24.10.2009 7. Reisetag - Wahiba
Heute verlassen wir Nizwa wieder. Für uns geht es jetzt in die Wüste. Dazu hat sich unser Fahrer heute ganz traditionell gekleidet. Bisher war er in Jeans und T-Shirt unterwegs, heute geht es in weißer Dischdascha und natürlich dem Musar, das gewickelte Tuch als Kopfbedeckung, weiter. Die letzte größere Bastion der Zivilisation, die wir ansteuern, ist die Stadt Ibra. Wir schlendern noch mal eine Runde durch den Ortskern. Die Geschäfte hier sind meist sehr klein oft kaum 20qm. Die angebotenen Waren stapeln sich für unsere westlichen Augen etwas unorthodox aufeinander. Da wird dann auch mal das Schaufenster mit irgendwelchen Kartons zugestellt. Es finden sich Fachgeschäfte, die eben nur ein sehr schmales Sortiment bedienen, aber es gibt auf ähnlich kleiner Fläche eben auch einige „Vollsortimenter“. Dort kann man Rucksäcke, Schreiber, Musare, Radiowecker und Schuhe gleich zusammen erstehen. Irgendwo dazwischen ist dann noch der offene Schaltkasten für die Elektroinstallation. An einer Ecke sehen wir sogar noch einen Schuster, der das Leder für eine Schuhanfertigung schneidet. Handarbeit ist hier eben im Gegensatz zu Deutschland sehr billig. So trägt auch unser Fahrer nur ihm auf den Leib geschneiderte Dischdaschas. Während er Jeans und T-Shirt natürlich von der Stange kauft. Unser Ziel ist hier heute aber eigentlich der hiesige Supermarkt, um etwas für unser Mittagsessen zu kaufen. Das Warenangebot ist sicherlich nicht so breit wie bei unseren Vollsortimentern wie EDEKA oder REWE, aber mit den Discountern kann er locker mithalten. Hier bekomme ich als Wechselgeld zum ersten Mal Münzen zurück. Bisher war es eher so, dass die Summe zwar nicht immer unbedingt kaufmännisch gerundet wurde, es gab dabei sowohl großzügiges Auf- wie auch Abrunden. Das Rundungsziel waren immer 100 Baisa, was den Wert des kleinsten Geldscheins darstellt. 1000 Baisa ergeben dann 1 Omaini Rial, was umgerechnet etwa 2 Euro sind. Überhaupt zahlt man hier mit vielen kleinen Scheinen. Man strebt schon nach kurzer Zeit an, ein möglichst dickes Geldbündel mit 1 Rial Noten zu bekommen. Denn zahlt man irgendwo eine Kleinigkeit von vielleicht zwei Rial mit einem Zwanziger, stellt es die kleinen Händler an der Ecke, schon fast vor ein unlösbares Problem. Er kann schlicht nicht wechseln. Nach dem wir die Stadt verlassen haben, sind am Horizont auch schon die ersten etwas rötlich schimmernden Sandberge zu sehen – die Sanddünen der Wüste Wahiba. Kurz bevor wir die Straße verlassen, machen wir noch Halt bei einer kleinen Werkstatt. Wobei das größte Geschäft hier wohl das mit der Luft ist. Denn bevor wir in die Wüste fahren, wird bei unseren Jeeps noch Luft aus den Reifen gelassen. Dadurch erhöht sich die Lauffläche der Reifen. Das Gewicht des Fahrzeugs verteilt sich besser, und dadurch sinkt es dann nicht so tief in den Wüstensand ein. Aber natürlich wird hier auch das Aufpumpen der Reifen angeboten. Dazu steht im Innenhof eine Spezialkonstruktion von Kompressor. Dort steht ein Fass, auf dem ein Motor montiert worden ist, müsste ich raten, würde ich sagen, die waren nicht immer so zusammen. Am Motor verlaufen offen ein paar Keilriemen, die im Betrieb auch ein bisschen hin und her schlagen. An der Wand über dem Motor ist nun ein größerer Tischventilator mit dem Standfuß an die Wand geschraubt. Dieser wird benutzt um den Motor des Kompressors zu kühlen, wenn es erforderlich werden sollte. Bei uns würde die Berufsgenossenschaft über die Konstruktion wahrscheinlich nicht einmal mehr lachen, aber hier ist eben jede Lösung die funktioniert auch die richtige.
Nach dem unsere Reifen den richtigen Druck haben, geht es für uns hinein in die Wüste. Schon nach kurzer Zeit fahren wir auf einer Sandpiste durch den losen Sand. Wir besuchen ein Camp, das vielleicht 10km innerhalb der Wüste liegt. Außer uns scheint nur noch ein Mann anwesend zu sein, der sich vor dem Aufenthaltsraum in die Sonne gesetzt hat. Während wir unser Mittag essen, erscheint dann doch noch einer der Leute vom Camp. Er sorgt für eine Verbindung zu Abdullah, den wir hier treffen wollen. Kurz darauf trifft auch er ein. Er ist ein relativ kleiner Beduine, darum ist er aber nicht weniger stolz einer zu sein. Die Beduinen sind meist eher konservativ, und fühlen sich zuweilen den anderen „Städtern“ wegen ihrer Lebensweise, Tradition und Abstammung überlegen. Das muss nicht so sein, man beobachtet das aber zuweilen schon. So verhält es sich auch mit Abdullah. Unsere Reiseleiterin ist gut bekannt mit dem Besitzer des Camps. Sie kennt auch Abdullah bereits seit sechs Jahren, aber er redet erst seit vier Jahren mit ihr. Davor hat er sie geflissentlich ignoriert. Aber Andrea ist eben keine Beduinin, nicht mal Araberin und ihre Kleiderordnung ist eben auch nicht traditionell arabisch, ja sie spricht ja nicht mal richtig arabisch. Was hier im Allgemeinen kein Problem ist, man kommt fast überall mit englisch gut zu recht. Aber hier sind wir eben in der Wüste, im Land von Abdullah. Mit ihm machen wir einen Gamedrive mit dem Jeep durch die Dünen. Nach seinen Vorgaben jagen wir mit den Jeeps steile Dünen hinauf, und auch wieder hinunter. Man könnte jetzt sagen, warum braucht man dazu einen Guide? Man spart sich dadurch sein Auto eventuell wieder ausgraben zu müssen. Er kennt seine Dünen, und er weiß wo eigentlich eher Treibsand ist, und wo man sicher fahren kann. Und bei den Temperaturen ist es eben kein Vergnügen, das Auto wieder frei schaufeln zu müssen. Eine Mitreisende meinte bei einem kurzen Fotostop auf einer Düne mal eben Barfuss in den Sand zu springen – es hat nicht sehr lange gedauert, bis sich die Einsicht durchsetzte, das Schuhe vielleicht keine so schlechte Idee in dem heißen Sand sind. Wir hatten unseren Fahrer auf dem Weg hier her noch gefragt, ob er lieber die Berge, die Wüste oder das Meer mag. Mit einem breiten Grinsen meinte er die Wüste. Dabei stammt er eigentlich aus den Bergen bei Rustaq, was so etwa zwischen Nakhl und Al-Hamra liegt. Und was er an der Wüste liebt, ist sicherlich auch das Fahren mit dem Jeep in den Dünen. Er hat sichtlich Spaß daran, die Dünen rauf zu fahren und auch mehr oder weniger kontrolliert wieder runter zu kommen. Man hatte dabei nie das Gefühl, er wüsste nicht was er tut, aber man konnte eben auch deutlich seinen Spaß beim Schlittern ja fast Surfen mit dem Auto im Sand spüren. Er erzählte auch, vor drei Jahren hätten sie mit zwei Fahrzeugen die zweite große Wüste im Oman die Rub-Al-Khali durchquert. Sie waren unterwegs mit zwei Urlaubern und mussten eben alles für die Fahrt in ihren Jeeps mitführen, dazu zählen dann vor allem Benzin und Wasser. Beides unerlässlich für eine derartige Expedition. Auf die Frage nach der Orientierung in einem Meer aus Sand musste es wieder grinsen und meinte nur GPS.
Für uns ging es aber noch ein bisschen tiefer in die Wüste. Wir kamen am Lager von Mohammed vorbei, der aber zu der Zeit nicht da war. Immerhin waren seine Kamele im Umfeld des Lagers. Dabei sind es eigentlich gar keine Kamele sondern Dromedare. So für das innere Auge noch mal, Dromedare sind die mit dem einen Höcker. Immerhin gehören sie aber ja auch zur Familie der Kamele, von daher ist der englische Begriff „camels“ so falsch auch nicht. Die Tiere bewegen sich frei in der Nähe des Camps, einen Zaun gibt es nicht. Die Tiere beäugen neugierig die Jeeps, schnuppern auch an der Hand und lassen sich anfassen. Wobei man Kamele auch nicht unbedingt unterschätzen sollte. Auch wenn sie eine sehr weiche Schnauze habe, so können sie doch ziemlich kräftig zubeißen, das ist der Arm eines Menschen anschließend nicht mehr viel wert. Diese hier sind aber zutraulich und lassen sich auch sehr bereitwillig fotografieren. Da muss man natürlich zuschlagen, wenn man schon mal „wilde“ Tiere vor die Linse bekommt. Unser eigentliches Ziel ist ein weiteres Camp, das wir gegen 15 Uhr erreichen. Wir werden traditionell empfangen, so wird uns Obst und anschließend Kaffee angeboten, der relativ stark mit Kardamon versetzt ist. Früher wurden eher Datteln gereicht, wie wir im laufe unserer Reise lernen sollte, ist dies heute nicht mehr so. Man zeigt seine Wertschätzung für den Gast heute mit Obst, Datteln sind heute eher ein Zeichen der Geringschätzung, auch wenn in den Reiseführern immer noch von Datteln als Zeichen der Gastfreundschaft gesprochen wird. Bei der Gelegenheit erklärt man uns auch noch andere Geflogenheiten. So ist es erlaubt drei Mal zu nehmen, dann sollte man ablehnen, auch wenn mehr angeboten wird. Der Kaffee wird in kleinen henkellosen Tassen angeboten, hier signalisiert man durch leichtes Schütteln der Tasse, das man genug hat. Vor dem Annehmen des ersten Kaffees sollte man sich immer zumindest symbolisch die Hände reinigen, um den Staub der Reise abzuwaschen.
Unser Camp besteht aus festen Behausungen, wir haben sogar sanitäre Einrichtungen incl. Dusche darin. Und zum Innenhof, des rund angelegten Camps, hin befindet sich eine auf kleine Stelzen gebaute Veranda vor den kleinen Hütten. Nach dem dort ein bisschen Schatten ist, könnte es dort auch sehr schön sein, nur beginnt fast minutengenau gegen 17 Uhr Wind aufzukommen – wie jeden Tag. Diese Briese dauert dann bis etwa 20 Uhr an, um sich dann langsam wieder zu legen. Den umher wehenden feinen Sand konnten wir auch genießen, als wir hinter dem Camp eine sicherlich 100m hohe Düne erklommen haben, um den Sonnenuntergang in der Wüste zu zusehen. Als Empfehlung würde ich mal sagen, Barfuss kommt man in dem feinen Sand deutlich besser voran, als in Schuhen, und in der Zwischenzeit war auch der Sand etwa kühler geworden. So war der Sand warm und angenehm. Trotzdem ist es schon anstrengend in dem Sand die Düne rauf zu laufen. Wenn man so über das Gelände schaut, finde ich es mindestens genauso erstaunlich, dass die Menschen sich hier auf den Karawanen orientieren konnten. Denn es gibt keinen Berg, hoch gelegenen Baum oder etwa anderes, an dem man sich orientieren kann – jedenfalls wir konnten es nicht. Die Sanddünen verändern sich laufend, da bleiben nur die Sterne. Ich selbst habe absolut keine Ahnung davon, aber wie man sich da orientiert ist mir einfach schleierhaft. Man sagt ja, dass sie hier in der Wüste heller scheinen würden, was natürlich im Grunde quatsch ist. Sie erscheinen nur deshalb heller, da es hier praktisch keine Luftfeuchtigkeit und damit Wolken bzw. Dunstschleier gibt. Wir hatten noch Gelegenheit uns den Mond ein bisschen heran zu holen, im Camp gibt es ein Teleskop, mit dem man die großen Unebenheiten auf dem Mond ansehen konnte. Schon mit bloßem Auge sieht man ja, das es dort etwas hellere und dunklere Flecken gibt, so „aus der Nähe“ gewinnt das aber deutlich an Tiefe.
Etwas was ich selbst liebe an der Wüste, ist auch die Stille dort. Da lärmt nicht überall jemand herum. Vorausgesetzt man hat einen Schattenplatz mit ausreichend Flüssigkeit ist es ein schöner Ort zum Entspannen. Ich bin niemand der Tage am Strand „braten“ könnte, aber hier in der Wüste bin ich eigentlich mit mir immer im Reinen und erfreue mich am Nichts. Und diese Wüste und auch der Ort an dem wir uns hier befinden ist auch noch eine besondere Wüste. Die Wahiba hat auf kleinem Raum praktisch alle Wüstenzonen, die es auf der Welt gibt, nur eben im Miniformat. Schon allein darum ist sie für Wissenschaftler interessant, es gibt hier aber auch etwas, was so sonst nirgends auf der Welt gibt. Mitten zwischen den Dünen gibt es eine mehrere Kilometer lange Fläche, auf der es keinerlei Sandverwehungen gibt. Sie sieht fast ein bisschen wie gefegt aus. Dazu kommt aber noch, dass auf dieser Ebene Bäume stehen, das gibt es so nirgendwo anders, und ist auch für die Wissenschaft bis heute ein unerklärtes Phänomen. Und wir wohnen für eine Nacht wenn schon nicht im Wald, aber doch in einer einzigartigen Landschaft.