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6. Tag        16.10.2014 - Sekathum (1650m)

Heute sind die Zeiten wie gestern. Um 6:30 Uhr gibt es den „Weckdienst“ mit dem Morgentee. Ich selbst bin wieder gegen 6:00 Uhr wach, kann mich aber noch nicht recht entscheiden, schon mal umher zu räumen. Draußen sind die Träger und der Koch mit seinen beiden Küchenhelfern, die auch gleichzeitig Träger sind, schon mächtig am Hantieren. Als ich schließlich Zähneputzen gehe, ist das meiste Küchengepäck inklusive Vorräte und auch Brennstoff bereits verstaut. Kaum haben wir unser Gepäck aus dem Zelt, wird auch das Zelt abgebaut und auch unser Gepäck zu bündeln a‘ 30 Kilo verschnürt. Während wir noch frühstücken, sind die ersten Träger auch schon unterwegs. Wir gehen erst wieder los, als alles verpackt und auch der letzte unserer Begleitmannschaft unterwegs ist. Dabei entsteht natürlich für uns eine kleine Wartezeit, in der es mir am Rücken ein bisschen frisch vorkommt, da ich wieder nur mit einem T-Shirt unterwegs bin.

Anfangs geht es wieder durch den Schatten, trotzdem wird es wieder schnell warm, ist aber nicht ganz so feucht dabei wie gestern, was die Schweißausbrüche etwas weniger provoziert. Wir sind hier praktisch immer noch in einem grünen Meer unterwegs. Erst als wir gegen 10:00 Uhr eine weitere Brücke überqueren, wird das Gelände etwas offener. Zwischen den jetzt einzeln erkennbaren Bäumen, wachsen Kardamom Pflanzen. Die Gegend hier ist bekannt dafür, genauer genommen geht es eigentlich um den schwarzen Kardamom. Während es den Grünen vor allem in Indien gibt, ist der schwarze hier im östlichen Himalaya zu Hause. Die Kapseln werden über offenem Feuer geröstet, bevor sie dann vermarktet werden. Und noch mal zur Erinnerung, die Ernte muss dann in Säcken verpackt auf dem Rücken bis nach Taplejung getragen werden. Ernte ist übrigens im September also zum Ende des Monsum.

Aber zurück zu unserem Tag, wie auch schon am Vortag ist um ca. 11:00 Uhr Mittagspause. Heute war das Kochteam deutlich schneller als wir, so bekommen wir nach zwei Bechern frischem Mango Saft bereits das Essen serviert. Typisch ist dabei, dass man jede der einzelnen Speisen genau einmal nach bekommt. Das Essen ist eher vegetarisch aber nicht vegan orientiert. Extra für uns gibt es eine Suppe, was eigentlich in Nepal unüblich ist. Beim Hauptgang gibt es häufig relativ viel Gemüse und verschiedene Arten von Brot, dass der Koch auf seinem kleinen Kocher frisch zubereitet. Wenn Fleisch dabei ist, ist es meist eher eine etwas geschmacklose Wurst, die in der Pfanne angebraten worden ist. Im weiteren Verlauf der Reise wird es aber auch immer mal Konservenfisch geben. Insgesamt sind die Mahlzeiten sehr abwechslungsreich, bei dem Vorbereitungstreffen bei der deutschen Reiseagentur hatte man uns noch empfohlen, zum Beispiel eine deftige Wurst oder Schinken mitzunehmen, und sie dem Koch zu geben. Im Nachhinein kann ich sagen, das ist völlig unnötig. Unsere Mittagspausen finden übrigens meist irgendwo unterwegs am Weg statt. Die Küchencrew sucht sich dazu eine etwas geschützte Stelle direkt am Weg, an dem auch ein kleiner Wasserlauf vorhanden ist. Dazu muss man noch sagen, dass es hier sehr viele kleine Wasserläufe gibt, dieses also kaum eine Einschränkung darstellt.

Nach dem Essen geht es wie kurz vor dem Essen relativ steil bergauf. Wir sind inzwischen schon ein gutes Stück über dem Fluss Tamor Nadi. Der Weg ist seit den Kadermompflanzen auf einer Breite von etwa 1 m mit flachen Steinen ausgelegt, was das Gehen ohne Stöcker schon erleichtert, ich mit meinen Trekkingstöcken aber immer mal wieder in den Fugen hängen bleibe. Aber was sag ich, schon biegen wir von unseren Plattenweg ab. Und damit geht es auch wieder deutlich abwärts, der Weg ist nur noch ein schmaler Trampelpfad, zuweilen führt diese auch direkt an einem Abhang entlang. Er ist dabei nicht immer breit genug, dass man beide Füße nebeneinander stellen könnte. Aber wir wollen ja auch nicht stehen sondern weitergehen. Der Bewuchs neben dem Weg ist zum Teil wieder sehr viel dichter, auch die Luft ist wieder deutlich feuchter aber immer noch kein Vergleich zu gestern. Damit bin ich zugegeben mehr als zufrieden. Am heutigen Nachmittag begegnet uns noch eine kleine Gruppe von Nepalesen. Einer von ihnen hat einen der typischen Körbe auf dem Rücken, mit denen sie hier sonst sämtliche Lasten zu tragen pflegen. In diesem Korb ist allerdings eine ältere Frau, der es sichtlich nicht gut geht. In dieser für unsere Verhältnisse abgeschiedenen Gegend ist es für die Menschen enorm wichtig gesund zu bleiben. So werden hier noch viele Kräuter und Naturmittel eingesetzt. Pharmazeutische Produkte, wie wir sie kennen, sind für die meisten Menschen hier viel zu teuer. Und selbst ein vermeintlich simpler Knochenbruch ist hier ein ernstes Problem. Können die Menschen sich nicht selber helfen, müssen sie in Körben wie diesen oder auf Tragen, wobei ich mir gar nicht vorstellen mag, wie man sich damit auf diesen Pfaden bewegen kann, in den nächsten größeren Ort transportiert werden. Und das ist hier eben Taplejung. In andere größere Ortschaften auf dem Weg kommt vielleicht gelegentlich eine Art Krankenschwester, mehr aber auf keinen Fall. In ganz Nepal gab es um die Jahrtausendwende nur 923 registrierte Ärzte. Dazu kamen etwa 5500 Krankenschwestern und 13.000 Gesundheitsmitarbeiter. So war im Jahre 2008 zum Beispiel die Kindersterblichkeit bei 51 von 1000 Kindern im ersten Lebensjahr, was gegenüber dem Wert von 147 im Jahre 1990 eine enorme Verbesserung darstellt, sich aber in Deutschland mit einem Wert von 3,5 vergleicht.

Noch vor 15:00 Uhr erreichen wir unser heutiges Camp. Wie auch gestern machen wir nur wenige Gehminuten davor noch einmal eine Pause, um unsere Träger vorbeiziehen zu lassen, um erst nach ihnen anzukommen. Wobei einer von ihnen etwa 5 Minuten vor dem Zeltplatz noch mal eine kurze Rast eingelegt hat und seine Last abgesetzt hatte. Wir stoppen kurz vor ihm, und unser Guide gibt ihm mit einer kleinen Handbewegung zu verstehen, er möge doch jetzt weiter gehen. So bleibt am Nachmittag noch wieder Zeit ein paar völlig durch geschwitzte Sachen durch zu spülen, auch wenn die Sonne, die in diesem relativ engen mit steilen Seiten versehenen Tal, nicht mehr trocken bekommen wird. Aber morgen wird sie sicherlich auch wieder scheinen. Direkt vor unserem Lager führt eine Brücke über einen Fluss. Während ich hier sitze und noch schnell den Tag zusammenfasse, überquert gerade eine kleine Herde Rinder diese Brücke. Man hatte uns dazu geraten den Tieren auf jeden Fall auf den Brücken immer Vorfahrt zu gewähren, da sie auf jeden Fall rüber gehen würden, unabhängig davon ob wir bereits auf der Brücke sind oder nicht. Und dann auch ruhig aber sehr bestimmt ihren Weg machen, man selbst müsste dann halt sehen wo man bleibt also besser auf der anderen Brückenseite.

Noch sind wir im Moment in einem relativ dicht besiedelten Gebiet unterwegs. Natürlich nicht zu vergleichen mit der Tiefebene, aber für den Himalaya schon noch dicht. Es fällt dabei auf, dass man kaum junge Männer in den Ortschaften sieht. Diese haben sich oft irgendwo auf den Baustellen dieser Welt zu Billiglöhnen verdingt. Insbesondere in den Golfstaaten sind viele Nepalesen beschäftigt. Ihr Problem ist, dass sie in der Heimat kaum Jobs finden. Auf dem Lande ohnehin nicht, aber auch viele, die dann nach Kathmandu gehen, bekommen dort keine Arbeit. Eine industrielle Infrastruktur gibt es praktisch nicht im Lande. Früher gab es noch nepalesische Teppiche, die in alle Welt exportiert worden sind. Heute kommen sie meist aus Indien, dort sind die Löhne ähnlich niedrig und die Infrastruktur viel besser als in Nepal. Überhaupt leidet Nepal unter seinen beiden großen Nachbarn Indien und China. Beide Länder haben über 1 Milliarde Einwohner und Städte mit um die 20 Millionen Einwohnern, dagegen ist Nepal mit seinen insgesamt etwa 26,5 Millionen ein Zwerg. Man hat kaum nutzbare Rohstoffe, und aufgrund der Topologie ist es auch extrem schwierig eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur aufzubauen. Dazu gleich noch ein paar Zahlen. In Nepal gibt es etwa 10.000 km Straße und zusätzlich etwa 7000 km unbefestigte Wege. Das gesamte Bahnnetz besteht aus einer Strecke von 59 km. Beides verteilt auf einer Fläche von etwa 147.000 km². Zum Vergleich Deutschland ist etwa 357.000 km² groß und hat etwa 230.000 km Straßen und etwa 35.000 km Bahnstrecken (ohne U-Bahn und Straßenbahn). Dazu kommt, dass in der Vergangenheit die Bildung der Bevölkerung keinen hohen Stellenwert hatte. So sind immer noch etwa  40 % der Bevölkerung Analphabeten. Seit 1975 gibt es eine gesetzliche Schulpflicht. Aber bis heute gehen trotzdem nicht alle Kinder in die Schule, da sie zu Hause in der Landwirtschaft helfen müssen. Die Klassen sind zudem mit 70-80 Schülern total überfüllt. Dazu kommt eine hohe Zahl an Schulabbrechern. Von 100 eingeschulten Kindern erreichen im Durchschnitt nur etwa zehn einen Abschluss. Trotzdem steigt die Zahl der Hochschulabsolventen, womit die staatlichen Universitäten schon jetzt völlig überfordert sind. Ein deutlich besseres Niveau gibt es in den Privatschulen, die sich aber die einfachen Leute insbesondere auf dem Lande nicht leisten können. Aus den wohlhabenden Familien gehen dann zumeist die Kinder später auf ausländische Universitäten, da dort die Bedingungen sehr viel besser sind. Das Problem dabei ist natürlich, dass die dann gut ausgebildeten jungen Nepalesen in der Heimat kaum adäquate Anstellung finden. Also bleiben sie im Ausland und ein weiterer Baustein zur Entwicklung des Landes geht verloren.