24.08.05 18. Reisetag – Victoria
Wir verlassen Qualicum Beach in Richtung des MacMillan Parks, früher hieß er Cathedral of Groove. Dort wurde ein ca. 5 ha großes Stück ursprünglichen nordischen Regenwaldes bewahrt. Durch einen Teil des Walds führt ein kleiner Weg, auf dem man mehrere Jahrhunderte alte Bäume bewundern kann. Man überlässt den Wald sich selbst. Man sägt höchstens mal den Pfad frei, ansonsten lässt man hier umgestürzte Bäume ruhig verrotten. Schließlich bieten sie neuen Pflanzen wieder neuen Lebensraum. Umweltschützer würden den Park gerne ausweiten, und neben einem angrenzenden See auch noch das Waldgebiet selbst erweitern, zumal in direkter Nachbarschaft noch relativ ursprünglicher Wald vorhanden ist. Dort wurden nur ein paar besonders teure Stämme geschlagen. Fünf ha. sind auch wirklich nicht besonders viel, zumal es Millionen von ha Wald gibt. Aber es ist eben immer schwer eine gesunde Mischung aus Ökologie und Ökonomie zu finden. Dabei bin ich sicherlich nicht ein Verfechter aller möglichen grünen Ideen oder Wunschvorstellungen. Aber man muss auch bei den 5 ha noch sehen, das ein Teil davon eben nicht mehr ursprünglich sein kann, schließlich traben da jedes Jahr Zig-Tausend Touristen auf einem Pfad entlang, wir ja auch.
Am späteren Vormittag haben wir noch einen Country-Market besucht, hier wurden ursprünglich alle möglichen Produkte aus der Gegend verkauft. Heute finden sich aber auch schon Waren aus ganz anderen Teilen der Welt auf diesen Märkten, und die obligatorischen Souvenir-Shops sind natürlich auch längst da. Kleines Beispiel für die Produkte aus aller Welt? Es gab dort Katjes Lakritze mit der Bezeichnung „Steife Briese“. Ich weiß zwar nicht wie die Kanadier das aussprechen würden, aber die Tüte kommt wohl eher aus good old Germany. Kurz vor der Abfahrt sehen wir auch noch ein Beispiel für kanadische Mobilität. Man verlädt gerade eine Immobilie, auch wenn das eigentlich ja ein Widerspruch in sich ist. Besser gesagt kommt sein kleines Haus auf einen Tieflader. Als wir dort mit ein paar Leuten stehen und zuschauen, wie gerade der eigentliche Hauptteil des Hauses auf einen Tieflader geladen wird, kommt einer der Arbeiter auf uns zu und fragt woher wir denn kommen würden, und verbindet das gleich mit der Frage „aus Europa oder“. Als wir ihm erklären woher wir stammen, meinte er schon, so was hätte er sich bereits gedacht. Kein Kanadier würde stehen bleiben, nur weil jemand sein Haus verlädt. Er selbst würde bereits zum dritten Mal so mit diesem Haus umziehen. Er hätte sein Haus in zwei schmalen Segmenten gebaut und auf Eisenträgern gelagert. So kann er eben seine Behausung aufladen und weiter ziehen. Er wäre zwar schon Rentner, aber hier so dicht am Country-Market wäre ihm zuviel los, und ständig würden Leute ihr Auto vor seiner Einfahrt parken. Er geht irgendwo ein paar Orte weiter hin, um seine Ruhe zu haben.
Die Mittagspause haben wir heute in Chamainus gemacht. Eine Ortschaft die Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhundert fast untergegangen wäre, immer mehr Menschen zogen weg, weil es keine Arbeit mehr gab. Der dortige größte Arbeitgeber, eine Sägemühle, musste ihre Pforten schließen. Umweltproteste gegen die bis dahin übliche Kahlschlag-Methode hatte das Unternehmen in den Ruin getrieben. Doch in dieser scheinbar aussichtlosen Situation hat man sich seine Lage am großen Highway auf Vancouver Insland in Nord-Süd Richtung zu nutze gemacht. Man mahlte die Geschichte Kanadas auf die Häuserwände, wie etwa die Besiedlung durch die Weißen, die Eisenbahn oder die Holzwirtschaft. Das zog so viele Touristen an, das man heute im wesentlichen von ihnen leben kann. Es gibt inzwischen auch wieder eine kleine Sägemühle am Rande der Stadt, natürlich mit direktem Zugang zum Wasser.
Das waren aber alles nur Zwischenstationen auf dem Weg in die Hauptstadt der Provinz British Columbia, der Provinz in der wir uns jetzt schon einige Tage befinden. Im Großraum Victoria, natürlich nach der englischen Königin benannt, und als Pelzhandelsstation gegründet, leben heute etwa 350000 Menschen. Überhaupt ist der Süden der Insel Vancouver Island wesentlich dichter besiedelt als der Norden. Dazu noch eine kleine Anmerkung zu den Golfplätzen von Victoria: es gibt laut Touristeninformation 22 davon, natürlich nur 18 Loch Anlagen. Der Süden der Insel reicht in südlicher Richtung etwas über den 49. Breitengrad hinaus, was auf dem Festland als Grenze eingezeichnet worden ist, lange bevor Weiße den Westen von Nordamerika in Besitz genommen haben. Man wollte, genauso wie im St.Lorenz Strom keine Inseln teilen, was ja auch durchaus Sinn macht. So kann man dann bei klarem Wetter zwar das Festland von Victoria aus sehen, aber man sieht eben den Bundesstaat Washington der USA und nicht Kanada.
Am Nachmittag haben wir noch eine kleine Runde mit dem Bus durch die Stadt gemacht. Dabei kamen wir auch am Ocean Drive vorbei, jene Gegend für die etwas besser situierten Einwohner der Stadt. Vor kurzem wurde hier ein kleineres der Häuser für die Summe von 5,2 Millionen kan$ verkauft. Für die Reichen der Welt sicherlich keine utopische Summe, aber es sorgt zumindestens für eine gewisse Exklusivität. Man munkelt übrigens, das der gerade zurück getretene Chef von Daimler Chrysler Jürgen Schrempp hier auch gerade auf der Suche nach einem netten kleinen Häuschen ist. In Verlängerung des Ocean Drive kommt man dann auf den Hollywood Boulevard. Hier leben nicht die Größen der Filmindustrie des Landes, aber hier hat die längste Straße der Welt, der Trans-Kanadische Highway seinen Ursprung. An dem Ort weist ein kleines Denkmal auf die Mile „0“ hin.
Der Nachmittag war dann zur freien Verfügung. Auf den ersten Blick scheint die erste richtige Stadt im Westen Kanadas ein nettes Fleckchen zu sein, in dem man auch versteht das Leben zu genießen. Ein Wetter wie heute mit angenehmen 25° und Sonnenschein tun ein Übriges. In der Hauptverkaufsstraße, den Plätzen der Stadt wie auch an der Promenade treten fast ununterbrochen irgendwo Kleinkünstler auf und schaffen zusätzlich diese entspannte Atmosphäre, die hier fast greifbar ist. Vor einigen Restaurants stehen Bedienstete mit der Speisekarte in der Hand, um auf die Vorzüge des eigenen Lokals aufmerksam zu machen. Wie bei allen Dienstleistern wird der zukünftige Gast stets sehr zuvorkommend aber nie aufdringlich behandelt. In den guten Hotels, wie eben auch hier in Victoria, hinterlassen sogar die Reinigungskräfte eine Karte auf dem Tisch, auf der handschriftlich der Name des Angestellten notiert ist. Man schafft das Kunststück immer sehr präsent zu sein, aber doch immer im Hintergrund zu bleiben. In allen Restaurants, öffentlichen Gebäuden und dem öffentlichen Nahverkehr ist das Rauchen verboten. Es darf also quasi nur noch zu Hause, draußen oder an besonders markierten Stellen etwa in den Flughäfen geraucht werden. Damit hat man hier das Rauchen um ca. 25 % gesenkt, vielleicht auch ein Modell für Deutschland, klar sagt mal wieder ein Nichtraucher ;-)) . Man muss aber auch sagen, das die Kanadier sich relativ klaglos an solche Gesetzte halten. Es sind aber zum Beispiel in den öffentlichen Straßen und Plätzen keine Aschenbecher aufgestellt. Und der „gemeine“ Kanadier wirft eben nichts einfach so weg, sondern bringt seinen Müll in einen dafür geeignetes Gefäß oder trägt es eben solange mit sich herum, bis er eines findet. In den aufgestellten Müllbehältern sind Plastiksäcke gehängt, und da gehört verständlicherweise der Kippenstummel wegen der Brandgefahr nicht hinein. So gibt es schlichtweg kaum eine Möglichkeit seine Kippe so zu entsorgen, wie es sich gehört. Folglich sieht man auch kaum jemanden auf der Straße rauchen, auf den Hinterhöfen sieht man dann schon mal ein paar stehen, die gerade eine kleine Raucherpause von der Arbeit einlegen. Wenn man mal jemanden eine Kippe wegwerfen sieht, hat der nicht selten auch eine Kamera um den Hals hängen – mal wieder ein Tourie. Insgesamt kann man aber auf jeden Fall sagen, das die Städte sehr sauber sind, das gilt mit Abstrichen auch noch für Montreal, obwohl diese Stadt eher einen etwas schmuddeligen Gesamteindruck macht.