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13. Tag    Inuvik – 11.06.2015

Die Zeiten streben wir heute wieder wie gestern an, also wirkliche Abfahrt um 7:30 Uhr. Mein Schlafsack ist von innen reichlich feucht geschwitzt. Auch wenn es zunächst mal unangenehm ist, so bin ich eigentlich doch froh darüber, ein erster Schritt zur Überwindung meiner handfesten Erkältung. Auch wenn es mir noch nicht gut geht, so ist die Richtung auf jeden Fall die richtige. Von unserem Zeltplatz ist es nur ein relativ kurzes Stück bis zur Fähre über den Hauptstrom des MacKenzie. Auch hier hat sich eine kleine Ortschaft gebildet Tsiigehtchic, was übersetzt etwa so viel heißt wie „Öffnung des Eisenflusses“. Vor der Einrichtung der Fähre lebten hier gerade mal drei Familien, heute sind es 143 Personen (Stand 2011). Es gibt zwei Kirchen aber keine Polizei. Die Fähre ist, gerade bevor wir das Ufer erreichen, abgefahren, kehrt aber noch mal um, damit auch wir noch mitkommen. Wie schon beim kleineren Peel River ist der Dempster Highway bis kurz vor das Ufer des Flusses planiert, das letzte Stück muss man sich dann irgendwie auf die Fähre „schummeln“. Eine richtige Anlegestelle gibt es auch hier wieder nicht. Was aber wohl auch etwas schwierig wäre, da die Wassertiefe hier insbesondere nach der Schneeschmelze extrem ansteigen dürfte. Von hier geht es ein kleines Stück stromaufwärts mit der Fähre, um auf der gleichen Uferseite ein weiteres Fahrzeug aufzunehmen, das aus der Ortschaft Tsiigehtchic kommt. Erst danach überqueren wir den Strom. Auf der gegenüberliegenden Flussseite befindet sich der andere Teil des Ortes. Für uns sind es ab hier noch ca. 130 km bis zu unserem eigentlichen Ziel Inuvik. Unterwegs begegnen uns noch ein paar lebensmüde Schneehasen mit ihren weißen Pfoten und dem inzwischen grau-braunen Sommerfell. Sie scheinen einen internen Wettstreit auszumachen, wer am längsten sitzen bleibt, vor den mit mehr oder weniger großen Staubwolken heran brausenden Fahrzeugen. Neben ein paar kleineren Fotostopps, gehen wir noch einige Meter durch das inzwischen wieder vorhandene Unterholz, um zu einem Aussichtspunkt oberhalb des MacKenzie zu gelangen. Wir vergessen natürlich prompt das Bärenspray, was uns im Nachgang gleich mal eine kleine Rüge des Reiseleiters einbringt. Inuvik selbst erreichen wir dann kurz vor 12:00 Uhr. Nach dem obligatorischen Stopp am Ortsschild und gleichzeitig dem Endpunkt des Dempster Highways für ein schnelles Foto, durchfahren wir die einzige wirklich wichtige Straße von Inuvik, quasi die Downtown der Stadt. Immerhin leben hier knapp 3400 Menschen, was sie zur drittgrößten Stadt der Northwest Territories macht, und gleichzeitig zur größten kanadischen Stadt oberhalb des Polarkreises. Es gibt ein Hotel, die Post, einen großen Supermarkt und einen kleinen, dazu eine Bar und drei oder vier weitere Restaurants, in die man glaubt, unbeschadet rein und auch wieder rausgehen zu können. Das war‘s dann aber auch schon. So zumindest mein Eindruck bei der kleinen Orientierungsfahrt durch die Stadt. Für uns geht es weiter zu unserem Hotel, das ein bisschen außerhalb liegt, das zweite das überhaupt nur in meinem Reiseführer vermerkt ist. Wieder ein warmes weiches Bett für die Nacht und vor allem gleich eine warme Dusche. Unser Reiseleiter wird nicht wie wir morgen mit dem Flugzeug nach Dawson City fliegen, sondern fährt gleich mit dem Auto dorthin. Immerhin rund 800 km, die meiste Zeit auf einer Piste. Nach einer kleinen Stärkung für ihn, und einem kurzen technischen Check des Fahrzeugs, bringt er uns noch in die Stadt, Zeit für das Mittagessen und gleichzeitig auch das Abendessen. Schließlich ist es schon mitten am Nachmittag. Inuvik bedeutet übersetzt so viel wie „Ort der Menschen“. Heute haben etwa 60 % der Einwohner europäische Vorfahren, 25 % gehören zu den Inuit und etwa 15 % zu den Metis. Unter den Europäern sind viele, die selbst oder erst mit ihren Eltern in Kanada eingewandert sind, also noch relativ frisch zugezogen sind. Umso erstaunlicher, wenn man überlegt, dass es hier im Winter mehrere Wochen nur maximal dämmrig wird. Etwas was mich zum Beispiel extrem belasten würde. Womit ich offensichtlich nicht alleine bin, denn Alkohol ist ein relativ großes Problem hier oben. Was man aber ja auch von anderen derart nördlich gelegenen Orten auf der Welt hört bzw. liest. So sehen wir auch in den Straßen ein paar Personen, die schon schwer vom Alkohol gezeichnet sind. Heimeliger macht es sicherlich auch nicht das Klima. Im Jahresdurchschnitt beträgt die Temperatur -10 °C, im Sommer werden auch Temperaturen von bis zu +30°C gemessen, dafür ist es im Winter mit bis-57 °C bitter kalt. Immerhin ist der Niederschlag mit 266 l/Quadratmeter gering.

Wir haben mit einen paar aus unserer Gruppe noch einen Flug über das MacKenzie Delta geplant. Das Ziel ist Tuktoyatuk. Das liegt direkt an der Beaufort See, also am arktischen Meer. Im Winter führt eine sogenannte Eisstraße von Inuvik dorthin. Im Sommer gibt es keine Straßenverbindung. Es wird aber inzwischen an einer Verlängerung des Dempsters dorthin gebaut. Geplante Fertigstellung für die etwa 190 km lange Strecke soll im Jahre 2018 sein. Ursprünglich wollten wir gegen 14:00 Uhr abfliegen, was mit der warmen Dusche schon fast ein bisschen knapp geworden wäre. Unser Abflug wurde dann aber auf 18:00 Uhr bis 18:15 Uhr verschoben. Aber da hier die Sonne praktisch jetzt nicht mehr untergeht, ist es im Prinzip kein Problem. In Tuktoyaktuk, oder kurz Tuk, sollten wir dann noch eine Führung von etwa zwei Stunden bekommen, bevor es mit dem Flieger zurück geht. Aber mit dem Abflug gab es weitere Probleme. Die Rückkehr der kleinen Maschine vom vorherigen Flug verzögert sich. Anfangs will man unseren Flug dann völlig streichen, schließlich einigt man sich auf einen Aufenthalt von nur einer statt der geplanten zwei Stunden in Tuktoyaktuk. Kurz vor 19:00 Uhr steigen wir dann wirklich in die kleine sechs Sitzige Cessna. Der Flug über den oberen Teil des Deltas des MacKenzie dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Blöd ist nur, gleich nach der Landung drängt uns der Pilot, noch schnell das Schild am Flughafen zu fotografieren und dann so schnell wie möglich zurück zu fliegen. Vom Meer her zieht eine Schlechtwetterfront auf. Die lokale Stadtführerin schlägt noch 10 Minuten für uns heraus. So rattert sie schon auf dem Weg zum Auto die ersten Fakten herunter. Es leben knapp 900 Menschen hier oben, was in der Rangliste Platz sieben der größten Ortschaften der Northwest Territories bedeutet, es gibt eine Schule, eine Krankenstation, Strom und einen riesigen Wassertank, von dem aus die Gemeinde mit Trinkwasser versorgt wird. Geheizt wird mit Kohle, Öl oder Gas. Fernwärme wie in Teilen von Inuvik, mit oberirdisch verlegten Rohren, gibt es hier nicht. Auf der kurzen Tour durch den Ort halten wir noch kurz am offiziellen Ortsschild und am Ozean. Direkt an der Küste liegen Unmengen von Treibholz, die Flüsse wie zum Beispiel der MacKenzie hier ins Meer gespült haben, dann aber vom Ozean wieder zurück ans Ufer geworfen worden ist. Hier direkt am arktischen Ozean hat sie auch ihre Räucherbude für den Trockenfisch, den sie nicht zuletzt auch mit dem Treibholz räuchert. Das Wasser schmeckt übrigens fast wie Süßwasser. Das liegt daran, dass die Mündung des MacKanzie hier ist, und wir im Moment auch stark auflandigen Wind haben, das Flusswasser also zurück gedrückt wird. Es folgt noch ein kurzer Versuch uns ein paar Pelze von Füchsen, Karibus, einem Eisbären oder auch Moschusochsen anzupreisen. Mal abgesehen davon, dass es ohnehin illegal sein dürfte, derartige Felle bei uns einzuführen, ist das Interesse bei uns ohnehin mehr als begrenzt. Aber wir müssen ohnehin schleunigst zurück zum Flughafen. Unsere 10 Minuten sind längst um. Der Pilot, er stammt übrigens ursprünglich aus der Ukraine uns ist als Kind mit seinen Eltern hier her gekommen,  wartet auch schon und wir springen quasi unmittelbar in die kleine Maschine. Vom Meer sehen wir auch schon größere Gischt und Nebel aufziehen. Höchste Zeit zu verschwinden, wenn wir nicht etwas unfreiwillig länger hier bleiben wollen. Wegen der Wetterlage konnten wir nun leider nicht andere Sehenswürdigkeiten wie etwa den Eiskeller sehen. Im Prinzip ein riesiger Eisschrank, der durch den Permafrost ganzjährig biologisch kühl gehalten wird. Im Vorfeld hatte ich mich besonders auf den Flug gefreut, inzwischen fand ich aber auch die Ortschaft und den kleinen Eindruck vom Leben hier oben am Rande unserer Welt spannend zu sehen. Beim Abflug sehen wir auch noch ein paar der Pingos. Ein Phänomen, das es hier oben in Kanada und auch in Alaska gibt, dabei handelt es sich um unterirdische Seen, die durch den Permafrost zu Eis werden und dann durch deren Ausdehnung den Boden oberhalb davon zu großen „Sandhaufen“ aufwerfen, die logischerweise aber nicht betreten werden dürfen.

Zurück geht es auf direktem Wege in Richtung Inuvik. Auch hier fliegen wir natürlich über das Delta des MacKenzie, welches insgesamt eine Ausdehnung von etwa 80 km in der Breite und 240 km in der Länge hat. Insgesamt hat dr MacKenzie selbst eine Länge von 1903km. Er entspringt aber eigentlich dem Athabasca bzw. dem Finaly und kommt dann auf 4240km. Er selbst entwässert eine Fläche, die mehr als doppelt so groß ist wie Deutschland, mit seinen Ursprungsquellen gar die Fünffache Fläche und entwässert dann im Jahresdurchschnitt 9900cbm/Sekunde, was etwa 50% mehr ist als der viel bekanntere Yukon, oder mehr als das Dreifache des Rheins. Von der Länge ist er in der Weltrangliste auf Rang 12, beim Abfluss immerhin um Rang 25 herum. Die Wasserläufe des MacKenzie unter uns sind inzwischen eisfrei, aber viele auch der größeren Seen hier im Delta sind immer noch von einer dicken Eisschicht bedeckt. Wegen unseres kurzen Aufenthalts in Tuktoyaktuk landen wir bereits kurz nach 9:00 Uhr wieder in Inuvik. Der Flughafen ist bereits menschenleer und unser Pilot informiert noch kurz unser Hotel, damit wir hier abgeholt werden. So bleibt aber am Abend noch ein bisschen Zeit über die Erlebnisse zu quatschen oder auch diesen Bericht zu schreiben. Inzwischen ist es bereits 23:40 Uhr und draußen noch taghell. Obwohl mir der Umstand natürlich bekannt ist, und ich ihn ja auch schon seit Tagen erlebe, so bin ich doch immer noch dadurch irritiert, ja eigentlich muss man wohl verwirrt sagen.