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10. Reisetag        Aguerzega - 26.09.2023

 

Die Zeiten sind auch heute wieder wie gehabt also um 8:00 Uhr Frühstück und ca. 8:30 Uhr soll es losgehen. Wobei wir heute ein paar Minuten später loskommen, da wir uns auf einer Karte noch einmal die bisherige Wanderstrecke ansehen, und dazu auch die beiden noch vor uns liegenden Etappen. Aber uns erwarten schließlich auch keine eng getakteten Termine. Man möchte auch einen Eindruck davon gewinnen, wo wir waren, und wo wir noch hinkommen werden. Und anders als sonst, geht es heute auch nicht in Bergstiefeln los. Heute sind wir in Wasserschuhen bzw. Trekkingsandalen unterwegs. Denn heute geht es in den Fluss MGoun, und das ist wörtlich zu nehmen. Den Ort N’Irkt verlassen wir noch auf festen Pfaden, die dann aber schon bald häufiger die Uferseite wechseln. Und dazu geht es direkt durch den Fluss. Der Untergrund ist meist steinig. Die Wassertiefe ist recht unterschiedlich. An einigen Stellen geht mir das Wasser knapp bis zu den Knien, bei einer Größe von 1,87m. Man sieht aber schon, dass das Wasser hier vor nicht allzu langer Zeit deutlich höher gewesen sein muss. Es gibt Schlammablagerungen, die noch nicht überall wieder komplett ausgetrocknet sind. Auch heute holt uns unsere Begleitmannschaft nach etwa einer Stunde ein. Der MGoun Fluss wird zunehmend schmaler, bis er sich schließlich durch eine enge Schlucht durchzwängen muss, und auf beiden Seiten unmittelbar an den steil aufragenden Steilwänden entlang strömt. Das bedeutet für uns natürlich, dass wir jetzt komplett im Flussbett unterwegs sind. Die Strömung ist schon ordentlich, aber da wir mit der Wasserlaufrichtung unterwegs sind, schiebt das Wasser. Ansonsten hätte man hier vermutlich gut zu tun, um überhaupt einigermaßen voran zu kommen. Am Morgen waren die ersten Querungen auch noch ein bisschen frisch, dass hatte ein bisschen was von einer Kneip-Kur, weil es immer wieder durch das Wasser ging. Auch wenn die Sonne uns unten in der Schlucht nur selten erreicht, so sind die Umgebungstemperaturen inzwischen spürbar angestiegen, und die Füße haben sich auch längst an die Wassertemperaturen gewöhnt. Dazu bieten sich uns in der Schlucht schöne Lichtspiele, die man sich eben nur erlaufen kann. Ich selbst habe Wasserschuhe dabei, damit läuft man deutlich besser in dem steinigen Flussbett als mit Trekkingsandalen. Zumal ich bei Letzteren für mich einige Bedenken hatte, dass ich mir damit die Füße im Bereich der Riemen kaputt laufe. Und dann immer durch das Wasser, keine so richtig tolle Idee. Dafür schwemmen in die Wasserschuhe immer mal kleinste Steinchen rein, die dann leider nicht mehr von alleine den Weg nach Draußen finden. So muss man die unterwegs immer mal wieder zurück in die Freiheit entlassen.

Nach dem wir etwa drei Stunden unterwegs sind, weitet sich die Schlucht wieder. So beginnen wir dann auch wieder regelmäßig zwischen den Ufern auf beiden Seiten des Flusses zu pendeln. Je länger wir unterwegs sind, desto breiter wird der MGoun auch. Gegen 13 Uhr haben wir unseren heutigen Rastplatz für die Mittagspause unter einer kleinen Gruppe großen schattenspendenden Bäume erreicht. Im Vorfeld dachte ich noch, man könnte nach dem Mittagessen auch einfach weiter gehen. Aber selbst heute, da wir häufig im kühlen Wasser unterwegs sind, und auch immer mal im Schatten unterwegs sind, auch wenn der wegen der sich weitenden Schlucht zunehmend seltener wird, brennt die Sonne ordentlich vom Himmel. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das dann im Juli und August ist, die noch ein bisschen heißer sind. In Agadir, an der Atlantikküste gelegen, hat man in diesem Jahr mit 50,4°C einen neuen Hitzerekord für Marokko aufgestellt. So warm wird es hier in einer Höhe von knapp 2000m und dann noch in Kombination mit dem Fluss natürlich nicht, aber frieren muss man in der Mittagszeit auch hier nicht gerade. So lege ich mich auch in den Schatten, und versuche ein bisschen zu dösen. Und insgesamt sind die Tagesetappen auch so gewählt, dass mehr als genug Zeit ist, um auch mit ausgedehnter Mittagspause das nächste Camp zu erreichen. Kurz bevor es gegen 15 Uhr wieder losgehen soll, erweckt eine Bewegung auf der anderer Flussseite noch meine Aufmerksamkeit. Ich mache mich also vorsichtig mit der Kamera in der Hand auf den Weg. Und obwohl ich mich sehr sehr langsam vorwärts schiebe, mag das kleine Streifenhörnchen meine Aufmerksamkeit offensichtlich nicht, und mach sich schleunigst aus dem Staub. Dabei war das bis auf einige Vögel, Berberaffen und natürlich Schafe, Ziegen, Rinder, Esel, Maultiere und unzähligen Katzen und ein paar Hunden das erste Tier, dass mir hier in Marokko begegnet ist. Und dazu neben den Affen das erste „wilde“ Tier an Land. Wobei ich sicherlich nicht alle gesehen habe, selbst dieses Streifenhörnchen hätte ich im Vorübergehen nicht entdeckt.

Nach der Pause gehen wir weiter am und im MGoun Fluss. Mit Wasser versorgen wir uns weiter an den frischen Quellen, obwohl der Fluss ziemlich schnell fließt. An den Fluss kommen auch die Tiere zum Trinken, dazu ist er für die Bevölkerung auch gleichzeitig Abwasserkanal, incl. der großen Wäsche, die auch direkt im/am Fluss erledigt wir. Und an einigen Stellen findet man auch ein bisschen angeschwemmten Müll. Gegen 16 Uhr erreichen wir schließlich eine Fahrspur, die sich im Tal am Fluss entlang schlängelt. Auf der gegenüber liegenden Flussseite sind die ersten Häuser von Aguerzega. Das Dorf ist ziemlich lang am Fluss entlang gezogen. Da es im Tal nicht viel Platz gibt, sind auch die Terrassenfelder hier relativ schmal. Gegen 16:45 Uhr erreichen wir schließlich das Gehöft eines Einheimischen, auf dem unsere Zelte bereits stehen. Wir dürfen die Toilette und Dusche des Besitzers mitbenutzen. Wobei Dusche ein bisschen hochtrabend ist. Es gibt einen Eimer, mit einem kleinen Loch. Der Eimer ist dann am Wasserhahn der Toilette zu befüllen. Und als Schöpfkelle in der Dusche sind dann die eigenen Hände vorgesehen. Dazu gibt es eine offene Fensternische, die dann gleich als Ablagefach für die Seife dienen kann. Nicht zuletzt wegen des kalten Wassers geht duschen, bei einem bekennenden Warmduscher wie mich, aber ohnehin ziemlich schnell. Die Toilette ist wie üblich hier in den Bergtäler arabisch, wobei das Papier getrennt gesammelt wird. Darüber hinaus hat unsere Begleitmannschaft aber hier auch wieder das Toilettenzelt aufgebaut. An der letzten Herberge hätte es gegen ein kleines Entgelt auch eine warme Dusche gegeben. Der Hausherr hat dort in einem Ofen Wasser erhitzt. Da habe ich es aber noch bei einer Katzenwäsche bewenden lassen. Auch dort gab es eine feste arabische Toilette.

Wie gehabt, gibt es an den Wandertagen um 17 Uhr Tee und Kekse. Abendessen ist dann immer gegen 19 Uhr. Es besteht eigentlich immer aus einer Suppe, einem Hauptgang und dann noch etwas Obst als Dessert. So ist es wie praktisch fast immer bei solchen Wanderreisen, man hat ein paar Energieriegel dabei, und die futtert man dann irgendwann noch zusätzlich, damit man die nicht wieder mit nach Hause nehmen muss. Wobei man sagen muss, dass ich auch, wenn es eigentlich immer mehr als genug zu essen gibt, immer mit ein paar Kilo weniger nach Hause komme. Wandern verbraucht eben doch ein paar mehr Kalorien, als am Schreibtisch zu sitzen. Auch sonst scheint so eine Reise immer was mit meiner Nahrungsaufnahme zu machen. Selbst wenn ich wieder zu Hause zurück in meinem normalen Leben bin, kann ich die ersten Tage so viel Essen wie ich will, ich hole den typischen Gewichtsverlust zunächst nicht wieder auf. Und dann nach ein paar Tagen geht es dann plötzlich voran, und das Gewicht pendelt sich wieder auf dem „Normalmaß“ ein.

Heute möchte ich mich noch ein bisschen mit der Religion in Marokko beschäftigen. Zunächst sei gesagt, in Marokko bekennen sich knapp 99% zum Islam, das letzte gute Prozent sind vor allem Christen, die etwa 2000 Juden im Land sind, statistisch gesehen, eine Randerscheinung, auch wenn das Judentum eine lange Geschichte in Marokko hat. Der Islam weist in Marokko ein paar Besonderheiten gegenüber allen arabischen Ländern auf. So verbindet der Islam sich in Marokko auch mit ein paar alten Mythen und Geisterwelten aus alten Traditionen der Berber. Es gibt Heilige und Geister, die es laut dem Koran so eigentlich nicht geben sollte. Außerdem werden in Marokko alle Imame vom Staat bezahlt, und nicht wie sonst üblich aus Spendengeldern der örtlichen Gemeinde. Die Ausbildung erfolgt in vom Staat getragenen Schulen. Wer dort durch radikale Ansichten oder Hetze auffällt, wird nicht zum Imam ernannt. So erhält der Staat einen direkten Zugriff auf die Entwicklung der dominierenden Religion im Land, gleichzeitig fällt die Religionsfreiheit in die Zuständigkeit des Königs, und ist Kraft seiner Stellung im Land im Prinzip schon alleine deshalb Gesetz. Durch den Zugriff auf die Ausbildung der Geistlichen ist es sicherlich auch zu erklären, dass der arabische Frühling, der in vielen auch nordafrikanischen Ländern zu Unruhen und teilweise auch Machtwechseln geführt hat, von einem kurzen Aufflammen abgesehen, nahezu komplett an Marokko vorbei gegangen ist. Nicht weniger wichtig ist, dass man viele Dinge im Koran ein bisschen „weicher“ auslegt. So bleibt es auch jedem Muslim selbst überlassen, ob er täglich die fünf eigentlich vorgeschriebenen Gebete praktiziert. Auch die strickte Kleiderordnung insbesondere für Frauen, die man von großen Teilen der arabischen Halbinsel und vor allem dem Iran kennt, gibt es in Marokko nicht. Hier bleibt jedem selbst die Umsetzung oder eben auch Nicht-Umsetzung überlassen. Man praktiziert die im Koran eigentlich vorgesehene Religionsfreiheit des Einzelnen, wobei der Islam natürlich aufgrund der Verbreitung in der Bevölkerung sehr dominierend in der Wahrnehmung aber auch tatsächlich ist. Von der Entstehung baut der Islam eigentlich auf dem Judentum und Christentum auf. Die Anhänger dieser beiden Religionen werden als ahl al-kitab (Menschen des Buches, der Thora und der Bibel) bezeichnet. Aus der Sicht der Muslime hat der Prophet Mohammed ein paar „Unstimmigkeiten“ in den Vorgängerreligionen geradegerückt. Vom Ursprung war die Offenheit des Islams gegenüber anderen Religionen nach seiner Entstehung im 7. Jahrhundert auch einer der Gründe für seine sehr schnelle Verbreitung. Mohammed war übrigens eine Waise, der zu seinem Onkel kam, der Kaufmann war, später heiratete er eine wohlhabende Witwe eines Kaufmanns aus einer angesehenen Familie. Diese Heirat ließ Mohammed finanziell abgesichert sein und auch sonst sozial unabhängig werden. Aber viele der Dinge, die sich im Koran wiederfinden, waren für damalige Verhältnisse geradezu revolutionäre Gedanken z.B. auf dem Gebiet der Hygiene. Aber auch wichtige Voraussetzungen für den Handel finden sich darin wieder. Nur wurde der Koran vor vielen Jahrhunderten geschrieben, und Sprache verändert sich. So finden sich bei der Übertragung in die Neuzeit schon die ersten Deutungen. Wobei das natürlich keine Besonderheit des Korans ist, sondern grundsätzlich für alle alten Schriften gilt. Neben dem Koran gibt es noch der Hadith, das sind die Erzählungen und Überlieferungen wie der Prophet gelebt hat, und was er gesagt oder auch nur bewusst geduldet hat. Da wird es noch schwieriger, denn jeder kennt das Prinzip der stillen Post. Und es kommt damit noch deutlich mehr Deutung hinein. Daher sind viele Praktiken und Ansichten im Islam dann doch wieder sehr unterschiedlich in den verschiedenen geographischen Gebieten und Glaubensrichtungen. So steht im Koran etwa, dass alle Menschen gleich sind, also sowohl Männer als auch Frauen gleichwertig vor Gott sind, und ihm gegenüber zu Gehorsam verpflichtet sind. Nun ja, das mit der Gleichheit ist nicht mal in der nach unserer Ansicht freiesten Gesellschaftsordnung – unserer eigenen – so. Und für die Islamische Welt gilt das noch viel weniger. Und ob das überhaupt letztlich wirklich möglich ist, steht dann auch noch auf einem anderen Blatt, führt hier aber in die falsche Richtung. Im Koran steht etwa „… und die Männer stehen in alledem in der Verantwortung“. Konservativ könnte man meinen, damit wären die Männer führend, also gegenüber den Frauen höhergestellt. Es geht an der Stelle im Koran aber um Scheidung und Witwenschaft. Und andere Rechtsgelehrte deuten das nun so, dass die Männer für die Frauen zu sorgen haben, und die Witwen ihrer Brüder zu unterstützen haben. Dazu muss man wissen, dass der Koran tatsächlich eine Rollentrennung vorsieht, und die Frauen eher im Haushalt und bei den Kindern sieht. Und der Mann der Versorger der Familie ist. Daraus folgt aber auch, dass alles was dem Mann gehört, gleichzeitig der Familie gehört. Während Geld, das der Frau gehört, auch tatsächlich nur ihr selbst gehört. So sieht der Koran im Falle einer Erbschaft vor, dass Töchter nur 50% von dem erhalten, was Söhne bekommen. Dabei geht man davon aus, dass Frauen, wie übrigens Männer auch, verheiratet sind. Folglich die Erbschaft der Männer letztlich an deren Familie geht. Und da kommt dann auch schon wieder die konservative Deutung, dass die Männer gegenüber den Frauen höhergestellt sind, und deshalb doch wieder über das Geld der Frauen verfügen dürfen. Man sieht schon, es liegt viel an der Deutung, zumal eben dann noch in einer Grammatik von vor Jahrhunderten. Im Koran ist übrigens auch vermerkt, dass Männer bis zu vier Frauen haben dürfen. Das aber nur unter der Bedingung, dass sie alle ihre Frauen gleich finanziell versorgen, und auch gleich lieben müssen. Im Koran steht dann auch, dass im Grunde kein Mann dazu in der Lage wäre. Manche deuten das so, dass es eher als Behebung einer Notlage einer Witwe gedacht ist, oder aber auch wenn z.B. nach einem Krieg mit vielen gefallenen Männern, alle Frauen so versorgt wären. In Marokko muss übrigens die erste Frau zustimmen, wenn ein Mann eine weitere Frau heiraten möchte. Tatsächlich kommt es in Marokko heute praktisch nicht vor, dass ein Mann mehrere Frauen hat. Sex ist sowohl für Männer wie auch für Frauen nur in der Ehe erlaubt, und dann logischerweise nur mit dem eigenen Partner. Außerehelicher Sex eines Mannes ist übrigens auch heute einer der wenigen Gründe, weshalb in Marokko eine Frau die Scheidung verlangen kann. Andere Gründe wären häusliche Gewalt oder die Unfruchtbarkeit des Mannes. Für Männer ist es deutlich leichter sich scheiden zu lassen. Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind in Marokko übrigens grundsätzlich verboten, und werden in letzter Zeit auch wieder stärker verfolgt, nachdem es zuvor eine gewisse stille Duldung gab. Der Koran sieht das übrigens auch überhaupt nicht vor. Um das Thema Koran an der Stelle zu Ende zu bringen, bedeutet das Wort Koran eigentlich Lesung / Rezitation. Man glaubt heute, dass der Prophet Mohammed selbst weder lesen noch schreiben konnte. In der Deutung der Muslime hat er wiedergegeben, was ihm der Erzengel Gabriel in sein Herz geschrieben hat. Der Erzengel Gabriel ist auch im Christentum und auch bei den Juden nicht eben völlig unbedeutend, und ist wieder eine diese Überschneidungen in diesen drei großen Religionen. Vielleicht ist diese gemeinsame Vergangenheit und dann verschiedenen Deutungen einer der Gründe, warum sich diese drei Religionen so schwer miteinander tun. Aber zurück zu Marokko aber auch den Imamen allgemein. Der Begriff Imam kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Es kann sich um jemanden handeln, der besondere intellektuelle religiöse Fähigkeiten oder Kenntnisse hat, oder ein religiös-politischer Führer ist. Meist sind aber die Vorbeter in den Gemeinden gemeint. Um überhaupt Imam im Sinne des Vorbeters werden zu können, ist es zunächst mal nötig alle Suren und Verse des Koran aus dem Kopf rezitieren zu können. Der Imam steht dann bei den täglich fünf Gebeten, Fadschr (Morgendämmerung), Zuhr (Mittag), Asr (Nachmittag), Maghrib (Sonnenuntergang) und Ischa (Abend) in der Gebetsnische, dem Mihrab, und rezitiert Koranverse. Durch die besondere Form wirkt die Gebetsnische wie ein akustischer Verstärker, um die Worte des Vorbeters zu der Gemeinde, die sich in seinem Rücken befindet, zu tragen. Gleichzeitig obliegt dem Imam aber auch die Deutung der Koran Verse, um sie in die heutige Zeit zu übertragen. Das gibt ihm großen Einfluss, und genau das ist auch der Grund, warum in Marokko deren Ausbildung und die Bezahlung vom Staat gesteuert wird. Somit liegt die Deutungshoheit dann indirekt auch beim Staat. Männer und Frauen beten getrennt voneinander. Vor dem Gebet sind rituelle Reinigungen durchzuführen, das ist schon ein Punkt, der zur Zeit der Entstehung des Islam revolutionär war. Zu der Zeit war regelmäßiges Waschen eher nicht üblich, und insbesondere auf den langen Karawanen auch nur schwer umsetzbar. Die Gebetszeiten richten sich nach dem Sonnenstand. Da die Sonne bekanntlich je nach Standort zu unterschiedlichen Zeiten auf- und untergeht, sind auch die Gebetszeiten dann von dem jeweiligen Ort abhängig. Und dann wird in Richtung der Kaaba, das Haus Gottes, und damit das größte islamische Heiligtum gebetet. Also in Richtung Mekka in Saudi-Arabien, wo nach islamischer Sicht die erste menschliche Behausung stand – übrigens von Adam errichtet. In Marokko glaubt man übrigens, wenn besonders viele Menschen gleichzeitig um etwas bitten, dann wird das eher von Allah, was übersetzt kein Name, sondern einfach „der Gott“ bedeutet, erhört. Gibt es also eine Dürre, kommt es in Marokko schon mal dazu, dass die Imame dann doch landesweit zu einer einheitlichen Zeit zum Gebet rufen, um gemeinsam um Regen zu bitten.

 

11. Reisetag        Boutaghrar -27.09.2023

 

Auch heute sind die Zeiten wieder wie gehabt also 8:00 Uhr Frühstück und eine halbe Stunde später soll es losgehen. Wie folgen weiter dem MGoun Fluss im Rosental. Anfangs geht es auf einer Piste am Ufer entlang, aber nach etwa 1 Stunde geht es dann auch wieder durch den Fluss. Gefühlt habe ich heute mehr der kleinen Steinchen in den Schuhen, so lehre die Schuhe schon kurz vor unserer ersten kleinen Rast aus. Meine Wasserschuhe haben ein relativ grobes Meshgewebe, was dann kleinste Steinchen vermutlich nicht sicher draußen hält, aber die meisten werden hinter an der Ferse rein gespült, oder auch beim Gehen im Uferbereich rein geschleudert. Aber wenn ich die Füße einiger Mitreisenden ansehe, bin ich froh, eben nicht in Trekkingsandalen unterwegs zu sein, auch wenn man da die kleinen Steinchen leichter wieder loswird. So haben doch einige ein bisschen Tape an den Füßen, was sich aber im Wasser dann doch wieder löst. Aber eine Wanderung, die zumindest streckenweise im Fluss verläuft, ist auch ungewöhnlich, ich jedenfalls kannte das bisher nicht. Das man mal Wasserläufe quert, und dazu Trekkingsandalen anzieht, auf der anderen Seite angekommen, die Füße wieder abtrocknet, und wieder in die Bergstiefel schlüpft, das ist nicht so ungewöhnlich. Gut meine „großen Treter“ sind ohnehin nicht mehr einsatzfähig. Das Kleben der Sohle hatte nicht wirklich funktioniert. Aber an den zwei Tagen im Fluss werden in unserer Gruppe auch drei Paar Trekkingsandalen verschlissen werden. Ganz offensichtlich ist die Reise beim Schuhwerk ein bisschen fordernd.

Auch wenn die Schlucht des MGoun heute nicht so schmal wie am Vortag ist, ist der Weg doch landschaftlich ausgesprochen schön. Heute begegnen uns auch ein paar Einheimische entweder zu Fuß oder auf einem Maultier auf unserem Weg. Ganz offensichtlich nutzen auch sie den Weg durch den Fluss, weil man sich dabei einige Höhenmeter am Rande der Schlucht erspart. Noch vor der Mittagspause führt uns unser Guide durch eines der Dörfer, statt sich durch die Pfade zwischen den Terrassenfeldern am Fluss durchzuschlängeln. Im Dorf werden wir mehrfach von vielen Kindern begrüßt, zumal wir direkt an der örtlichen Schule entlangkommen. Manche rennen immer mal wieder an uns vorbei, um uns dann erneut zu begrüßen. Da gibt es ein Hello, Bonjour um manches mehr. Die meisten Kinder können aber dann auch nur dieses eine Wort. Gut mehr Französisch wäre bei mir auch verschwendet. Aber ganz offensichtlich sind wir heute das Gesprächsthema Nummer eins im Ort. Geärgert hat sich unser Guide aber über etwas ganz Anderes: Den Müll auf den Straßen des Dorfes. Es liegen tatsächlich Unmengen davon überall herum. Da gibt es durchaus noch ein bisschen Potenzial zur Verbesserung. Wenn man das sieht, erscheint das Verbot von Plastikstrohhalm bei uns ein bisschen albern. Keine Frage, es kommt den reichen Industrienationen durchaus zu, an der Stelle mehr auf die Umwelt zu achten, und auch voran zu gehen, aber hier fehlt es noch ein bisschen an den Basics. Und unser Guide ist sichtlich darum bemüht, sein Land in ein gutes Licht zu rücken, und dann ärgert es ihn einfach, wenn er sieht, dass eben viele Marokkaner ihren Müll einfach in die Landschaft werfen. Ob es so viel besser ist, wenn täglich unser Müll am Rande des Camps verbrannt wird, kann ich kaum einschätzen. Aber alles andere ist natürlich auch schwierig. Eine Müllabfuhr gibt es hier in den kleinen Dörfern des Hohen Atlas natürlich nicht. Und alleine durch die Reise hinterlässt natürlich auch jeder Tourist, also ich auch, einen ordentlichen ökologischen Fußabdruck. Und natürlich hat jeder für sich eine „Ausrede“, warum das nicht so schlimm ist, oder wie man sich das schön rechnet. Und sei es durch zweifelhafte Kompensationszahlungen, mit denen zuweilen Umweltprojekte gefördert werden, die vor allem dem Zweck dienen, manchen die Taschen zu füllen. Ich will das nicht pauschal verteufeln, und es gibt sicherlich auch lohnende Projekte, aber wenn man etwas hört und/oder liest, dann eher von den schwarzen Schafen der Branche. Und das beruhigt dann zwar das Gewissen, hilft aber nicht wirklich. Aber vielleicht wollen wir als Verbraucher das auch so, wenn uns unser Paket klimaneutral vor die Haustür gestellt wird. Und nein, ich bin da auch nicht besser als andere, auch bei mir bringt der Paketdienst oder eines der gelben Fahrzeuge was nach Hause.

Aber zurück von den kleinen und großen philosophischen Fragen zu unserem Tag in Marokko. Auch heute machen wir wieder gegen 13 Uhr unsere Mittagspause. Wir sitzen wieder im Schatten eines großen Baums inmitten der Terrassenfelder. Wobei es mir zunehmend Probleme macht, beim Essen auf der Erde zu sitzen, und dabei eine halbwegs angenehme Position zu finden. Da ist man als Mitteleuropäer dann doch ein bisschen verweichlicht, da zwickt der Rücken dann doch. Nach dem Essen liegen wir dann auf einer Unterlage bis 15 Uhr mehr oder weniger regungslos im Schatten, um der größten Mittagshitze aus dem Wege zu gehen. Nach der Mittagspause geht es dann weiter trockenen Fußes am Fluss entlang. Zuweilen entfernen wir uns auch etwas vom Fluss, was dann sofort eine trockene Landschaft nahezu ohne jeglichen Bewuchs bedeutet, jedenfalls jetzt im Spätsommer. Nach etwa einer Stunde geht es dann noch ein bisschen durch und in den Fluss, bis wir dann wieder auf eine Piste treffen, die uns dann bis in den Ort Boutaghrar bringt. Gegen 17:15 Uhr erreichen wir schließlich auf unserer letzten Wanderetappe auf dieser Reise unser Hotel. Heute haben wir rund 21,5 Kilometer zurückgelegt, und sind dabei unterm Strich etwa 200 Höhenmeter abgestiegen, so befinden wir uns jetzt auf rund 1550m. Um keine Schlammspur zu hinterlassen, ziehen wir draußen unsere verdreckten Schuhe aus. Es lockt eine warme Dusche, ganz ohne Eimer oder sonstiges Hilfsmittel, einfach mit Duschkopf. Und das Abendessen gibt es für uns heute wieder auf einem Stuhl sitzend. Ein kleiner Luxus, der mir noch ein bisschen wichtiger ist, als die Isomatte gegen das Bett zu tauschen.

 

 

 

12. Reisetag        Marrakesch - 28.09.2023

 

Heute starten wir etwas früher in den Tag. Es steht ein Fahrtag auf dem Programm, und wir wollen gegen 8:00 Uhr abfahren. Zuvor verabschieden wir uns noch von unserem Begleitteam beim Trekking im Hohen Atlas. Unseren ersten Stopp auf der Fahrt nach Marrakesch machen wir in Kelâa M’Gouna, der Rosenstadt von Marokko. Schon in den Terrassenfeldern im Rosental, in dem wir in den letzten Tagen unterwegs waren, haben wir einige Rosenbüsche gesehen, aber das Zentrum ist rund um Kelâa M’Gouna. Rund um die Ortschaft gibt es rund 4200 Kilometer Rosenhecken, von denen im Frühjahr innerhalb von etwa 14 Tagen die Blüten geerntet werden. Rosen kommen übrigens ursprünglich aus Persien, und sind von Mekka-Pilgern hier her nach Marokko gebracht worden. Die hier angebauten Rosen sind Duftrosen und keine der bei uns bekannten Zierrosen. Zur Erntezeit werden hier an Spitzentagen bis zu 400 t der Blüten geerntet. Und dann muss es schnell gehen, damit die Blüten nicht zu Gehren beginnen, und man die Duftstoffe mit den Ätherischen Ölen aus den Blüten herausdestillieren kann. Aus einer Tonne Blüten bekommt man etwa 140 ml Rosenöl. Das klingt zunächst sehr wenig, relativiert sich aber bei einem Preis von etwa 1000 Euro pro 100 ml. Das gewonnene Rosenöl wird teilweise vor Ort in allerhand kosmetische Produkte weiterverarbeitet, aber auch an internationale Konzerne verkauft. So ist auch das Geschäft einer lokalen Kooperative unser Anlaufpunkt im Ort. Man zeigt uns die kleine Destillationsanlage und gibt uns dann logischerweise im angeschlossenen Shop auch noch die Gelegenheit, Produkte mit dem lokalen Rosenöl zu erwerben. Nun ja, das geht eher komplett an mir vorbei.

Wir kommen auf unserer Weiterfahrt nach Marakesch am Sonnenkraftwerk Noor, etwa 10 Kilometer vor Ouarzazate gelegen, vorbei. Noor steht im arabischen für Licht, was auch gut beschreibt, was hier passiert. Wobei man von der Straße eigentlich nur einen großen Solarturm sieht. Insgesamt besteht das Sonnenkraftwerk aktuell aus vier Bauabschnitten. Die beiden ersten Abschnitte sind zwei Parabolrinnenkraftwerke mit einer Leistung von 160 bzw. 200 Megawatt. Hier sind Parabolspiegel in Nord-Süd Richtung aufgestellt, und werden je nach Sonnenstand in der Neigung verändert. Dabei wird das aufgefangene Sonnenlicht auf ein Absorberrohr mit einem Wärmemedium gelenkt. Der dritte Abschnitt ist der Solarturm. Hier werden unzählige Spiegel am Boden so nachgeführt ausgerichtet, dass die Sonneneinstrahlung auf einen zentralen Absorberpunkt am oberen Turm gelenkt wird, und dort ebenfalls ein Wärmemedium erhitzt. Dabei können oben im Turm Temperaturen von über 1000°C erreicht werden. Meist werden bei solchen Anlagen Dampfturbinen mit dem Wärmemedium angetrieben. Man könnte solche Solartürme auch dazu verwenden, direkt grünen Wasserstoff zu erzeugen, da Wassermoleküle sich bei etwa 1700°C in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Die Anlage hier hat eine Leistung von 150 Megawatt. Und als vierten Bauabschnitt gibt es in dem Sonnenkraftwerk noch eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 72 Megawatt. Das Gebiet um Quarzazte bietet sich selbst für marokkanische Verhältnisse besonders für einen Sonnenkraftwerk an, da hier mit einer jährlichen Einstrahlung von rund 2600 kWh/qm gerechnet werden kann. Einer der höchsten Werte überhaupt auf der Welt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Sonne hier an praktisch 365 Tagen im Jahr ununterbrochen scheint. Zum Vergleich, in Deutschland liegt der Wert bei rund 900 – 1000, im Süden ist es eher der oberen Rand der Spanne, im Norden ist es eher der untere Rand. In Marokko hat man große Pläne mit der Solarkraft. Man möchte bis 2030 über 20 solcher Anlagen verfügen. Damit möchte man die Abhängigkeit vom Energieimport vor allem in Form von Öl und Gas deutlich reduzieren, der mit knappen Devisen bezahlt werden muss. Gleichzeitig will man, um die Wasserknappheit anzugehen, mehrere große Meerwasserentsalzungsanlagen bauen, die wiederum große Mengen an Energie benötigen. Partner bei der Meerwasserentsalzungsanlagen sind übrigens die Vereinigten Arabischen Emirate, die selbst bereits große Meerwasserentsalzungsanlagen betreiben.

Unser nächster Halt ist dann an der historischen Kasbah in Ouarzazate, die aktuell aber nur von außen besichtigt werden kann. So machen wir hier nur einen kurzen Fotostopp. Genau gegenüber liegt übrigens ein Museum, dass das Kino insbesondere mit Bezug zu Marokko zum Thema hat. Ouarzazate hat eine lange Tradition als Filmkulisse für große Blockbuster, so wurden Filme wie Gladiator, Der Medicus, Lawrence von Arabien aber auch Serien wie Games of Thrones hier teilweise gedreht. Etwas außerhalb der Stadt sind hier große Filmkulissen in die Wüste gebaut worden. Sowohl das Museum wie auch die Studios lassen wir aber buchstäblich rechts liegen. Unser nächstes Ziel ist Ksar Ait-Ben-Haddon. Schon von weitem sieht man die Fassade einer großen Kasbah mit großem Eingangsportal. Als Kasbah werden große aus gestampftem Lehm errichtete Festungen in den größeren Orten bezeichnet. Eine Ksar ist eher eine Befestigung eines Dorfes an den alten Handelswegen, sie sind einfach deutlich kleiner, aber ansonsten dienen eine Kasbah und Ksar dem gleichen Zweck. Aber was man sieht ist eine Fassade, und auch nur eine Fassade. Einiges von dem scheinbar neuen ist nur eine Fassade aus Pappmaschee und alles andere als historisch und diente ebenfalls als Filmkulisse. Aber der Ort hat tatsächlich eine historische Bedeutung. Es handelt sich um eine alte Karawanserei auf dem Handelsweg von der Atlantikküste nach Timbuktu. Er lag zur Zeit der Karawanen eine Tagesreise hinter der anstrengenden Überquerung des Hohen Atlas, was viele Karawanen früher dazu verleitete, hier ein paar Tage zur Erholung zu bleiben. Das machte die Einwohner von Ait-Ben-Haddon zu wohlhabenden Leuten, die sich den Schutz, den ihre Anlage bot, bezahlen ließen. Zunächst lebten hier lediglich 4 Familien, wobei Clans es wohl eher beschreibt, da diese jeweils leicht aus bis zu 70 Personen bestehen konnten. Sie bauten neben ihren Häusern eine Schutzmauer als äußeren Ring. Das Ganze war dann noch auf einer relativ steilen Anhöhe und direkter Nachbarschaft zu einem Fluss gelegen. Von dort oben hatte man einen guten Blick auf die Umgebung, und war dazu schwer anzugreifen. Dazu legte man Brunnen und Kornspeicher an, um sich gegen Belagerungen zu schützen. Auch wenn die Zeit der Karawanen natürlich längst vorbei ist, lebten immer Menschen hier. Wegen dem Fluss gab es Wasser und auch einen schmalen Streifen, der sich für die Landwirtschaft eignete. Dazu kam dann schon früh ein bisschen Tourismus. Das änderte sich 1987, als die alte Festungsanlage zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt wurde. Das führte dazu, dass im Dorf innerhalb der Festung praktisch keine Veränderungen z.B. bezüglich der Verlegung von elektrischen Leitungen, oder auch Wasserleitungen mehr vorgenommen werden durften. So lebt heute nahezu niemand mehr im alten Dorf, und es ist eher zu einem Museumsdorf geworden. Aber mit täglich hunderten Touristen, die sich durch die alte Festungsanlage schieben, wurde der Tourismus lukrativ. So sind in den Häusern und auch in einigen der kleinen Gassen kleine Händler, die ihr Geschäft zu machen versuchen. Die Einwohner von Ait-Ben-Haddon leben heute praktisch alle im neuen Dorf, das auf der anderen Flussseite direkt an der modernen geteerten Verbindungsstraße liegt. Verbunden sind das alte und neue Dorf mit einer Brücke über den Fluss. Aber als wir heute hier sind, könnte man auch einfach durch das völlig ausgetrocknete Flussbett gehen.

Für uns geht es von hier weiter in Richtung Marrakesch. Dazu überqueren wir den Tizi n’Tichka Pass, der mit 2260m die höchste Passstraße des Landes ist. Im Moment wird die Passstraße mal wieder saniert. Aber nicht alle Marokkaner sind mit dem Pass zufrieden. Viele hätten lieber stattdessen ein etwa 14 km langen Tunnel unter dem Hohen Atlas hindurch. Ein Tunnel ist der Regierung aber zu teuer, und so saniert man die Passstraße zurzeit ziemlich aufwendig, und bügelt dabei auch ein paar der zahlreichen Kehren und engen Kurven ein bisschen glatt. Das Problem mit dem Pass ist, dass dieser zwischen November und März immer mal wieder für Stunden manchmal auch für Tage wegen Schnee und teilweise verreister Straßen gesperrt werden muss. Das verhindert dann den Warenaustausch zwischen dem nördlichen dicht besiedelten Marokko und dem Saharavorland im Süden. Die Menschen im Süden argumentieren nun, dass es deshalb bei Ihnen kaum nennenswerte Investitionen gibt, da die Erreichbarkeit dieser Landesteile nicht das ganze Jahr durchgängig gewährleistet ist. Mit solchen Problemen haben wir jetzt im September logischerweise nicht zu kämpfen. So kommen wir gegen 17:15 Uhr an unserem Hotel in Marrakesch an. Die Millionen Metropole hat nur im Zentrum ein paar höhere Gebäude, und dehnt sich deshalb sehr weitläufig in der Fläche aus. Überall sieht man Arbeiter dabei, wie sie Straßen und Gehwege reinigen, der königliche Golfplatz in der Nähe des Stadtzentrums erstrahlt im saftigen grün, ebenso wie einige Verkehrsinseln der großen Kreisverkehre an den Hauptverkehrsstraßen. Man bereitet sich auf einen Kongress der Weltbank mit insgesamt 14000 Teilnehmern. Da will man sich natürlich von der besten Seite zeigen.

13. Reisetag        Marrakesch - 29.09.2023

 

Heute, an unseren letzten vollen Tag auf unserer Reise durch Marokko, steht eigentlich nur noch ein Punkt in unserem Reiseprogramm, eine Stadtbesichtigung von Marrakesch. Auch hier begleitet uns nicht unser Reiseleiter, der eine Ausbildung zum Bergführer hat, sondern ein lokaler Stadtführer. Unser erster Stopp ist die Koutoubia-Moschee im Zentrum der Stadt. Sie ist die große Freitagsmoschee, und bietet mit ihren 90x60m Platz für tausende Gläubige. Mit ihrer Fertigstellung erlangte Marrakesch im 12. Jahrhundert die Stadtrechte. Es wird angenommen, dass an ihrem Platz zuvor eine andere möglicherweise niemals fertiggestellte Moschee gestanden hat. Von dieser stammen auch die Sockel zahlreicher Säulen, die bis heute in direkter Nachbarschaft zur Moschee verblieben sind. Ungewöhnlich ist, dass sich die Moschee nicht direkt in der Medina befindet, sondern ein bisschen versetzt auf einer Freifläche steht. Außerdem ist sie als eine von wenigen in Marokko mit Steinen gemauert worden, und eben nicht mit Stampflehm erbaut worden. Beeindruckend ist ihr rund 70m hohes Minarett, das auf allen vier Seiten ein bisschen unterschiedlich aussieht. Selbst die Fenster sind in jeweils unterschiedlicher Höhe angebracht, was Licht in den Treppenaufstieg lassen soll. Die quadratischen Grundmaße des Minaretts mit einem Verhältnis von 1:5 zur Höhe und die Mosaik-Verzierungen oben gelten seit damals als Vorbild für viele Moscheen in Marokko. Um die vier goldfarbenen Kugeln auf der Spitze rankt sich das Gerücht, dass sie aus dem Schmuck der Frau des Sultans gefertigt worden sind, was wohl ein bisschen zweifelhaft ist. Sicher ist aber, dass sie heute nicht aus Gold bestehen. In Marrakesch darf, um den Ruf des Muezzins nicht zu stören, kein Gebäude höher als das Minarett der Kououbia-Moschee sein, was auch der Grund für die große Flächenausdehnung von Marrakesch ist.

Den Bereich des Königspalasts mussten wir auf unserer Stadtbesichtigung dann auslassen, da er zumindest aktuell nicht geöffnet ist. Vielleicht liegt das auch daran, dass mindestens an der umgebenden Mauer ein paar Beschädigungen beim Erdbeben vom 08.09.23 entstanden sind. Es sind zahlreiche Arbeiter dabei, die Beschädigungen vor allem an der Mauerkrone zu reparieren, und noch ein bisschen Schutt zu entsorgen. Die Stadtführer sind offensichtlich auch instruiert, die Touristen an den Schäden ein bisschen vorbei zu führen, was aber nicht immer komplett gelingt. So sehen wir auf unserem Weg in die Medina über den Djemaa el Fna, im Mittelalter Markt- und Henkersplatz, noch ein Haus, bei dem das Dach und die Fassade deutlich beschädigt ist. Aber auch hier sind schon Arbeiter bei der Sanierung des Schadens. Auf Deutsch übersetzt bedeutet der Name des Platzes übrigens sinngemäß Versammlung der Toten. Der Platz ist bis heute Marktplatz, auch wenn jetzt am Vormittag nur ein paar durchnummerierte Stände aufgebaut sind, an denen man allerlei frisch gepresste Säfte erstehen kann. Auch auf unserem Weg hier nach Marrakesch haben wir ein paar vereinzelte grüne Zelte gesehen, die vom Staat an Familien gegeben worden sind, deren Haus als Folge des Erdbebens nicht mehr bewohnbar ist. Später am Nachmittag sehe ich noch ein Haus in der Medina, das komplett eingestürzt ist. Die kleine Gasse davor liegt voller Schutt, und ist logischerweise abgesperrt. Davor stand dann noch ein schwer bewaffneter Polizist, bei dem ich nicht das Gefühl hatte, dass er es gutheißen würde, wenn ich davon ein Foto machen würde. Fairerweise muss man aber auch sagen, gefragt haben ich ihn auch nicht. Alle Familien, deren Haus in Folge des Erdbebens beschädigt worden ist, erhalten als staatliche Hilfe umgerechnet etwa 8000 Euro, alle deren Haus nicht mehr bewohnbar ist, erhalten eine Unterstützung von 18000 Euro für den Wiederaufbau. Gerade hier in Marrakesch ist man wegen der in der nächsten Woche stattfindenden internationalen Konferenz des Weltwährungsfonds sichtlich bemüht, die Spuren des Erdbebens schnellstmöglich zu beheben, und in der Außendarstellung ein Bild der Normalität zu zeigen, und zu beweisen, dass man alles Nötige nach dem Erdbeben selbst längst umgesetzt hat. Bei dem Erdbeben kamen nach offiziellen Zahlen über 2900 Menschen ums Leben. Und obwohl viele Länder wie auch Deutschland und Frankreich ihre Hilfe z.B. bei der Suche nach Opfern und der Versorgung mit Zelten, Wasser und anderem mehr angeboten haben, hat Marokko lediglich von den Ländern Spanien, Vereinigten Königreich, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten Hilfe angenommen. Die offizielle Version Marokkos dazu war, dass die Koordination der verschiedenen Organisationen bei der Hilfe, und dann auch wieder die Versorgung der Helfer selbst zu viele Kapazitäten binden würde, und man ohnehin selbst wüsste, was zu tun ist. Wie die Zustände im Magnitude-Zentrum, etwa 75Kilometer südwestlich von Marrakesch, des Erdbebens mit einer Stärke von 6,8 sind, kann ich logischerweise nicht realistisch einschätzen. Aber die Gegend ist weit weg, und eher von armen Kleinbauern geprägt, die in Häusern aus Stampflehm leben. Die Infrastruktur ist schlecht, und die Gegend im Hohen Atlas relativ unzugänglich. Und die erste offizielle Reaktion des Königs, und unumschränkten Staatsoberhaupts, wurde etwa 24 Stunden nach dem Beben veröffentlicht. Die Hilfe der vier besagten Länder nahm Marokko dann erst nach 48 Stunden an. Sogar Algerien, mit dem Marokko seit dessen Unabhängigkeit im Dauerstreit incl. Scharmützeln an der gemeinsamen Grenze lebt, hat unverzüglich den eigenen Luftraum für zivile Hilfsflüge auf den Weg nach Marokko freigegeben. Normalerweise ist dieser wegen der Streitigkeiten zwischen den Ländern gesperrt. Der König selbst hatte sich übrigens am 01.09. in sein 80 Millionen Anwesen nach Paris begeben, offiziell zur Behandlung einer Immunerkrankung. Insgesamt verbringt er etwa 200 Tage im Jahr im Ausland, und dann zumeist in der französischen Hauptstadt. Und wenn man einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 12.09.23 glauben darf, dann hat er vorsichtig formuliert zweifelhafte Freunde, und sein Interesse an seinem Land erscheint inzwischen eher begrenzt. Ähnliches findet man auch an anderer Stelle etwa der FAZ. Dabei galt er, als er nach dem Tod seines Vaters, der mit sehr harter Hand regierte, König wurde, als modern eingestellt. Er stieß auch einige für die arabische Welt durchaus geradezu revolutionäre Reformen an, wie das Recht auf Scheidung von Frauen, aber auch in der gesamten Modernisierung des Landes traf er zukunftsgerichtete Entscheidungen. Man hat fast ein bisschen das Gefühl, er wurde in ein Familienunternehmen hineingeboren, und wird es jetzt nicht mehr los, obwohl er längst die Lust daran verloren hat. Dabei sagt man ihm und seiner Familie inzwischen ein Milliardenvermögen nach, nicht schlecht für einen Monarchen, dessen Bevölkerung auf dem UN-Wohlstandsindex auf Platz 123 steht. In das Erdbebengebiet fuhr er erst am 12.09., also vier Tage nach dem Unglück. Und in der ersten Meldung, wie gesagt 24 Stunden nach dem Erdbeben, gab es im Fernsehen ein stummes Video im Fernsehen, das den König zusammen mit seinem Sohn, Ministern und hohen Militärs zeigt. Dazu kam die Information, das der König „erleuchtende Anweisungen“ für die Koordination der Hilfe gab. Trotzdem waren zumindest offiziell alle Marokkaner, mit denen wir über das Erdbeben und dessen Folgen gesprochen haben, voll des Lobes für den König. Und das gilt sowohl im Allgemeinen, als dann auch mit dem Krisenmanagement. Man hat Verständnis dafür, dass der König wegen seiner Krankheit so viel Zeit im Ausland verbringen muss. Und die Entscheidungen des Königs waren nahezu alle sehr gut, nicht nur jetzt bei der Bewältigung der Folgen des Erdbebens. Ob die Aussagen nun aus Überzeugung, oder weil man ein geeintes Marokko vermitteln wollte, zu Stande kommen, kann ich natürlich letztlich nicht wirklich einschätzen. Aber die Argumente z.B. bei der Bewältigung der Folgen des Erdbebens waren fast durchweg sehr nahe an der offiziellen Version der Regierung. Es mögen auch Gesetze in Marokko eine Rolle spielen, die vorsichtig formuliert, nicht unbedingt dazu anregen, die Aussagen und das Handeln des Königs zu kritisieren. Eben diese Gesetze mögen auch dazu beigetragen haben, dass auch sonst keine offizielle Stellungname zum Erdbeben und deren Folgen von der Regierung kam, bevor sich nicht der König als Staatsoberhaupt geäußert hat. An der Stelle vielleicht auch noch ein paar Sätze zum Erdbeben selbst. Wie schon gesagt, war das Epizentrum im Hohen Atlas, aber eigentlich nicht an der „Knautschzone“ zwischen der Europäischen und der Afrikanische Kontinentalplatte. Die Platten schieben mit einer Geschwindigkeit von etwa 5mm pro Jahr aufeinander zu. Das Atlas Gebirge ist ein Ergebnis dieser tektonischen Verschiebung, bei der sich die Platten aufeinander schieben. Und jetzt wurde der Druck dieser Auffaltung so groß, dass er sich in dem Erdbeben entladen hat. Wegen der niedrigen Geschwindigkeit bei der Verschiebung passiert das nur sehr selten, auch wenn es an anderen Stellen in Marokko relativ regelmäßig Erdbeben gibt, sind sie hier selten.

Wo ich hier heute schon ein bisschen entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten in meinen Reiseberichten auch in der aktuellen Politik herum rühre, gibt es noch ein paar Aspekte, die in diesen Kontext gehören. Wie oben beschrieben, hat Marokko überhaupt nur von vier Ländern Hilfe bei der unmittelbaren Bewältigung der Folgen des Erdbebens angenommen. Und wie es der „Zufall“ so will, sind das alles welche der wenigen Länder, die anerkannt haben, dass die West-Sahara zum Staatsgebiet von Marokko gehört. Ursprünglich ist das Gebiet von Spanien als Kolonie besetzt worden. Nach dem Rückzug der Spanier 1975 haben es zunächst Mauretanien und Marokko kurzerhand untereinander aufgeteilt. Das in dem Gebiet lebende Volk der Sahrawi wollte stattdessen einen eigenen Staat errichten, man gründete die Unabhängigkeitsbewegung Polisario, die anfangs auf dem Verhandlungsweg und später in einem blutigen Guerillakrieg ihr Ziel durchzusetzen versuchte. Sie gründeten den unabhängige Staat Demokratische Arabische Republik Sahara. Mauretanien gab auf dem Verhandlungsweg schnell seine Ansprüche auf, was aber nur dazu führte, dass Marokko das ganze Gebiet für sich beanspruchte. Die Sahrawi konnten in der Auseinandersetzung auf die Unterstützung Algeriens bauen. Marokko wiederum hatte nach der eigenen Unabhängigkeit von Frankreich 1956 Algerien in dessen Unabhängigkeitskampf gegen Frankreich unterstützt. Marokko wollte nach dem Sieg der Algerier, die alten historischen Grenzen zwischen Marokko und Algerien wiederherstellen, und die von den Franzosen auf der Landkarte gezogene Grenze wieder aufheben. Das hätte bedeutet, dass etwa 1/3 des heutigen Algerien an Marokko gefallen wäre. Einen schriftlichen Vertrag darüber gab es nicht. Nach dem Sieg der Algerier gegen die Franzosen wollten die von dem Ansinnen der Marokkaner zur Grenzziehung nichts wissen. Daher rühren bis heute auch noch die Scharmützel an der Grenze zwischen diesen beiden Ländern. Und nun unterstütze Algerien die Sahrawi im Kampf gegen Marokko. Schließlich zog Marokko 1984 einen 2700 km langen verminten Grenzstreifen durch das umstrittene Gebiet in der West-Sahara. Im Jahre 1991 wurde schließlich unter Vermittlung der UNO ein Waffenstillstand geschlossen. Der Kompromiss sah eine Volksabstimmung in dem Gebiet darüber vor, ob man zu Marokko gehören wollte, oder zum Staat Demokratische Arabische Republik Sahara, der aktuell nur aus einem kleinen nahezu unbewohnten Streifen Wüste besteht, und nur über eine Exil-Regierung verfügt. Inzwischen wird dieses Gebilde auch nur noch von 46 Staaten anerkannt. Bis heute hat diese Volksabstimmung nicht stattgefunden. Marokko und die Sahrawi sind uneins darüber, wer wahlberechtigt ist. Marokko ist der Meinung, alle die heute dort wohnen, nach Ansicht der Sahrawi nur wer 1975 in dem Gebiet gewohnt hat bzw. deren Nachkommen. Worum geht es letztlich dabei? Das Gebiet ist etwa 266.000 Quadratkilometer groß, und es sollen knapp 550.000 Menschen dort leben. Davon sind etwa 150.000 Angehörige der marokkanischen Armee. Dann gibt es, auch durch Marokko gefördert, 300.000 Einwohner mit teilweise marokkanischen Wurzeln, und etwa 105.000 Sahrawi. Darüber hinaus leben noch etwa 180.000 Sahrawi in fünf Flüchtlingscamps in der algerischen Wüste, die mehr schlecht als recht von Algerien mit internationaler Hilfe versorgt werden. Tatsächlich geht es aber weniger um die Fläche oder die Menschen, sondern um wirtschaftliche Interessen. Vor der Atlantikküste gibt es reiche Fischgründe, und vor allem gibt es dort die große Phosphatmine Bou Craa, die alleine etwa 10% der weltweiten Menge an Phosphatgestein fördert, dass später in der Düngerindustrie Verwendung findet. Das Gestein wird übrigens mit dem längsten Förderband der Welt über eine Strecke von 100km zum Hafen von El Aaiún transportiert. Auch ohne Bou Craa ist Marokko der größte Phosphatproduzent der Welt. So beutet Marokko in der West-Sahara aktuell die Bodenschätze aus bzw. nutzt die Fischbestände, wobei hier häufig vor allem Fangquoten meist an europäische Fischer verkauft werden. In den Flüchtlingscamps in Algerien aber auch bei den übrigen Sahrawi gehrt es in den letzten Jahren wieder zunehmend, insbesondere die junge Generation fühlt sich von Marokko um ihre Zukunft betrogen. Es gibt wieder lauter werdende Stimmen, die erneut zu den Waffen greifen wollen. Als Randnotiz sei noch erwähnt, dass die marokkanischen Fischer kaum mit den modernen Fischereischiffen aus der EU vor der marokkanischen Küste konkurrieren können. Die Meere gelten als zunehmend überfischt. So werden die Fischer in Marokko immer weniger, dafür sind vor allem Frauen mit dem Pulen von Krabben beschäftigt, die zunächst auf langen Transporten zuerst nach Marokko gekarrt werden, und dann später wieder zurück in die Herkunftsländer wie etwa Deutschland.

Bei unseren Gesprächen mit Marokkanern waren diese übrigens sehr Stolz, welche Entwicklung das Land in den letzten 15 Jahren genommen hat. Man sieht sehr gute Chancen bei der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien. Man hat ein riesiges Potential bei Solarenergie, aber auch bei der Windenergie gibt es insbesondere an der Atlantikküste nahezu ideale Bedingungen. Man baut den Tourismus weiter aus, was mehr Devisen ins Land bringt, und Arbeitsplätze schafft. Gleichzeitig steigt auch die Industrieproduktion. Insbesondere im Automobilbau ist man inzwischen nach Südafrika der zweitgrößte Produzent auf dem Kontinent. Wesentlich voran gekommen ist man dabei durch die Fabriken der beiden französischen Hersteller Renault und Peugeot, der heute in Stellantis aufgegangen ist. Und die Erfolge der letzten Jahre sind auch deutlich, so hat sich das Bruttosozialprodukt in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Der Anteil an produzierten bzw. weiterverarbeiteten Gütern steigt, man verkauft nicht mehr nur landwirtschaftliche Produkte oder auch Rohstoffe. Die Wertschöpfungskette verlängert sich. Ein bisschen speziell ist dabei, dass daran häufig französische Firmen beteiligt sind. Gleichzeitig ist die Meinung der einfachen Leute zu Frankreich ein bisschen zwiespältig. Auch das muss wieder vor der Geschichte gesehen werden. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts unternahm Deutschland Versuche Marokko stärker an sich zu binden, was Frankreich mit politscher Unterstützung aus Großbritannien zu verhindern suchte. Später entsendete Frankreich zur Manifestierung des eigenen Anspruchs Truppen ins Land, was Spanien seinerseits veranlasste ebenfalls Truppen in angrenzende Gebiete zur Straße von Gibraltar und einige Inseln zu entsenden. So war in Marokko zwar offiziell der Sultan weiter das Staatsoberhaupt, aber die Macht lag bei den Franzosen. Sie erklärten Marokko zu ihrem Protektorat. Die Hauptstadt wurde nach Rabat verlegt. Französische Firmen breiteten sich im Land aus, und französisch wurde Amtssprache. Erst 1956 wurde Marokko dann wieder unabhängig. Aber ein wesentlicher wirtschaftlicher Einfluss Frankreichs blieb. So haben viele in Marokko das Gefühl, dass das Land bis heute von Frankreich ausgebeutet wird. So denkt man offensichtlich heute eher abschätzig über Frankreich, auch weil es bis heute in ehemaligen Kolonien und Protektoraten in Afrika militärisch auftritt, und sich aus Sicht der normalen Marokkaner auf der Straße scheinbar wie ein „Aufpasser“ verhält, und auch in vielen ehemaligen Kolonien und Protektoraten militärische Basen unterhält, und dann bei Konflikten innerhalb des Landes auch „gerne“ eingreift. Oder auch mal scheinbar im Hintergrund Strippen zieht. Wie das zuletzt etwa in Mali, Niger oder Burkina Faso mit eher mäßigem Erfolg geschah. Viele Marokkaner glauben, dass dies auch die Menschen in diesen Ländern als Bevormundung empfinden, und Frankreich auch alleine schon deshalb ablehnen. Bis heute unterhält Frankreich in mehreren Ländern wie dem Senegal, der Elfenbeinküste oder im Tschad Militärbasen. Und auch in Marokko ist Französisch, obwohl keine Amtssprache, allgegenwärtig im Land. So pflegen viele Entscheidungsträger in Marokko auch heute noch enge Kontakte zu Frankreich. Auch auf vielen Straßenschilder stehen die Namen noch in französischer Sprache. Und auch der industrielle Aufstieg der letzten Jahrzehnte wurde ganz wesentlich von französischen Investitionen getragen. Auch stellen die Franzosen bei weitem die größte Gruppe bei den ausländischen Touristen. So ist es für die Marokkaner scheinbar auch ein bisschen eine Hassliebe, man will eigentlich nicht, aber kann auch nicht ohne.

So jetzt habe ich eine weite Schleife durch die Politik und die jüngere Geschichte, und auch ein bisschen durch das von mir subjektiv aufgenommene Seelenleben der Marokkaner gedreht, Zeit auch mal wieder auf meinen letzten Tag im Land zurück zu kommen. Wir kommen bei unserem Rundgang durch die Medina von Marrakesch auch am ältesten erhaltenen Gebäude von Marrakesch aus dem elften Jahrhundert vorbei. Dabei handelt es sich um eine Anlage zur religiösen Waschung vor dem Gebet. Sie befindet sich einige Meter unter dem normalen Straßenniveau, an einem der alten unterirdischen Wasserkanäle. Mit deren Hilfe wurde das Wasser früher aus dem hohen Atlas unterhalb der Stadt durch kilometerlange Leitungen an verschiedene Orte in der Stadt gänzlich ohne weitere Hilfe transportiert. Von dort geht es für uns zur Madrasa Ben Yousef Koran Schule. Auch sie verfügt über einen großen Innenhof mit einem großen Wasserbecken für die religiösen Waschung vor dem Gebet. Wie etwa schon in Fes ist das Gebäude innen sehr reichhaltig mit Keramik, Carrara-Marmor, Stuckarbeiten bis hin Zedernholz-Schnitzereien verziert. Zu der Anlage, die von außen recht unauffällig aussieht, gehören mehrere hundert, manche Angaben sprechen von 600 andere von 900, Studierzimmer. Diese Räume sind keine 10 m² groß, und dienten als Übernachtungsmöglichkeit für die Studenten, aber gleichzeitig auch um sich zum Lesen oder auch Verfassen von Schriften zurückzuziehen. Alle Räume und selbst der große Innenhof ist dabei relativ kühl, und dass das ganze Jahr über. Das liegt auch hier an der besonderen Architektur, mit mehreren kleinen überdachten Innenhöfen, über die die warme Luft aufsteigen und dann oben unterhalb des Dachs entweichen kann. Als Abschluss der Stadtführung gehen wir dann noch zu einem Händler von allerhand natürlichen Substanzen, die sich auf verschiedensten Gebieten positiv auf die Gesundheit bzw. das Wohlbefinden auswirken sollen. Was soll ich sagen, der Verkäufer hat einen weißen Kittel übergezogen, was ihm einen Hauch von wissenschaftlicher Expertise verleihen soll, und dann redet er in einer beeindruckenden Geschwindigkeit über seine Produkte. Sicherlich haben einige auch positive Eigenschaften, das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber mir drängt sich dabei der Vergleich mit einer „Butterfahrt“ auf, bei der jemand seine Heizdecken anpreist, als wenn es kein Morgen gibt, und am Ende bekommt derjenige, in unserem Fall unser Stadtführer, eine Provision für die verkauften Heizdecken, pardon natürlichen Ingredienzien. Bei so was stelle ich schon automatisch auf Stur und kaufe nichts. Also lasse ich mich ein halbes Stündchen berieseln, und gebe gerne mein immer noch leeres kleines im Vorfeld zur Sicherheit ausgehändigtes Körbchen zurück. Damit ist die Stadtführung dann auch beendet.

Am Nachmittag gehe ich noch mit einigen Mitreisenden ein bisschen durch den Souk. Wobei nicht alle Geschäfte heute überhaupt geöffnet haben. Gestern war der Geburtstag des Propheten Mohammed, dem Begründer des Islams. Der Tag ist entsprechend ein hoher Feiertag im Land, und alle Schüler aber auch Beamten und die meisten anderen Arbeitnehmer haben frei. Heute ist Freitag, an dem man üblicherweise in die Moschee für die Gebete geht. Deshalb sind auch deutlich weniger Touristen unterwegs, und die Souks sind nicht so gefüllt. Trotzdem geht‘s zuweilen in den Gassen ein bisschen eng zu, wenn die Waren buchstäblich durch die kleinen Gassen gekarrt werden, oder die unzähligen kleinen Mopeds sich hindurchwinden. Insgesamt fällt im Gegensatz zu Fes oder Mekness auf, dass man kaum noch Handwerksbetriebe sieht. Fast alle sind inzwischen Händler von Souvenirs oder auch einigen Dingen des täglichen Bedarfs bis hin zu Gewürzen, Tees, Oliven oder auch Körben und Gewändern. Gegen Abend sichern wir uns dann noch einen Platz auf einer der Dachterrassen, von denen man einen guten Blick über den Djemaa el Fna, also dem großen Markplatz zwischen Koutoubia Moschee und der Medina, hat. Gegen 17:00 Uhr nach dem großen Nachmittagsgebet füllt sich der Platz plötzlich mit zahlreichen Ständen und Garküchen. Auch sie werden mit Karren herangeschafft, und dann blitzschnell aufgebaut. Kaum eine halbe Stunde später fängt man bereits an zu brutzeln. Außerdem finden sich noch einige Schausteller. Es gibt Schlangenbeschwörer, aber auch welche mit mehr oder weniger zahmen Affen, Gruppen mit Trommlern und Tänzern bis hin zu Wasserträgern in historischen erscheinenden Gewändern. Von und mit allen kann man Fotos machen, gegen einen mehr oder weniger kleinen Obolus versteht sich. Und damit geht dann auch die Sonne unter, und unsere Reise neigt sich so langsam dem Ende entgegen.

Hier in Marrakesch ist alles deutlich touristischer als in Fes oder Meknes, den beiden anderen Königsstädte, die wir besucht haben. Dort gehörte es schon aus Respekt vor der marokkanischen Kultur dazu, sich angemessen mit Kleidung zu bedecken, also keine kurzen Hosen, und Frauen sollten sich nicht zu offenherzig zeigen. Das ist hier in Marrakesch bei den meisten Touristen eher nicht angekommen. Dafür kann man hier nahezu überall mit Kreditkarte zahlen. Oder wie am Abend das Essen auch gemischt mit den (fast) letzten Dirham und Euro gemischt.

14. Reisetag        nach Hause - 30.09.2023

 

Heute geht es relativ früh los. Gegen 7:30 Uhr soll uns der Transfer-Shuttle zum Flughafen abholen. Frühstück soll ab 7:00 Uhr möglich sein. Es ist auch schon fast alles bereit, es fehlen nur noch Käse, Wurst und vor allem das Brot. Dafür gibt es schon die typischen süßen marokkanischen Leckereien in großer Auswahl, die mich vermutlich mit genug Kalorien für den ganzen Tag versorgen würden. Nicht dass ich im Allgemeinen Kalorien zählen müsste, oder das tue, aber die sind mir zum Frühstück dann doch ein bisschen zu heftig. So versuche es mit anderen aus dem Angebot, darben muss man auch ohne Brot wahrlich nicht. Der Transfer-Shuttle ist mehr als pünktlich, und der Verkehr in Marrakesch ist noch relativ spärlich. So sind wir kurz nach 8:00 Uhr auch schon am Flughafen in Marrakesch. Es ist noch nicht viel los, so geht es relativ zügig bis zum Gate. Für uns geht es zunächst bis nach Casablanca, wo wir nach weniger als einer Stunde Flugzeit sehr pünktlich gegen 11:15 Uhr landen. Dort werden wir mit einem Bus auf dem Flugfeld abgeholt und zum Terminal gebracht. Dort geht es für uns noch mal durch einen Sicherheitscheck. Da wir dann noch mal den Terminal wechseln müssen, und die Ausschilderung am Flughafen nicht so ganz optimal gelöst ist, müssen wir uns dann doch ein bisschen sputen. Schließlich soll es um 12:30 Uhr weiter in Richtung Frankfurt gehen. Aber die Ausschilderung hatte uns ja auch schon bei der Anreise ein bisschen verwirrt, sodass wir unseren Reiseleiter nur mit etwas Verzögerung gefunden hatten. Wir erreichen unseren Flieger rechtzeitig, wobei sich der Abflug dann doch noch ein bisschen verzögert. So landen wir auch etwas verspätet in Frankfurt. Das Gepäck braucht noch etwas, aber immerhin ist es auch in Frankfurt. Ich hatte mir im Vorfeld zwei Zugverbindungen herausgesucht, wegen der leichten Verspätung hat sich der erste zugegeben etwas optimistische Variante längst erledigt. So bleibt noch mehr als genug Zeit, um eine Kleinigkeit als Abendbrot zu kaufen. Der Zug verbummelt dann noch ein bisschen Zeit, was aber wegen einer relativ langen Umsteigezeit in Bremen für mich kein Problem ist. Letztlich erreiche ich kurz vor 1:00 Uhr in der Nacht meinen Heimatbahnhof.