11. Reisetag Thverbrekkmannuli - 20.08.2017
Wir starten wie gewohnt in den Tag, auch wenn es ein bisschen später wird, bis wir wirklich losgehen. Denn heute müssen wir wieder unsere Zelte abbauen. Gleichzeitig ist aber auch das Fahrzeug für den Transport des ganzen Equipments und des Gepäcks schon früh da. So packen wir noch schnell mit an, und helfen beim Verladen. So machen wir uns gegen 9:20 Uhr auf den Weg. Es geht auf dem alten Reitweg über relativ ebene weite Grünflächen. Teilweise müssen wir kleinere Wasserläufe überqueren, was aber mit einem großen Schritt oder auch über darin befindlichen Steine problemlos trockenen Fußes möglich ist. Gerade am frühen Vormittag kommen wir auch über ein paar feuchte leicht moorig Stellen. Ansonsten verläuft der Weg im Wesentlichen entlang eines breiteren Flusses, der relativ schnell fließt und zahlreiche Sedimente vom nahe gelegenen Gletscher des Langjökull abtransportiert. Trotz einer etwa einstündigen Mittagspause, inklusive eins kleinen Sonnenbades an einer geschützten Stelle, denn auch heute scheint die Sonne wieder vom blauen Himmel, erreichen wir trotz gemächlichem Gang bereits kurz nach 15:00 Uhr unser nächstes Camp. Heute haben wir dabei ca. 16 km bewältigt, wobei es insgesamt nur eine Höhendifferenz von etwa 100 m war. Also eigentlich fast wie in der norddeutschen Tiefebene. Auch wenn es natürlich landschaftlich schon deutliche Unterschiede gibt. Direkt am historischen Reitweg verläuft ein grünes Band, in dem auch einige Schafe weiden. Aber schon wenige 100 m weiter, hört der Bewuchs nahezu völlig auf. Es sind höchstens noch ein paar Moose und sehr kleinwüchsige Sträucher vorhanden, die kaum eine Höhe von 10 cm erreichen. Aber schließlich sind wir hier ja auch im Hochland unterwegs. Der Boden hat nahezu keine fruchtbare Erdkrume, und kann entsprechend auch schlecht den Niederschlag halten. Stattdessen waschen die Niederschläge den Boden zusätzlich aus. Dazu kommt der auch heute wieder nahezu ununterbrochen gehende Wind. Er kommt wie fast immer über einen der nahegelegenen Gletscher, und entsprechend kalt ist auch. So trage ich heute trotz des eigentlich schönen Wetters am Morgen ein paar dünne Softshell Handschuhe und Mütze. Dazu ein T-Shirt, eine Vliesjacke und ein Softshell Jacke gegen den Wind. Jetzt während ich hier im Zelt meinen kleinen Tagesbericht schreibe, und die Sonne noch auf mein Zelt scheint, ist darin ein T-Shirt mehr als genug. Heute Morgen beim Aufstehen hatten wir auch lediglich 1 °C - immerhin Plus. Und bei dem klaren Himmel verspricht auch die nächste Nacht recht frisch zu werden. Unser Camp liegt übrigens heute wieder genauso einsam wie gestern. Neben unseren Zelten gibt es hier lediglich zwei weitere. Auch hier gibt es eine Schutzhütte in der zwei Wanderrinnen übernachten werden, aber ansonsten neben einem Gebäude mit einer Toilette und einer Waschgelegenheit eigentlich nichts. Selbst das Wasser dafür wird hergebracht. Wie auch gestern macht das insbesondere bei diesem guten Wetter ein bisschen auch den Charme des Campingplatzes aus.
Da wir heute auf dem historischen Reiterweg unterwegs waren, ist es natürlich auch eine gute Gelegenheit einen Blick auf die Geschichte Islands zu werfen. Bereits Ende des achten Jahrhunderts waren irische Mönche auf Island. Von ihnen wurden später einige Bauten gefunden. Letztlich konnten sie sich hier aber nicht wirklich nachhaltig halten. Im Jahre 860 machte der norwegische Wikinger Naddoour hier unfreiwillig Station, er war eigentlich auf dem Weg zu den Färöer-Inseln geriet aber in einen Sturm. Im selben Jahr war auch der Schwede Gardor Svarvarsson unfreiwillig auf Island gelandet. Immerhin segelte er an der Küste entlang und fand dabei heraus, dass es sich dabei um eine Insel handelte. Auf seinem Schiff war auch sein Gefolgsmann Nattfari unterwegs, der den Aufenthalt zur Flucht nutzte, und auf Island siedelte. Da es sich bei ihm aber um einen „Niemand“ handelte, gilt er in der Geschichte nicht als erster Siedler. Fünf Jahre später im Jahre 865 kam schließlich Floki Vilgeroarsen, auch er kam aus Norwegen, und siedelte an der Nordwestküste. Er hatte sein Gesinde und Vieh dabei, und plante hier dauerhaft eine Siedlung aufzubauen. Er und seine Männer gingen das Vorhaben allerdings etwas unbedarft an, sie erfreuten sich am dortigen Fischreichtum, der mehr als genug Nahrung bot. Darüber vergaßen sie aber Heu für ihr mitgebrachtes Vieh zu machen, was daraufhin im folgenden Winter verhungerte. Das schlechte Wetter verhinderte seine Rückkehr nach Norwegen im ersten Jahr, so dass er noch einen zweiten Winter unfreiwillig auf Island verbringen musste. Er war es übrigens auch, der der Insel seinen Namen gab, er leitete ihn vom Treibeis in den Fjorden ab - Eisland. Erst Jahre später sollte er seinen zweiten Versuch zur Besiedlung Islands erfolgreich starten. Als erste Siedler gelten offiziell aber Ingolfur Arnarson und sein Ziehbruder Leifur Hroomarsson, die wegen Streitigkeiten in ihrer Heimat Norwegen, das Land verlassen mussten und schließlich im Jahre 874 hierherkamen. Wobei Leifur Hroomarsson in guter Wikinger Manier zuvor noch einen Abstecher nach Irland machte, wo er einige Sklaven, darunter auch viele Frauen, und andere Beute raubte. Er wurde übrigens später von seinen Sklaven wegen seiner Grausamkeit erschlagen. Ingolfur Arnarson siedelte die ersten Jahre an der Südküste, zog später aber weiter in den Bereich der heutigen Hauptstadt Reykjavík, was übersetzt so viel wie Rauchbucht bedeutet. In den Folgejahren gab es eine ganze Welle von Neuankömmlingen, die vor allem aus Norwegen kamen. Dort führte Haraldur aus Südnorwegen Krieg. Er hatte seiner Angebeteten versprochen König über ganz Norwegen zu werden. So unterwarf er die anderen Gruppen und Stämme mit Gewalt. Viele der der dortigen Fürsten und reichen Bauern zogen mit ihren Gefolgsleuten, Frauen, Sklaven und ihrem Vieh statt sich zu unterwerfen lieber nach Island. Dort erhielten sie so viel Land wie sie innerhalb einer Nacht mit Feuern in Sichtweite abstecken konnten. Im offiziellen Landnahmebuch wurden auf dieser Art und Weise 430 Siedler vermerkt. Mit ihrem Gefolge inklusive der Sklaven schätzt man aber die Bevölkerung im zehnten Jahrhundert auf etwa 60.000. Jeder Bezirk hatte seinen Goden, er war so etwas ähnliches wie der Häuptling. Im Jahre 930 kamen die damals 36 Goden Islands zum ersten Mal zu einem Althing am See Pingvellir zusammen. Er ist damit eines der ersten Parlamente in Europa, auch wenn deren Mitglieder nicht gewählt worden sind. Um zum Pingvellir zu kommen, benutzen die Goden den Reitweg, auf dem wir heute ein Stück entlanggegangen sind. Pingvellir war relativ zentral im damals vor allem besiedelten Südwesten Islands gelegen, und bot ausreichend Weideland und Wasser um die Goden inklusive ihrer Begleiter versorgen zu können. Im Althing wurde sowohl über Gesetze debattiert, als auch Recht gesprochen und wichtige Entscheidungen getroffen, die das ganze Land betrafen. Die konkrete Umsetzung in den Bezirken oblag dann den Goden. So beschloss man im Jahre 1000 auch die Annahme des Christentums auf Island. Auch wenn diese Entscheidung nicht ganz freiwillig war, sie geschah auf Druck des norwegischen Königs Olafur Tryggvason, der auch Missionare nach Island aussandte. Auch wenn deren Erfolg eher mäßig blieb, und viele Isländer bei ihrem heidnischen Glauben bleiben. So gab es immer wieder Reibereien zwischen den Isländern und dem norwegischen Herrscherhaus, trotzdem hielten die Isländer immer engen Kontakt zu Norwegen. Erst im Jahre 1022 wurde ein Vertrag mit Norwegen geschlossen, indem deren König die Autonomie Islands anerkannte. Dennoch versuchten die Norweger weiterhin den christlichen Glauben in Island zu verbreiten. 1056 wurde Skalholt zum ersten Bischofssitz in Island. Bis dahin hatten häufig die Goden auch die Aufgaben der örtlichen Priester übernommen. Im Jahre 1097 wurde mit dem „Zehnten“ die erste Steuer eingeführt, sie fiel der Kirche zu. Auch hier nutzten die Goden ihre hervorgehobene Stellung, errichteten Kirchen und ließen sich zu Priestern weihen. Bis zum 13. Jahrhundert lag die Macht in Island durch strategische Verheiratung nur noch in den Händen sehr weniger. Gleichzeitig nahmen die Konflikte mit dem norwegischen Königshaus zu. Diesem gelang es schließlich im Jahre 1262 durch geschicktes Taktieren Island wieder dem norwegischen König zu unterwerfen. Entgegen der ursprünglich gemachten Zusage, galt nach wenigen Jahren auch norwegisches Recht auf Island. 100 Jahre später sollte sich das Schicksal Islands abermals wenden. Im Jahre 1380 starb der norwegische König Hakon IV, sein Sohn Olafur starb im Jahre 1387 ebenfalls, so wurde schließlich die Witwe Hakon, die ehemalige dänische Prinzessin Margarethe Königin über Dänemark, Norwegen und dem daran tributpflichtigen Grönland, den Faröer-Inseln, den Shetlands, Orkneys und eben Island. Es begann eine dunkle Zeit für Island. Es kam zu verheerenden Vulkanausbrüchen und auch einer Pestepidemie. Zahlreiche Gehöfte verwaisten, und fielen an die Kirche. Die Isländer versuchten ihr Glück nun vermehrt an der Küste, und begannen mit den Engländern, Holländern und der deutschen Hanse Handel zu treiben. Dieses versuchten die dänischen Herrscher zu unterbinden, in dessen Folge es auch immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam. Später schloss sich der dänische König Christian III dem Luthertum an, und machte sich dabei gleichzeitig zum Oberhaupt der dänischen Kirche. Womit ihm alle Besitztümer der Kirche unisono zufielen. Dagegen wehrten sich die isländischen Bischöfe vehement. Sie wurden dabei vom Althing unterstütz, mussten sich aber schließlich einer dänischen Flotte unterwerfen. Im Jahre 1550 wurde Island lutherisch. Dänemark verschärfte seinen Zugriff auf Island zusehends. So wurde 1602 ein Handelsmonopol der Städte Kopenhagen, Malmö und Helsingor mit Island erlassen. Der Handel mit anderen Nationen wurde den Isländern verboten. Dänische Kaufleute nutzten ihre neue Stellung dabei aus und plünderten das Land aus. 1662 erkannte Island gezwungenermaßen die uneingeschränkte Macht der dänischen Monarchie an. Die eingesetzten dänischen Landvoigte pressten die zunehmend verarmten Isländer zusätzlich aus. Eine Volkszählung im Jahre 1702 ergab, dass lediglich 50.358 Menschen auf Island lebten. Davon konnten 15 % sich selbst nicht mehr versorgen. 1707 starb fast ein Drittel aller Isländer an einer Pockenepidemie. Weitere Schicksalsschläge ereilte die Insel 1755 durch einen großen Vulkanausbruch der Katla, elf Jahre später brachte die Hekla aus. Das folgenschwerste Erdbeben in dem Jahrhundert fand allerdings 1783/84 statt, der Ausbruch der Lake-Spalte. Fast ein Viertel der Bevölkerung Islands kam dabei ums Leben. Im Jahr 1784 sank die durchschnittliche Temperatur auf der Nordhalbkugel in Folge des Vulkanausbruchs um 1,5°. Es kam zu gewaltigen Niederschlägen und daraus folgend verheerenden Missernten. In deren Folgen starben Tausende Menschen nicht nur auf Island sondern im gesamten Europa. Der dänische König erwog aufgrund der Tragödie in Island einen Teil der Bevölkerung zwangsweise nach Jütland umzusiedeln. Der Bischofssitz von Skalholt wurde wegen eines Erdbeben nach Reykjavík verlegt, und der Althing im Jahr 1800 aufgelöst. An seine Stelle trat ein Oberstes Gericht. Doch einen Lichtblick hatte auch das 18. Jahrhundert für Island, 1749 wurde der erste isländische Landvogt Skul Magnusson eingesetzt. Sein Ziel war es nicht mehr, nur Steuern einzutreiben, sondern auch das Land voranzubringen. Sein Ziel war eine eigene Fischereiflotte und die Erlangung des freien Handels. Er ließ aber auch Manufakturen und die ersten Steinhäuser auf Island errichten. Das dänische Handelsmonopol wurde dank ihm immerhin gelockert.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen viele junge Isländer gegen die völlige Fremdbestimmung durch Dänemark aufzubegehren, viele von ihnen waren ausgerechnet während ihres Studiums in Kopenhagen mit dem in Europa aufkommenden Nationalismus in Kontakt gekommen. Einer von ihnen war Jon Sigurosson, der damit begann, eine Zeitung mit seinen politischen Ansichten herauszugeben. Ein erstes Ergebnis war die Wiedereinsetzung des Althing im Jahre 1843, wenn auch anfangs nur als beratende Versammlung. Sie bestand zunächst aus 20 gewählten Vertretern, und sechs die durch den dänischen König bestimmt worden. Im Jahre 1854 wurde schließlich das dänischen Handelsmonopol komplett aufgehoben. Mit der damit einsetzenden wirtschaftlichen Erholung verbesserte sich die Lebenssituation vieler Isländer deutlich, das galt insbesondere für die größeren Orte. Es wurden neue Schulen gebaut, auch das übrige kulturelle Leben bekam einen deutlichen Aufschwung. Das Leben auf dem Land war weiter extrem schwierig, was dazu führte, dass viele Isländer aus diesen Gebieten in die USA auswanderten. Im Jahre 1874 war mit Christian IX der erste dänische König überhaupt auf Island, und er brachte anlässlich der Eintausendjahrfeier der Landnahme eine neue Verfassung mit. Sie sicherte dem Althing die gesetzgebende Gewalt zu, und auch die Finanzen durfte Island fortan selbst verwalten. Vom internationalen Status war Island aber weiter Teil Dänemarks.