wo wir eine weitere Wanderung unternehmen wollen. Auch dazu geht es zunächst mit unserem Fahrzeug ein gutes Stück vom Ort weg. Wir steigen an einem Kontrollpunkt der Nationalparkverwaltung aus. Nach dem wir gestern aus einiger Entfernung schon einen Nordandenhirsch gesehen haben, die zu den Weißwedelhirschen gehören, die in unzähligen Unterarten ein Gebiet von Kanada bis Peru und Bolivien besiedeln, bekommen wir heute einen Fuchs aus nächster Nähe vor die Linse. Wobei dieser schon ein bisschen domestiziert ist. Er ist nach wie vor vorsichtig gegenüber den Menschen, hat seine ursprüngliche natürliche Angst aber längst verloren. Vom Kontrollpunkt aus hat man auch einen schönen Blick hinüber zu den weißen Spitzen einiger der höchsten Berge Kolumbiens wie dem Toti , Concavo, El Portales, Pan de Azurcar oder auch dem markanten Cerro La Vieja mit dem Pulpito del Diabolo – dem Teufelssitz. Dabei handelt es sich um einen fast quaderförmigen Felsen, der mit seinen rund 4950 m im Gegensatz zu seinem direkten Nachbarn keine Schneemütze trägt.
Unser heutiges Ziel ist die Lagune Pintada. Sie liegt auf rund 3800 m, unser Startpunkt liegt auf etwa 4000 m. Daraus ergibt sich die kuriose Situation, dass es auf dem Hinweg tendenziell bergab geht, und auf dem Rückweg bergauf. Das erste Stück besteht aus einer Schotterpiste, die auch noch für Fahrzeuge geeignet ist. Später geht es dann auf einen schmalen Pfad der auch über weite Strecken mehr oder weniger waagerecht verläuft. Am Ende des Tals, in dem wir uns hier bewegen, ist dann die Lagune Pintada. Die Lagune wird von den umliegenden Bergen mit Regen- und Schmelzwasser gespeist. Der Abfluss der Lagune ist dann ein kleiner Bach, der sich links von uns durch das schmale Tal windet. Noch bevor wir die Lagune erreichen, ist bereits von weitem ein grauer mit zahlreichen kleinen Adern durchzogenen Berg zu sehen, der direkt oberhalb der Lagune liegt. Aus der Entfernung mutet er als ziemlich mächtiges Massiv an. An der Lagune angekommen, wird er dann aber durch die scheinbar direkt hinter ihm liegenden Pan de Azurcar und Cerro La Vieja mit dem Pulpito del Diabolo wieder ein gutes Stück kleiner. Aus der Entfernung erscheint er mir technisch nicht besonders schwierig, und bleibt doch aus verschiedenen Gründen für uns unerreichbar. Inzwischen sind wir am Rande des Nationalparks Cocuy unterwegs, indem man die angelegten Pfade nicht mehr verlassen darf. Zuweilen sind auch Angestellte des Parks in der Gegend unterwegs, die auf die Einhaltung der Vorschriften achten. Und es ist natürlich auch sinnvoll, dass hier keine Touristen kreuz und quer durch die Landschaft trampeln. Immerhin bewegen wir uns hier in einem Ökosystem, das aufgrund der Höhe empfindlicher als in den Tiefebenen ist, und sich deutlich langsamer davon regeneriert, wenn eine Herde Touristen hindurch „gewalzt“ ist. Gleichzeitig sind wir über weite Strecken hin zur Lagune Pintada an Weideland mit den obligatorischen Zäunen vorbeigekommen. Obwohl es sich dabei bereits um Land im Nationalpark handeln dürfte. Wobei auch das für mich nicht immer klar erkennbar ist. Diese Weiden gehören armen einfachen Bauern. Und möglicherweise waren sie auch hier, bevor überhaupt der Nationalpark geschaffen worden ist. In Kolumbien ist das Thema Enteignung oder Zwangsaufkauf, man mag es nennen wie man möchte, von Land ein schwieriges Thema. Nicht zuletzt deshalb, weil man gemäß der Friedensvereinbarung mit der Guerilla eigentlich viele der sehr großen Haziendas der weißen Oberschicht an sozial schwächere verteilen wollte. Bis heute wurden dazu aber keinerlei Schritte unternommen. Und da ist es politisch auch nicht nachvollziehbar, warum man dann die einfachen Leute von ihrem kleinen Stück Land hier in den Nationalparks vertreiben würde. Und es ist natürlich auch so, dass Landwirtschaft in den Bergen Kolumbiens sehr extensiv ist.
Unsere Mittagspause verbringen wir mit Blick auf die Lagune bei schönstem Sonnenschein. Etwas was für diese Gegend nicht unbedingt selbstverständlich ist. Der Rückweg verläuft dann auf dem gleichen Pfad, auf dem wir auch gekommen sind. So sind wir gegen ca. 15:00 Uhr wieder zurück am Checkpoint der Parkverwaltung. Von hier ist es nur ein kurzer Weg mit dem Fahrzeug zu unserer nächsten Unterkunft der Cabana el Pupito. Dabei handelt es sich um eine einfache zweigeschossige Holzhütte irgendwo im nirgendwo. Warmes Wasser oder eine Heizung sucht man hier vergebens, und selbst die Holzverkleidung hinter meinem Bett hält gegen das Licht betrachtet nicht unbedingt den höchsten Ansprüchen stand. Dafür kann die Cabana mit einem grandiosen Ausblick auf die Bergkette punkten. Ein paar von uns machen noch einen kleinen Spaziergang ein paar Höhenmeter bergauf. Das schmälert den Blick auf die umliegenden Berge nicht gerade, und auch hier sind noch ein paar Fraileone, die mich teilweise um ein gutes Stück überragen. Die Kehrseite der etwas einsam gelegenen Hütte auf einer Höhe von rund 3800 m ist natürlich, dass es nach Sonnenuntergang ziemlich frisch wird. Aber da kommt das benachbarte Küchenhäuschen, in dem schon gekocht wird, natürlich gerade recht. Auch heute gibt es wieder eine warme Suppe. Und die sind in Kolumbien nicht selten mit Kartoffeln und Fleisch. Letzteres hängt noch am Knochen, was das Essen zuweilen ein bisschen schwieriger macht, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. So schön aufgewärmt gehe ich dann auch heute zügig ins Bett, und die vielen vorhandenen Decken machen es im Schlafsack deutlich wärmer als im Vorfeld von mir erwartet. Und noch vor dem Einschlafen freue ich mich dazu, dass es nicht geregnet hat. Denn unter diesen Umständen bekommt man sein Zeugs kaum trocken, und am Morgen bei vermutlich auch eher „belebenden“ Temperaturen in die nassen Klamotten zu steigen erscheint nicht verlockend.