20. Reisetag - Ayers Rock
Und wieder beginnt ein Tag im Dunkeln. Heute morgen steht ein Sonnenaufgang am Uluru auf dem Programm. Wieder wechseln die Farben von grau über violett zu einem dunklen rot um dann leuchtend rot ja fast orange zu werden. Es war nicht ganz so prächtig wie der Sonnenuntergang, da diese Seite des Felsen weniger Struktur hat und das Lichtspiel auch noch etwas kürzer ist. Anschließend geht es weiter mit einer kleinen Wanderung um einen Teil des für die Aboriginies heiligen Bergs. Als erstes sehen wir eines der beiden Wasserlöcher am Uluru. Dieses führt häufig Wasser, das andere am Ende der Wanderung immer und ist dazu noch etwas tiefer wie dieses. Aber bis wir da angelangt sind, kommen wir noch an zahlreichen Höhlen und Vertiefungen vorbei. Diese sind den Aboriginies heilig. Dort versammelten sich vor heiligen Riten etwa die jungen Männer, die in die Welt der Erwachsenen überführt werden sollten. Häufig waren damit blutige Zeremonien, wie etwa das schneiden in den Bauch oder in Gliedmaßen, verbunden. Sie sind auch unterschiedlich zwischen den einzelnen Stämmen. Dabei gab es dort Höhlen für verschiedene Gruppen, wie etwa für die erwähnten jungen Männer, genauso aber auch für die bereits eingeführten Männer, die Kinder, die jungen Frauen oder auch die älteren Frauen. Die Kinder galten bei den Aboriginies oft erst nicht viel, erst mit der Überführung zu den Erwachsenen erlangten sie Bedeutung. Bei der Geburt von Zwillingen wurde das Erstgeborene zurück gelassen. Man begründete dies damit, das es sich vorgedrängelt hätte. Es hatte aber auch einen praktischen Hintergrund. In der Wüste hatte eine Frau mit zwei Säuglingen kaum eine Überlebenschance, und schon gar nicht wenn sie dabei auch noch ihrer täglichen Arbeit nachgehen mußte. Männer galten mehr als Frauen. Auch wenn diese 70% der Arbeit verrichten mußten. Männer haben etwa kriegerische Auseinandersetzungen ausgefochten, Strafexpeditionen gegen Mitglieder des Clans, wenn diese gegen die strengen Regeln verstoßen hatten, ausgeführt oder Großwild gejagt. Auch die Beschaffung von Baumaterial für Behausungen, soweit diese überhaupt errichtet wurden, waren Männersache. Der Bau selbst fiel aber schon in den Aufgabenbereich der Frauen. Auch Hausarbeiten, die Erziehung der Kinder, das jagen von Kleintieren oder auch das Sammeln von Beeren, Wurzeln und anderem Essbarem waren Frauensache. Die Gesetze waren streng und auf die bedingungslose genaue Befolgung wurde großer Wert gelegt. Die Bestrafung waren zum Teil grausam und konnten nicht selten den Tod zur Folge haben. Das Sagen hatten die älteren erfahrenen Männer, wobei der Älteste und Erfahrenste so eine Art Häuptling Status hatte. Er bestimmte den Weg, den sein Clan ging und wohin er zog.
Hier noch ein kleiner Exkurs in einen Fall, der gerade die Australier beschäftigt, während wir hier sind. Einem Aboriginie warf die Justiz vor seine schwangere Frau ermordet zu haben. Er wünschte nach seiner Verurteilung noch einmal zu seinem Stamm zurück kehren zu dürfen, um sich von ihm verabschieden zu können. Den Behörden wurde er dann schwer verletzt wieder übergeben. Er hatte mehrere Wunder, die ihm mit Sperren beigebracht worden waren. Darunter befand sich auch eine, in der man einen Sperr durch seinen Oberschenkel getrieben hatte und die Waffe stecken lassen. Es gab hier dann eine große Diskussion, ob denn die Behörden den Verurteilten überhaupt zu seinem Stamm hätte lassen dürfen, und ob man nicht vorher so etwas hätte erwarten können. Auch die Frage wen oder ob überhaupt jemand für diese Bestrafung zu Rechenschaft gezogen werden könnte bzw. sollte. Überhaupt hat man hier noch große Schwierigkeiten, die sehr verschiedenen Kulturen miteinander zu verknüpfen. Viele Aboriginies wollen nicht mehr so leben, wie ihr Volk die letzten 50000 Jahre gelebt hat. Sie sehen die Welt der Weißen und wie leicht man Nahrung und auch Wasser bekommen kann. Sie sind aber dann auch nicht bereit regelmäßig einer Arbeit nachzugehen. In ihrer alten Kultur nahm man sich auch mal eine Ruhepause, wenn die Versorgung sicher gestellt war. So leben viele Aboriginies von Sozialhilfe und so finden sie sich nur am Rande der weiß geprägten Gesellschaft wieder. So kommt es auch, das ihr Leben nahezu ohne Perspektive ist und durchschnittlich schon nach 50 Jahre zu Ende. Zum Vergleich werden die Weißen durchschnittlich etwa 25 Jahre älter. Die Aboriginies sind dann häufig in den Nachmittagsstunden in kleinen Gruppen zusammen und sehen von ihrer Drogensucht gezeichnet aus. Und sie konsumieren nur die billigsten und sehr zerstörerischen Rauschmittel. Da ist der Alkohol, den sie überhaupt nicht vertragen noch die harmloseste. Das Schnüffeln von Lösemittel und Treibstoff hinterläßt da schon viel größere Schäden. Ihnen wird ihre Kultur, die sie seit tausenden von Jahren hier in Australien entwickelt und gepflegt haben, zum Verhängnis, da sie gar nicht an die Denkweise der Weißen angepaßt ist. Sie haben früher sich als Teil der Erde bzw. der Natur begriffen, deshalb hatten sie immer Probleme in den Schemen von Eigentum an Grund und Boden zu denken. Sie gehörten der Erde, aber nicht umgekehrt. Sicherlich noch ein weites Feld, das ich, wie ich gestehen muß aufgrund meines westeuropäischem Gedankengutes kaum fassen kann. Man ist da nicht neutral und kann sich deshalb auch nicht in die Sicht eines Naturvolkes hinein versetzen. Dazu kommt auch noch das es eigentlich gar nicht die Aboriginies gegeben hat. Es waren sehr viele verschiedene Stämme, Gruppen und Clans, die sich wieder untereinander nicht einmal sprachlich verstanden haben. Auch die Riten und Gebräuche waren verschieden.
Jetzt aber zurück zu unserem Reisetag. Die Oberfläche des Uluru ist ziemlich geschuppt, und es fallen immer wieder Teile herunter. Von der Struktur erinnert er ein bißchen an eine alte verrostete Blechtonne, von der immer wieder ein bißchen abrostet und runter fällt. Und der Vergleich ist auch gar nicht so falsch. Da auch der Uluru, wie auch sein ganzen Umfeld, rot aussieht, was an dem hohen Anteil an Eisenoxyd liegt, rostet er förmlich an der Luft. Immer wenn wieder etwas herunter fällt wirkt die Stelle gräulich rot. So sieht der Stein eigentlich aus, durch das bißchen Kondenswasser und die Luft oxidiert er dann, oder man könnte eben sagen er rostet. Das Kondenswasser ist es auch, was sich dann später in den beiden Wasserlöchern sammelt. In einigen der erwähnten Höhlen befinden sich Felsmalereien. Sie sind in den Farben weiß, rot und ocker gemalt. Den Farben die die Aboriginies aus ihrer Umwelt gewinnen konnten. Teilweise scheinen die Malereien auch übereinander gemalt worden zu sein. Beim Uluru soll eigentlich nicht photographiert werden, es wird aber stillschweigend geduldet. Auch ist es verwunderlich das der Berg bestiegen werden kann, zumal das Gebiet ja unter der Verwaltung der Aboriginies steht. Und für sehr viele ist der Uluru das erklärte höchste Heiligtum. Das wäre dann fast so, als wenn Christen den Altar für Partys verleihen würden. Und die Touristen laufen auf den Berg wie die Lemminge in einer schier endlosen Karawane hinauf und natürlich wieder runter. Das ständig vorkommende Wasser hat sicherlich auch dazu beigetragen diesen Berg zu einer heiligen Stätte für die Aboriginies werden zu lassen. Denn in der Umgebung gibt es sonst keine so sicheren Wasserstellen wie diese. Überhaupt ist Wasser dort ein Thema. Zur Zeit wird die ganze Hotelanlage und Umgebung mit Wasser aus einem unterirdischen See versorgt. Doch wenn man weiter so verschwenderisch mit dem kostbaren Nass umgeht, wird das Wasser nur noch bis voraussichtlich 2025 reichen. Da fragt man sich ob nicht einige der Aboriginies sich schon zu sehr an die Denkweisen der Weißen angepasst haben, ja sogar sie noch übertreffen. In unserem Hotel werden die Handtücher und auch die Bettwäsche täglich gewechselt, egal ob sie benutzt worden sind oder nicht. Nur auf ausdrückliche Abbestellung hin lässt man diesen „Service" weg.
Aber ich schweife schon wieder ab. Den restlichen Vormittag und frühen Nachmittag haben wir dann das Geruhsame aus unserer Reisebeschreibung genossen und uns am Pool aufgehalten, oder was auch immer sonst man hier im Nichts zu tun pflegen wollte. Am Nachmittag sind wir dann zu den Kata Tjutas gefahren, was so viel heißt wie die vielen Köpfe. Eine Felsformation, die im Gegensatz zum 90° geneigten Uluru nur etwa 16° geneigte Gesteinsschichten aufweist. Dafür bestehen sie nicht nur aus einem Berg mit einer Kuppe, sondern haben viele runde Kuppen. Auch das Gestein ist sehr viel vielfältiger. Es gibt hier Geröll und neben vielen runden losen Steine auch zahlreiches spitzes Gestein. Auch hier handelt es sich wie beim Uluru um einen sehr eisenhaltigen Sandstein. Auch die Olgas, wie sie früher hießen, bieten beim Sonnenuntergang ein großartiges Farbspiel, auch wenn ich das am Ayers Rock, oder richtiger gesagt am Uluru, schöner fand. Das mag aber auch daran liegen, das ich es dort zum ersten mal gesehen habe. Auch die Kata Tjutas sind für die Aboriginies eine heilige Stätte, wenn gleich sie nicht sagen warum das so ist oder was für Geschichten oder Rituale damit verbunden sind. Sie sagen lediglich das sie heilig sind, aber eben nicht welche Bedeutung sie haben. Sie geben hier auch nicht ihre Version der Entstehung preis, das läßt vielleicht sogar den Schluß zu, das sie noch viel heiliger sind als der Uluru. Noch ein kleiner Satz zur Traumzeit. Für die Aboriginies beschreibt die Traumzeit die Entstehung der Welt. In ihrer Version wird die Welt von Fabelwesen erschaffen bzw. sie bezeichnen die verschiedenen Dinge. In der Logik der Aboriginies beginnen Dinge erst zu sein, wenn sie einen Namen haben. Dabei haben die verschiedenen Clans auch ihre Totems erhalten, das jetzt für die Mitglieder des Clans heilig ist und großen Zauber über sie ausübt. Jeder einzelne hat noch ein weiteres persönliches Totem. Sind die Totems Tiere oder Pflanzen dürfen diese von dem jeweiligen Aboriginie nicht getötet bzw. als Nahrungsquelle oder anderweitig weltlich genutzt werden.