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16. Tag        26.10.2014 - Selele (4140m)

Heute wollen wir Ghunsa wieder verlassen. Die Anfangszeiten dazu sind wie gehabt, also 6:30 Uhr Morgentee und Waschwasser, 7:00 Uhr Frühstück und anschließend soll es dann losgehen. Als ich mein Zelt öffne, gibt es die erste Überraschung - Schnee. Wenn auch nur auf den Dächern der umliegenden Häuser, ansonsten kommt noch ein bisschen Graupel herunter. Das verspricht eher kein schönes Wetter am heutigen Tage zu werden. Als wir dann schließlich losgehen, hat das Graupeln aufgehört. Es geht direkt am Schulhof von Ghunsa vorbei, wenn auch heute keine Schule ist, es ist ja Sonntag. Aber für mich eine gute Gelegenheit ein bisschen über das Schulsystem in Nepal zu berichten. Es geht los mit einer Art Grundschule mit einer Dauer von fünf Jahren. Diese Schule ist kostenfrei und auch die Schuluniform wird vom Land Nepal bezahlt. Diese Grundschulen sind in vielen Orten vorhanden, sodass auch auf dem Lande die Schulwege meist noch erträglich sind. Die weiterführende Schule, auch sie mit einer Dauer von fünf Jahren, ist nicht mehr kostenfrei. Die Eltern müssen ein Schulgeld zahlen und auch für die Uniform, die Unterkunft und für die Verpflegung aufkommen. Denn die weiterführenden Schulen sind häufig nur in größeren Ortschaften. Bis zu diesem Zeitpunkt ist die ganze Schulausbildung einzügig, es gibt also nicht wie bei uns eine Hauptschule, Realschule oder ein Gymnasium. Abgeschlossen wird diese zehnjährige Schulausbildung mit einer Prüfung. Wenn diese positiv ausfällt, besteht die Möglichkeit eine weiterführenden Schule mit einer Dauer von 2-3 Jahren zu besuchen. Wobei diese meist schon eine spezifische Ausrichtung haben, mit der Wahl der Schule wird meist auch die Spezifikation gewählt. Erst nach erfolgreichem Abschluss ist es möglich, auf eine Universität zu gehen. Allgemein besteht in Nepal eine Schulpflicht. Wobei insbesondere im ländlichen Bereich nicht alle Kinder wirklich zu Schule gehen, insbesondere Mädchen haben nicht immer die Gelegenheit dazu. Und oftmals wird die Schule dann nach den fünf Jahren abgebrochen. Auch wieder besonders im ländlichen Bereich besteht häufig das Problem, dass die Kinder zu Hause in der Landwirtschaft bereits helfen müssen. Da die Menschen arm sind können sie es sich oftmals nicht leisten auf eine Arbeitskraft zu verzichten, und dann gar noch Schulgeld zusätzlich aufzubringen. Dennoch muss man sagen, dass das Bildungsniveau in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Viele Erwachsene und insbesondere die Altere können oft nicht Lesen und Schreiben, so wird der Anteil der Analphabeten heute auf etwa 40% geschätzt. Neben den staatlichen Schulen gibt es auch Private, die natürlich immer kostenpflichtig sind. Damit kommen sie eigentlich nur noch für die gehobene Mittelschicht infrage. Das gilt auch für alle Schulen ab der zehnten Klasse, auch hier können sich dass die einfachen Leute praktisch nie mehr leisten. Damit kann man leider nicht von einer Chancengleichheit sprechen, sondern die ärmeren Bevölkerungsschichten werden von der höheren Bildung ausgeschlossen.

Hier in Ghunsa ist auch nicht weit entfernt von der Schule ein Wasserkraftwerk. In Nepal wird die Energie auf dem Lande überall dezentral erzeugt, und meist durch Wasserkraft. Das Land ist reich an Wasserläufen, die sich auch für die Energiegewinnung eignen würden. Die wirtschaftlich nutzbare  Wasserkraft wird auf  etwa 42.000 MW geschätzt, zum Vergleich in Deutschland beträgt die installierte Größe der gesamten Energieerzeugung etwa 96000 MW, und dabei ist das Bevölkerungsverhältnis etwa 28 Millionen zu 81 Millionen und bei uns gibt es eine große Industriebasis in Nepal nahezu keine. Doch es fehlt dabei am Geld für die Installation, aber auch an fachkundigem Personal, das die Anlagen warten könnte. So gibt es auch in Ghunsa am Tage keinen Strom. Auch wird nicht das ganze Wasser aus dem Wasserlauf dafür genutzt, sondern nur ein kleiner Teil dafür abgezweigt durch einen Betonkanal und später ein Metallrohr an einer etwas altersschwach aussehenden Turbine vorbei geleitet. Der Wirkungsgrad dürfte sicherlich bescheiden sein. Und doch reicht es für die Beleuchtung des Ortes oder auch das Frühstücksfernsehen, das auch heute bei unserem Frühstück im Wohnhaus des Besitzers vom Guesthouse lief, auf dessen Grundstück wir auch in der letzten Nacht gezeltet haben. In diesem Sommer hat es in Nepal eine Entscheidung für den Bau eines großen Wasserkraftwerks gegeben, Kostenpunkt etwa 1,5 Milliarden US-Dollar. Gebaut wird es von einer indischen Firma und auch der meiste Strom wird wohl nach Indien exportiert werden, zumal es auch durch indische Geldgeber finanziert wird. Lediglich 12 % der erzeugten Energie von 1,5 MW soll kostenlos an das Land Nepal abgegeben werden. Doch der Bau ist auch in Nepal nicht unumstritten, da dafür kostbares Siedlungsland in den südlichen Ausläufern des Himalayas verloren gehen wird und auch Zwangsumsiedlungen dürften dafür nötig werden.

An dem kleinen Wasserkraftwerk in Ghunsa beginnt für uns heute auch der Aufstieg zu unserem Tagesziel Selele. Und der Aufstieg hat es in sich. Anfangs durch einen „Märchenwald“ mit langen an den Bäumen hängenden Fahnen, oder noch schneebedeckten Rhododendren. Anfangs geht es dabei über Waldboden später dann aber über fast treppenartig aufgetürmte Felsen recht steil nach oben, was uns immer wieder zu kleinen Pausen veranlasst. Gegen 10:00 Uhr sind wir aus dem Wald heraus und beginnen gefühlt den Berg zu umkreisen. Dazu setzt der Graupel bzw. Schnee wieder ein, was die Orientierung aber natürlich erschwert. Eigentlich hätte die Aussicht wirklich beeindruckend sein sollen, nur stehen wir in den Wolken. Und da es windstill ist, gibt es auch nur begrenzte Hoffnung darauf, dass es damit noch besser werden wird. Gegen 11:30 Uhr machen wir unsere Mittagspause. Dazu hat sich die Küche an einem Felsvorsprung eingerichtet. Die Mahlzeiten im Regenwald waren schon besonders, aber dieser Platz ist für eine Mittagspause doch etwas sehr außergewöhnlich. Kaum 2 m neben der Kochstelle geht es schon steil bergab.

In Selele kommen wir bei feinem Schneefall an, der aber nicht liegen bleibt. Die Zelte werden nicht aufgebaut, da wohl noch mit mehr Niederschlag gerechnet wird. Und wir sind hier immerhin auf 4140 m. So ziehen wir in eine Hütte mit sechs nebeneinander liegenden Zimmern ein, in der ersten schlafen die drei Guides, im nächsten unsere dreiköpfige Frauen-WG, und in der dritten lässt sich die zweiköpfige Männer WG nieder. Die beiden nächsten Räume werden später noch von anderen Grüppchen belegt. Unser Raum ist grob mit Felssteinen gemauert bzw. letztere sind aufgeschichtet worden. Die Ritzen sind von außen teilweise mit Kuhdung verschmiert. Getrennt sind die Räume durch eine etwas löchrige Bretterwand. Beide Arten der Mauern lässt uns ein bisschen um unsere Schlafsäcke fürchten, da sie daran nur zu leicht beschädigt werden könnten. Die Zimmerfront nach vorne besteht wieder aus einigen grob aneinander gereihten Brettern, die deutliche Spalten frei lassen. Das gilt insbesondere für die Tür durch die man auch eine Hand Hochkant durch die Spalten durchstecken könnte. Der eigentlich als „schön gelegener“ Campingplatz beschriebene Ort, ist unter den derzeitigen klimatischen Bedingungen nicht gerade verlockend - es ist saukalt und nieselt vor sich hin. So beschließe ich den wärmsten Ort aufzusuchen: meinen Schlafsack. Selbst zum Schreiben des Tagesberichts möchte ich meine Hände nicht aus dem Schlafsack nehmen, der selbst auch nicht recht warm werden will. Irgendwann schlafe ich dann ungewollt ein, bis der „Roomservice“ kommt. Heute gibt es Essen auf dem Zimmer. Neben unserem Quartieren sich noch ein Alleinreisender und einige andere Nepalesen angekommen, die zusammen heute Nacht eine ziemlich große Sägemühle eröffnen. Im Moment treibt mich aber noch mehr um, jetzt nach draußen in die Kälte, oder mit der Notdurft noch ein bisschen warten. Dafür aber hoffentlich nicht noch mal in der Nacht raus müssen. Ich überwinde mich schließlich doch sofort, bin aber heilfroh die Tür dann nachher hinter mir wieder geschlossen zu haben, auch wenn man durch sie direkt nach draußen sehen kann. Der Raum ist so klein, dass die Schuhe kaum mit ins Zimmer passen, weil hinter den Pritschen gerade genug Platz ist damit die beiden Taschen übereinander aufgetürmt werden können, und man die Tür noch öffnen kann. So müssen wir unsere Schuhe zum Öffnen der Tür schon in eine Ecke schieben. Gefühlt schlafe ich in der Nacht nicht sehr viel, da ich ja auch schon den halben Nachmittag verschlafen habe. Aber wahrscheinlich ist es dann unter dem Strich doch mehr als man glaubt. Denn wenn man aus seinem gefühlten Dämmerschlaf aufwacht, hat man immer das Gefühl alle anderen schlafen durch, nur man selbst nicht.