9. Reisetag Poormans Paradise – 06.03.2022
Heute geht es wieder früh raus. Das Frühstück ist für 5:30 Uhr angesetzt, und um 6:15 Uhr soll es dann vom Strand, der gleichen Stelle an der wir gestern ausgestiegen sind, mit dem Boot ein kleines Stück an der Küste entlang gehen. Die Fahrt dauert rund 20 Minuten und bringt uns zu einem Eingang zum hiesigen Corcovado Nationalpark. Der Corcovado ist mit 41788 ha der größte Nationalpark in Costa Rica. Bis in die 1960er blieb das Gebiet des heutigen Nationalparks von Menschen fast unberührt. Dann wurde Gold gefunden, was zahlreiche Glücksritter anlockte, in der „grünen Hölle“ ihr Glück zu suchen. Als Begleiterscheinung begannen zahlreiche Flüsse zu verschlammen, was negative Auswirkungen auf Flora und Fauna hatte. Darüber hinaus kamen Freizeitjäger in das Gebiet, die aus Lust an der Jagd damit begannen, Tiere zu erlegen. Auch der Abbau von Bauxit war im Gespräch, was zahlreiche Umweltaktivisten auf den Plan rief. Die Bauxitmine wurde schließlich im benachbarten Panama gebaut, da man dort noch ertragreichere Vorkommen fand. Im Jahre 1975 wurde schließlich auch die Goldsuche verboten und der Nationalpark gegründet. So konnte die größte Naturvielfalt nördlich des Amazonas bewahrt werden. Alleine im Corcovado gibt es 140 verschiedene Säugetierarten inklusive Jaguar, Puma und Ozelot, alle vier in Costa Rica vorkommenden Affenarten, dazu mehr als 120 Amphibien und Reptilien, darunter auch die bekannten bunten Pfeilgiftfrösche, sowie knapp 400 Vogelarten. Bei den Insekten hat man bisher über 6000 Arten gezählt, und findet immer noch neue. Diese gigantische Artenvielfalt ist natürlich begünstigt durch die 13 im Nationalpark vorkommenden Ökozonen, die am weitesten verbreiteten sind Tieflandregenwald, Bergregenwald, Mangroven und ein Süßwassersumpfgebiet. Der Besuch des Nationalparks ist insbesondere in der Regenzeit zum Teil schwierig, weil dann größere Teile überschwemmt und Pfade und Wege unpassierbar werden. Dazu kommt dann noch die geradezu explodierende Populationen von Stechinsekten. Da wir zum Ende der Trockenzeit unterwegs sind, sollte beides für uns kein bzw. ein erträgliches Problem sein.
Als wir nach der kurzen Fahrt mit dem Boot auch wieder über einen kleinen Strand an Land gehen, registriert uns unser lokaler Guide zunächst bei den Rangern. Danach heißt es noch die Schuhe kurz aus zu lassen, da noch ein kleiner Wasserlauf zu durchqueren ist. Danach bekommen wir am eigenen Leib zu spüren, warum der Regenwald eben REGENwald heißt. Eine Stunde lang geht ein ergiebiger Regenschauer auf uns nieder. Immerhin ist es ein warmer Regen, so ziehe ich nur die Haube über den Rucksack, um den Fotoapparat zu schützen, auch wenn der incl. des Objektivs eigentlich regensicher sein soll. Aber auf den Versuch will man es dann doch lieber nicht ankommen lassen. Zumal bei dem Wetter ohnehin keine schönen Fotos zu erwarten sind. Da gilt es einfach die Bilder im Kopf zu behalten. Die Regenjacke lasse ich auch gleich im Rucksack, die Entscheidung ist entweder von oben Nass, oder im eigenen Saft stehen. Die Temperaturen sind auch am frühen Morgen schon T-Shirt tauglich, und werden dann im Verlauf des Tages noch steigen. Bei dem Wetter sieht man von den erhofften Tieren nur wenig. Das Einzige ist fast schon das Skelett eines Buckelwals, der hier vor einigen Monaten angeschwemmt worden ist, und der heute bis auf die schweren Skelettknochen komplett verschwunden ist. So halten wir uns eher an die Pflanzenwelt. Kurz vor 11 Uhr, inzwischen sind nur noch die Blätter der Pflanzen ein bisschen feucht, sehen wir ein Faultier, wenn auch nur ein bisschen versteckt im Dickicht an einem Ast hängend. Ein anderer Guide erzählt uns von einem Ameisenbären, den er nicht weit entfernt entdeckt hat. Der Ameisenbär läuft schließlich gut sichtbar über die Äste der Bäume und frisst dabei allerhand Ameisen, die auf den Bäumen unterwegs sind. Dabei frisst er niemals die ganze Kolonie, damit diese sich wieder erholen kann, und er bei passender Gelegenheit zurückkommen kann. Schließlich steigt der auch noch vom Baum, was er dank seiner Krallen übrigens ziemlich behände tut, und streift nur wenige Meter von uns entfernt über den Boden. Gleichzeitig läuft hinter uns noch eine Gruppe von Nasenbären herum, die scheinbar vom Strand kommt. Dabei haben sie eigentlich mit Wasser, wenn man mal das Trinkwasser unberücksichtigt lässt, nicht zu viel im Sinn. Zu der Gruppe gehören mehrere Alttiere aber auch eine Reihe von Jungen. Von ihr gehen wir zurück zum Ausgangspunkt unserer kleinen Wanderung an diesem Vormittag. Nach einer kurzen Pause folgen wir noch einem anderen Pfad, der laut unserem lokalen Guide bessere Chancen auf große Tiere bietet. Schließlich sind wir noch auf der „Jagd“ nach einem Tapir. Aber alles was wir von ihnen sehen, sind ein paar Spuren im Matsch. Wir können auch riechen, das eines in der Nähe sein muss, es riecht ein bisschen wie nach Pferden, die es hier im Nationalpark aber ganz sicher nicht gibt. Stattdessen sehen wir noch eine kleine Gruppe Brüllaffen und ein paar Klammeraffen, die uns aber nur ihren Allerwertesten zeigen. Dazu noch ein Pärchen Rote Aras, dass in einem Feigenbaum sitzend sich an den Früchten gütlich tut. Die roten Ara, eigentlich heißen sie Hellrote Ara und werden zu den „Eigentlichen Aras“ gezählt, gehören mit einer Größe von bis zu 90cm und einen Gewicht von bis zu einem Kilo zu den größten Papageien überhaupt. Ihr Federkleid erscheint in den Bäumen sitzend vor allem rot, erst wenn sie ihre Flügel ausbreiten, kommt ihre Farbvielfalt insbesondere die blauen Flügel zur Geltung. Sie ernähren sich von Samen, Nüssen, Früchten, Beeren und Knospen. Sie haben einen besonders für das Knacken der Nüsse kräftigen stark gebogenen Schnabel. Dazu kommt dann eine relativ lange und kräftige Zunge, mit der sie die Nüsse und Früchte bzw. deren Kerne heraus angeln. Man hat festgestellt, dass die Tiere offensichtlich eine Vorliebe dafür entwickeln, die Nahrung mit dem linken oder rechten Fuß zum Schnabel zu reichen. Man spricht dann von Links- bzw. Rechtshändern. Die Hellroten Aras leben monogam, und dabei häufig in kleinen Gruppen. Die Weibchen legen zwei bis vier Eier, die auch nur von den Weibchen meist in einer Baumhöhle ausgebrütet werden. Dabei füttert das Männchen das Weibchen. Die Jungen Aras schlüpfen nach etwa fünf Wochen, bleiben insgesamt bis zu vier Monate in ihrem Nest. Dabei werden sie dann von beiden Elternteilen versorgt. Die Population der Hellroten Aras geht leider immer noch zurück, man schätzt ihre Zahl in Mittelamerika, wo sie neben die tropischen Gebieten Südamerikas vorkommen, auf noch etwa 1500 Tiere, von denen etwa 1/3 alleine in Honduras leben.
Gegen 12:30 Uhr geht es dann für uns wieder zurück auf das Boot, das uns zurück zur Lodge springt. Bevor es zum Mittag geht, hänge ich noch meine immer noch nassen Sachen auf. Die Luftfeuchtigkeit im Regenwald liegt bei gefühlten 99 %. Nach dem Essen gönne ich mir dann noch den größten Teil des Nachmittags den Aufenthalt in der Hängematte, die auf dem Balkon meines Zimmers hängt. Dazu hört man dann die starke Brandung des Pazifiks, der selbst durch die Palmen schimmert. Das Leben könnte schlimmer sein.