16.Tag MacLaren Lodge – 14.06.2015
Heute geht es wieder entspannt in den Tag, geplante Abfahrt ist erst gegen 8:30 Uhr. Wir folgen weiter dem Alaska Highway, auf dem wir gestern Abend bereits von Tok hierher zum Moon Lake gefahren sind. Wir fahren auf ihm bis nach Delta Junction, dem Endpunkt dieses Highways. Der Alaska Highway war bedeutend bei der Erschließung des heutigen Alaskas, ist historisch aber aus militärischen Beweggründen gebaut worden. Auslöser war der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor im Jahre 1941. Die USA wurden zum ersten Mal auf dem eigenen Territorium in einen Krieg verwickelt. Dazu kam die Besetzung einiger unbewohnter Inseln der Aleuten durch die Japaner. Es dauerte über ein Jahr bis die Amerikaner nennenswerte Kräfte in Alaska bzw. den Aleuten stationieren konnten, um ein militärischen Gegengewicht gegenüber den Japanern zu haben. Zu diesem Zeitpunkt glaubten die Amerikaner auch noch, die Japaner würden auf den Aleuten Fluglätze für ihre Bomber und anderes militärisches Gerät in Stellung bringen, zu beidem war Japan aber gar nicht in der Lage. 1943 wurde auf den Aleuten der einzige Bodenkrieg der USA mit einer fremden unabhängigen Nation auf eigenem Boden geführt. Insgesamt boten Amerikaner und die verbündeten Kanadier fast 144000 Soldaten gegen 8500 Japaner auf. Es starben 2800 Japaner und 1900 Alliierte, von letzteren 1/3 durch Seuchen. Zusätzlich wurden tausende mit Frostbeulen und anderen Leiden durch mangelnde Versorgung mit Nachschubgütern kampfunfähig. Die Aleuten waren militärisch für beide eigentlich eine völlig unbedeutende Inselkette, die sich von der südwestlichen Ecke Alaskas bis weit in den Pazifik hinein erstreckt. Dabei sind die äußeren östlichen Inseln sogar Russisch. Aber selbst die „letzten“ amerikanischen Inseln liegen dichter an Japan als an Alaska. Aufgrund dieses Angriffs der Japaner auf amerikanischen Boden erschien dem amerikanischen Militär Alaska als völlig unbefestigt und ohne nennenswerte Verteidigungsanlagen. So sprach sich das amerikanische Militär am 06. Februar 1942 für den Bau einer Verbindungsstraße nach Alaska aus. Nur fünf Tage später wurde sie vom amerikanischen Präsidenten angeordnet. Dazu schloss man ein Vertragswerk mit den Kanadiern, dass die Straße von den USA auch auf kanadischem Gebiet bezahlt wird, Kanada aber das Material liefert und keinerlei Importzölle erhebt, und auch keine Einreisformalitäten auf dieser Strecke einführt. Außerdem sollte nach Kriegsende die Straße in kanadischen Besitz übergehen. Noch im April desselben Jahres begannen die Bauarbeiten, die von Privatfirmen aber im Wesentlichen vom amerikanischen Militär durchgeführt wurden. Dabei waren zeitweise mehr als 10.000 Soldaten im Einsatz. Zu Beginn des Baus wurde lediglich eine grobe Streckenführung festgelegt, die genaue Planung erfolgte erst vor Ort, da weite Teile des Gebietes bisher noch nicht kartographiert waren. Bereits im Oktober des gleichen Jahres konnte die Schotterpiste durchgängig auf einer Länge von rund 2300 km befahren werden. Bis heute ist der Streckenverlauf immer wieder leicht begradigt worden, was die heute komplett geteerte Straße 60 km verkürzte. Da im amerikanischen und auch kanadischen Straßensystem mit Kilometer- bzw. Meilensteinen gearbeitet wird, und die Kanadier diese mit dem veränderten Streckenverlauf aktualisiert haben, die Amerikaner aber nicht, kommt es an der Grenze zu einer Differenz von 36 Kilometern. Am Ende des Alaska Highway in Delta Junction wurde damals eine große Militärbasis errichtet, sie ist noch heute nach der in Anchorage die zweitgrößte in Alaska.
Für uns ist es dann in Delta Junction auch Mittagszeit. Das Auto wird noch mal randvoll getankt, da wir auf dem Richardson Highway in Richtung Süden bis zur Abzweigung des Denali Highways fahren wollen. Früher war an dieser Abzweigung eine Tankstelle, die aber im letzten Jahr abgebrannt ist. Offensichtlich nach den Erfahrungen mit der Tankstelle an der Abzweigung zum Dempster Highway ein nicht so seltener Vorgang, wie man gemeinhin meinen sollte. Das Roadhouse an der Ecke zum Denali Highway wurde bereits vor zwei Jahren aufgegeben. Allgemein ist es aber schon so, dass sich Ortschaften immer wieder an den Kreuzungen der wenigen Highways in Alaska bilden. Dort gibt es dann eigentlich auch immer eine Tankstelle und Einkaufsmöglichkeiten zumindest für die rudimentären Grundbedürfnisse.
Nach dem wir am Vormittag noch eine Elchkuh mit ihrem Kalb gesehen haben, begleitet uns am heutigen Nachmittag immer wieder ein technisches Bauwerk. Es geht um die Trans-Alaska Pipeline, mit der Öl aus den Vorkommen rund um die Prudhoe Bay in der Beaufort Sea im Norden bis in den eisfreien Hafen von Valdez im Süden gepumpt wird. Die Ölvorkommen wurden 1968 entdeckt, sie sind bis heute die größten Ölvorkommen auf dem nordamerikanischen Kontinent. Da diese Gebiete aber im Winter nicht schiffbar waren, suchte man eine andere Lösung. Schließlich baute man vom 27.03.1975 bis zum 31.05.1977 die 1287km Pipeline quer durch Alaska – Kostenpunkt 8 Milliarden $, zuzüglich 1,4 Milliarden $ für den Verladeanlagen in Valdez. Dabei hatte man zuvor jahrelang die tektonischen Verschiebungen und Veränderungen des Bodens vom Sommer zum Winter hin beobachtet. Beim Bau mussten über 500 Wasserläufe, die Brücke über den Yukon ist mit rund 700m dabei die Längste, und drei Gebirge mit einer maximalen Höhe von 1444m überwunden werden. Und dann gab es auch noch das Problem mit dem Permafrost. Wegen des großen Temperaturunterschieds des gepumpten Öls zur übrigen Umgebung baute man mehr als zwei Drittel der Pipeline auf Stelzen, sie verläuft dabei in einer Höhe zwischen 1,5m und 4,5m. Ansonsten hätte das warme Erdöl dazu geführt, das die Pipeline wegen des auftauenden Bodens darin versunken wäre. Die Stützen werden an vielen Stellen mit einem auf Ammoniak basierendes Kühlsystem, es funktioniert ähnlich einem Wärmetauscher, gekühlt. Im Bereich des Yukon baut man gar ein extra Luftkissenfahrzeug, um damit die Röhren für die Pipeline zu transportieren. Es galt Waldbrände und auch Erdbeben bei der Konstruktion mit zu berücksichtigen. Wegen der Erdbeben und der hohen Temperaturunterschiede verläuft die Pipeline in einem Zickzack-Kurs, um die Ausdehnung der Stahlröhren aufzunehmen. Die gesamte Pipeline ist mit einer Isolierschicht von ca. 10 cm umgeben, der Innendurchmesser beträgt 1,22 m. Auf der ganzen Strecke kühlt das Öl lediglich von etwa 45°C bis auf 14 °C ab, gefördert wird es übrigens mit Temperaturen von knapp 80°C. Verteilt auf die gesamte Strecke befinden sich elf Pumpstationen mit jeweils vier Hochleistungspumpen. Davon werden aber nur sieben gleichzeitig betrieben. Der maximale Druck in der Pipeline beträgt etwa 80 bar. Seit der Betriebsaufnahme im Jahre 1977 wurden etwa 13 Milliarden Barrel Öl durch die Pipeline gepumpt. Durchschnittlich sind das etwa 83.800 l in der Minute, insgesamt hat die Pipeline ein Füllvolumen von 1,44 Millionen Litern. Dabei hat das Öl eine maximale Fließgeschwindigkeit von etwa 6 km/h, und ist somit knapp zwölf Tage unterwegs. Im Verlauf der Jahre hat es auch verschiedene Schadensfälle gegeben. So gab es 1978 einen Sabotageakt mittels einer Explosion, im Jahre 2006 beschoss ein betrunkener Jäger eine Schweißnaht, oder ein Bagger beschädigte irrtümlich bei Baumfällungen die Pipeline. Es gab aber auch andere Leckage, die im Jahre 2006 auch zu einer vorübergehenden Stilllegung der Pipeline führte. Es mussten schwere Korrosionsschäden im Bereich des Meerzugangs bei Valdez beseitig werden, die Wandungsstärke hat in 20 Jahren um 80% abgenommen. Der positive Ausreißer im Schadensverlauf waren die Jahre 1997 bis 2000, in denen insgesamt nur 3 Barrel verloren gingen. Beim Weitertransport der inzwischen mehr als 16000 Öltanker-Ladungen kam es im Jahre 1989 zum vermutlich größten Schiffunglück eines Öltankers der Geschichte, die Exxon Valdez hatte 1630000 Tonnen Öl in Valdez geladen. Sie lief auf ein Riff auf und verlor dabei 37000 Tonne Öl. Zu diesem Zeitpunkt war der alkoholkranke Kapitän betrunken in seiner Kajüte. Das Schiff wurde von einem völlig übermüdeten 3. Offizier gesteuert. Aber auch das Krisenmanagement der Küstenwache und anderer Stellen war nicht gerade optimal. Exxon zahlte bis heute mehrere Milliarden Dollar an Strafzahlung, Schadensersatz und für die Schadensbeseitigung, die bis heute noch nicht abgeschlossen werden konnte. Noch heute werden in verschiedenen Tieren und Pflanzen Ölanreicherungen festgestellt. Die Natur konnte dieses gravierende Unglück in dem empfindlichen Ökosystem bis heute nicht vollständig überwinden. Von den Dimensionen wurde es nur noch von der Explosion der Ölbohrplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko übertroffen. Da es sich dort aber unter ökologischen Gesichtspunkten um ein weit weniger empfindliches Gebiet handelt, dürften die Folgen für die Umwelt dort weit geringer sein, das bedeutet vor allem nicht von so langer Dauer.
Aber ich bin mal wieder ein bisschen von unserem Tag abgekommen. Neben der Trans-Alaska Pipeline begleitet uns auch noch ein sehr viel schönerer Ausblick auf die Alaska Range auf dem Denali Highway. Auch dieser Gebirgszug gehört zum großen Küstengebirge Nordamerikas, das sich weite Teile der Pazifikküste des Kontinents hoch zieht. Wir folgen dem Highway bis zur MacLaren Lodge, auf der wir die nächsten beiden Nächte bleiben werden. Gegen 17 Uhr kommen wir dort an, es erwarten uns wieder richtige Betten, und auch eine warme Dusche. Nach dem Abendessen bleibt auch noch ein bisschen Zeit im angrenzenden See dem Bieber zuzuschauen. Oder auch einfach noch die Abendsonne auf einer kleinen Anhöhe zu genießen. Das Leben kann schon schön sein.