5. Tag 13.08.2013 – bei Dalandzadgad
Die Zeiten für heute sind geplant wie gestern auch, also 7.00 Uhr Frühstück und dann gegen 8.30 Uhr abfahren. Immerhin beginnt das „Ruscheln“ heute erst 6.15 Uhr. Schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Ich fahre wieder im Jeep mit der Begleitmannschaft. Die ist personell ziemlich zahlreich. Neben den drei Fahrern ist da noch Urma als lokaler Guide, Nara als Köchin, ihre Helferin Digi, Patar der immer hilfsbereite Helfer, und der Bruder des Agenturinhabers. Das macht dann insgesamt acht Personen, die bemüht sind, uns die Reise so angenehm wie möglich zu machen, „wir“ sind 13 Gäste plus den Vertreter der deutschen Reiseagentur. Gestern hatten wir Probleme mit dem Kühler. Da wir heute weiter in Richtung Süden fahren, also weiter in die Wärme erwarte ich insgeheim ähnliche Probleme, denn Mineralwasser ist nur bedingt als Kühlflüssigkeit geeignet. Aber die erste Panne betrifft die Reifen. Der hinten links ist praktisch völlig platt, der rechte hat noch ein bisschen Luft. Beides ist gleichzeitig passiert, bei der Fahrt durch eine kleine Kuhle in einer Senke. Das Aufbocken mit dem Wagenheber gestaltet sich etwas schwieriger als gedacht. Der Wagenheber drückt sich eher selbst in den Boden als den Jeep nach oben. So suchen wir ein paar Steine, was sich hier schwieriger gestaltet, als man gemein annehmen sollte. Um uns herum ist schlicht nur feinstes Gestein bzw. Sand, aber davon eine Menge. Schließlich finden wir doch ein paar, die im Verbund den gewünschten Erfolg bringen. Als der Wagenheber umzukippen droht, stopft der Fahrer gerade noch rechtzeitig den gerade abmontierten Reifen darunter. So kann das zuvor auf dem Dach festgebundene Reserverad montiert werden. Auf der rechten Seite kommt der „Outdoor-Kompressor“ zum Einsatz. Eine Fahrradpumpe mit einem Adapter, damit das Pumpen etwas leichter geht, wird auch hier der Jeep mit dem Wagenheber etwas angehoben. Beim Abnehmen des Adapters entweicht ein Teil der Luft wieder, aber man nimmt man gelassen hin und scheint zufrieden. Auch wenn der Reifen immer noch etwas von einem extrabreiten Niederquerschnittsreifen hat. Was jetzt folgt ist eine „wilde Fahrt“. Der Fahrer hat eine Rally-Fahrer Lizenz und hat vor ein paar Jahren auch an einer Langstreckenrally von Berlin an den Pazifik teilgenommen. Die Fahrt ist nie halsbrecherisch, aber schon sehr zügig, und das Fahrer scheint sich fast ein bisschen darüber zu freuen, hier ein sein Können zu zeigen.
Zum Zeitpunkt der Panne waren wir das letzte Fahrzeug, inzwischen sind wir längst an allen vorbei. Der Weg schlängelt sich entlang der Stromleitungstrasse. Unter ihnen ist ein wenig Schatten, in dem ein paar Vögel Schutz vor der brennenden Sonne gesucht haben. Nicht wenige von ihnen gehören zur Familie der Geier. Der Bewuchs wird mit jedem Kilometer spärlicher. Nach etwa zwei Stunden halten wir uns etwas weiter rechts der Hauptpiste, wobei es hier eigentlich kaum eine richtige Hauptpiste gibt, sondern eher mehrere nebeneinander liegenden Fahrspuren, die scheinbar in die Unendlichkeit führen. Wir machen wieder eine kurze Pause um den Reifen noch wieder etwas aufzupumpen. Wir verlieren hinten rechts weiter Luft. Aber wie man mir sagt, das sei kein Problem, wir wären gleich in einem kleinen Dorf, dort würde man den Reifen reparieren lassen. Die Fahrt dorthin dauert noch etwa eine Stunde. In dem kleinen Nest von vielleicht 60-70 Behausungen gibt es ein Hotel, wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich darin wohnen wollen würde. Außerdem gibt es noch zwei kleine Geschäfte und zwei Werkstätten, wovon die eine gerade unbesetzt ist. Nicht zu vergessen ist natürlich noch ein Gewächshaus. Ringsherum sind nur noch ein paar sehr einsame braune Halme, aber es gibt hier einen kleinen Brunnen, und Wasser ist der entscheidende Faktor. Auf einen großen Platz des Ortes steht dann noch eine kleine ca. 1x1m große Hütte – ein Plumsklo mitten auf einem Platz. Aber wahrscheinlich ist es in der Blechhütte so heiß, dass sogar die Fliegen tot von der Wand fallen. Wir haben es vor allem auf frisches Wasser und natürlich die Werkstatt abgesehen. Dort lassen wir die beiden Reifen reparieren, wobei in den einen ein neuer Schlauch kommt und beim anderen wird die vermeintlich undichte Stelle ein bisschen mit einer Abdichtung bestrichen. Den Mantel fahren wir natürlich weiter, immerhin hat der noch Profil. Auch wenn er vielleicht einseitig ein bisschen mehr abgefahren ist, aber man weiß ja nie, vielleicht kommt es ja beim nächsten Einsatz auf die andere Seite des Fahrzeugs.
Unsere Mittagspause machen wir ein kleines Stück außerhalb des Dorfes. Wir bekommen einen Eindruck von der Hitze, die hier herrscht. Alle sind bestrebt ein bisschen Schatten zu ergattern, der natürlich ziemlich rar ist. An unseren Picknickplatz treibt ein kleiner Junge Kamele vorbei, was schon etwas merkwürdig aussieht. Zumal der Junge vermutlich aufrecht unten den Tieren durch gehen könnte. Sie sind auch die einzigen Tiere, die wir in den letzten Stunden neben den Geiern gesehen haben. Pferde haben wir überhaupt keine mehr gesehen, und heute am frühen Vormittag auch die letzten Ziegen und Schafe. Die Vegetation und das knappe Wasser reicht in diesem Teil einfach nicht mehr aus, um hier andere Nutztiere außer Kamele zu halten. Wir selbst haben im Dorf zwei 20ltr Kanister mit Wasser befüllen lassen, und dazu noch den kleinen 3ltr Kanister für die Kühlflüssigkeit. So geht es weiter in die Gobi hinein.
Die Piste wird nicht unbedingt besser, zumal hier gerade an einer neuen Straße gebaut wird. Das bedeutet dann, dass sich einfach links und rechts davon neue Fahrspuren bilden. Der Fahrer des russischen Kleinbusses ist unser Cheffahrer. Eigentlich sollte er vorne fahren, was auch meistens wegen der guten Geländefähigkeiten des Fahrzeugs so ist. Die beiden anderen fahren dann einfach so schnell sie können. Dass eigentlich alle in Sichtweite zueinander bleiben sollten, interessiert die Fahrer eher weniger. Wobei jedes Fahrzeug eben so seine besonderen Fähigkeiten auf den verschiedenen Untergründen auszuspielen versucht. Der russische Kleinbus hat nicht die höchste Endgeschwindigkeit, ist dafür sehr robust, hat eine relativ hohe Bodenfreiheit und ist eben für die etwas schwierigeren Passagen wie gemacht. Dafür hat er das, was einen rassigen Sportwagen ausmacht – einen Mittelmotor. Dieser sorgt nur eben auch dafür, dass es ziemlich heiß im Auto wird. Der Jeep ist etwas schneller auf den besseren Abschnitten, hat richtige Stoßdämpfer und keinen Blattfedern wie der Kleinbus. Dafür fehlt es ihm ein bisschen an Bodenfreiheit, vor allem wenn er wie jetzt schwer beladen ist. Der Straßenbus hat im Gelände deutlich mehr Probleme, auch an den kurzen ausgetrockneten Flussquerungen setzt er zuweilen wegen der Radüberstände hinten auf. Die Grundgeschwindigkeit auf ebener Strecke ist sicherlich die höchste, und er hat eine Klimaanlage, der Jeep kennt nur offene Fenster. Nach zwei weiteren Stunden machen wir wieder eine kleine Pause, damit die Fahrzeuge wieder zusammen kommen können, und außerdem wer will hinter einen nicht vorhandenen Busch verschwinden kann. Mein Fahrer bindet gerade mit einer Zeltschnur den „Bullenfänger“ an den Zusatzscheinwerfern fest, letztere sind wieder ordentlich an der Front des Jeeps festgeschraubt. Da entdecke ich eine kleine Pfütze unter unserem Auto. Der Kühler scheint wieder Wasser zu verlieren. Der Fahrer kippt die 3Ltr guten Grundwassers in den Kühler. Das schafft nicht unbedingt mehr Vertrauen in die Technik. Aber die Mongolen gehen offensichtlich ziemlich entspannt damit um. Wir sind inzwischen nur noch eine Stunde von Dalandzadgad, der Hauptstadt des Ömnogov Aimag, entfernt. Auf unserer Reisebeschreibung war vermerkt, hier sollten wir vor der Weiterfahrt eine vermutlich warme Dusche genießen. Dafür sind wir aber eindeutig zu spät dran. Eigentlich wollten wir heute bis zu Geierschlucht kommen, was wir ohnehin kaum schaffen werden. So beschließen wir, die Dusche noch ein bisschen zu schieben und stattdessen so weit zu fahren, wie wir es schaffen können. Vorher wollen wir aber noch in der Stadt unsere Vorräte etwas auffüllen.
Das letzte Stück vor der Stadt ist ziemlich unwegsam, die Piste hat zahlreiche tiefe Löcher, die es insbesondere für den großen Bus ziemlich schwierig machen. Unmittelbar vor der Stadt werden wir dann aber mit einer richtigen Teerstraße belohnt. Die Landschaft „fliegt“ förmlich vorbei. Am gesamten Tag schaffen wir heute knapp 250km Wegstrecke. Wobei wir wegen der Panne am Jeep etwa eine Stunde verloren haben, aber ansonsten keine größeren Programmpunkte absolviert haben. Etwas Zeit verlieren wir noch in der Stadt, da der erste Markt, an dem wir halten, praktisch kaum etwas bietet. So fahren wir weiter zum „Megastore“ der Stadt. Der Supermarkt hat eine Fläche von vielleicht 120qm. Man kann durch die Regale gehen und bringt die gewünschten Produkte zur Kasse. Die anderen Märkte waren kaum 20qm groß und hatten einen Verkaufstresen, hinter dem sich das Warenangebot befand. Hier gibt es ein paar Besonderheiten, eine davon ist das frische Obst, und dazu eine Kühltruhe mit Eis. Und was besonders auffällt, ist dass es einige Produkte gibt, die man auch aus deutschen Supermärkten kennt, und die dann auch inklusive der deutschen Beschreibung und Aufzählung der Zutaten / Bestandteile. Die Preise der „deutschen“ Produkte sind eine Spur teurer als bei uns aber auch nicht wesentlich. Wer mich kennt wird schon ahnen, das ich mir ein Eis gegönnt habe, wobei ja immer geraten wird, um solche Produkte wie auch um Milchprodukte einen Bogen zu machen, wenn nicht klar ist, das die Kühlkette keine Lücken hatte. Und man muss wohl davon ausgehen, dass nicht immer alles mit einem Kühl-LKW transportiert wird. Außerdem kaufe ich noch zwei neuseeländische Äpfel für 1600 Tugrik, umgerechnet etwa 80 Eurocent. Dazu eine Flasche Cola mit einem Mindesthaltbarkeitsdatum bis Juni 2013, aber das wird schon gehen. Eine Mitreisende erstand Kekse, die sollten es bis mindestens Mai 2013 machen, sahen aber auch noch gut aus. Man muss aber schon mal darauf achten, wie es mit der Haltbarkeit aussieht. Die Kasse im Supermarkt besteht übrigens auf einer großen „Grabbelkiste“, in die die Scheine geworfen werden, das Wechselgeld wird dann einfach irgendwie wieder heraus gekramt. Münzen gibt es keine in der Mongolei, was diese Art der Kassenführung natürlich erst möglich macht. Die Preise in diesem Supermarkt sind schon „krumm“, aber bei der Endsumme wird dann einfach gerundet, wobei es dafür auch eher keine festen Regelung gibt, ob nun auf- oder abgerundet wird. Es hängt wohl auch ein bisschen davon ab, in welcher Stückelung gerade Wechselgeld sichtbar in der Kasse liegt. Noch ein Ausflug zu den Spritpreisen, Diesel kostet 1870 Tugrik, also umgerechnet etwa 0,90 Euro. Die Preise werden wenn überhaupt mechanisch auf den Anzeigetafeln gewechselt. Also täglich drei Preisänderungen um 10ct am Tag sind hier ganz offensichtlich nicht die Regel. Wie auch im Supermarkt steigen die Preise etwas mit der Entfernung von der Hauptstadt Ulan Bator, mit der Entfernung nimmt dann auch die Verfügbarkeit von bestimmten Produkten ab, wie man uns sagte. Etwas was es aber auch hier gibt sind Polizei-Kontrollen. Kurz vor dem Supermarkt sind wir mit dem Jeep angehalten worden. Wie man mir von hinten zu raunte, ist bei so einer Kontrolle auch immer ein bisschen Willkür dabei, ob und was so kontrolliert wird, denn wenn die Polizei etwas finden will, dann fände sie auch etwas. Für uns geht es sehr glimpflich aus. Der Fahrer wedelt noch mit seiner Rally-Fahrer Lizenz, diskutiert noch etwas und kommt schließlich mit einer mündlichen Ermahnung davon, sich doch in Zukunft anzuschnallen. Ich saß während der ganzen Zeit daneben – auch nicht angeschnallt, aber ich war da nie ein Thema. Touristen haben hier zuweilen auch ein bisschen Narrenfreiheit. Er legt sich den Sicherheitsgurt über die rechts Schulter, noch mal zur Erinnerung, das Lenkrad ist auch rechts. Nach dem Supermarkt zieht er ihn dann sogar quer über seine Brust, was aber nicht bedeutet, dass er ihn auch in die dafür vorgesehene Buchse steckt. Anfangs nestelt noch Patar ein bisschen von hinten daran herum, bringt den Gurt aber auch nicht ins Schloss. Um so erstaunlicher, das der Gurt auch nicht automatisch zurückgezogen wird. Im Falle eines Unfalls ist dann wohl auch eine Portion Glück nötig. Als wir aus der Stadt heraus sind, stopft der Fahrer ihn dann auch wieder an der Außenseite neben seinen Sitz.
Wie dem auch sei, wir fahren weiter. Dabei fällt auf, das man in der Stadt trotz der guten Asphaltstraße sehr langsam unterwegs fährt. Ich schätze unsere Geschwindigkeit auf kaum mehr als 30 km/h. Auf der Ausfallstraße aus der Stadt ist die Geschwindigkeit anfangs auf 50 später dann auf 80 km/h begrenzt. Letztere nutzen wir nicht voll aus. Nach einigen Kilometer biegen wir dann wieder von der Straße ab und folgen wieder den Pisten. Als die Sonne langsam unterzugehen beginnt schlagen wir unsere Zelte auf, um noch das letzte Licht dafür zu nutzen. Inzwischen klappt der Zeltaufbau im Prinzip schon recht zügig. Hier treffen wir dann aber doch auf Probleme. Wir räumen auf dem gewählten Platz die Steine und ein paar stachelige Pflanzen beiseite, damit die nicht unten durch den Zeltboden drücken. Dann schnell das sich selbst öffnende Zelt auspacken und mal eben die Heringe in der Erde versenkt. Der erste ließ sich auch noch mit einem Stein in den Boden treiben. Aber danach war dann Schluss. Hhhhmmm … also wird das Zelt um den sitzenden Hering ein bisschen gedreht, egal ob da nun Steinchen liegen, Hauptsache man findet einen Platz an dem man alle Heringe irgendwie in den Boden bringt. Und überhaupt es ist doch windstill, und so schlimm wird es doch auch bestimmt nicht werden. Und wenn ich später drin liege, weht es doch sowieso nicht weg. Zum Glück traf alles auch so ein, es blieb windstill in dieser Nacht, und das Zelt blieb auch stehen, als ich drin lag. Dafür hat dieser Lagerplatz einen großen Vorteil, es gibt ein paar größere tiefe Gräben, in denen man relativ ungestört seinen Verdauungstrakt entleeren kann. Überhaupt bin ich insbesondere bei diesem Thema recht glücklich, zum männlichen Geschlecht zu gehören, und die kleinen Geschäfte im Stehen erledigen zu können.