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    Blick über die Seescharte

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    Sonnenaufgang mit dem Viluchinsky im Hintergrund

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    Kamtschatka

    Der Avachinsky ist der Hausberg von Petropawlowsk

14. Tag         Wiwa Camp – 14.02.2020

Heute steht nur eine kurze Etappe auf dem Programm. Das Frühstück ist trotzdem für 6:30 Uhr geplant, aber es dauert dann doch bis 7:00 Uhr. Gegen 8:00 Uhr geht es dann los. Auf dem Pfad, inzwischen ist er nicht mehr mit Mopeds zu befahren, kommen uns einige größere Gruppen entgegen. Aber insgesamt ist es relativ ruhig auf der Strecke. Es geht zunächst rund 300 Höhenmeter rauf, um dann später auch etwa die gleiche Anzahl wieder runter zu gehen. Insgesamt sind wir dafür rund zweieinhalb Stunden unterwegs. Etwas beunruhigt mich wieder der relativ steile Abstieg, was dann auf dem Rückweg logischerweise zum Aufstieg wird. Aktuell ist alles trocken, aber wenn es auf dem Weg regnet, dann schwellen die kleinen Wasserläufe sicherlich ordentlich an, die man nur über ein paar Steine überquert. Aber das Hauptproblem sind dann sicherlich die Wegeverhältnisse selbst. Die vermutlich dann irgendwas zwischen schmierig und schlammig werden. An einigen Stellen kann man deutlich die Erosion sehen, die der Regen darauf hinterlassen hat. Die Humusschicht ist hier nur relativ dünn, darunter befindet sich dann nur unfruchtbarer Sand, auf dem sich kein Bewuchs halten kann. Die vielen Wanderer und nicht zuletzt auch den Maultieren, die schließlich auch unser Gepäck transportieren, treten den Weg aus. So spült der Regen den losen Sand dann leicht weg. So dürften die an einigen Stellen schon mal mehrere Meter hohen Auswaschungen entstanden sein.

Nach unserer Ankunft im Wiwa Camp gehen wir noch ein kleines Stückchen zu einem kleinen Wasserfall und einem Teich davor. Das Wasser ist frisch, aber durchaus noch erträglich. Dabei ist das Wasser zumeist von den hohen teilweise schneebedeckten Bergen der Umgebung. Obwohl der umliegende Regenwald eigentlich so gar nicht zum Schnee passen will. Und doch gibt es in der Gegend ein paar Fünftausender. Das Bad ist sehr erfrischend, wobei ich selbst auch schnell schwitze, aber hier läuft mir der Schweiß fast schon, sobald ich mich nur etwas bewege. Nach dem kurzen Bad gehen wir zurück zum Camp, wo es dann auch gleich schon wieder das Mittagsessen gibt.

Nach dem Mittag halten wir zunächst eine kurze Siesta, danach erhalten wir einen Vortrag über die Kultur der Wiwa, einer der hier lebenden indigenen Stämme. Es gibt in der Umgebung die Kogi mit noch etwa 9000 Mitgliedern, die Wiwa mit 5000 Mitglieder, die Arhuaco mit 18000 und die Kankuamo denen man noch etwa 8000 Menschen zurechnet, die aber bereits ihre Sprache und viele kulturelle Überlieferung und Wissen der Ahnen verloren haben. Faktisch muss man deshalb wohl sagen, dass der Stamm eigentlich nicht mehr existiert bzw. sich gerade mehr oder weniger auflöst. Womit sie durchaus kein Einzelfall sind. Je nach Quelle werden rund 85 verschiedene indigene Gruppen und Stämme in Kolumbien gezählt, von denen etwa 55 noch als aktiv gelten. Die übrigen haben große Teile ihrer eigenen Kultur faktisch aufgegeben und haben sich bzw. sind dabei sich in dem Vielvölkerstaat Kolumbien zu verlieren. Die genannten Größen der Stämme sind übrigens Schätzungen, genaue Zahlen kennt niemand. Zumal sich die indigenen Stämme sowohl untereinander als auch mit allen anderen Volksgruppen zunehmend vermischen. In dem Vortrag erklärt uns ein Mamo der hiesigen Wiwa die Entwicklung der Kinder zum Erwachsenwerden. Dabei ist ein Mamo vielleicht am ehesten mit einem Schamanen vergleichbar. Er ist das Oberhaupt einer Gemeinschaft wie einem Dorf. Dabei regelt er Streitigkeiten zwischen den Gemeindemitgliedern, kümmert sich um die Gesundheit und wacht über die Beibehaltung der Stammeskultur. Zukünftige Mamos werden dabei von älteren Mamos auserwählt und werden dann durch eine entsprechende Ausbildung durch den älteren Mamo auf ihre zukünftige Aufgabe besonders vorbereitet. Der Mamo berichtet nun, dass alle Kinder in den ersten Jahren als rein gelten. Sie haben praktisch alle Freiheiten und sollte es ein „Missgeschick“ geben, ist es eher die Schuld der Eltern. Ab ca. vier Jahre werden sie dann langsam auf ihr späteres Leben vorbereitet. Sie werden dann an erste Arbeiten gewöhnt. Die Familien leben meist in zwei Häusern / Räumlichkeiten, wobei in dem einen die Mutter mit den Mädchen schläft, und in dem anderen der Mann mit den Jungen. Darüber hinaus gibt es diese Aufteilung meist in einem Gehöft bei den Feldern und Weiden, und noch einmal in einem Dorf. Die Aufklärung der Kinder wird nach der Darstellung des Mamo praktisch nicht wirklich betrieben. Man erklärt die erste Periode bei den jungen Frauen im Vorfeld eher mit dem Bild, dass der Avocado das erste Mal blüht. Passiert die Periode bei dem Mädchen, erklärt die Mutter im Vorfeld höchstens noch, dass das Mädchen von einer Fledermaus gebissen wird, und dann unbedingt zu Mutter kommen soll. Alles findet seinen Bezug in der Natur, mit der die indigenen Völker versuchen im Einklang zu leben. Die Frauen dürfen sich während ihrer Periode dann auch nicht mehr im Fluss waschen, da die meisten indigenen Völker glauben, dass wenn jemand aus der eigenen Gemeinschaft krank wird, es ein böser Vorbote für ein bevor stehendes Unheil wie starke Regenfälle, Stürme oder Ähnliches ist. Und das Blut der Frauen könnte dann leicht falsch gedeutet werden. Bei den Jungen wird nach Angabe des Mamo mit dem 18. Geburtstag dann erklärt, dass es Mann und Frau gibt, und die Kinder eben nicht vom Fluss gebracht werden. Diese Aufgabe und eine erste sexuelle Unterweisung wird von einer von den Eltern ausgesuchten erfahrenen Frau, die entweder Alleinlebend oder Witwe ist, vorgenommen. Wobei diese zunächst von der Familie dem Mamo vorgeschlagen werden muss, und dieser heißt sie entweder gut, kann sie aber auch als ungeeignet ablehnen. Wie weit die Ausführungen des Mamo heute noch der gelebten Wirklichkeit entsprechen, darf wohl beruhigt bezweifelt werden. Zumal wenn man hier und da auch noch relativ junge Mitglieder des Stammes der Wiwa mit dem Smartphone unterwegs sieht. Immerhin berichtet der Mamo darüber, dass früher die Partner der jungen Leute von den Eltern ausgesucht worden sind und diese dann verheiratet wurden, heute sind die jungen Leute dort frei.

Gehalten hat sich aber noch ein anderer Brauch bei den Wiwa. Mit der Einweisung in das Leben der Erwachsenen bekommen junge Männer eine dieser typischen Taschen. Darin befindet sich eine vom Mamo geweihter Poporo. Dabei handelt es sich um eine besondere Art von Kürbis, der für die Verwendung als Pororo zunächst ausgehöhlt wird. Dabei ist der Kürbis eine relativ kleine runde Frucht, die eine stilartige Verlängerung der eigentlichen Frucht hat, der ein bisschen wie ein verlängerter Flaschenhals aussieht. Unten in dem eigentlichen kugelförmigen Behältnis befindet sich dann sehr fein gemahlener Muschelkalk. Kommen die Männer später in einen anderen Ort, oder meditieren selbst für sich, so beginnen sie Kokainblätter zu kauen. Um die Wirkung der Kokainblätter zu verstärken, wird mittels eines angefeuchteten Holzstabes dann ein wenig des Kalks aus dem Poporo durch den Hals des Kürbisses entnommen, und mit den zerkauten Kokainblätter weiter gekaut. Die dabei entstehende Masse wird anschließend auf den Holzstab gespuckt und damit auf den Hals des Kürbisses gestrichen. Der Hals des Kürbisses wird dadurch entsprechend immer größer und zu einer runden Scheibe aufgetragen. Der Mamo, der uns den Einblick in die Kultur der Wiwa bietet, hatte einen Poporo dabei, dessen Scheibe um den Hals des Poporo inzwischen einen Durchmesser von rund 30 cm erreicht hatte. Die Scheibe ist in mehr als acht Jahren entstanden. Wird ein Poporo dann irgendwann zu schwer, kann ein Mann zu seinem Mamo gehen, und von ihm einen neuen Poporo weihen lassen. Und das Ganze beginnt wieder von vorn. Die Tätigkeit des Kokainkauens und des bestreichen des Popro ist etwa damit zu vergleichen, wie wenn man seine Gedanken aufschreibt. Da diese Tätigkeit kulturell begründet ist, hat der Staat Kolumbien den indigenen Volksgruppen auch zugestanden, Kokain für den Eigenverbrauch anzubauen.

Die Taschen der Wiwa werden übrigens aus Sisal also letztlich Agaven hergestellt. Dabei werden die Fasern aus den Blättern gewonnen. Dazu werden die Fasern in Wuchsrichtung mittels einer Art Stoßscharre voneinander getrennt. Dabei muss man darauf achten, den Kontakt mit der sich lösenden Flüssigkeit zu vermeiden, da sie einen starken Juckreiz auslösen kann. Die Fasern selbst werden noch von den Männern aus den Blättern gewonnen. Das Färben und Spinnen der Fasern, ebenso wie nachher das Herstellen der eigentlichen Taschen, wird dann von den Frauen übernommen. Anders ist es mit der Kleidung, diese produzieren die Männer für sich selbst. Alle Wiwa also Männer und Frauen, tragen übrigens weiße Kleidung. Dabei handelt es sich um weiße Hosen und eine Art überlangen weißen Shirt. Dazu tragen die Männer noch weiße Hüte, die sie allerdings kaufen. Beide Geschlechter tragen auch ihre Haare lang. So ist es insbesondere bei den Kindern schwierig Jungen und Mädchen auseinander zu halten. Obligatorisch scheinen, dann auch wieder bei Männern und Frauen die Gummistiefel als Schuhe zu sein. Ich mag bei dem Klima gar nicht daran denken, wie die Füße darin schwitzen müssen.

Da wir nur eine kurze Wegstrecke hatten, ist es ein sehr entspannter Tag für uns. Und auch der gestrige Tag war nicht wirklich anspruchsvoll. So gibt es auch keinen Bedarf sich eine Massage zu gönnen, die hier direkt von einer jungen Wiwa direkt am Camp angeboten wird. Stattdessen gehen wir noch mal an einer anderen Stelle an den Fluss, an der noch mal die Gelegenheit zu einem Bad besteht. Während der Zeit kommen noch einige weitere Gruppen in unser Camp, dass sich damit fast vollständig füllt. So ist es beim Abendessen relativ voll. Und die Crews der verschiedenen Gruppen kochen in dem Küchenbereich nebeneinander. Wobei es scheinbar auch kein Konkurrenzdenken zwischen den verschiedenen Teams zu geben scheint, eher ein kollegiales Miteinander, obwohl sie von verschiedenen Veranstaltern kommen. Wobei sie sich natürlich in der Saison auch immer wieder über den Weg laufen. Da sie im Prinzip, nur von kleinen Pausen unterbrochen, unentwegt zum letzten Camp vor der Ciudad Perdida und zurück unterwegs sind, und sich deshalb zwangsläufig auch alle paar Tage wieder begegnen. Auch heute gehe ich wieder relativ zeitig ins Bett. Wobei es nicht lange dauert, bis es zu regnen beginnt. Da wir hier unter einem Blechdach liegen, lässt sich natürlich nicht genau abschätzen, wieviel gerade herunter kommt. Aber ich sehe den Wegeverhältnissen für den kommenden Tag schon mit ein bisschen gemischten Gefühlen entgegen, zumal wir bis zum Camp vor der Ciudad Perdida, der verlorenen Stadt, gehen wollen, und wenn es zeitlich machbar ist, auch am Nachmittag noch die verlorene Stadt besuchen wollen. Also schon ein paar Kilometer und dann der Aufstieg zur Ciudad Perdida zu bewältigen sind.