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10. Reisetag         Mesa de Los Santos – 10.02.2020

Heute sind es ziemlich gemäßigte Zeiten, das Frühstück ist erst für 8:00 Uhr geplant. So gönne ich mir nach ein paar Tagen „der Entbehrung“ eine ausgiebige richtig warme Dusche. Nach dem Frühstück geht es uns wieder mit dem Fahrzeug weiter. Unser heutiges Ziel ist die Chicamocha Schlucht, sie ist mit einer maximalen Tiefe von rund 2000 m die zweittiefste Schlucht der Welt. Ihre Gesamtlänge beträgt 227 Kilometer. Der Chicamocha, der in der Schlucht verlaufende Fluss, hat etwa 30 Millionen Jahre daran buchstäblich gefeilt. Aber auch sonst ist das angrenzende Gebiet Mesa de Los Santos ein seismisch sehr aktives. Wir fahren teilweise über kleine Nebenstraßen, natürlich sind auch die nur einspurig, in das kleine Dörfchen Jordan, wo wir zur Mittagszeit eintreffen. Es liegt auf einer Höhe von etwa 450 m und direkt am Chicamocha. Der ist hier zwar ziemlich lebhaft aber wohl auch ziemlich kalt. Trotzdem sieht man hier ein paar Kajakfahrer, die ihn zum Rafting nutzen. Im Gegensatz zum Wasser ist die Lufttemperatur sehr heiß, ein Mitreisender misst 43 °C. Dazu eine gefühlte Luftfeuchtigkeit von 0 %. Da passen die Kakteen und die mehr als trockene sonstige Flora hier perfekt dazu. Mir läuft eigentlich fast schon beim Nichtstun der Schweiß, und dabei stehe ich noch im Schatten eines kleinen offensichtlich bewässerten Baums auf den zentralen Platz des Örtchens. Unser heutiges Etappenziel ist bereits von hier grob zu sehen, liegt nur eben knapp 850 Höhenmeter über uns.

Der Weg dorthin führt zunächst über die Brücke über den Chicamocha. Von nun an geht es über einen Steinweg, der sich in unzähligen Serpentinen langsam die Schlucht hochwindet. Da es auf dem Weg nahezu keinen Schatten gibt, gilt es also nicht nur die Kondition bis nach oben einzuteilen, sondern auch die Temperatur zu berücksichtigen. Seit kurzem sind im unteren Teil einige kleine Unterstände geschaffen worden, unter denen man sich im Schatten etwas erholen kann, und gleichzeitig auch an die regelmäßigen Trinkpausen erinnern. Leider kommen nicht alle Mitreisenden aus unserer kleinen Gruppe so ganz optimal mit den Bedingungen zurecht. Eine Mitreisende nutzt kaum einen Sonnenschutz für den Kopf, und hat vermutlich in Zusammenhang mit einer Dehydrierung ein kleines Problem mit dem Kreislauf. Nach einer Menge Flüssigkeit in Verbindung mit Elektrolyten geht es zu mindestens bis zu einer kleinen Hazienda weiter. Dort ist deutlich mehr Schatten, und wir legen eine längere Pause ein. Zu diesem Zeitpunkt haben wir erst rund zwei Drittel des Weges geschafft. Es ist klar, dass die Mitreisende es so nicht bis zur Dunkelheit zu Fuß nach oben schaffen wird. Es muss also eine andere Lösung her. Und die kommt auch nach einer ruhigen aber bestimmten Aktion durch die Reiseleitung auf vier Hufen von oben herunter - ein Maultier. Da wir aktuell sogar zwei Reiseleiter bei uns haben, teilt sich die Gruppe hier auf. Einer der Reiseleiter und ein ziemlich fitter Mitreisender warten an der Hazienda mit der Mitreisenden auf das Maultier, wir anderen machen uns wieder auf den Weg. Etwa auf der Hälfte der restlichen Strecke kommt uns ein Junge auf seinem Maultier entgegen, der von oben für den Transport der Mitreisenden runter geschickt worden ist.

Nach rund viereinhalb Stunden, statt der eigentlich geplanten rund 3 Stunden, sind alle wohlbehalten und einigermaßen fit oben in dem kleinen Ort Los Santos angekommen. Von hier geht es dann mit dem Auto noch ca. eineinhalb Stunden inklusive drei kleiner Stopps an kleinen Läden weiter zu unserer Finca. Da wir uns dort selbst verpflegen, wurden bereits am Vormittag die normalen Lebensmittel dafür eingekauft. Es fehlen nur noch die Getränke für den persönlichen Bedarf. Wie sich herausstellt, sind Kolumbianer offensichtlich keine Weintrinker. Bei uns in der Gruppe gibt es aber doch Bedarf dafür, deshalb waren auch die drei kleinen Stopps in den Läden nötig. Bier gibt es dagegen immer in einer größeren Auswahl. Aber auch das Weinproblem ließ sich noch lösen, so sind wir insgesamt aus verschiedensten Gründen dann jetzt auch erst gegen 19:00 Uhr in unserer neuen Herberge. Die Zimmer werden verteilt, bzw. verteilen sich ein bisschen von selbst. Ich selbst lasse es ein bisschen laufen, und lande am Ende zufällig in der Suite der Finca. Allein mein Badezimmer ist kaum kleiner als die ganzen Räumlichkeiten in San Joaquin. So misst die Dusche geschätzt eine Fläche von etwa 1 x 2,5 m. Und ist gleichzeitig die erste von mir jemals genutzte Dusche mit einem Glasdach und dadurch freien Blick zum Himmel. Auch wenn aktuell alles dunkel ist, schließlich ist es eigentlich schon ein bisschen nachtschlafende Zeit, als ich das hier schreibe. Und logischerweise liege ich dabei auch nicht in der Dusche. Aber auch der Blick über die obere Außenterrasse macht heute schon Lust auf das Aufwachen morgen. Ich überlege noch, ob ich mir einenWecker stellen soll, um das erste Morgenlicht nicht zu verpassen, verwerfe den Gedanken aber auch genauso schnell wieder, wie er mir gekommen ist.

11. Reisetag         Mesa de Los Santos – 11.02.2020

Heute geht es wieder sehr entspannt in den Tag. Frühstück ist so lose für ca. 8:00 Uhr geplant. Der erste und auch einzige Programmpunkt für heute ist der Besuch auf einer Kaffee Hazienda. Es geht zu Hazienda el Roble, die über eine Anbaufläche von rund 280 Hektar verfügt. Wobei die meisten Kaffeeanpflanzungen von großen Bäumen beschattet werden. Das hat den Vorteil, dass die Kaffeepflanzen mindestens teilweise im Schatten wachsen und auch der Boden vor zu starker Sonneneinstrahlung und damit Wasserverlust geschützt werden. Auf der Hazienda werden vor allem vier Kaffeesorten angebaut. Das sind Boubon, Tipical, Cantura und HR61. Dabei steht HR61 für Hazienda Roble #61. Insgesamt sind es aber rund 70 verschiedene Sorten, die hier angebaut werden. In dem angehängten Kaffeegarten sind es sogar mehr als doppelt so viele, dabei sind alle fein säuberlich mit dem Namen und einer laufenden Nummer versehen auf einem dazugehörigen Schild ausgezeichnet. Wobei ich erstaunt bin, wie unterschiedlich auch die Wuchsformen sind. Es gibt einige mehrere Meter hohe, ja man muss fast schon von Bäumen sprechen, und andere Sorten die gerade 1,5m hoch sind. Wobei manche Sorten in den Plantagen auch eingekürzt werden, um sie leichter ernten zu können. Dann gibt es welche die richtig buschig wachsen, andere haben nur sehr wenige Blätter. Kaffeepflanzen erreichen im Alter von drei bis fünf Jahren ihren maximalen Ertrag, den sie dann je nach Sorte und Lage bis zu einem Alter von 10 bis 20 Jahre halten. Viele der Kaffeesorten sind auf der Hazienda el Roble nur zu Versuchszwecken. In Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen forscht man hier an neuen Sorten, die sich besonders für den Anbau in Kolumbien eignen, gleichzeitig aber auch den Geschmack des Weltmarktes treffen. Eines der Ergebnisse ist der besagte HR61. Er erreichte bei einer Auktion in Australien zu seiner internationalen Vorstellung ein Preis von 130 $ pro Pfund, womit er damals der drittteuerste Kaffee der Welt war. Nur zur Erklärung hier geht es um das angloamerikanische Pfund, welches umgerechnet rund 453 g entspricht. Inzwischen wird auf der Hazienda seit mehr als 20 Jahren nur noch biologischer Anbau betrieben. Auch da spielen die Bäume wieder eine wichtige Rolle, sie sind Heimat und Schutz vieler Vögel. So wurden auf der Hazienda rund 150 verschiedene Spezies gezählt.

Die Kaffeesorten in Kolumbien und natürlich auch auf der Hazienda el Roble zeichnen sich durch eine leichte Süße aus. Entfernt man die rote oder bei manchen Sorten gelbliche äußere Schale und lutscht auf der Bohne, kann man diesen auch schmecken. Sie haben ein bisschen was von rohen Erbsen, wie gesagt, wenn man darauf lutscht. Diese leichte Süße sorgt dann später auch für die Milde des fertigen Kaffees. Haupterntezeit des Kaffees sind in Kolumbien die Monate Oktober bis Dezember. Zu der Zeit erntet man rund 70 % der Produktion. Dann sind auf der Hazienda neben den rund 100 Stammkräften noch weitere ca. 300 Saisonarbeiter zusätzlich beschäftigt. Grundsätzlich wird aber das ganze Jahr über geerntet. Bei der Ernte werden nur die reifen Früchte - die Kirschen - geerntet, werden versehentlich auch Grüne gepflückt, bedeutet das für den Pflücker einen entsprechenden prozentualen Abschlag bei der Entlohnung. Von einem Strauch werden übrigens ca. 40-45 kg der Kaffeekirschen im Jahr geerntet, daraus bleiben später 10-15 kg Bohnen übrig. Bezahlt wird nach der gepflückten Menge also im Akkord. Nach dem Wiegen der gepflückten Menge kommen die Kirschen in ein Wasserbad, wo die reifen und schweren absinken, und die leichten „hohlen“ Früchte oben schwimmen und abgeschöpft werden. Neben den grünen Kirschen betrifft das auch Fehlerhafte, die zum Beispiel missgebildet oder von einem Schädling befallen worden sind, der seine Eier in den Früchten ablegt und die später von innen durch die Larven aufgefressen werden. Nach dieser ersten Sortierung werden die eigentlichen Bohnen aus der Frucht (der Kirsche) maschinell herausgelöst. Der nächste Arbeitsgang ist dann die Trocknung der Bohnen. Besonders hochwertige Bohnen werden an der Sonne getrocknet, was bis zu 14 Tage dauern kann. Dabei ist es sehr wichtig, dass die Bohnen zwischenzeitlich nicht wieder feucht werden, da sie sonst einen bitteren Beigeschmack bekommen. Gleichzeitig müssen die Bohnen aber mehrfach bewegt werden, damit sie von allen Seiten gleichmäßig durchtrocknen können. Da man für dieses Verfahren aber große Flächen braucht, und es zusätzlich noch sehr arbeitsintensiv ist, was selbst bei den relativ niedrigen Löhnen der Saisonarbeiter einen erheblichen Kostenfaktor darstellt, kommt das nur für wirkliche Spitzensorten infrage. Die meisten Bohnen werden maschinell getrocknet, wofür man dann wieder die an den luftgetrockneten Fruchthüllen zur Wärmeerzeugung verwendet. Zu diesem Zeitpunkt sind die Kaffeebohnen gelblich -beige. Der nächste Arbeitsschritt ist dann das Entfernen einer weiteren Haut, wodurch sich die Farbe auf leicht grünlich - beige ändert. Zu diesem Zeitpunkt werden maschinell auch gleich weitere nicht einwandfreie Bohnen aussortiert, und sei es nur weil sie zu klein sind. Der nächste Schritt ist dann das Rösten. Damit alle Bohnen gleichmäßig bei optimaler Weise 180 °C geröstet werden, ist eine einheitliche Größe der Bohnen wichtig. Die Maschine für die Röstung wird dabei entsprechend vorgeheizt, werden dann die Bohnen eingefüllt, fällt die Temperatur auf ca. 150 °C ab und wird dann langsam wieder auf die gewünschte Temperatur von 180° gebracht. Diese sollte aber nicht überschritten werden, da das Ergebnis wieder ein etwas bitterer Geschmack wäre. Man spricht dann auch von verbranntem Kaffee. Dieses Schicksal würden auch die kleinen Bohnen erleiden, hätte man sie nicht vorher aussortiert. Bei der Röstung kann man die Bohnen auch aufplatzen hören. Wobei die Temperaturen sich auf die Sorten auf der Hazienda Roble beziehen. Manche Sorten werden auch auf bis zu 200 oder gar 250°C geröstet. Im Gegensatz dazu gibt es auch noch die schnellere Industrieröstung, die mit Temperaturen von bis zu 550°C arbeitet. Die Temperaturen beeinflussen wesentlich die Bildung des Aromas, sowie der Farb- und Geschmacksstoffe. Gleichzeitig entstehen insbesondere bei sehr hohen Temperaturen Schadstoffe wie Melanoidin und Acrylamid.

Der „Vorkoster“ der Hazienda hat uns dann noch einen Geschmackstest vorgeführt bzw. mit unseren Sinnen aktiv miterleben lassen. Dabei werden in mittlerer Mahlung zerkleinerte Bohnen verwendet. Selbst der Grad der Mahlung verändert den Geschmack, so schmecken die fein gemahlenen Bohnen als Kaffee später anders als gröbere Varianten. Er hat dazu in verschiedene Gläser trockenes Kaffeepulver gefüllt. Bei uns waren es vier verschiedene Sorten, gleichzeitig die vier Hauptprodukte der Hazienda, die auch tatsächlich sehr unterschiedlich und intensiv im Geruch sind. Sogar für meine aktuell leider etwas verschnupfte Nase deutlich wahrzunehmen. Anschließend hat er genau 92 °C warmes Wasser in die Gläser gefüllt. Zwischen den einzelnen Proben steht dabei jeweils ein Glas mit ebenso warmem Wasser. Zunächst steigt dabei das gesamte Kaffeepulver nach oben auf. Während der Kaffee genau 3 Minuten zieht, sinken bei den verschiedenen Sorten unterschiedliche Mengen des Kaffees nach unten ab. Auch der Geruch des Kaffees verändert sich während dieser Zeit. Nach den besagten 3 Minuten wird die „Tasse gebrochen“. Dabei wird der oben schwimmende Kaffee vorsichtig zur Seite geschoben, und erneut der Geruch geprüft. Anschließend werden mittels des ebenfalls etwas abgekühlten klaren Wassers aus den Gläsern zwischen den Proben die Geschmacksnerven im Mund neutralisiert. Wären wir Profis, hätten wir auch seit mindestens 2 Stunden nichts mehr gegessen und idealerweise in dieser Zeit höchstens noch Wasser getrunken. Aber auch so kommen verschiedene Geschmacksnuancen der verschiedenen Kaffeesorten teilweise sehr deutlich heraus. Und ich bin wahrlich kein Kaffeeexperte. Dabei gibt es gefühlt rund 150 Beschreibung für die unterschiedlichen Nuancen, die Kaffee annehmen kann. Wobei die meisten durch bestimmte Früchte oder auch Gewürze beschrieben werden. Alle namhaften Kaffeehaziendas bzw. deren „Vorkoster“ müssen sich in Kolumbien übrigens alle sechs Monate einer Überprüfung durch ein 40-köpfiges Gremium unterziehen. Dieses soll eine hohe Qualität in der Kaffeeverprobung sicherstellen. Bevor bestimmte Abnehmer überhaupt Kaffee ordern, fordern diese in der Regel kleinen Proben an. Diese werden zunächst handverlesen und auch als Kleinmenge gemahlen und geröstet. Ebenso geht die Hazienda el Roble auch für die Selbstkontrolle vor. Hier werden von verschiedenen Feldern und Sorten bei der Ernte kleine Proben genommen, die alle von unserem „Vorkoster“ einzeln geprüft und bewertet werden. So ist sein Reich voll mit kleinen fein säuberlich beschrifteten Proben.

Auf der Welt dominieren übrigens im Wesentlichen zwei Kaffeesorten, die sich dann wieder in unzähligen Untersorten unterteilen. Die beiden Hauptsorten sind Arabica, etwa 65% Weltmarktanteil, die je nach Art auch mit sehr unterschiedlichen klimatischen Bedingungen zurechtkommen, und Robusta, deren Anteil am Weltmarkt kontinuierlich zurückgeht und aktuell noch bei rund 33% liegt. Robusta-Sorten haben mit bis zu 3% einen höheren Koffein Anteil, und sind etwas bitter im Geschmack, daher ist Robusta beispielsweise besonders für Espresso geeignet. Seine Reifezeit beträgt nur 6 – 8 Monate. Außerdem verträgt er Sonne und Hitze deutlich besser. Aufgrund der Möglichkeit Robusta auf deutlich niedrigeren Höhenlagen anzubauen, wird der bei minderwertigeren Sorten auch maschinell geerntet. Das gibt es beim milderen Arabica praktisch überhaupt nicht. Zumal der auch nur in höheren Lagen wächst, in dem das Gelände dann ohnehin nicht mehr für den Maschineneinsatz geeignet ist. Arabica hat nur einen Koffeingehalt von 0,8 – 1,5%, und ist daher milder und auch für empfindliche Mägen bekömmlicher. Arabica reift bis zur Ernte etwa 9 – 11 Monate. Im Gegensatz zum Robusta ist der Arabica ein Zwitterblütler, bestäubt sich also selbst, während beim Robusta Insekten und der Wind im Einsatz sind. Kaffee braucht viel Wasser, so benötigt er vor der Ernte 250 – 300mm Regen pro Monat. Insgesamt sind für die meisten Sorten mindestens 1500mm Regen im Jahr notwendig. Er mag gleichmäßige Temperaturen, idealerweise zwischen 18 – 25° C. Damit kommen praktisch nur Anbaugebiete rund um den Äquator in Frage. Dabei produziert Brasilien etwa 30 %, Vietnam 16%, es wird vor allem Robusta angebaut, und Kolumbien als drittgrößter Produzent rund 8% der Weltproduktion. Wobei unser „Vorkoster“ insbesondere Brasilien vermutlich nicht ganz frei vor Vorurteilen für einen Massenhersteller hielt, aber Kolumbien das Herstellerland mit der höchsten Qualität sei. Letzteres ist auch nicht völlig abwegig, da kolumbianischer Kaffee regelmäßig auch in der Breite sehr hohe Bewertungen erhält. Bei der Kaffeebewertung gibt es ein Punktesystem, bei dem die Skala bis zu 100 Punkte reicht. Die höchste jemals vergebende Bewertung lag bei 92. Guter Kaffee aus Kolumbien bekommt regelmäßig Bewertung jenseits der 85 Punkte. Grundsätzlich gibt es vom kolumbianischen Staat auch eine Abnahmegarantie für im Land produziertem Kaffee, nur ist damit natürlich nicht gesagt, dass dieser auch einen noch auskömmliche Preise erzielt. Zu den seltsamen Erscheinungen bei der Kaffeeproduktion in Kolumbien gehört noch, dass man im Land selbst bei Kaffee gar keinen so großen Wert auf die Qualität des selbst getrunkenen Kaffee legt. Oftmals dafür sogar die für den Export aussortierten Bohnen die Grundlage bilden.

Zum Abschluss unseres Besuchs auf der Hazienda wollten einige von uns noch Kaffee kaufen, wobei der kleine Shop auf der Hazienda selbst erstaunlich schlecht bestückt war, zumal das durchaus Teil der normalen Führung ist, den Kaffee auch verkaufen zu wollen. Er hatte praktisch nur noch eine der vier Hauptsorten da. Aber nicht weit von der Hazienda entfernt an einer Verbindungsstraße wird ein weiterer offizieller Shop betrieben, der dann auch ausreichend Kaffee vorrätig hat. Nach dem auch das erledigt ist, fahren wir zurück zu unserer Finca, wo wir gegen 15:00 Uhr eintreffen. Der restliche Tag ist dann der persönlichen Muße vorbehalten – Urlaub im Urlaub.

12. Reisetag         Taganga – 12.02.2020

Heute beginnt der Tag früh, sehr früh. Frühstück soll um 5:30 Uhr sein und Abfahrt dann um 6:00 Uhr. Mit letzterem hängen wir ein bisschen, aber darauf kommt es eigentlich auch überhaupt nicht an. Heute ist ein Fahrtag, genauer gesagt geht es auf einer der wichtigsten Strecken des Landes Richtung Norden. Unser Ziel ist Santa Marta bzw. genauer eigentlich Taganga, das direkt am Meer gelegen ist. Das erste Stück windet sich die Straße noch durch die Berge, was logischerweise einen schier endlosen Kurvenreigen bedeutet. Der auf der Straße neben den dazwischen wohlwollenden kleinen Mopeds mehr LKWs als PKWs unterwegs sind, geht es nur langsam voran. Und kaum haben wir uns an einem der Brummis vorbei geschoben, hängen wir hinter dem nächsten fest. Die großen Verbindungsstraßen sind Mautpflichtig. Dabei wird die Maut nach der Anzahl der Achsen erhoben. Mopedfahrer sind von ihr ausgenommen. Meist im Bereich der Mautstellen aber auch bei den „stillen Polizisten“ sind dann häufig fliegende Straßenhändler unterwegs, die Früchte, Getränke oder auch kleine Snacks anbieten.

Insgesamt ist das Straßennetz in Kolumbien selbst für mittel- bzw. südamerikanische Verhältnisse eher schlecht ausgebaut. Es gibt rund 113.000 km Straßennetz, davon sind allerdings nur rund 26.000 km asphaltiert. Dabei hat Kolumbien eine Fläche von etwa 1,14 Millionen Quadratkilometer, zum Vergleich gibt es in Deutschland etwa 232000 Kilometer befestigte Straßen bei einer Fläche von rund 357000 Quadratkilometer. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass Kolumbien lediglich rund 49 Millionen Einwohner hat, während es in Deutschland inzwischen 83 Millionen sind. Damit bringt Kolumbien es auf etwa 43 Einwohner pro Quadratkilometer, in Deutschland ist der Wert gut beim fünffachen. Der öffentliche Nahverkehr besteht in Kolumbien praktisch ausschließlich aus privaten Buslinien. Dabei konkurrieren zahlreiche Unternehmen miteinander, die sich zum Teil deutlich im Preis aber auch im Komfort bzw. der Qualität des Service unterscheiden. Dabei ist alles zwischen großem Reisebus bis hin zum Kleinbus unterwegs. Ein Sonderfall ist der TransMilenio in der Hauptstadt Bogota. Er verkehrt auf Extraspuren und verbindet feste Haltestellen. Dazu gibt es eine feste Taktung der Fahrzeiten. Im Jahre 2019 zählte man über 680 Million Fahrgäste, das macht zwischen zwei und 2,5 Millionen pro Tag. Dafür sind aber auch über 2000 Busse im Einsatz, die meisten von ihnen sind schon ein bisschen älter, die meisten der Busse entsprechende Euronorm 2 oder 3. Das liegt daran, dass dieses Bussystem erst seit 2005 wirklich im größeren Maßstab etabliert wurde, und viele der ersten Busse heute noch im Einsatz sind. In den letzten Jahren experimentierte man mit den ersten Elektrobussen, aber auch Hybridversion sind unterwegs. Die meisten Fahrzeuge sind Gelenksbusse, einige neuere sind auch Doppelgelenksbusse mit einer Gesamtlänge von über 27 m. Dabei befördern diese Fahrzeuge dann bis zu 260 Fahrgäste. Die Fahrkarten werden an den Eingängen der Haltestellen verkauft, und nur mit ihnen erhält man überhaupt Zutritt zu den Haltestellen. Sie gelten dann 95 Minuten, und man kann inklusive Umsteigen damit dann kreuz und quer durch die Stadt fahren. Dabei kostet ein Ticket dann 2200 Peso, umgerechnet etwa 0,65 €. Der TransMilenio verkehrt nur im inneren Bereich der Metropole Bogota mit ihren rund 7,5 Millionen Einwohnern. In die Außenbereiche fahren zusätzliche Zubringerbusse. Geschaffen wurde der TransMilenio als günstige und relativ schnell und einfach zu schaffender Ersatz für die schon sehr lange angedachte aber bis heute nicht realisierte U-Bahn für die Stadt. Das System wurde später in weitere Städte wie Santiago de Chile oder Jakarta übernommen. Der Schienenverkehr ist in ganz Kolumbien nur sehr schwach ausgeprägt. Für den Personenverkehr gibt es gar nur drei relativ kurze Linien, die vor allem von Touristen genutzt werden. Auch gibt es in Kolumbien noch zwei unterschiedliche Spurweiten. Das ist mit einer Streckenlänge von rund 3300 km eine Schmalspur von 914 mm, und auf weiteren ca. 150 km eine Normalspur mit 1435 mm, wie man sie auch zum Beispiel in großen Teilen Europas nutzt. Interessanterweise ist die Normalspur lediglich eine Strecke für den Kohletransport. Aber auch sonst dient der Schienenverkehr fast ausschließlich dem Gütertransport. Und hier ist es vor allem die Kohle, die per Eisenbahn in Richtung der Häfen für den Export transportiert wird. Andere bedeutende Exportgüter sind Erdgas, Erdöl, Erdölderivate, Smaragde, Gold und Nickel aus dem Rohstoffbereich. Aus dem Bereich der Landwirtschaft ist das vor allem Kaffee, aber auch exotische Früchte, Zucker und Zuckerrohr, Reis, Tabak und nicht zu vergessen Schnittblumen. Die Ausfuhr von Industriegütern ist nicht besonders ausgeprägt. Viele der Exportgüter werden dabei verschifft. Kolumbien hat große Häfen in der Karibik aber mit Barranquilla auch einen am Pazifik. Bei den Flughäfen ist vor allem der in Bogota international bedeutend. Ansonsten gibt es annähernd 1000 weitere öffentliche Flughäfen, die aber zumeist nur eine regionale Bedeutung haben. Fortschrittlich ist man in Kolumbien bei der Stromerzeugung, hier werden rund zwei Drittel durch Wasserkraft erzeugt, und ein weiteres Drittel durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern, und hier ist der weitaus größte Teil relativ sauberes Erdgas.

Aber zurück zu unserem Tag. Nach dem wir Bucaramango, die Hauptstadt des Departementos, etwa mit unseren Bundesländern zu vergleichen, Santander mit seinen etwas mehr als 500000 Einwohnern hinter uns gelassen haben, wird der Verkehr flüssiger. Das Land wird ebener, und uns stehen schon bald zwei Fahrspuren je Richtung zur Verfügung. Die Rinderherden beidseitig der Straße werden größer, und auch die Weidezäune sind hier intakt. Es scheint auch ausreichend Wasser zu geben, da man immer wieder kleinere und größere Tümpel sieht. Wobei wir auch in der Nähe des großen Magdalena Flusses unterwegs sind. Er ist einer der ganz großen Ströme des Landes, der damals auch bei der Besiedlung durch die Spanier eine ziemlich zentrale Rolle spielte. Wegen des vorhandenen Wasser und den ebenen Weiten findet Landwirtschaft im nördlichen Teil des heutigen Kolumbiens auch im größeren Maßstab und nicht in der Kleinteiligkeit der Berge statt.

Über den Tag verteilt machen wir inklusive einer Mittagsrast drei Pausen. Letztere wird auch gleich als Tankstopp genutzt. Im Nachbarland Venezuela ist übrigens vor ein paar Tagen mal wieder die Versorgung mit Benzin und Diesel völlig zusammengebrochen. Aufgrund der katastrophalen Verhältnisse, inklusive einem Mangel an praktisch allem, haben viele Venezolaner ihr Land verlassen. So schätzt man das von den ursprünglich 30 Millionen inzwischen 6 Millionen also 20 % ihr Heimatland verlassen haben. Am späteren Nachmittag sehen wir übrigens noch einen von ihnen, der junge Bursche hängt halb hinter bzw. unter einem der großen Überland-LKWs, und nutzt ihn als „illegale“ Mitfahrgelegenheit. Auch wenn es in Kolumbien heute teilweise schwierige wirtschaftliche Verhältnisse sind, und viele Kolumbianer selbst ihre liebe Not haben, irgendwie über die Runden zu kommen, sind die vielen venezolanischen Flüchtlinge erstaunlicherweise eigentlich gar kein Thema im Land. Wobei viele von ihnen Kolumbien auch nur als Durchgangsstation zum Beispiel in Richtung Peru nutzen. Viele der Venezolaner versuchen auch in Kolumbien das bisschen, was sie noch besitzen, zu Geld zu machen. Manche schmuggeln auch Dinge wie etwa Benzin über die Grenze. Jedenfalls wenn sie denn in Venezuela welches kaufen können. Dort kostet 1 Liter Treibstoff staatlich fixiert aktuell 100 Bolivar. Umgerechnet kostet ein US-Dollar etwa 75.000 Bolivar, Treibstoff nur leicht abgerundet also praktisch nichts, genau sind es 0,00133 US-Dollar. Zum Vergleich kostet eine Gallone Benzin in Kolumbien aktuell etwa 8000 Peso, was umgerechnet etwa 2,30 € für 3,8 Liter also 0,60 € pro Liter sind. Dass die Flüchtlinge aus Venezuela so wenig ein Thema sind, hängt nicht unerheblich mit der eigenen Geschichte zusammen. Zu Zeiten der militärischen Auseinandersetzung zwischen der Regierung und den Guerillas sind auch nicht weniger Kolumbianer ins benachbarte Venezuela geflohen. Aus dieser Zeit stammt auch der Umstand, dass Kolumbien über Jahre das Land mit den meisten Binnenflüchtlingen auf der Welt war. Und führte schließlich dazu, dass der Verstädterungsgrad in Kolumbien so extrem hoch ist. So leben etwa 80 % der Menschen in Städten und nur 20 % auf dem Lande.

Auch wir sind auf dem Weg in eine der größeren Städte des Landes, unsere Reise führt uns nach Taganga, dass man zum Großraum Santa Marta zählen kann. Wir kommen schließlich gegen 19:45 Uhr dort in unserem Hotel an. Es liegt direkt an einer kleinen Bucht mit einem ebenso kleinen Strand in der Karibik. Die Lage des Hotels hat zur Folge, dass dort auch die lokale kleine Partymeile verläuft. Auch wenn die Partygänger hier ganz offensichtlich nicht gerade zu den „Nacheulen“ gehören. Dafür sind direkt über meinem Zimmer auf dem Flachdach ein paar Tauben unterwegs und „trampeln“ ein bisschen auf meinen Nerven herum. Aber irgendwann schlafe ich dann doch ein.

13. Reisetag         Casa Alfredo – 13.02.2020

Heute geht es wieder zu normalen Zeiten in den Tag. Nach dem Frühstück ist die Abfahrt für ca. 8:00 Uhr geplant. Nur das Gepäck ist heute in drei Teile aufgeteilt. Neben dem Tagesrucksack, etwas für die nächsten Tage und dann das Hauptgepäck. Unseren „normalen“ Fahrer haben wir gestern verabschiedet. Stattdessen geht es heute mit einem Geländewagen weiter. Bis auf den Tagesrucksack kommt das Gepäck neben einigen Lebensmitteln auf das Dach des Fahrzeugs. Hinten im Fahrzeug stehen sich zwei Bänke gegenüber, auf die wir uns mit acht Personen setzen. Gegen 8:30 Uhr ist schließlich alles verstaut und es kann losgehen. Wie sich schon nach wenigen Kilometern herausstellt, ist meine eigene Sitzposition weniger optimal , womit ich allerdings auch nicht alleine bin. Aber es ist kaum Platz die Füße ein bisschen anders hin zu stellen. Es wird schon gehen. Nach rund 1 Stunde halten wir in Hacienda La Beatriz. Dort werden die Pässe kontrolliert und wir halten ein kleines nummeriertes Erkennungsband. Von hier geht es dann auf einer im Jeep etwas schaukeligen Sandpiste weiter bis nach Mamey, immerhin bot der Zwischenstopp allen auch die Gelegenheit sich ein bisschen geschickter ins Auto zu setzen, und dabei vor allem die Füße ein bisschen geschickter zu „sortieren“.

In Mamey ist deutlich mehr los, als ich eigentlich im Vorfeld erwartet hatte. So sind allerhand andere Fahrzeuge eingetrudelt, aus denen sich weitere Touristen ergießen. So sehe ich hier gefühlt mehr Touristen, als auf der bisherigen Reise. Nach dem Mittagessen deponieren wir das Hauptgepäck in einem Abstellraum des Restaurants. Dann geht es los. Die Sonne liegt etwas hinter den Wolken, was mir durchaus entgegenkommt. Trotzdem beginne ich sofort ziemlich an zu schwitzen. Kurz nachdem wir den Ort hinter uns gelassen haben, biegen wir auf den alten Weg in Richtung Ciudad Perdida, der deutlich weniger begangen wird, und auf dem auch keine der kleinen Motorräder fahren können. So sind wir hier allein unterwegs. Am Wegesrand kommen wir an einer Stauung eines kleinen Wasserlaufs vorbei, die einige von uns zum Baden nutzen. Kurz bevor wir nach rund zwei Dritteln der heutigen Strecke wieder auf den Hauptweg kommen, machen wir noch einen kleinen Stopp bei einem der örtlichen Bauern. Er bietet frischgepressten Orangensaft an. Kurz darauf kommen wir zurück auf den Hauptweg, wo wir nach einigen Metern zu einem Depot für Wassermelonen kommen, dass die verschiedenen Touren-Anbieter hier angelegt haben. So sind die Wassermelonen für uns kostenlos. Es ist übrigens Pflicht auf diesen Touren auch mit einem lokalen Guide unterwegs zu sein. Dort stoßen wir auch auf eine weitere Gruppe, die ebenfalls auf dem Weg zur Ciudad Perdida unterwegs sind. Es sollte nicht die einzige Gruppe am heutigen Tag bleiben, ich schätze, dass sich heute rund 100 Leute auf den Weg gemacht haben. Dabei ist auffällig, dass die meisten im Verhältnis zu unserer Gruppe relativ jung sind. Eine der Gruppen, die uns zuvor überholt hatte, macht dann im ersten Camp Station. Der Weg zum ersten Camp führte nach den Wassermelonen auf dem Hauptweg zunächst noch ein bisschen bergauf, um dann ein gutes Stück relativ steil bergab zu verlaufen. Da wir später auf dem gleichen Weg wieder zurückkommen werden, scheint das nicht gerade eine Verlockung für den letzten Tag. Wir selbst gehen noch weiter bis zum Casa Alfredo, das nicht weit hinter dem ersten Camp dem Casa Adan liegt. Im Casa Alfredo geht es relativ ruhig zu, neben unserer kleinen Gruppe trudelt später nur noch eine weitere Gruppe des gleichen Reiseveranstalters ein, die auf einer Reise mit Zielen in Panama und Kolumbien unterwegs ist. Uns waren schon unsere Betten zugeteilt worden. Dabei handelt es sich um Stockbetten, die mit einem Mückennetz versehen sind. In die bei der Zuweisung noch mal zusätzlich eine Portion Chemie hineingepumpt worden ist, um auch dort möglicherweise versteckten Blutsaugern den Garaus zu machen. Unser Reiseveranstalter stellt uns noch einen Bettbezug dazu, da die Betten täglich neue Gäste aufnehmen. Und man weiß natürlich nie, wer vorher darin gelegen hat. Ich nutze noch die Zeit vor dem Abendessen für eine kalte Dusche. Die Dämmerung ist kurz, und da es auch sonst nichts zu tun gibt, gehe ich früh ins Bett und versuche zu schlafen.

14. Tag         Wiwa Camp – 14.02.2020

Heute steht nur eine kurze Etappe auf dem Programm. Das Frühstück ist trotzdem für 6:30 Uhr geplant, aber es dauert dann doch bis 7:00 Uhr. Gegen 8:00 Uhr geht es dann los. Auf dem Pfad, inzwischen ist er nicht mehr mit Mopeds zu befahren, kommen uns einige größere Gruppen entgegen. Aber insgesamt ist es relativ ruhig auf der Strecke. Es geht zunächst rund 300 Höhenmeter rauf, um dann später auch etwa die gleiche Anzahl wieder runter zu gehen. Insgesamt sind wir dafür rund zweieinhalb Stunden unterwegs. Etwas beunruhigt mich wieder der relativ steile Abstieg, was dann auf dem Rückweg logischerweise zum Aufstieg wird. Aktuell ist alles trocken, aber wenn es auf dem Weg regnet, dann schwellen die kleinen Wasserläufe sicherlich ordentlich an, die man nur über ein paar Steine überquert. Aber das Hauptproblem sind dann sicherlich die Wegeverhältnisse selbst. Die vermutlich dann irgendwas zwischen schmierig und schlammig werden. An einigen Stellen kann man deutlich die Erosion sehen, die der Regen darauf hinterlassen hat. Die Humusschicht ist hier nur relativ dünn, darunter befindet sich dann nur unfruchtbarer Sand, auf dem sich kein Bewuchs halten kann. Die vielen Wanderer und nicht zuletzt auch den Maultieren, die schließlich auch unser Gepäck transportieren, treten den Weg aus. So spült der Regen den losen Sand dann leicht weg. So dürften die an einigen Stellen schon mal mehrere Meter hohen Auswaschungen entstanden sein.

Nach unserer Ankunft im Wiwa Camp gehen wir noch ein kleines Stückchen zu einem kleinen Wasserfall und einem Teich davor. Das Wasser ist frisch, aber durchaus noch erträglich. Dabei ist das Wasser zumeist von den hohen teilweise schneebedeckten Bergen der Umgebung. Obwohl der umliegende Regenwald eigentlich so gar nicht zum Schnee passen will. Und doch gibt es in der Gegend ein paar Fünftausender. Das Bad ist sehr erfrischend, wobei ich selbst auch schnell schwitze, aber hier läuft mir der Schweiß fast schon, sobald ich mich nur etwas bewege. Nach dem kurzen Bad gehen wir zurück zum Camp, wo es dann auch gleich schon wieder das Mittagsessen gibt.

Nach dem Mittag halten wir zunächst eine kurze Siesta, danach erhalten wir einen Vortrag über die Kultur der Wiwa, einer der hier lebenden indigenen Stämme. Es gibt in der Umgebung die Kogi mit noch etwa 9000 Mitgliedern, die Wiwa mit 5000 Mitglieder, die Arhuaco mit 18000 und die Kankuamo denen man noch etwa 8000 Menschen zurechnet, die aber bereits ihre Sprache und viele kulturelle Überlieferung und Wissen der Ahnen verloren haben. Faktisch muss man deshalb wohl sagen, dass der Stamm eigentlich nicht mehr existiert bzw. sich gerade mehr oder weniger auflöst. Womit sie durchaus kein Einzelfall sind. Je nach Quelle werden rund 85 verschiedene indigene Gruppen und Stämme in Kolumbien gezählt, von denen etwa 55 noch als aktiv gelten. Die übrigen haben große Teile ihrer eigenen Kultur faktisch aufgegeben und haben sich bzw. sind dabei sich in dem Vielvölkerstaat Kolumbien zu verlieren. Die genannten Größen der Stämme sind übrigens Schätzungen, genaue Zahlen kennt niemand. Zumal sich die indigenen Stämme sowohl untereinander als auch mit allen anderen Volksgruppen zunehmend vermischen. In dem Vortrag erklärt uns ein Mamo der hiesigen Wiwa die Entwicklung der Kinder zum Erwachsenwerden. Dabei ist ein Mamo vielleicht am ehesten mit einem Schamanen vergleichbar. Er ist das Oberhaupt einer Gemeinschaft wie einem Dorf. Dabei regelt er Streitigkeiten zwischen den Gemeindemitgliedern, kümmert sich um die Gesundheit und wacht über die Beibehaltung der Stammeskultur. Zukünftige Mamos werden dabei von älteren Mamos auserwählt und werden dann durch eine entsprechende Ausbildung durch den älteren Mamo auf ihre zukünftige Aufgabe besonders vorbereitet. Der Mamo berichtet nun, dass alle Kinder in den ersten Jahren als rein gelten. Sie haben praktisch alle Freiheiten und sollte es ein „Missgeschick“ geben, ist es eher die Schuld der Eltern. Ab ca. vier Jahre werden sie dann langsam auf ihr späteres Leben vorbereitet. Sie werden dann an erste Arbeiten gewöhnt. Die Familien leben meist in zwei Häusern / Räumlichkeiten, wobei in dem einen die Mutter mit den Mädchen schläft, und in dem anderen der Mann mit den Jungen. Darüber hinaus gibt es diese Aufteilung meist in einem Gehöft bei den Feldern und Weiden, und noch einmal in einem Dorf. Die Aufklärung der Kinder wird nach der Darstellung des Mamo praktisch nicht wirklich betrieben. Man erklärt die erste Periode bei den jungen Frauen im Vorfeld eher mit dem Bild, dass der Avocado das erste Mal blüht. Passiert die Periode bei dem Mädchen, erklärt die Mutter im Vorfeld höchstens noch, dass das Mädchen von einer Fledermaus gebissen wird, und dann unbedingt zu Mutter kommen soll. Alles findet seinen Bezug in der Natur, mit der die indigenen Völker versuchen im Einklang zu leben. Die Frauen dürfen sich während ihrer Periode dann auch nicht mehr im Fluss waschen, da die meisten indigenen Völker glauben, dass wenn jemand aus der eigenen Gemeinschaft krank wird, es ein böser Vorbote für ein bevor stehendes Unheil wie starke Regenfälle, Stürme oder Ähnliches ist. Und das Blut der Frauen könnte dann leicht falsch gedeutet werden. Bei den Jungen wird nach Angabe des Mamo mit dem 18. Geburtstag dann erklärt, dass es Mann und Frau gibt, und die Kinder eben nicht vom Fluss gebracht werden. Diese Aufgabe und eine erste sexuelle Unterweisung wird von einer von den Eltern ausgesuchten erfahrenen Frau, die entweder Alleinlebend oder Witwe ist, vorgenommen. Wobei diese zunächst von der Familie dem Mamo vorgeschlagen werden muss, und dieser heißt sie entweder gut, kann sie aber auch als ungeeignet ablehnen. Wie weit die Ausführungen des Mamo heute noch der gelebten Wirklichkeit entsprechen, darf wohl beruhigt bezweifelt werden. Zumal wenn man hier und da auch noch relativ junge Mitglieder des Stammes der Wiwa mit dem Smartphone unterwegs sieht. Immerhin berichtet der Mamo darüber, dass früher die Partner der jungen Leute von den Eltern ausgesucht worden sind und diese dann verheiratet wurden, heute sind die jungen Leute dort frei.

Gehalten hat sich aber noch ein anderer Brauch bei den Wiwa. Mit der Einweisung in das Leben der Erwachsenen bekommen junge Männer eine dieser typischen Taschen. Darin befindet sich eine vom Mamo geweihter Poporo. Dabei handelt es sich um eine besondere Art von Kürbis, der für die Verwendung als Pororo zunächst ausgehöhlt wird. Dabei ist der Kürbis eine relativ kleine runde Frucht, die eine stilartige Verlängerung der eigentlichen Frucht hat, der ein bisschen wie ein verlängerter Flaschenhals aussieht. Unten in dem eigentlichen kugelförmigen Behältnis befindet sich dann sehr fein gemahlener Muschelkalk. Kommen die Männer später in einen anderen Ort, oder meditieren selbst für sich, so beginnen sie Kokainblätter zu kauen. Um die Wirkung der Kokainblätter zu verstärken, wird mittels eines angefeuchteten Holzstabes dann ein wenig des Kalks aus dem Poporo durch den Hals des Kürbisses entnommen, und mit den zerkauten Kokainblätter weiter gekaut. Die dabei entstehende Masse wird anschließend auf den Holzstab gespuckt und damit auf den Hals des Kürbisses gestrichen. Der Hals des Kürbisses wird dadurch entsprechend immer größer und zu einer runden Scheibe aufgetragen. Der Mamo, der uns den Einblick in die Kultur der Wiwa bietet, hatte einen Poporo dabei, dessen Scheibe um den Hals des Poporo inzwischen einen Durchmesser von rund 30 cm erreicht hatte. Die Scheibe ist in mehr als acht Jahren entstanden. Wird ein Poporo dann irgendwann zu schwer, kann ein Mann zu seinem Mamo gehen, und von ihm einen neuen Poporo weihen lassen. Und das Ganze beginnt wieder von vorn. Die Tätigkeit des Kokainkauens und des bestreichen des Popro ist etwa damit zu vergleichen, wie wenn man seine Gedanken aufschreibt. Da diese Tätigkeit kulturell begründet ist, hat der Staat Kolumbien den indigenen Volksgruppen auch zugestanden, Kokain für den Eigenverbrauch anzubauen.

Die Taschen der Wiwa werden übrigens aus Sisal also letztlich Agaven hergestellt. Dabei werden die Fasern aus den Blättern gewonnen. Dazu werden die Fasern in Wuchsrichtung mittels einer Art Stoßscharre voneinander getrennt. Dabei muss man darauf achten, den Kontakt mit der sich lösenden Flüssigkeit zu vermeiden, da sie einen starken Juckreiz auslösen kann. Die Fasern selbst werden noch von den Männern aus den Blättern gewonnen. Das Färben und Spinnen der Fasern, ebenso wie nachher das Herstellen der eigentlichen Taschen, wird dann von den Frauen übernommen. Anders ist es mit der Kleidung, diese produzieren die Männer für sich selbst. Alle Wiwa also Männer und Frauen, tragen übrigens weiße Kleidung. Dabei handelt es sich um weiße Hosen und eine Art überlangen weißen Shirt. Dazu tragen die Männer noch weiße Hüte, die sie allerdings kaufen. Beide Geschlechter tragen auch ihre Haare lang. So ist es insbesondere bei den Kindern schwierig Jungen und Mädchen auseinander zu halten. Obligatorisch scheinen, dann auch wieder bei Männern und Frauen die Gummistiefel als Schuhe zu sein. Ich mag bei dem Klima gar nicht daran denken, wie die Füße darin schwitzen müssen.

Da wir nur eine kurze Wegstrecke hatten, ist es ein sehr entspannter Tag für uns. Und auch der gestrige Tag war nicht wirklich anspruchsvoll. So gibt es auch keinen Bedarf sich eine Massage zu gönnen, die hier direkt von einer jungen Wiwa direkt am Camp angeboten wird. Stattdessen gehen wir noch mal an einer anderen Stelle an den Fluss, an der noch mal die Gelegenheit zu einem Bad besteht. Während der Zeit kommen noch einige weitere Gruppen in unser Camp, dass sich damit fast vollständig füllt. So ist es beim Abendessen relativ voll. Und die Crews der verschiedenen Gruppen kochen in dem Küchenbereich nebeneinander. Wobei es scheinbar auch kein Konkurrenzdenken zwischen den verschiedenen Teams zu geben scheint, eher ein kollegiales Miteinander, obwohl sie von verschiedenen Veranstaltern kommen. Wobei sie sich natürlich in der Saison auch immer wieder über den Weg laufen. Da sie im Prinzip, nur von kleinen Pausen unterbrochen, unentwegt zum letzten Camp vor der Ciudad Perdida und zurück unterwegs sind, und sich deshalb zwangsläufig auch alle paar Tage wieder begegnen. Auch heute gehe ich wieder relativ zeitig ins Bett. Wobei es nicht lange dauert, bis es zu regnen beginnt. Da wir hier unter einem Blechdach liegen, lässt sich natürlich nicht genau abschätzen, wieviel gerade herunter kommt. Aber ich sehe den Wegeverhältnissen für den kommenden Tag schon mit ein bisschen gemischten Gefühlen entgegen, zumal wir bis zum Camp vor der Ciudad Perdida, der verlorenen Stadt, gehen wollen, und wenn es zeitlich machbar ist, auch am Nachmittag noch die verlorene Stadt besuchen wollen. Also schon ein paar Kilometer und dann der Aufstieg zur Ciudad Perdida zu bewältigen sind.