7. Reisetag 13.02.2011 – Valparaiso
Wir verlassen heute endgültig den Norden Chiles und fliegen mit einer Zwischenlandung in La Sarena zurück nach Santiago. Wobei hier Zwischenlandungen eher wie die Haltestation eines Busses sind. Einige Passagiere steigen aus, andere wieder ein und es geht sofort weiter. Auch die Sicherheitsvorkehrungen bezüglich der Flüssigkeiten sind ein bisschen anders als in Europa. Hier interessiert es niemanden, ob und wie viel man an Flüssigkeiten dabei hat. Nur Glasflaschen sollten es keine sein. So kommen wir gegen 11.15Uhr zum zweiten Mal auf dem Flughafen von Santiago an. Unser Ziel für heute ist aber die Hafenstadt Valparaiso. Sie liegt etwa 90km westlich von Santiago, wofür man wegen des Stadtverkehrs und auch der relativ stark befahrenen Autobahn dorthin etwa 2 Stunden braucht. Viele größere Durchgangsstraßen sind genauso wie die Autobahnen mautpflichtig. Während es an den Autobahnen immer wieder Kassenhäuschen gibt, wird das in Santiago elektronisch erledigt. Wer in Santiago mit dem Auto unterwegs ist, muss einen kleinen „Pieper“ installiert haben, der dann an bestimmten Stellen elektronisch registriert wird, monatlich wird dann der fällige Betrag für die Straßennutzung abgebucht. Wer ohne einen solchen Pieper erwischt wird, dem droht eine empfindliche Geldstrafe.
Gegen 16 Uhr starten wir unsere kleine Stadtbesichtigung von Valparaiso. Die Stadt ist vom Aufbau her anders als die anderen Städte, die wir bisher gesehen haben. Bisher gab es immer eine Plaza de Armas im Zentrum, und drum herum schachtbrettartig die Innenstadt. Valparaiso wird auch die Stadt der vielen Hügel genannt, eben weil ihr Stadtbild von der Topografie der Hügel bestimmt wird, auf denen sie erbaut worden ist. So geht man durch unzählige kleine Gässchen und ständig bergab oder bergauf. Der Verkehr schlängelt sich zwischen den Häuser hindurch, Gärten gibt es praktisch keine, das Leben findet unmittelbar auf der Straße statt. Es gibt übrigens kein rechts vor links sondern ein unter vor oben. Will sagen wer von unten kommt hat Vorfahrt. Und es treffen sich praktisch nie Straßen auf gleichem Niveau. Eine andere Besonderheit sind die vielen Treppen und Aufzüge für die die Stadt bekannt ist. Die meisten der Aufzüge sind bereits vor mehr als 100 Jahren erbau worden, und tun bis heute ihren Dienst. So kann man für ein paar hundert Peso, umgerechnet etwa 30 Eurocent, sich mit so einem Aufzug auf den nächsten Hügel bringen lassen, oder eben wieder mit ihm runter fahren. Man sieht der Stadt aber auch an, dass ihre Hochzeit schon ein bisschen zurück liegt. Im Eingehenden 20. Jahrhundert war Valparaiso der erste Hafen für die Schiffe, die durch die Magellanstraße kamen und an der Westküste Südamerikas hochfuhren. Das änderte sich mit der Eröffnung des Panama-Kanals. Dann wurde vom deutschen Fritz Haber eine Methode entwickelt, Salpeter künstlich zu produzieren. Salpeter war nötig um Schießpulver zu produzieren und machte die Kaufleute im heutigen Norden Chiles reich, da es große Vorkommen in der Atacama Wüste gab und gibt. Eben der Salpeter wurde wesentlich über Valparaiso verschifft. Es folgte die große Weltwirtschaftskriese 1928/29, und die Stadt hatte endgültig ihre Bedeutung verloren. Heute sind Teile der Stadt zwar Weltkulturerbe der Unesco, doch Termiten und das feuchte salzige Klima insbesondere im Winter habe den einst glanzvollen Villen sehr zugesetzt. Viele Fassaden der bunten Häuser sind aus Wellblech oder Harthölzern wie Douglasie. Mit der Ernennung zum Weltkulturerbe sind auch einige Restaurierungen in Gang gekommen, aber es gibt auch noch sehr viel mehr zu tun. Bekannt ist Valparaiso auch für die riesigen bunten Grafities, die zuweilen eine ganze Hausfront einnehmen.
Im Hafen der Stadt liegen einige Schiffe der Marine vor Anker, diese hat auch hier in Valparaiso ihr Hauptquartier. Zufällig befindet sich auch das deutsche Segelschulschiff Gorch Fock gerade hier. So sehen wir auch einige der deutschen Besatzungsmitglieder auf der Post. In Chile holt man übrigens auch seine Post mehr oder weniger regelmäßig auf dem Postamt ab. Und soweit ich feststellen konnte, gibt es in jeder Stadt auch nur ein Postamt, wenn überhaupt nur eins für Briefe und ein weiteres für Pakete. Postkästen sind mir ebenso bisher keine aufgefallen. Für Postkarten gibt es zwei verschieden Portoklassen, die etwas teurere soll eigentlich für eine etwas schnellere Zustellung sorgen, wie wir gehört haben, macht es aber in der Praxis keinen Unterschied, überhaupt gilt die Post in Chile als sehr zuverlässig. Im Wirtschaftshafen der Stadt finden sich relativ viele Kühlcontainer. Sie enthalten landwirtschaftliche Produkte wie Obst und Gemüse, deren Ziele zunehmend im asiatischen Raum liegen. Die Rohstoffe des Landes werden heute über die Häfen weiter im Norden umgeschlagen, da diese einfach näher an den Fördergebieten liegen.
Der erste Rohstoff, der im großen Maßstab ausgeführt wurde, war der schon erwähnte Salpeter. Man führte gar Krieg wegen des Salpeters mit Bolivien und Peru. Nach der Unabhängigkeit Chiles, Boliviens und Peru war der Grenzverlauf im heutigen Norden Chiles umstritten. Peru dehnte dabei per Erklärung sein Staatsgebiet weiter nach Süden aus, was Chile stillschweigend ignorierte. Zu dieser Zeit hatte Bolivien hier einen Zugang zum Pazifik, war zuvor von den Spaniern aber dem Vizekönigreich des heutigen Argentinien zugeschlagen worden. Da das Land aber ohnehin vermeintlich wertlose Wüste war, waren die territorialen Verhältnisse in dem Gebiet eher zweitrangig. Das änderte sich dramatisch, als man Salpeter fand, was als Dünger und zur Produktion von Schießpulver benutzt wurde. Peru baute in der Region bis zu dieser Zeit Guano ab, wovon plötzlich 650000t in peruanischen Häfen nahezu wertlos wurden, da der Salpeter deutlich leistungsfähiger als Dünger war. In Verträgen vereinbarten 1866 und 1874 Bolivien und Chile, dass die Region nördlich des 24. Breitengrads zu Bolivien gehören sollte, dafür chilenische Firmen in dem Gebiet aber 25 Jahre keine Steuern zahlen sollten. Dazu muss man wissen, dass etwa 95% der dortigen Bevölkerung eigentlich chilenischer Herkunft war. Nach einem großen Seebeben 1877 erhob Bolivien 1879 doch Steuern von den chilenischen Firmen, und das rückwirkend seit 1874, was zur Enteignung der meisten Firmen führte. Das erklärte Chile zum Bruch der Verträge und entsandte Truppen nach Antofagasta, was Bolivien zur Kriegerklärung gegen Chile veranlasste. Dazu kam, das Bolivien ein Geheimabkommen mit Peru geschlossen hatte, sich im Kriegsfall gegenseitig zu unterstützen. Die ersten Schlachten fanden vor allem auf See statt, bei denen die chilenische Flotte die peruanische nahezu komplett zerstörte. Nachdem Chile damit auf dem Seeweg ihre Truppen gefahrlos transportieren konnte, begann auch der Landkrieg an Heftigkeit zuzunehmen. Dabei standen sich anfangs 13000 relativ gut ausgebildete und ausgerüstete Chilenen etwa 2300 schlecht bewaffneten Bolivianern und 6000 über ganz Peru verteilten Soldaten des nördlichen Nachbarn gegenüber. In den Jahren bis 1884 verlor Bolivien seinen Zugang zum Meer und Peru Teile ihres Landes. Später gab Chile Teile der eroberten Gebiete an Peru zurück und gewährte Bolivien den zollfreien Zugang zum chilenischen Häfen in Arica und Antofagasta. Bolivien und Chile haben erst 2006 wieder in das jeweilig andere Land einen Botschafter entsandt. Bolivien macht bis heute Chile auch für die eigene schlechte wirtschaftliche Lage verantwortlich, weil es eben keinen eigenen Zugang zum Meer mehr hat. Gleichzeitig beliefert es Argentinien nur unter der Auflage mit Erdgas, das dieses es nicht an Chile weiterverkaufen darf. Oder ließ ein Projekt mit amerikanischen Inventoren scheitern, weil diese mittels einer Pipeline Erdgas an die Pazifikküste transportieren wollten, um es dort zu verflüssigen und in alle Welt zu exportieren, weil man nicht wollte, das Chile an dem bolivianischen Gas mitverdienen würde. Heute ist der Salpeterabbau in der Atacama Wüste längst unbedeutend geworden, Chile hat mit den großen Kupfermienen aber Ersatz dafür gefunden, so gehört Chile heute zu den größten Exporteuren von Kupfererzen auf der Welt.