12. Reisetag San Gerado de Dota – 09.03.2022
Unser erster Programmpunkt ist optional, man kann aber muss nicht. Wenn man möchte, heißt es aber wieder früh raus. Wir wollen um 05:30 Uhr zu einer Stelle an der Straße fahren, da es dort ziemlich gute Chancen gibt, einen Quetzal zu beobachten. Er nistet ca. 200m von der Straße entfernt in einer Höhle in einem Baum. Der Quetzal ist sehr selten geworden, und steht seit dem Jahr 2000 auf der roten Liste, ist also akut vom Aussterben bedroht. Der Quezal gehört zur Familie der Trogone. Trogone zählen zu den farbenprächtigsten Vögeln überhaupt. Sie leben in den Bäumen und sind nur selten am Boden zu sehen, in den Bäumen allerdings auch nur schwer zu entdecken. Bei fast allen der 45 Arten, die zu der Gattung gehören, sind die Beine ohnehin nur schwach ausgebildet, so sind sie meist nur sehr schlechte Läufer. Dafür haben sie an ihren Füßen vier Zehen, die sich jeweils in Pärchen gegenüberstehen. Bei Trogonen sind aber die ersten beiden Zehen nach hinten gerichtet, die beiden anderen nach vorne. Üblicherweise sind bei Vögeln, die hauptsächlich in Bäumen leben, die Zehen eins und vier nach hinten und die beiden anderen nach vorne gerichtet. Wegen dieser Anomalie bezeichnet man die Trogone häufig auch als „Verkehrtfüßler“. Die sich gegenüberstehenden Zehen dienen natürlich dazu, sich in den Ästen bzw. Bäumen besser halten zu können. Aber zurück zum Quetzal, auch der hat ein farbenprächtiges Gefieder. Die Weibchen sind vor allem grün-blau, die Männchen haben dazu eine leuchtend rote Brust. Die optische Wahrnehmung der Farbe des Gefieders wechselt ähnlich wie bei vielen Kolibri-Arten mit dem Lichteinfall. Quetzale werden ca. 35cm groß, bei einem Gewicht von lediglich ca. 210 g. Bei den Männchen wachsen aber zur Balzzeit zwei überlange Oberschwanzfedern von bis zu 80cm, die die normalen Schwanzfedern sehr deutlich überragen. Diese riesigen Oberschwanzfedern passen meist gar nicht in die Bruthöhle, die sich üblicherweise in morschen bzw. hohlen Bäumen befinden. Während der Brutzeit kümmern sich beide Elternvögel um den Nachwuchs. Üblicherweise haben Quetzale zwei Junge, die aus blauen Eiern schlüpfen. Die überlangen Oberschwanzfedern fallen dann nach der Brutzeit wieder aus. Sie haben den Quetzalen, übrigens das Wappentier von Guatemala, den Beinamen Göttervogel eingebracht. Die Männchen führen zur Balzzeit wellenartige Flüge aus, in denen sie sich dann in einem Sturzflug in die Tiefe stürzen. Dabei wirkt der lange Schwanz fast wie ein Schweif, und um die Wirkung noch zu verstärken, schreien sie dabei auch noch ihre lauten Balzlaute. Die alten indigenen Kulturen sahen im Quetzal einen Boten zwischen Himmel und Erde. Die temporären überlangen Schwanzfedern durften nur von hohen Priestern getragen werden. Wer einen Quetzal tötete, wurde in vielen Kulturen den indigenen Völker mit dem Tode bestraft. So ranken sich auch verschiedene Legenden um den Quetzal. Die Quiche aus Guatemala erzählten sich, dass das Quetzal-Männchen aus Trauer im Blut ihres letzten Königs Tecun Uman badete, als dieser von den spanischen Eroberern getötet wurde, und damit die Quiche ihre Freiheit verloren. Und aus dem Bad stammt die rote Brust, die die Männchen bis heute tragen. So ist der Quetzal für sie auch ein Symbol der Freiheit. Quetzale leben im Nebelwald. In die tiefer gelegenen Bereiche kommen sie vor allem zum Nisten. Dafür benötigen sie morsche Bäume, die ihnen auch noch zunehmend von Fischertukane streitig gemacht werden. Quetzale kommen nur noch in Mexiko, Guatemala und Costa Rica vor. Aufgrund der Abholzung der Regen- / Nebelwälder wird ihr Lebensraum aber zunehmend kleiner. Ihre Nahrungsgrundlage besteht zu einem wesentlichen Teil aus wilden Avocados, deren Kerne sie später wieder hochwürgen und dann fallen lassen. Damit tragen sie wesentlich zu deren Verbreitung bei. Während der Brutzeit füttern sie ihren Nachwuchs auch mit Insekten und Fröschen. Wir haben an diesem Morgen Glück mit dem Quetzal. Das Licht ist noch schlecht, und aufgrund der Entfernung und einem fehlenden geeigneten Objektiv gelingt das Foto nur so lala. Und ich bin überrascht, wie schwierig man ihn überhaupt mit seinem leuchtend grünen Gefieder findet. Trotzdem natürlich schon etwas Besonderes überhaupt einen zu sehen zu bekommen, und dann noch ein Männchen mit seinem imposanten Schwanz. Auch wenn sich an der bekannten Stelle natürlich schon einige Touristen zu dieser frühen Stunde eingefunden haben. Aber später am Tag sieht man ihn häufig kaum noch außerhalb seiner Bruthöhle. Und eigentlich ist es sogar schon unser zweiter Quetzal, der andere wäre uns gestern Abend bei der Fahrt über den Pass fast vor die Frontscheibe „geknallt“, auch wenn er da bei der kurzen und für alle glücklich ausgegangenen kurzen Begegnung eigentlich nur in den Bruchteilen einer Sekunde an der langen Schwanzfeder zu identifizieren war.
Heute früh habe ich übrigens noch ein anders für Costa Rica eigentlich absurdes Kleidungsstück genutzt: dünne Fingerhandschuhe. Die Luft ist wie es sich für den Rand eines Nebelwalds gehört feucht, und die Temperaturen sollten laut der Wettervorhersage heute früh lediglich bei 5°C liegen, immerhin sind wir hier auf rund 2100m. Gestern waren es am Morgen noch um rund 20°C höhere Temperaturen. So sind wir auch froh gegen 7:00 Uhr wieder zum Frühstück im Restaurant des Hotels zu sein. Wenn auch da nicht geheizt ist, aber natürlich ist es gefühlt deutlich wärmer als draußen. Da ich nicht zu den typischen Kaffee- oder Teetrinkern gehöre, gönne ich mir heute dann doch einen warmen Kakao.
Für den heutigen Tag ist nur noch eine Wanderung auf den Senderos Los Roble auf dem Programm. Das ist ein etwa 14 Kilometer langer Rundweg oberhalb von San Gerado de Dota. So gehen wir zunächst direkt aus dem Ort einen Schotterweg hinauf, der schon mal einige Höhenmeter macht. An dessen Ende befindet sich eine große Aussichtsplattform. Von hier geht es dann mit dem eigentlichen Rundweg durch den Nebelwald weiter, wobei es hier dann, wie der Name „Roble“ schon vermuten lässt, viele Eichen gibt. Und wie es sich für einen Nebelwald gehört, hängen an vielen Bäumen dann auch Moose von den Ästen, was ihn dann, wenn die Sonne sich mal verzogen hat, etwas Mystisches gibt. Gestartet sind wir auf etwa 2200m, insgesamt erreichen wir auf dem Rundweg eine Höhe von 2680m. Hier in der Gegend sind alleine rund 300 Vogelarten zu beobachten. Diese riesige Vielfalt in Flora und Fauna, die es fast überall in Costa Rica gibt, ist verschiedenen Dingen geschuldet. Ganz wesentlich ist die Geografie. So haben sich Tiere und Pflanzen aus Nord- und Südamerika hierher ausgedehnt. Und dann gibt es hier sehr viele unterschiedliche Ökosysteme mit großen Niederschlagsmengen, die natürlich das Pflanzenwachstum enorm begünstigen. Auch die Vulkane tun ihres dazu. Ohne dieses frohwüchsige Klima wäre es auch niemals möglich gewesen, dass sich in den letzten 40 – 50 Jahren viele damals noch landwirtschaftlich genutzte Flächen mit neuen Regenwäldern regeneriert haben. Auch wenn sich nicht in allen schon die gleiche Artenvielfalt wie in den ursprünglichen Regenwäldern gebildet hat. Aber es ist in den letzten Jahrzehnten mehr als ein Anfang gemacht. Und neben der Landmasse von 51000 Quadratkilometern gehört zu Costa Rica auch noch eine Fläche von 589000 Quadratkilometern sogenanntes territoriale Gewässer dazu. Weltweit zählt man etwa 500000 Arten, davon sind etwa 10% in Costa Rica zu entdecken. Um noch ein paar Zahlen zu bringen, es gibt in Costa Rica alleine 800 verschiedene Farnarten, 1400 verschiedene Orchideen, mehr als 200 Säugetiere, viele davon sind Fledertiere, die teilweise Fische im Flug fangen, 160 Amphibien, 220 Reptilien, davon alleine 162 Schlangen, von denen aber lediglich 22 giftig sind. Und dann sind da noch die Insekten, deren Zahl faktisch unüberschaubar ist. Dabei gibt es Blütenmilben, die in den Nasenlöchern von Kolibris, selbst auch nicht gerade Riesen, Platz finden. Aber es gibt auch Schmetterlinge mit einer Spannweite von mehr als 15cm, oder den gar 20cm großen Hornkäfer. Wenn man glaubt, eigentlich schon alles gesehen zu haben, dann hat man in Costa Rica eigentlich noch nicht mal angefangen.
Ich versuche auf unserer Runde noch ein paar weitere Vögel zu erwischen. Auch wenn ich ganz sicher kein Ornithologe bin, bin ich total überrascht, wie viele verschiedene wir zu sehen bekommen. Und nur weil der vor der Linse vielleicht eine eigentlich auffällige gelbe Brust hat, gibt es die bei der folgenden Bestimmung gleich zig-mal. Und dann sehen Männchen und Weibchen häufig noch komplett unterschiedlich aus. Zu den schwierigsten Motiven unter den sichtbaren Vögeln, denn die meisten hört man nur, oder sieht sie vielleicht noch irgendwo hinter irgendwelchen Blättern verschwinden, gehören die Kolibris. Die sind gefühlt hyperaktiv. Dabei dachte ich eigentlich, die „stehen“ ja vor den Blüten in der Luft, das sollte eine dankbare Aufgabe sein. Nur fliegen die eben in sehr kurzer Zeit sehr viele Blüten an. Sie schweben zwar vor der Blüte, aber eben nur sehr kurz. Bevor die dann mal scharf im Bild sind, sind sie oftmals längst weiter. So entstehen viele meiner heutigen Kolibri-Fotos unter aus biologischer Sicht eher fragwürdigen Bedingungen. Eines der hiesigen Hotels hat einige Behälter mit Zuckerwasser aufgehängt, an denen es dann doch relativ einfach gelingt, die kleinen Kolibris zu erwischen. Aber bei der Bestimmung wird es im Nachgang dann wieder schwieriger als gedacht, wie schon erwähnt, bin ich ganz sicher kein kompetenter Vogelkundler. Aber die Kolibris schimmern je nach Lichteinfall immer wieder in unterschiedlichen Farben. In ganz Costa Rica gibt es 51 Kolibri Arten, hier in diesem Gebiet sind „nur“ 21 davon heimisch. Das macht die Sache dann schon mal deutlich leichter. An dieser Stelle soll es dann aber um die besonderen Fähigkeiten gehen. Kolibris können als einzige Vögel überhaupt nicht nur auf der Stelle schweben bzw. schwirren, nein sie können sogar seitlich und gar rückwärts fliegen. Das gelingt nur, weil sie mit einer extrem hohen Frequenz von 40 – 50 Flügelschlägen in der Sekunde unterwegs sind. Dazu sind ihre Flügel in fast jede denkbare Stellung zu bringen, was sie einer extremen Beweglichkeit in den Schultern und Ellenbogen zu verdanken haben. Für den Flügelschlag braucht es dann noch enorme Kraft, deshalb macht alleine die Muskulatur für die Flügel rund ein Viertel des Körpergewichts aus. Und damit so viele Flügelschläge überhaupt möglich sind, schlägt ihr Herz buchstäblich wie wild: 400 - 500 mal in der Minute. Auch das Herz ist im Verhältnis zum Körper sehr groß, dass wird dann noch mit einer Atemfrequenz von bis zu 250 Atemzügen in der Minute kombiniert. Das alles verbraucht natürlich eine Unmenge an Energie. Die holen sie im Wesentlich aus dem Nektar der besuchten Blüten. Für die Aufnahme haben die meisten Kolibri-Arten einen relativ langen Schnabel, der teilweise leicht gebogen ist. Im Schnabel befindet sich eine sehr lange Zunge, die am Ende gespalten ist, und dann im Prinzip wie ein Strohhalm funktioniert, mit dem der Nektar aus der Blüte gesaugt wird. Dafür haben die meisten Kolibris nur einen sehr kleinen Magen, und der Nektar wird nahezu direkt durch den Magen in den Darm weitergeleitet, und dann dort verdaut. Neben dem Nektar fressen Kolibris noch Insekten und Spinnen, um ihren Eiweiß-Bedarf zu decken. Wobei die Kolibris die Fertigkeiten besitzen, ihre Körpertemperatur z.B. in der Nacht deutlich abzusenken, und dann damit fast in einen Dämmerzustand fallen. Und so brauchen sie am Morgen immer etwas um auf Betriebstemperatur zu kommen, um dann wieder Nektar sammeln zu können. Auf der anderen Seite sind einige Kolibris aber auch Hochgeschwindigkeit-Flieger. Die schnellsten dabei sind die Annakolibri. Sie erreichen beim Balzflug Geschwindigkeiten von 98 km/h. Wenn man das mit ihrer Größe von gerade 10cm in Bezug setzt, dann schaffen sie bis zu 385 Körperlängen in der Sekunde, und dass bei einer Beschleunigung der 10fachen Fallgeschwindigkeit. Damit sind sie bezogen auf ihre Größe die schnellsten Wirbeltiere der Welt. Zum Vergleich kommen Wanderfalken zwar auf eine Geschwindigkeit von bis 320km/h im Sturzflug, und sind damit die schnellsten Tiere in absoluten Zahlen überhaupt. Aber im Verhältnis zu ihrer Größe ist das gerade mal das 200fache ihre Körpergröße. Ein moderner Kampfjet mit Mach3 erreicht lediglich etwa die 40fache Geschwindigkeit seiner Länge. Man kann also sagen, Kolibris sind wahre Supersportler.
Wir sind nach unserer Rundtour gegen 13:30 Uhr zurück im San Gerado de Dota. Der restliche Nachmittag ist frei. Inzwischen sind die Temperaturen auch relativ angenehm, da die Sonne auch das Tal erreicht hat. So nutze ich die Mittagswärme zur Muße und mache einfach mal Nichts, außer ein paar Erdnüsse zu futtern. Die schleppe ich seit den ersten Tagen in Costa Rica als mögliche Energiespender auf den Wanderungen mit mir herum. Aber die Mahlzeiten waren mehr als ausreichend, so gab es nie wirklich Bedarf. Als die Sonne dann im Verlauf langsam wieder zu sinken beginnt, und die Schatten länger werden, bzw. das Tal ganz in den Schatten fällt, fallen auch die Temperaturen ziemlich schnell. Da heißt es dann auch wieder alle Fenster zu und den Heizlüfter anwerfen.