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21. Tag         29.08.2013 – Ulan Bator

Heute wird es ein entspannter Tag. Frühstück um 7.30 Uhr und eine Stunde später geht es wieder zu Fuß los. Überhaupt bezeichnend ist, dass viele Dinge von unserem im Zentrum gelegenen Hotel gut zu Fuß zu erreichen sind. Am wichtigsten ist die Enkh Tayvan Avenue, oft auch einfach als Peace Avenue bezeichnet, und die beiden davon abgehenden Ringstraße. Die innere ist die Baga Toiruu Street, die äußere ist die Ikh Toiruu Street. Das eigentliche Zentrum der Stadt ist der Sükhbaatar Platz. Davon ausgehend sind es jeweils etwa 3 Kilometer in östlicher und westlicher Richtung entlang der Enkh Tyvan Avenue, in dem sich alle wichtigen öffentlichen und kulturellen Institutionen befinden. Unser erstes Ziel ist das Gandan Kloster. Da es sich an einer kleinen Anhöhe befindet, kann ich es schon von meinem Hotelfenster sehen. Zu Fuß sind es etwa 15 Minuten vom Hotel. Das Kloster wurde auch in der 30er Jahren des letzten Jahrhunderts teilweise zerstört, aber bei weitem nicht so stark und vernichtend wie die anderen Klöster im Land. Gegründet wurde es 1838, lange Zeit war es dann neben dem Kloster Erdene Zuu das geistige Zentrum des Landes. Nach der Zerstörung des Klosters in Karakhorum war es dann die mit Abstand wichtigste theologische Stätte in der Mongolei. Eine der Besonderheiten ist der Umfang der Tempelbibliothek. Sie umfasst heute rund 50000 historische Bände, dazu gehört auch die Komplette Ausgabe des Gandshuur, mit 138 Bänden der Katechismus des tibetischen Buddhismus. Hier noch mit der Besonderheit, dass sie mit goldener Schrift auf schwarzem Papier geschrieben worden ist. Heute leben etwa 300 Mönche im Gandan Kloster. Es gibt heute neben der theologischen Fakultät eine astrologische und eine medizinische. Wobei heute viele Klöster Nachwuchssorgen haben. Es geht weniger um die Anzahl der Mönche, sondern viel mehr um die geistige Elite. Früher gingen viele Erstgeborene ins Kloster, um eine gute Ausbildung zu bekommen. Im Buddhismus ist das aber eben keine Entscheidung für das restliche Leben. Und so kehren gerade die Intelektuellen unter ihnen den Klöstern später den Rücken zu, um in die aufstrebende Wirtschaft zu gehen. Das leistet dann den ohnehin zunehmenden Tendenzen zu monetären Zielen vieler Mongolen Vorschub. Und damit geht auch ein Stückweit der soziale Zusammenhalt, insbesondere bei der Unterstützung ärmerer Familienmitglieder, verloren. In den großen bedeutenden Klöstern ist dieses Problem noch nicht so dringlich, aber auf dem Lande fehlt es in den kleinen Klöstern schon an geeigneten Lamas in den Klöstern. Hier im Gandan Kloster wird bereits wieder seit 1944 der Lamaismus praktiziert, wobei es zu dieser Zeit das einzige aktive Kloster im Land war. Es wurde zwar mehr oder weniger streng vom Geheimdienst kontrolliert, aber auch in dem gab es weiter Kräfte, die trotz anderen politscher Entscheidungen mit dem Lamaismus sympathisierten. In der Klosteranlage gibt es heute mehrere Gebäude. Eines davon ist der 1840/41 errichtete Orchidara Tempel. In ihm beginnen heute, wie an jedem anderen Morgen auch, um 9 Uhr einige Lamas einzuziehen und ihre Mantras aufzusagen. Das ergibt dann diesen typischen Sprechgesang, den man vom Buddhismus her kennt. Interessant finde ist dabei, dass alle zeitweise scheinbar unterschiedliche Mantras auf tibetisch aufsagen, was ein bisschen Stimmengewirr ergibt, um dann warum auch immer wieder zusammen zu finden, und einige Stellen scheinbar gemeinsam aufzusagen. Das gibt dem Ganzen mehr Eindringlichkeit vielleicht sogar Mächtigkeit. Dabei gehen Gläubige auch während der Zeremonie im Uhrzeigersinn an den Außenwänden vorbei zum Altar, auch wenn der im Buddhismus wahrscheinlich ganz anders heißt, und ich hier nur meine Unkenntnis dokumentiere. Dort fächeln sie sich etwas Weihrauch zu, auch dafür hat der Buddhismus wahrscheinlich eine andere Bezeichnung, geben vielleicht noch eine Opfergabe, und verlassen dann, weiter dem Uhrzeigersinn folgend, wieder den Tempel. Vielleich wohnen sie auch noch andächtig eine gewisse Zeit der mehrere Stunden dauernden Zeremonie der Mönche bei. Besonders Gläubige verlassen den Tempel auch rückwärts, um noch einmal ihre Demut zu dokumentieren. Wobei den wirklichen Buddhismus auch nur die Mönche praktizieren. Die Gläubigen können selbst bestimmen, wie weit sie dem Glauben folgen. Es gibt viel weniger Dogmen, als bei den Ein-Gott-Religionen wie etwa dem Christentum oder bei den Muslimen. Jeder hat selbst in der Hand, wie er wiedergeboren wird, und ob er im nächsten Leben vielleicht die große Erleuchtung erreicht. Der Buddhismus, von dem der Lamaismus eine Untersekte ist, verbietet nicht einmal die Ausübung einer weiteren Religion. Damit assoziiert er fast perfekt mit dem Schamanismus. Er ist damit aber eine Besonderheit unter den großen Weltreligionen. Höhere Weihen im nächsten Leben kann praktisch jeder erreichen, der mit Meditation zu seiner eigenen Mitte findet. Damit ist der Buddhismus vielleicht gerade in der heutigen Zeit, insbesondere in der westlichen Welt, in der sich zunehmend verschiedene Formen der Meditation aus ganz unterschiedlichen Traditionen verbreiten, die modernste Weltreligion.

Aber ich komme völlig von unserem Tag ab. Zurück zum Orchidara Tempel. Um ihn herum sind unzählige Gebetsmühlen. Nach der buddhistischen Lesart kann man Gebete mündlich oder auch durch das Drehen der Gebetsmühlen darbieten. Die Gebetsmühlen sind hier meist Messingtrommeln, auf denen bestimmte Mantras stehen. Im Buddhismus betet man auch nicht zuletzt für sich selbst und sein eigenes „Karma“. Und dazu gehört eben auch ständiges Wiederholen der Mantras. Die Gebetsmühlen sind dabei so etwas wie die „Abkürzung“. Auf der linken Seite des Ordara Tempels befindet sich eine Statue von Tsongkhapa, dem Gründer der Gelbmützenschule. Sie wird auch als Gelug-Schule oder als Ganden-Tradition bezeichnet, und ist die dominierende Schule des tibetischen Buddhismus bzw. Lamaismus in der Mongolei. Ein weiteres wichtiges Gebäude der Gandan Klosteranlage ist der Didan-Lavran Tempel, weil der 13. Dalai Lama sich dort ab 1904 längere Zeit für seine Studien aufhielt. Optisch am auffälligsten in der ganzen Tempelanlage ist aber der Mejid Janraiseg Süm. Auch er wurde 1911/1912 erbaut, um das Ende der chinesischen Herrschaft zu feiern. In ihr befindet sich eine 26m hohe Statue von Mejid Janrauseg, des Gottes, der in alle Richtungen blicken kann, und als kleine „Dreingabe“ auch noch vier Arme hat. Die Statue ist übrigens eine Nachbildung des Originals aus Bronze, die dann vergoldet wurde. Sie wiegt etwa 20 t. Das Original verschwand während der sozialistischen Repressalien in der Sowjetunion, wo sie vermutlich eingeschmolzen worden ist. Für die neue wurde 1990 begonnen Spenden zu sammeln, im Jahre 1996 wurde sie dann fertig gestellt. Vor dem Gebäude ist nun eine neue noch größere Buddha Statue vor einer Stupa geplant. Die Füße sind bereits da, alleine sie sind schon mehrere Meter hoch.

Damit reicht es dann aber auch mit den Tempeln in der Mongolei. Wir verlassen das Gandan Kloster durch das Haupttor und treten auf die Zanabazar Street hinaus, der Namensgeber war das erste mongolische Oberhaupt des Lamaismus in der Mongolei, aber auch Bildhauer, dessen Skulpturen und dessen Schule der Bildhauerei bis heute große Bedeutung im Lamaismus des Landes haben. An der Straße gibt es einen Grünstreifen sogar mit ein paar Bäumen, was alles andere als normal für Ulan Bator ist. Auch in der ganzen Mongolei gibt es an den Straßen praktisch keine bewusst angelegten Grünstreifen an den Straßen, wenn überhaupt sind sie je nach Wetterlage sandige bis schlammige Trampelpfade. Wir gehen in Richtung eines Marktes in der Nähe unseres Hotels. Draußen vor dem Gebäude gibt es ein paar Stände mit Gemüse und Obst. Drinnen befinden sich unzählige Kleinstläden mit jeweils einer Grundfläche von vielleicht drei oder vier Quadratmetern. Ausnahmen davon gibt es im Obergeschoß, wo mehrere Frauen an einem langen Stand arbeiten. Je nach Schürzenfarbe verkaufen sie Gemüse, Obst, Milchprodukte oder auch Fleisch. Handeln ist in der Mongolei übrigens unüblich, ja man verletzt fast schon das Ehrgefühl des Verkäufers. Anders ist es nur bei den fliegenden oder auch zuweilen stationären Souvenirhändlern, die ihren meiste billigen Tand aus China verscherbeln. Hier ist handeln eigentlich schon Pflicht.

Nach dem Mittagessen fahren einige aus unserer Gruppe zu einer Kaschmir-Fabrik, jedenfalls hatte es unser lokaler Guide so angekündigt. In Wirklichkeit war es keine Fabrik, sondern nur ein Fabrikverkauf oder neudeutsch Outlett. Das hatte ich mir eigentlich etwas anders vorgestellt, aber gut das Material ist günstig, und so gebe ich auch per Kreditkarte gut 300000 aus – das ist mal eine Abrechnung. Zum Glück waren es aber nur Tugrik und keine Euro. Das hätte wohl das Konto leicht gesprengt. So sind es rund 150 Euro für zwei Pullover und einen Schal aus 100% Kaschmir. Bisher habe ich nichts aus Kaschmir in meinem Schrank, aber zu den Preisen kann ich es mir dann wohl auch gönnen.

Kaschmirwolle wird von den sogenannten Kaschmirziegen gewonnen. Ursprünglich kommen die Ziegen aus einem Gebiet eines ehemaligen Fürstentums mit dem Namen Kaschmir. Heute gehört das Gebiet vor allem zu Indien und Pakistan, zu einem kleinen Teil auch zu China. Die größten Produzenten von Kaschmirwolle sind heute der Iran, Pakistan, China und die Mongolei. Wobei die Mongolei sehr gute Qualitäten liefert, was in der extremen Kälte in den Wintern begründet ist. Für die Kaschmirwolle wird nur das Unterhaar benutzt. Dabei sollte das Haar möglichst hell, nicht mehr als einen Durchmesser von 15 – 19 Mikrometer bei einer Länge von 25 – 90mm haben. Und dann natürlich auch noch leicht gekräuselt sein. Zum Vergleich ein menschliches Haar ist etwa 120 Mikrometer dick. Gewonnen wird es entweder durch Ausbürsten nach dem Winter zum Fellwechsel oder durch maschinelle Schur und anschließender aufwendiger Trennung vom Deckhaar. Wobei das Haar nicht nur nach Qualitäten sondern auch nach Farben sortiert wird. Pro Tier erhält man etwa 150 Gramm je Jahr. Die Verarbeitung innerhalb der Mongolei ist nach dem Ende des Kommunismus stark zurück gegangen. Heute wird die Wolle vor allem nach China zur Weiterverarbeitung exportiert. Der hohe Preis der Kaschmirwolle trägt allerdings leider auch zum weiteren Anstieg der Ziegenpopulation in der Mongolei bei, was dann zu der schon mal beschriebenen Überweidung und daraus folgend der zunehmenden Gefahr der Verwüstung der Mongolei beiträgt.

Als Abschluss gehe ich noch mal in „das“ Kaufhaus von Ulan Bator, und damit auch gleich der ganzen Mongolei, dem State Department Store. Dabei handelt es sich um ein Warenhaus, ähnlich den in den deutschen Innenstädten bekannten. Es gibt vor allem die großen international bekannten Label, wie sie auch in unseren Warenhäusern zu finden sind. Aber auch ein paar sehr exquisite der oberen Preislagen sind dabei. Dabei ist das Preisniveau ähnlichen dem bei uns. Es gibt also jetzt keinen Grund hier unbedingt zuzuschlagen. Auffällig ist, dass es sehr viel Verkaufspersonal gibt, das dann aber auch häufig bei einem „halbdienstlichen Plausch“ zu beobachten ist. Die angebotenen Größen bedienen eher die kleiner gewachsenen Menschen. Das war auch im Outlett so, hier ist es eher noch ausgeprägter. Ich habe spaßeshalber bei Trekking-Schuhen geschaut, da hörte es praktisch bei Größe 44 auf, ein einziges Paar gab es in 46. Was aber auch nicht schlimm ist, meine Reisetasche ist ohnehin gut gefüllt, wenn ich auch auf dieser Reise keine Gewichtsprobleme habe, im Gegensatz zu vielen anderen Touren. Und meine getauschten Tugrik sind ohnehin fast aufgebraucht. Die letzten „verbrate“ ich in ein paar Stifte, wobei dort wegen des gerade begonnen Schuljahres mächtig Trubel ist. Ich entscheide mich für ein paar eines deutschen Herstellers, ich reimportiere sie also, wenn sie nicht, wie zu vermuten ist, ohnehin ganz woanders produziert worden sind.

Am Abend haben wir dann noch unser gemeinsames Abschiedsessen im Guesthouse der lokalen Reiseagentur, oder genauer gesagt auf dem Dach des Gebäudes. Heute mit Sonnenschein kein schlechter Ort. Überhaupt hat uns das Wetter heute wieder verwöhnt, nur als die Sonne untergeht wird es ziemlich schnell recht frisch. Wir sitzen mit ein paar Leuten noch länger da und trinken ein paar Bier. Die Dosen unterwegs waren 0,5L, die Flaschen hier sind 0,52L. Im Supermarkt gab es auch welche in 2,5L. Dazu bietet man reichlich Wodka an, den hier die Einheimischen aus Wassergläsern trinken, die dann auch gerne mal halbvoll geschenkt werden. Damit gehen wir es lieber etwas vorsichtiger an. Zumal die Mongolen auch lieber das Glas in einem Zug leeren, statt noch mal anzusetzen. Alkoholismus ist in der Mongolei wie auch in Russland ein großes Problem. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder vierte männliche Mongole Alkoholkrank ist. Bei den Frauen sieht es etwas besser aus, aber dass ist dann auch nur eine Vorteil auf traurigem Niveau. Einer der Gründe ist die hohe Arbeitslosigkeit insbesondere in der Hauptstadt. Eine wie auch immer geartete Industrie mit Arbeitsplätzen gibt es faktisch nicht. Da viele der Männer beim Trinken die Kontrolle über sich verlieren, beginnt auch die Familie sie auszuschließen. Viele von ihnen leben auf der Straße. Und das bedeutet im Winter, ein Leben buchstäblich im Untergrund, eben in der Kanalisation der Stadt inklusive der dort lebenden Ratten. Ihre Zahl wird in der riesigen Bandbreite von 5000 bis 90000 geschätzt. Ein Meldesystem wie in Deutschland gibt es nicht. Von daher ist eine Schätzung praktisch auch kaum seriös möglich und henkt dann auch immer von den jeweiligen Interessen ab. Nicht selten sterben die Obdachlosen bevor der Alkohol selbst sie umbringt, an den Folgen von Infektionen, die sie sich durch die Rattenbisse und den anschließenden Entzündungen zuziehen, oder aber sie erfrieren im Winter. Von der Gesellschaft werden sie ausgeschlossen, der Staat „löst“ das Problem, in dem immer wieder Alkoholkranke auf der Straße aufgegriffen werden und zwischen 6 und 24 Monate in einem Internierungslager, etwa 100km von Ulan Bator entfernt, einsperrt werden. Weitere Hilfen, sie von ihrer Sucht los zu bekommen, gibt es praktisch nicht. Aber auch sonst gibt es in der Mongolei kaum soziale Auffangnetze des Staates. Diese Funktion übernehmen zurzeit noch weites gehend die Familien. Und wer die verliert, hat praktisch keine Chance in die Gesellschaft zurück zu finden.