5. Reisetag 14.02.2012 – Jinja
Heute wird es ein ziemlich entspannter Tag, es gibt eigentlich nur die Fahrt mir dem Boot von Nsadzi Island zurück ans Festland nach Jinja. Immerhin eine Fahrt von etwa 8 Stunden. Der Victoria See, auf dem wir ja heute unterwegs sein werden, ist morgens ruhig und normalerweise wird er dann im Verlauf des Tages etwas rauer. So wollen wir möglichst früh los. Der Plan dazu sieht wie folgt aus: Frühstück 5:45 Uhr, dann um 06:30 Zeltabbau, anschließend Gepäck verladen und um 07:00 soll es los gehen. Bis auf das Losfahren sind wir voll im Plan, wir legen dann aber erst etwa mit einer halben Stunde Verspätung ab. Und wenn man nicht die überpünktlichen deutschen Tugenden anlegt, gilt das eigentlich nicht mal als Verspätung. In den ersten Stunden ist der Victoria See auch glatt wie ein Spiegel, was mich eigentlich erstaunt, wenn ich mir so überlege, wie groß der See eigentlich ist, da habe ich mit deutlich mehr Wellen gerechnet.
Vielleicht ist es hier auch eine gute Gelegenheit ein bisschen was zu den Dimensionen des Sees zu sagen. Er hat eine Fläche vom etwa 68800km², das ist etwa die Fläche von Bayern oder auch Irland. Dagegen ist unser Bodensee kaum mehr als ein „Tümpel“. Aber der auf etwa 1130m über dem Meeresspiegel gelegene Victoria See hat gerade mal eine Tiefe von 82m, und da übertrumpft ihn unser Bodensee dann mit seinen rund 250m doch deutlich. Der Victoria See ist nach dem Kaspischen Meer und dem Lake Superior, welcher einer der fünf großen Seen in Nordamerika ist, der drittgrößte See der Erde. An seinem fast 3500km langen Ufer leben etwa 30 Millionen Menschen in drei Ländern, die da wären Tansania, Kenia und natürlich Uganda. Der Victoria See ist mit seinen Fischen eine große natürliche Ressource für die Ernährung, der an ihm lebenden Menschen. Auch wenn er durchaus einige Problem hat, so wuchern insbesondere an den ugandischen Küsten Wasserhyazinthen, die hier eigentlich nicht natürlich vorkommen. Begünstig wird ihre Ausbreitung durch die Zerstörung der ursprünglichen Vegetation, was dazu führt, das mehr Nährstoffe aus dem Boden ausgeschwemmt werden und so in den See gelangen. Eine Folge der Ausbreitung der Wasserhyazinthen ist dann, das nicht mehr genug Licht auf das Plankton im Wasser zur Photosynthese fällt. Das verschlechtert dann wieder den Sauerstoffgehalt des Wassers. Des Problems ist man sich durchaus bewusst, doch es geschieht durch Streitigkeiten zwischen den Anrainerstaaten letztlich nichts. Auch hat man in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts den Nilbarsch, der hier dann Victoriabarsch heißt, angesiedelt. Er ist gut kommerziell zu verarbeiten, dadurch das er keine bzw. nicht ausreichend natürlichen Feinde hatte, breitete er sich nur entsprechend stark aus und sorgte so für das Aussterben anderer Fischarten. Inzwischen wird er aber so stark abgefischt, dass sich die Bestände anderer Arten wieder etwas erholen konnten. Dabei sieht man hier in den küstennahen Bereichen eigentlich immer nur die kleinen Holz-Ruderboote mit den einen bzw. zwei Fischern darin. Da kann man kaum glauben, dass der Victoria See eigentlich überfischt wird. Aber weiter draußen gibt es natürlich „richtige“ Fischereischiffe. Der Victoriasee beinhaltet auch heute noch alleine 125 verschiedene bestimmte Buntbarsch Arten. Dazu kommen noch ein paar Dutzend die bisher noch nicht näher bestimmt worden sind. Zur Mitte des letzten Jahrhunderts, also vor dem Nilbarsch schätzt man die Artenvielfalt bei den Buntbarschen aber auf rund 400, wovon viele hier endemisch waren. Auch die heute noch vorkommende Anzahl an Fischarten ist immer noch gewaltig, zum Vergleich gibt es etwa in der Schweiz heute nur 45 einheimische und 13 weitere eingeführte Fischarten. Ein weiteres Problem ist die Umweltverschmutzung durch die vielen am See lebenden Menschen. Abwasserreinigung und dergleichen sucht man hier natürlich vergebens. So wurde 2005 dem Victoria See die traurige Ehre zuteil, zum „Bedrohten See des Jahres“ gewählt worden zu sein.
Für uns konkret ist aber noch ein anderes Problem: Bilharziose. Dabei handelt es sich um eine Wurminfektion. Dabei gelangt das Ei durch menschliche Ausscheidungen ins Wasser, hieraus entstehen Larven, die wiederum in bestimmten Schnecken, die nur in stehenden Gewässern vorkommen, zu Zerkarien werden. Diese weniger als einen Millimeter großen Zerkarien gelangen wieder in großer Zahl ins Wasser und durchdringen dann die Haut des Menschen, wenn er dann mit dem Wasser in Berührung kommt, in dessen Körper werden sie dann zu Saugwürmern. Sie streben dann in Richtung Leber. Bereits nach drei bis sieben Wochen beginnen die Würmer selbst wieder mit der Produktion von Eiern, die sie noch zwischen drei und acht Jahren fortsetzen. Der Mensch bekommt als Folge chronische Leiden und es führt oft bis zu Ösophagusvarizen (Krampfadern der Speiseröhren), was aber durchaus Inkubationszeiten von 10 bis 15 Jahren haben kann. Dennoch ist Bilharziose nach Malaria die zweithäufigste Tropenkrankheit der Welt, die durch Parasiten übertragen wird. Man schätzt, dass etwa 200 Millionen Menschen von ihr betroffen sind, und etwa 20000 jedes Jahr an ihr bzw. ihren Folgen sterben. Und der Victoria See ist einer der Brennpunkte für Bilharziose in der Welt. Damit sollte man den Hautkontakt mit dem Wasser des Sees möglichst vermeiden, wobei das im Prinzip nur für den Uferbereich gilt, würde man ein gutes Stück auf den See hinaus fahren, so wäre es auch möglich in ihm zu baden, da dort die Schnecken und damit ein wesentlicher Baustein in der Entwicklung der Bilharziose nicht vorkommen.
So jetzt aber noch kurz zurück zu unserem Tag. Unsere Mittagspause haben wir auf den Booten am Ufer verbracht, was dann dafür gesorgt hat, das sich schon bald einige junge Bewohner eines nicht weit entfernten Fischerdorfes im Schatten des Uferbewuchses einfanden. Ansonsten verläuft der Tag ruhig und ereignislos, daran das immer mal etwas Wasser aus dem Boot geschippt werden muss, haben wir uns längst gewöhnt. Ich bin nur dankbar für die Plane, in deren Schatten wir sitzen können, denn die Sonne brennt schon ziemlich brutal von einem nahezu wolkenlosen Himmel herab. Ich mag mir nicht vorstellen, wie meine Haut auf derartige Sonneneinstrahlung sonst reagiert hätte. So ist alles gut, ich habe mir wegen der etwas unvorteilhaften Sitzhaltung ein bisschen den Rücken verrenkt, aber darüber mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Das ist morgen sicherlich schon vergessen. Wegen der frühen Abfahrt kommen wir heute auch schon entsprechend früh an unserem Ziel an, dem Campingplatz einer Hotelanlage direkt am Victoria See in Jinja. Wir haben mehr als genug Zeit in Ruhe unsere Zelte noch ein bisschen zu trocknen und aufzubauen. Und dann … ja dann eine schöne warme Dusche, und eine Toilette, die zwar nicht ganz wie zu Hause ist, aber weit weg von einem Plumpsklo in dem tagsüber die Fliegen sitzen, und nachts die Mücken davor auf leichte Beute lauern. Vor dem Abendessen bleibt auch noch Zeit für einen kleinen Abstecher an die Bar des Hotels oberhalb des Pool, letzterer ist aber völlig verwaist, und macht auch nicht den Eindruck, als wäre er ständig völlig überlaufen. Säfte und ähnliches werden hier frisch zubereitet, so kann man es sich gefallen lassen. Aber das wird ja im Verlauf der Reise noch wieder anders werden. Gerade die etwas entlegeneren Ecken machen das richtige Afrika erst richtig aus, und das gehört auf jeden Fall auch zu einer schönen Reise auf diesem Kontinent.