10.08.05 4. Reisetag - Montreal
Unser Tag in der Hauptstadt von Kanada Ottawa beginnt mit einem kleinen Spaziergang zum dicht beim Hotel liegenden Parlament Hill, dem Zentrum der politischen Macht. Hier ist, wie man bei dem Namen ja schon vermuten konnte, das Parlament mit Ober- und Unterhaus. Auch der Premierminister hat hier seinen Amtssitz. Das offizielle Staatsoberhaupt ist wie in vielen ehemaligen Kolonien Englands immer noch die Queen aus dem fernen London. Sie wird hier vom General Gouverneur vertreten, wenn sie nicht selbst da ist, also praktisch immer. Aber politischen Einfluss hat sie hin nicht mehr, wie in vielen anderen ehemaligen englischen Besitztümern hat sie nur noch in der Repräsentation Aufgaben. Um das Parlament sind noch viele bedeutende und für die Entwicklung des Landes wichtige Premierminister mit einer Statue gewürdigt worden. Unter ihnen ist etwa Lester Pearson. Auf ihn geht die Schaffung der „Blau Helme“ der UN zurück, mit deren Hilfe er die Suez-Kriese lösen half. Dafür erhielt er den Friedensnobelpreis. Bis heute sind kanadische Soldaten, übrigens eine Berufsarmee, bei fast allen Mandaten der Blaue Helme dabei. Die Armee gilt als nicht sonderlich gut ausgestattet, aber man ist auf jeden Fall Stolz auf die Arbeit bei der Friedenssicherung in aller Welt.
Zurück zu Ottawa nicht weit vom Regierungsviertel auf der anderen Seite des Ottawa Rivers findet man einen Nachbarn, den man hier nicht vermuten würde: Notre Dam, Gut es ist nur ein Nachbau und hat dazu auch noch ein Aluminium Dach. Überhaupt ist hier Aluminium ein gerne eingesetztes Material. Viele der größten Aluminium-Hütten der Welt sind ja auch in Kanada beheimatet. Denn durch die Wasserkraft steht hier die dafür reichlich benötigte Energie schier unbegrenzt zur Verfügung. Gerade nach dem Kyoto-Protokoll hat man auch noch einen Sonderstatus herausschlagen können, da hier die regenerative Energie eingesetzt wird und man sich quasi festschrieben ließ, das man etwas gutes gegen die weltweiten Emissionen tun würde, wenn man die Alu-Hütten hier bauen würde und damit praktisch ein Guthaben bei den Emissionsrechten hat. Etwas was nur Kanada und Island fertig bekommen haben. Aber vom Parlament Hill kann man noch mehr bedeutende Gebäude bzw. Gebäude mit bedeutendem Inhalt sehen. Da ist z.B. die National Art Gallery, die Kunstwerke aus allen bedeutenden Epochen zeigt. Oder eins der führenden Musen in der Welt, das Museum of Civilisation. Es beschäftigt sich ausgiebig mit den „ersten Nationen“, wie die Indianer hier offiziell heißen. Es geht aber auch um das Eintreffen der ersten Europäer, übrigens waren das Wikinger um 1000 n. Chr., also 500 Jahre bevor Kolumbus irrtümlich nach Amerika kam. Auch die alles andere als spannungsfreie Zusammenkunft der britischen und französischen Kolonialisten werden gut dokumentiert. Und gerade diese Spannung wirkt massiv bis heute nach. Die Briten besiedelten anfangs nur den Osten, die Franzosen einen Streifen weiten im inneren von Neufundland bis hinunter ins heutige Mississippi. Als die Briten nun begannen Biberfelle nach Europa zu exportieren, die dort reißenden Absatz fanden, wurde davon natürlich immer mehr Briten angelockt. Gerade mit den besagten Biberfellen gelang es der Hudson Bay Company schnell reich und damit auch einflussreich zu werden. Die Gesellschaft sollte die Entstehung Kanadas merklich mitbestimmen. Zwangsläufig breiten sich die Briten aus und trafen auf die Franzosen. Es kam immer wieder zu kriegerischen Zusammenstößen. Beide europäischen Nationen verbündeten sich mit Indianer-Stämmen und spannten sie für ihre Zwecke ein. So wurden die Indianer schon früh zu den eigentlichen Verlierern in einem Kampf der ursächlich gar nichts mit ihnen zu tun hatte. Die Franzosen wurden mehr und mehr zurück gedrängt und sind eigentlich nur noch im Gebiet der heutigen Provinz Quebec zusammengedrängt worden. Aus dieser Zeit stammt eben das bis heute gespannte Verhältnis der anglophonen und frankophonen Kanadier. Offiziell ist Kanada heute zweisprachig, sowohl englisch als auch französisch sind Amtssprachen. In Ottawa sind auch etwa alle Straßenschilder zweisprachig, alle offiziellen Dokumente werden in Kanada in zwei Sprachen heraus gebracht. In Toronto hat man das mit der Zweisprachigkeit eigentlich im wesentlichen auf Englisch reduziert. Es waren aber immer noch klein eine französische Version zu finden.
Aber dort wo wir heute dann hinfahren ist das nicht mehr so. Es geht kurz hinüber in das nahe gelegene Montreal, der größten Stadt in der Provinz Quebec. Montreal ist eine 4 Millionen Einwohner Metropole und die größte Stadt in Quebec. Insgesamt leben in der Provinz 7,4 Millionen Menschen, flächenmäßig ist es die größte Provinz in Kanada. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist man an 2. Stelle. Als kleine Besonderheit hat Quebec die Verfassung nur unter Auflagen ratifiziert, weil man die eigenen französischen Belange nicht ausreichend gewürdigt fand. Genau genommen müsste demnach also immer noch die Verfassung des verhassten Englands gültig sein. Überhaupt ist die Verfassung von Kanada erst 1982 in Kraft getreten. Quebec hat als einzige Sprache das Französisch als Amtssprache. So sind auch alle Straßenschilder nur in französischer Sprache. Man mag es nicht auf englisch angesprochen zu werden, gut wenn es nur ein Tourist ist dann sei es so, aber einem aus dem „Rest-Kanada“, das geht gar nicht. Dabei leben gerade in den großen Städten auch nicht wenige mit anglophonen Vorfahren. Alle Firmen müssen ihre Beschriftungen in französischer Sprache vornehmen, wenn eine weitere Sprache zusätzlich gewünscht wird, muss diese in der Schriftgröße kleiner sein. Man behauptet auch ein reineres französisch zu sprechen, als die Franzosen selbst, da dieses bereits von den europäischen Nachbarn verfälscht worden ist, man sagt aber auch „le car“. Quebec hat in den beiden letzten Jahrzehnten jeweils ein Referendum zur Abspaltung von Kanada abgehalten. Beide sind gescheitert, doch das letzte nur denkbar knapp mit ein paar hunderttausend Stimmen. Gerade diese Sonderwürste schaffen aber auch bei den anderen Provinzen heftigen Unmut über Quebec. Aber wir werden es uns jetzt in den nächsten Tagen mal genauer ansehen. Der erste Eindruck von Montreal ist jedenfalls eher grau, die Straßen sind etwas reparaturbedürftig und der Verkehr läuft scheinbar nicht sonderlich durchdacht ab. Überall ist man zwar am Flicken der Straßen, dabei werden dann hier und da kleine Löcher aufgebrochen und mit Beton wieder verfüllt. Das ist auch nicht gerade eine Schönheitsoperation in einer Teerdecke. Dabei ist Montreal wie quasi alle Städte im Osten ein bisschen wie auf den Zeichenbrett entworfen mit quadratischen Blocks, die Straßen laufen oft schnurgerade von einem Ende der Stadt zum Anderen. Aber die Tür von meinem Hotelzimmer könnte kaum englischer aussehen, dunkelgrün mit einem Goldknopf zu klopfen. Dazu ein dicker weicher Teppich auf dem Flur.