9. Reisetag 28.07.2012 – Meran
Heute gönne ich mir eines der Highlights dieser Reise: Ein Tandem-Gleitschirmflug. Ursprünglich hatte ich das bereits für Oberstdorf vor dem Start der Alpenüberquerung geplant. Was aber wegen des Wetters nicht möglich war, da es dort geregnet hatte. Also hatte ich von Zams aus telefonisch hier einen zweiten Versuch gebucht. Gestern Abend hatte es hier in Meran ein schweres Gewitter gegeben, aber jetzt scheint die Luft wieder klarer und die Sicht auch gut. So mache ich mich zum Bahnhof auf, um mir ein Ticket für den Bus nach Lana zu kaufen, von wo es los geht. Meine Fahrkarte, die ich am Bahnhof aus dem Automaten gezogen habe, scheint nach der Beschriftung richtig zu sein, aber im Bus abstempeln lässt sie sich nicht. Der Fahrer nimmt mich aber auch so mit.
Als Treffpunkt mit dem Piloten ist die Talstation der Seilbahn am Vigijoch ausgemacht. So kann ich zumindest ganz gut die Bushaltestation abschätzen, denn die Seilbahn ist ja ein gut sichtbares Ziel. An der Seilbahn angekommen ist dort auch ein Stand eines Anbieters, aber auch der Hinweis, man wäre gerade in der Luft und demnächst zurück. Kurz vor der ausgemachten Zeit um 10 Uhr kommen auch drei verschwitzte Männer mir ihren großen Säcken auf mich zu – die Piloten. Außer mir wartet noch eine junge Frau auf ihren Tandem-Flug. Wir fahren alle zusammen mit der Seilbahn nach oben und gehen noch ein kleines Stück zur Startwiese. Dort wartet noch ein weiterer Fluggast, seine Frau und die beiden Kinder waren gerade mit den gleichen Piloten ins Tal geflogen.
Wir packen die Schirme auseinander, während ich noch schnell ein Formular ausfülle, wo wohl auch irgendwo steht, dass es auf mein eigenes Risiko geht, wenn etwas passieren sollte. Aber wie heißt es doch so schön „ No risk, no fun.“ Der Pilot sortiert gleichzeitig die bunten Schnüre des Schirms. Anhand der Farben werden sie auch geordnet, da dadurch auch ihre Position am Gleitschirm bestimmt ist. Anschließend bekomme ich meinen Overall und einen Helm, letzterer lässt sich einstellen, der Overall hat eine Einheitsgröße. Entweder man säuft ab, oder bekommt ihn nicht zu, bei mir geht es so. Es ist aber auch schon recht warm, und mein Pilot hat nur ein T-Shirt an. Die Piloten verteilen sich nach Gewicht zu den Fluggästen, um die Unterschiede möglichst auszugleichen. Das hat dann natürlich Auswirkungen bezüglich der Thermik bzw. möglicher Flughöhe und Fluglänge. Ich werde praktisch an den Piloten gebunden, während dessen erklärt mir dieser den Start. Was wie folgt ablaufen soll: Man macht zwei oder drei große Schritte, dann gibt es einen Ruck und dann läuft man noch einige Schritte und wir fliegen. Wir warten noch auf ein bisschen Aufwind, was der Pilot zuerst an den Grashalmen vor uns sieht, dann schlägt auch sein Messgerät an. Was soll ich sagen, wir machen es genauso, wie er es erklärt hat und nach den paar schnellen Schritten entschweben wir über dem Gras. Mein Pilot fordert mich auch, mich in meine Sitzmulde zu setzen, während dessen sucht er Thermik, um uns noch ein bisschen höher zu bringen. Wobei man hier die Auswirkung von Gewicht sehr gut beobachten kann, wo wir nicht so recht hoch kamen, kam die junge Frau, die vielleicht 50 – 60kg wog, mit ihrem Piloten fast wie gezogen hoch steigt. Dabei leide ich nun mit rund 80kg auch nicht unbedingt an Übergewicht. Der Pilot macht die ersten Fotos und weist mich kurz in die Steuerung des Gleitschirms ein. Was für einfache Kurven auch völlig intuitiv ist. Zieht man links an der Schlaufe, geht es nach links, und je stärker man zieht, desto enger wird die Kurve, nach rechts geht es analog dazu. Je kleiner der Kurvenradius dabei ist, desto mehr Höhe verliert man dabei, was auch logisch ist, da dadurch natürlich die Auflagefläche des Schirms kleiner wird. Auf dem Weg runter fliegt der Pilot noch ein paar wirklich enge Kurven und eine flotte 8 hinterher. Da nimmt der Anpressdruck in den Sitz ordentlich zu, Fahrstuhl fahren ist dabei auch vom Gefühl im Magen etwas für „Vorwärtsparker“. Aber es macht auf jeden Fall richtig Spaß. Für die Landung gibt es hier praktisch nur eine wirklich gute Stelle. Eine kleine Wiese, die der Anbieter sein Eigen nennt oder auch gepachtet hat, denn rund herum gibt es praktisch nur Obstplantagen, und zwischen den Obstbäumen kann man natürlich nicht landen. Unmittelbar vor der Landung erklärt mir der Pilot noch schnell, dass ich laufen soll, wenn ich die Erde erreichen kann. Das klappt nicht ganz so simple wie der Start, aber der Flug ist auf jeden Fall Spaß pur. So einen Tandem-Gleitschirmflug kann ich jedem nur empfehlen der schwindelfrei ist, eine große sportliche Leistung ist dafür nicht nötig.
Für die Rückfahrt nach Lana steht an der Straße ein Auto bereit, mit dem wir zurück zur unteren Seilbahnstation fahren. Für den Rückweg nach Meran kaufe ich mir im Bus ein Ticket, und so bin ich gegen 12 Uhr auch wieder zurück in Meran. Keine Stunde später fängt es leicht an zu regnen. Der Pilot meinte vorhin noch, sowohl heute als auch am Sonntag ist Regen angesagt worden, und damit könnte man natürlich nicht fliegen. So genieße ich die paar Tropfen, denn für mich hat es heute 100%ig geklappt. Es hätte mich schon geärgert, wenn es auch hier nicht geklappt hätte. Denn der Gleitschirmflug steht schon ein paar Jahre auf meiner Wunschliste, eigentlich schon fast zehn Jahre, nachdem ich auf dem anderen Ende der Welt einmal Ballon gefahren bin. Und im norddeutschen Flachland sind die Bedingungen dafür nicht wirklich optimal. Insgesamt war mein Flug eine knappe halbe Stunde lang, der Startpunkt war dabei etwa 600m oberhalb der Landewiese, wir haben insbesondere am Anfang aber noch einige Meter nach oben gemacht.
Den Nachmittag bummle ich noch ein bisschen in Meran herum und genieße einfach nur Zeit zur Muße zu haben. Meine Füße sind top fit für die zweite Woche in den Alpen, auch sonst habe ich keinerlei Beschwerden. Die Knie hatten sich nach dem Abstieg ins Zamser Loch ein bisschen gemeldet, aber sind längst wieder völlig frei von kleinen Zipperlein. Vielleicht sollte ich noch eine Lanze brechen für die Pizzabäcker der Stadt, nachdem die gestern einfach nur schlecht war, habe ich heute dann auch das Gegenteil bekommen. Wie immer gibt es eben die Guten und die Anderen.