• Der Avachinsky ist der Hausberg von Petropawlowsk
    Kamtschatka

    Der Avachinsky ist der Hausberg von Petropawlowsk

  • Umfeld der Memminger Hütte
    Alpenüberquerung

    Umfeld der Memminger Hütte

  • Valle de la Luna, das Mondtal
    Chile

    Valle de la Luna, das Mondtal

  • Sonnenaufgang mit dem Viluchinsky im Hintergrund
    Kamtschatka

    Sonnenaufgang mit dem Viluchinsky im Hintergrund

  • Matanuska Gletscher
    Alakshak

    Matanuska Gletscher

5. Reistag          Seetag - 15.11.2022

 

Heute steht ein Seetag auf dem Programm. Also ein ruhiger erholsamer Tag des Nichtstuns. Aber es gibt natürlich über den Tag verteilt wieder verschiedene Veranstaltungen an Bord, die man besuchen kann, oder auch nicht. Alternativ werden die auch immer in die Kabinen gestreamt. Ich selbst beginne im Prinzip wie ich den gestrigen Nachmittag. Ich sitze auf dem obersten Deck in der Lounge und sehe in der sonnendurchfluteten Uferlandschaft, auch wenn die ein gutes Stück entfernt ist. Den Sonnenaufgang heute kurz vor 9 Uhr habe ich allerdings knapp verpasst. Die mitgebrachten Ebooks lasse ich weiter unbeachtet. Es genügt mir einfach der entspannte Blick aus dem Fenster. Meinen ersten Vortrag besuche ich erst gegen 11 Uhr. Eine Vertreterin von Orca, einer gemeinnützigen spendenfinanzierten Organisation, die sich um den Erhalt von Meeressäugetieren kümmert, spricht über die verschiedenen hier vorkommenden Walarten. Die Organisation beobachtet Wal- und Delphinpopulationen in vielen Teilen der Welt. Dazu sind viele der insgesamt 800 Mitarbeiter auf Kreuzfahrschiffen oder auch Fähren auf regelmäßigen Routen auf den Weltmeeren unterwegs. Dabei versuchen sie dann die Wale und Delphine zu sichten, und damit einen Beitrag zur Errichtung von Schutzzonen zu leisten. Sie versuchen aber auch andere auf die Probleme aufmerksam zu machen, und auch dafür zu sensibilisieren, was auch jeder Einzelne machen kann, um die Tiere zu schützen. Und auf einem Schiff wie unserem, lässt sich natürlich beides miteinander verbinden. Bei ihrem Vortrag geht es zunächst um die Evolution bei den Säugetieren im Meer, was eigentlich eher ein Anachronismus ist. Zumal wenn man bedenkt, dass das Leben zunächst aus dem Wasser an Land kam, und hier die Familie der Raoellidae, die zu den Paarhufern gehörten, den umgekehrten Weg gingen. Die vermutlich etwas größer als unsere Katzen waren, und begannen sich Nahrung in Ufernähe zu suchen. Die Urahnen hatten eine relativ lange Nase, aber noch die Nase vorne und natürlich Zähne. Während der Evolution, und dem Übergang zum Lebensraum wieder ins Meer, wanderte die Nase weiter den Kopf hinauf bis auf die Stirn, was dann heute die Blasöffnung der Wale und Delphine darstellt, über die sie atmen. Später teilte sich die Evolution noch mal, die Wale teilten sich in welche mit Zähnen, die Jagd auf andere Fische machten, und welche denen um den Mund sogenannte Barten wuchsen. Diese Wale stellten sich auf Plankton und andere Kleinstlebewesen um. Sie nehmen größere Menge Wasser über ihren Mund auf, und pressen dann mit der Zunge das Wasser wieder raus. Dabei bleiben die Kleinstlebewesen in den Barten wie in einem Sieb hängen. Dabei sind die Bartenwale im Schnitt deutlich größer als die jagende Verwandtschaft. Auf unserer Reise besteht die Möglichkeit folgende Walarten zu sehen: Buckelwale werden 13-16m lang, erreichen ein Gewicht von 25-30t und ein Alter von bis zu 50 Jahren. Sie gehören zu den Bartenwalen, und bei ihnen sind die Weibchen die Führungstiere, die auch etwas größer werden. Während eines Jahres legen die Tiere sehr große Strecken zurück, sie gebähren ihren Nachwuchs in wärmeren Gewässern, wo es allerdings kaum Nahrung für sie gibt, und ziehen dann wieder in kalte Gewässer wie vor Norwegen, wo es reichlich Plankton gibt. Noch ein gutes Stück größer sind die Pottwale, wobei dort die Männchen deutlich größer als die Weibchen sind. Bullen können über 20m lang werden, und ein Gewicht von bis zu 50t erreichen. Pottwale fressen bevorzugt Tintenfische, und tauchen dabei über 1000m tief. Dafür können sie bis zu 100 Minuten unter Wasser bleiben. Insbesondere während der Tauchphasen reduzieren sie alle Körperfunktionen auf ein Minimum, selbst die Herzfrequenz wird auf die Hälfte reduziert, und nur durch die unter großem Druck etwas nach innen nachgebenden Rippenbögen, können sie überhaupt in die großen Tiefen tauchen, ohne dass sie dabei implodieren. Ausgewachsene Pottwalbullen fressen täglich bis zu 1,5t Fisch. Orcas werden etwa 5-8m lang, erreichen ein Gewicht von 3-4 t und ein Alter von etwa 30 Jahren. Sie jagen meist im Verbund und können Geschwindigkeiten von über 50 km/h erreichen. Geführt werden die Gruppen von einer Kuh. Dabei gehören Orcas, oder Schwertwale, wie sie aufgrund der bis zu 2m hohen Rückflosse auch genannt werden, eigentlich gar nicht zu den Walen, sondern zu den Delphinen. Auch Schweinswale gehören zu den Zahnwalen, sind also ebenfalls Fischjäger. Sie gehören mit ihren ca. 2,5m zu den kleinen Walen, man kann sie auch etwa in der Kieler Förde finden, und selbst in der Elbe wurde zuletzt kleinen Schulen von Schweinswalen gesichtet. Deutlich größer als die Schweinswale sind die Zwergwale. Sie gehören zu den Bartenwalen, werden auf der Nordhalbkugel bis zu etwa 9m lang und 6t schwer. Ihren Namen Zwergwal haben sie nicht wegen der Körpergröße, sondern weil sie einen relativ kleinen Kopf und eine relativ kleine spitze Schnauze haben. Sie gelten als relativ neugierig, weshalb sie schon im Mittelalter gejagt wurden. Sie hatten auch mal den Beinamen „right wale“, sie waren der richtige Wal für die Jagd, da sie wie schon gesagt relativ neugierig an die Boote der Walfänger herankamen, und damit relativ leichte Beute waren. Und der letzte Wal in norwegischen Gewässern sind die Grindwale. Sie erreichen maximal 7-8m, und wiegen lediglich bis zu 2,3t. Insbesondere die größeren Arten haben keine natürlichen Feinde mehr im Erwachsenenalter. Die größte Bedrohung für alle Wale geht vom Menschen, oder vom Menschen verursachten Problemen aus. Auch wenn es eigentlich ein weltweites Fangverbot von Walen gibt, so gibt es doch noch drei Nationen, die diese gezielt jagen. Das sind Japan, wo auch der weitaus größte Teil der gesamten gefangen Wale verzehrt wird, Island und dann hier in Norwegen. Aktuell gibt es noch 17 Schiffe unter norwegischer Flagge, die Wale jagen. Die erzielte Fangquote beträgt etwa um die 500 Tiere im Jahr. Die offizielle Fangquote beträgt etwa 1000 Tiere. Dabei essen überhaupt nur noch etwa 2% der Norweger Walfleisch. Ein Teil vom Rest geht in die Produktion von Tiernahrung, der größte Teil aber in den Export nach Japan. Insbesondere die kleineren Walarten werden oft als Beifang erlegt. Eine zunehmend größere Gefahr für die verschiedenen fast alle vom Aussterben bedrohten Walarten liegt in der Lärmbelastung im Meer. Wale orientieren sich meist über eine Art biologisches Echolot, und kommunizieren auch zum Teil über sehr große Distanzen über Laute. Diese werden heute aber oftmals durch den trotz Weltwirtschaftskriese zunehmenden Schiffsverkehr auf den Weltmeeren übertönt, und man vermutet, dass zahlreiche Wale längst an Gehörschäden leiden. Das führt nicht nur zu Problemen bei der Kommunikation untereinander, sondern stört auch massiv ihre Navigation mittels ihres biologischen Echolots. Und insbesondere hier vor der Küste von Norwegen wird für seismografische Messungen bei der Öl- und Gassuche bewusst mit sehr lauten Geräuschen gearbeitet. Dabei werden sehr lauter akustischer Signale auf den Meeresboden ausgesendet, die dann von diesem zurückgeworfen werden, und dann Rückschlüsse auf die verschiedenen Beschaffenheiten unter dem Meeresboden zulassen. Nur leider sind die seismischen Signale so laut, dass diese auch massiv das Gehör von Walen stören. Und das letzte Risiko betrifft nur die Zahnwale, also alle die sich von Fischen ernähren. In denen befinden sich dann im Zuge der Verschmutzung der Meere nicht nur Mikroplastik, sondern auch andere Arten der Verschmutzungen etwa aus der Öl- und Gasförderung, oder dem illegalen Reinigen der Tanks der Schiffe auf hoher See, allerhand giftige Stoffe, die sich dann durch die zumeist relativ hohe Lebenserwartung der meisten Walarten in diesen immer mehr anreichern.

Nach der Mittagspause gab es unter anderem noch einen Vortrag zur Geologie und der Entstehung von Norwegen. Dazu gab es zunächst einen kurzen Überblick über die Erdgeschichte, die inzwischen immerhin schon rund 4,6 Milliarden Jahre auf dem Buckel hat. Das erste wirklich einschneidende Ereignis waren die ersten Einzeller, nach rund 700 Millionen Jahre, und noch mal 1,4 Milliarden Jahre später kam die Photosynthese dazu. Das bedeutet, die Erde hat ihr halbes Leben damit verbracht, zunächst mal ziemlich simple Lebensformen zu etablieren, aber genau das unterscheidet unseren Planeten von allen anderen, die wir bisher kennen. Während der ganzen Zeit bis heute gibt es auf der Erde auch das Driften der verschiedenen tektonischen Platten, die an einigen Stellen auseinanderdriften und sich an anderen Stellen aufeinander zubewegen. Das führt praktisch zwangsläufig zu Kollisionen und damit Verwerfungen auf der Erdoberfläche, also der Erdkruste. Dabei schieben sich Platten übereinander, oder tauchen auch untereinander weg. Dabei kommt es je nach dem Verhalten der Platten, was wesentlich mit ihrem Alter zusammenhängt, zu unterschiedlichen Ergebnissen. Beim indischen Subkontinent kommt es zu einer Auffaltung eines Gebirges, dem Himalaya, weil dieser sich gegen die eurasische Kontinentalplatte schiebt. So etwas hat es auch in Skandinavien gegeben. Dabei ist im heutigen Norden von Finnland vor rund 2,5 Mrd. Jahren ein Gebirge entstanden, dass in der Höhe vermutlich durchaus mit dem heutigen Himalaya vergleichbar gewesen sein dürfte. Aber Wind und Wetter und verschiedene Eiszeiten haben davon heute praktisch nichts mehr übrig gelassen. Vor etwa 1,8 Milliarden Jahren hat sich ein neues Gebirge im heutigen Norden von Schweden aufgefaltet, aber auch dem haben verschiedene Eiszeiten und Erosion bis heute ziemlich zugesetzt. Und vor 400-500 Millionen Jahre sind dann weite Teile des heutigen Küstengebirges von Norwegen entstanden. Wobei auch die Gebirge an der Ostseite von Grönland große Überschneidungen damit aufweisen. So geht man davon aus, dass beide Teile einmal miteinander verbunden waren, bzw. nur durch einen relativ schmalen Meeresgraben voneinander getrennt waren, dann auseinandergebrochen sind, und seitdem die beiden Kontinentalplatten auseinanderdriften. Wenn man sich auf der Karte ansieht, wie weit Norwegen heute von Grönland entfernt liegt, dann habe die Platten ein ordentliches Tempo gemacht. Das Driften der Platten kann man übrigens heute noch auf Island sehen, die Insel bricht buchstäblich auseinander. Was noch besonders an dem Bruch ist, ist die relativ große Wassertiefe hier. Es gibt im Europäischen Nordmeer zwei große Senken, die Meerestiefen zwischen 3200 und 4000m aufweisen. Das ist mehr als ordentlich. Unser Geologe im Expeditionsteam ist ganz fasziniert von Norwegen, weil man hier neben einigen der ältesten Gesteine überhaupt auf der Erde, noch zwei weitere Gesteinsgenerationen praktisch direkt sichtbar an der Oberfläche findet, wo man, wie er sich ausdrückte, nicht erst das ganze Grünzeug und Gestrüpp zur Seite schaffen muss, um dran zu kommen. Die Vegetation ist hier in Norwegen aufgrund der sehr geringen Humusschicht in weiten Teilen des Landes praktisch nicht vorhanden. Das ist nur etwas für Spezialisten, die dazu noch mit den schwierigen, weil in Teilen nicht vorhandenen Lichtverhältnissen, klarkommen müssen. Flechten und Moose brauchen zuweilen Jahre, um sich davon zu erholen, wenn sie etwa von Rentieren abgefressen worden sind.

Nach dem das Wetter heute den ganzen Tag schön war, auch wenn die Sonne um 16 Uhr praktisch schon untergegangen ist, haben wir beim Abendessen noch gescherzt, dass wir auf dem Weg nach Norden sind, und wir heute Abend um 21:15 Uhr Polarlichter sehen würden. Darüber hinaus hat das Expeditionsteam von Hurtigruten heute zu einer Schätzfrage aufgerufen, wann wir über den Polarkreis fahren würden. Nach dem Abgabetermin um 20:00 Uhr, kam dann die vorläufige Auflösung, dass der Kapitän das gegen 0:50 erwartet, die genaue Zeit dann am kommenden Morgen folgen würde, wenn wir irgendwann drüber gefahren sind. Also ist alles bereit für Polarlichter, die übrigens für praktisch alle mit denen ich bisher darüber gesprochen habe, ein wenn nicht der Grund für die Reise ist. Was soll ich sagen, wir haben wohl ein bisschen daneben gelegen, aber es war nicht viel. Gegen 22:20 Uhr kam die Durchsage, dass man auf der Brücke ein schwaches Polarlicht entdeckt hat. Also haben gefühlt nahezu alle Passagiere ihre Fotoausrüstung gegriffen, und sich auf Deck 5 postiert, auf dem man rund um das Schiff gehen kann. Und auch wenn es insgesamt kaum 30 Minuten gedauert hat, und ich kein wirklich vernünftiges Foto hingebracht habe, so war es doch ziemlich beeindruckend.