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    Totenkopfaffee

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    Sonnenaufgang mit dem Viluchinsky im Hintergrund

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    Kolumbien

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    Kanada

    Morgenstimmung am Pyramid Lake

Reiseland Marokko

 

Marokko gehört aus europäischer Sicht zu den Ländern, die irgendwie gleichzeitig weit weg klingen, und doch nah sind. Und beides stimmt – irgendwie. Und das ist auch einer der Gründe für meine Reise nach Marokko. Das Land ist nur wenige Kilometer von Europa entfernt, und ist logischerweise auch von Europa beeinflusst. Umgekehrt hat es natürlich auch Europa und hier insbesondere Spanien beeinflusst. Und Marokko liegt in Afrika. Ein Kontinent, der auch oder gerade weil ich dort schon ein paar Länder besuchen durfte, für mich immer wieder auf ganz unterschiedliche Art und Weise faszinierend ist. Und dann ist da noch die Beeinflussung durch den Islam und dessen arabischen Wurzeln. In Marokko hat es von außen sichtbar nicht den „Arabischen Frühling“ gegeben, der in vielen Ländern im südlichen Mittelmeerraum und auch der arabischen Halbinsel zu großen gesellschaftlichen Verwerfungen und teilweise blutigen Unruhen geführt hat. So verbindet Marokko viele unterschiedliche Einflüsse, und macht daraus etwas ganz Eigenes. Marokko ist bunt, hat aber auch ein Bewusstsein für die eigene Geschichte. Und so sind heute die Berber-Wurzeln sehr präsent. Gleichzeitig muss man auch sagen, es nicht alles „rosarot“ in Marokko. Aber diese Gemengelage macht das Land aus und gleichzeitig spannend. Dazu hat das Land noch ein paar mächtige Bergregionen, die dazu einladen, sich dort ein bisschen zu bewegen. Und wer mich kennt, kann sich denken, an der tausende Kilometer langen Küste habe ich nicht am Strand herum gelegen.

Nicht unerwähnt bleiben soll an dieser Stelle, dass es nur wenige Wochen vor meiner Reise nach Marokko, dort ein schweres Erdbeben ca. 80Kilometer südöstlich von Marrakesch gegeben hat. In den Nachrichten war häufig ein bisschen verallgemeinernd die Rede davon, dass das Epi-Zentrum "bei" Marrakesch lag. Das stimmt natürlich, aber ist gleichzeitig auch irreführend. Im Vorfeld habe ich natürlich abgeklärt, ob es aktuell sinnvoll oder die Reise überhaupt durchführbar ist. Es stand für mich außer Frage, dass es keinen Sinn machen würde, wenn "dumme Touristen" Ressourcen für die Hilfe der Opfer belegen, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden können. Der Reiseveranstalter hat die Reise für eindeutig unbedenklich und durchführbar eigestuft. Auch von offizieller Seite gab es keine entsprechende Warnhinweise. Auf der anderen Seite ist der Tourismus für Marokko auch eine sehr wichtig Einnahmequelle und bringt damit auch in dieser schwierigen Situation Geld ins Land

1. Reisetag        Casablanca - 17.09.2023

 

Für mich geht es kurz nach 8:00 Uhr zum heimatlichen Bahnhof. Um dann über Bremen nach Frankfurt zu fahren. Wegen einer Baustelle bei Düsseldorf, und daraus folgender kleinen Wartezeit unmittelbar vor der Einfahrt im Bahnhof von Köln, bin ich schließlich rund eine halbe Stunde hinter dem Fahrplan am Flughafen. Da der Reiseveranstalter empfohlen hat, 4 Stunden vor der geplanten Abflugzeit da zu sein, habe ich noch reichlich Puffer. Weder bei der Passkontrolle noch beim Sicherheitscheck gibt es irgendwelche Wartezeiten. Bei letzterem bin ich mal wieder für den Sprengstofftest ausgewählt worden, welche aber natürlich negativ ausfällt. Da das Gate bzw. der Wartebereich davor erst 2 Stunden vor dem geplanten Abflug geöffnet wird, muss ich noch ein bisschen Zeit totschlagen. Wir verlassen dann aber fast pünktlich gegen 17:55 Uhr die Parkposition auf dem Flugfeld um nach Casablanca zu starten, wo wir dann etwas verspätet gegen 20:45 Uhr Ortszeit landen. Ein Einreiseformular brauchen wir nicht auszufüllen. Dafür verläuft die Passkontrolle selbst etwas unkoordiniert, da die Leute aus zwei Warteschlangen wahllos irgendwelche Schalter zugewiesen werden, wo sich dann wieder eine kleine Schlange bildet. Die Kontrolle selbst verläuft dann offensichtlich auf wieder unterschiedlich intensiv. Als auch das geschafft ist, geht es noch zu einer weiteren Passkontrolle und dann mit dem eingesammelten Gepäck zügig am Zoll vorbei. Offensichtlich haben wir mit vier Leuten aus unserer Reisegruppe einen falschen / anderen Ausgang genommen als vorgesehen. Es ist zunächst niemand zu sehen, der uns abholt. Auch sonst sind hier relativ wenige Leute unterwegs, auch wenn sich auf der anderen Straßenseite scheinbar der Parkplatz befindet. Aber auch das lässt sich schließlich klären, und wir fahren gemeinsam mit den anderen Reiseteilnehmern aus unserer Maschine mit einem Kleinbus zu unserem Hotel. Dort eingetroffen, sammelt unser Reiseleiter zunächst einmal die Reisepässe für die Registrierung im Hotel ein. Er selbst schreibt zusätzlich noch eine Liste mit unseren Reisepassnummern, mit der er dieses Procedere an den nächsten Stationen ein bisschen vereinfachen möchte. Gegen 22:00 Uhr schließlich beziehen wir unsere Zimmer. Ich überzeuge dann gleich noch mal den Bankautomaten in der Lobby des Hotels, mir ein paar Dirham herauszurücken, wovon mit den ersten gleichen in einem kleinen Kiosk, ca. 100 m die Straße runter, Mineralwasser kaufe. Der kleine Kiosk ist eher eine kleine Bretterbude von ca. 2 × 3 m, die hier am Straßenrand in der Innenstadt von Casablanca steht, und noch immer offen ist. Immerhin ist es jetzt schon ca. 22:30 Uhr. Auf der Seitenstraße vor dem Hotel sind kaum noch Fahrzeuge unterwegs, und es sind auch sonst kaum mehr als eine Hand voll Passanten unterwegs. Aus dem Bankautomaten konnte man übrigens maximal 2000 Dirham ziehen, was umgerechnet etwa 185 Euro sind. Immerhin hatte ich Glück, und habe nicht nur große Scheine bekommen. Im Reiseführer hatte ich irgendwo gelesen, dass er zuweilen ein bisschen Probleme machen würde, und nicht alle immer entsprechend wechseln könnten, oder zumindest nicht gerne wollen.

2. Reisetag        Meknes - 18.09.2023

 

Nach einem reichhaltigen Frühstück, dass sogar Käse und Wurst umfasste, was ich so eigentlich nicht erwartet hatte, beginnen wir unseren Tag mit einer kleinen Stadtrundfahrt durch Casablanca. Die Stadt mit ihren etwa 4 Millionen Einwohnern ist das wirtschaftliche Zentrum des Landes. Damit einher geht auch eine große wirtschaftliche Spreizung der Bevölkerung. Es gibt die sehr reichen, aber auch die sehr armen Schichten in der Stadt. Und nach wie vor gibt es einen größeren Zuzug vom Land in die Stadt, und insbesondere diese Menschen zählen anfangs eher zu denen mit eher schwierigen Lebensbedingungen. Die Stadt ist touristisch nicht unbedingt ein Highlight des Landes. In den Straßen geht es quirlig zu, wozu auch die vielen kleinen Mopeds und Roller ihren Beitrag leisten, die sich durch den Verkehr schlängeln. Und wie fast überall auf der Welt gehören die wirtschaftlichen Zentren nicht unbedingt zu den sehr sauberen Ecken, so liegt auch in den Straßen von Casablanca ein bisschen Müll herum. Unsere kleine Runde mit dem Bus durch die Stadt führt uns vor allem zur Hassan II Moschee. Sie trägt den Namen des Vaters vom heutigen König, der während der Bauzeit von 1986 – 1993 amtierte, die Eröffnung fand übrigens anlässlich seines 60. Geburtstags bereits im Jahr 1989 statt, also mehrere Jahre vor der eigentlichen Fertigstellung. Die Moschee ist eine der ganz wenigen im Lande, die, gegen ein Eintrittsgeld versteht sich, auch von Ungläubigen, also Unreinen, vormittags im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann, wovon wir aber keinen Gebrauch machen, zumal es dafür oftmals längere Wartezeiten gibt. Schließlich steht heute noch ein gutes Stück Fahrzeit und eine Besichtigung in Meknes auf unserem Programm. Trotzdem noch ein paar Sätze zu diesem monumentalen Gebäude. Die Moschee steht teilweise auf Säulen, und ist in den Atlantik hineingebaut. Sie hat mit fast 200 m das zweithöchste Minarett der Welt. Ein höheres gibt es lediglich seit 2019 in Algier, aber das Verhältnis mit Algerien ist ohnehin belastet, da wundert es auch nicht, dass man dem dort noch etwas draufsetzen wollte. Die Baukosten sollen umgerechnet rund 500 Millionen Euro betragen haben. Finanziert wurde sie aus Steuergeldern, wesentlich aber auch durch wohl nicht immer ganz freiwillige Spenden der Bevölkerung. Es waren rund 35000 Arbeiter am Bau beteiligt, auch hier wird gemunkelt, nicht alle sollen immer ganz freiwillig daran mitgewirkt haben. Beim Bau hat es mehrere schwere Arbeitsunfälle gegeben. Die Materialen für den Bau stammen zum allergrößten Teil aus Marokko selbst. Auf Hassan II bezieht sich auch der Entwurf der Moschee des in Marokko lebenden französischen Architekten Michel Pinseau. Der König wünschte sich ein großes Gebäude, auf das die Stadt und ganz Marokko Stolz sein könnte, und außerdem sagte er „Ich will, dass dieses Bauwerk auf dem Wasser erbaut wird, denn Gottes Thron erhebt sich auf dem Wasser. Die Gläubigen, die dorthin gehen um zu beten, stehen auf festem Grund und können dort Gottes Himmel und Meer betrachten“. Damit erklärt sich auch die exponierte Lage direkt an der Küste, außerdem kann das Glasdach geöffnet werden. Und wahrlich groß ist die Moschee, der Hauptgebetsraum misst etwa 100x200m, und bietet damit mehr als 20000 Gläubigen Platz. Im Hauptgebetsraum gibt es übrigens eine Fußbodenheizung, teilweise aber auch einen Glasboden, durch den man das Meer sehen kann. Und nachts gibt es einen kilometerlangen grünen Laserstrahl, der den Weg nach Mekka weist.

Nach dem Besuch der Moschee verlassen wir Casablanca auch wieder. Dabei fahren wir übrigens auch an „Ricks Cafe“ vorbei. Das Restaurant und Bar ist eine freie Nachbildung aus dem Jahre 2004, das sich auf dem berühmten Film Casablanca mit Humphrey Bogart und Ingrid Bergmann von 1942 bezieht. Das Original Cafe in dem Film existierte übrigens lediglich in den Filmstudios in Hollywood und hatte keinen realen Bezug. Auffällig ist aber schon, dass es nur relativ wenige Wegweiser in der Stadt gibt. Für Unkundige sicherlich ein Problem, aber unser Fahrer scheint sich bestens auszukennen. Innerhalb der Stadt verkehren kleine rote Taxis mit drei Sitzplätzen. Die umliegenden Ortschaften erreicht man mit den weißen sechssitzigen Sammeltaxis. Darüber hinaus hat die Stadt einen Bahnhof, es gibt aber nur sehr wenige Schienenverbindung, die nur die größten Städte des Landes verbinden. Und für Casablanca deutlich wichtiger ist der große internationale Flughafen der Stadt. Gleiches gilt auch für den großen Hafen, vor dessen Einfahrt man auch von der großen Hassan II Moschee zahlreiche Frachtschiffe auf Entladung wartend sieht.

Wir verlassen die Stadt über die mautpflichtige Autobahn in Richtung Rabatt, dabei fahren wir auch ein gutes Stück die insgesamt 3500 km lange Küstenlinie entlang, bevor es dann weiter in Richtung des Landesinneren geht. Die Weiden am Rande der Straße sehen mehr als dürftig aus. Es sind ein paar Maultiere und Schafe zu sehen. Gras, insbesondere grünes Gras, gibt es praktisch nahezu keins mehr. Auch Marokko leidet aktuell unter einer langen Trockenheit. Sobald wir die Abzweigung Richtung Meknes genommen haben, gibt es am Straßenrand auch ein paar Büsche und Bäume. Bei Letzteren handelt es sich anfangs meist um Korkeichen, die im unteren Bereich auch mehrfach abgeerntet worden sind. Je weiter wir in Richtung Meknes vorankommen, desto mehr sieht man auch die schwarzen PE-Schläuche für die künstliche Tröpfchenbewässerung auf den dann teilweise grünen Feldern. Zu den angebauten Früchten zählen unter anderem auch Melonen, die aber aufgrund des hohen Wasserverbrauchs beim Anbau zunehmen umstritten im Land sind. Und für die Landwirtschaft wird viel Wasser benötigt, das mittels Pipelines aus dem Atlasgebirge in die relativ fruchtbare Gegend um Meknes rangeschafft werden muss. Im Moment vergräbt man einen neuen Rohrstrang direkt an der Autobahn, der gefühlt einen Durchmesser von etwa 1,50m hat. In Meknes gibt es durchschnittlich etwa 575 Liter Regen pro Quadratmeter und Jahr. Der fällt allerding fast ausschließlich im Winter. Die Temperaturen schwanken zwischen 15 und 35°C, nur im Januar wird es mit minimal um die 6°C noch mal deutlich kühler. Damit gilt das Klima für Marokko als vorteilhaft gemäßigt. Um Meknes herum sind Olivenbäume sehr verbreitet. Im Großraum von Meknes werden rund 38% der Olivenöl-Produktion von ganz Marokko geerntet. Aber die letzte Ernte war schlecht, im Gegenzug hat sich der Preis von Olivenöl im letzten Jahr glatt verdoppelt. Dabei hat sicherlich auch der Ukraine Krieg mit dem fehlenden Rapsöl auf dem Weltmarkt eine Rolle gespielt.

Gegen 14:45 Uhr erreichen wir schließlich unser Hotel in Meknes, wo wir gegen 15:30 Uhr wieder aufbrechen, um uns mit dem lokalen Guide für die Innenstadt zu treffen. Meknes gehört zu den vier Königsstädten in Marokko. Die Stadt wurde zwar bereits im 11 Jahrhundert gegründet, aber incl. Ihrer Festungsanlagen im Jahre 1145 nahezu komplett zerstört. Im bescheidenen Umfang wurde sie danach wieder aufgebaut, ihre Blütezeit erreicht sie dann unter Mulai Ismail, der von 1672 - 1727 Sultan im erstmals geeinten Marokko war. Er baute eine große Armee teilweise aus sudanesischen Sklaven auf, mit denen er die örtlichen Berberstämme unterwarf, aber auch die Europäer aus dem Land vertrieb, teilweise sogar europäische Sklaven von örtlichen Piraten kaufte. Er galt als grausam und blutrünstig, der auch schon mal ein Todesurteil aus einer persönlichen Laune heraus fällte, und dieses teilweise sogar selbst ausführte. Weil er den Menschen in der damaligen Hauptstadt Fes misstraute, machte er kurzerhand Meknes zu seiner Hauptstadt. Übrigens ist Meknes als einzige der vier Königsstädte Marrakesch, Rabatt, Fes und eben Meknes nur einmal Regierungssitz gewesen, unter Mulai Imail, der zu der bis heute regierenden Alawiden Dynastie gehörte. Er ließ einen großen Königspalast, eigentlich eher ein riesiges Areal, bauen, und gilt deshalb als Gründer des heutigen Meknes. Meknes kann grob in drei Teile aufteilt werden. Da ist das „neue“ Meknes, dass sich ab etwa 1920 im Art Deco Stil wesentlich unter dem Einfluss Frankreichs entwickelt hat. Dort leben etwa 440.000 der insgesamt rund 650.000 Einwohner der Stadt. Dann gibt es den Bereich des Königspalasts und die Medina, quasi die Altstadt.

Wir beginnen unsere Stadtführung auf einem erhöhten Punkt über dem Oued Boufekrane, dem Fluss, der die im Wesentlichen auf zwei Hügeln erbauten Stadt teilt. Von da geht es zum Bab el Khemis, einem der großen reich verzierten Tore in der Stadtmauer. Man unterscheidet zwischen den Schmucktoren, die mit feinen Verzierungen durch umfangreiche Mosaike versehen sind, und die Funktionstoren, die wesentlich zur Verteidigung dienten. So umgeben insgesamt drei Stadtmauern die wesentlichen Teile der Stadt bis hin zum Königspalast selbst. Die Schmucktore sind vor allem im äußeren und teilweise beim Königspalast selbst zu finden. Über den Schmucktoren steht in den Mosaiken jeweils ein arabischer Vers. Die Mauern selbst sind bis zu 4 m dick. Sie bestehen aus Ton / Lehm gemischt mit Kalkgestein und dazu pflanzlichen Fasern zum Beispiel aus Schilf. Das wurde dann zerkleinert und gestampft. Das Gemisch hat übrigens zur Klimatisierung eine überaus positive Eigenschaft, ist nur leider nicht resistent gegen Niederschlag. So müssen diese Mauern immer wieder repariert werden. Das gleiche Material hat man übrigens auch für den Bau des Königspalastes selbst benutzt. In den Mauern befinden sich mehr oder weniger regelmäßig sowohl auf der innen als auf der Außenseite relativ kleine viereckige Löcher. Sie dienten unter anderem für die Errichtung des Baugerüstes, haben aber auch eine wichtige Aufgabe bei der Aufnahme von Materialspannungen und der Klimatisierung der Wände selbst. Zum Königspalast gehörte auch eine riesige Speicheranlage mit einer ursprünglichen Länge von mehreren Kilometern. In dem Speicher wurden zum Beispiel die Lebensmittel aufbewahrt, aber auch die Pferde untergebracht. In dieser Anlage herrscht das ganze Jahr eine Temperatur von konstant 14 °C. Das ist zum einen den Lehmwänden zu verdanken, gleichzeitig gab es aber auch unterirdische Wasserkanäle unter den Speichern, und gebogene Luftkanäle zur zusätzlichen Belüftung. Der Winkel der Bögen sorgte dann automatisch für den Luftzug. Die Anlage besteht heute nur noch zu einem kleinen Teil, und auch an dem nackt an den alten Lehmwänden schon ordentlich der Zahn der Zeit. Unmittelbar vor der Anlage gibt es ein ca. 400 × 100 m großes Wasserbecken, mit einer Tiefe von etwa 4 m. All diese Anlagen dienten natürlich dazu, bei einer möglichen Belagerung der Stadt ausreichend Vorräte zu besitzen. Zum Zeitpunkt unseres Besuches ist das Wasserbecken übrigens leer, und einige Baumaschinen werkelten darin herum. Ein Problem dürfte sicherlich auch aufgrund der großen Fläche die Verdunstung gewesen sein. Uns treibt es weiter in die Koranschule neben der Moschee, die wie fast alle im Land von Ungläubigen nicht betreten werden darf. Die Koranschulen sind sehr alte Institutionen, die sich anfangs nur um Glaubensfragen kümmerten, später aber Orte von verschiedenen Wissenschaften wurden. Von außen ist die Koranschule ein eher unscheinbares Gebäude mit hohen eher abweisend erscheinenden Mauern. Die Türen sind relativ niedrig, nicht nur für die heutige Größe der Menschen, sondern wurden schon damals bewusst so angelegt. Das sollte nicht nur beim Betreten der Koranschule, sondern auch bei normalen Wohnhäusern zu einer demütigen Grundhaltung beitragen. Außerdem sorgt das dafür, dass die wärmere Luft eher draußen gehalten wird. Innerhalb der Koranschule ändert sich das Bild dann fundamental. Alle Wände sind mit Millionen kleinen Einzelmosaike, zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt, verziert. Darüber hinaus sind oberhalb der Mosaike feine Stuckarbeiten und an den Decken aufwendig verzierte Decken aus Zedernholz. Im Islam sind nach traditioneller Lesart Abbildungen und Skulpturen die Menschen oder Tiere darstellen verboten, weshalb man so etwas logischerweise in der Koranschule nicht findet. Wobei das so wörtlich nicht im Koran enthalten ist, sondern eher einer allgemein anerkannten Deutung entspricht. Sie wurde wesentlich von Überlieferungen der Zeitgenossen vom Propheten Mohammed bestimmt, die allesamt darlegten, dass Mohammed derartige Dinge nicht mochte. Im nach oben offenem Innenhof der Koranschule befindet sich ein großer Marmorbrunnen für die traditionellen Waschungen vor den Gebeten. Innerhalb der Koranschule gibt es viele kleine Zimmer für die Studenten der Schule, die nicht aus der unmittelbaren Nähe stammten. Die Zimmer sind mit geschätzt kaum mehr als 2x3m sehr klein. Was aber in dem ganzen Gebäude auffällt, sind die angenehmen Temperaturen, und dass ohne jegliche technischen Geräte, alleine durch die benutzen Materialien in Verbindung mit der Architektur. So gibt es mehrere, wenn auch sehr kleine, Innenhöfe, die zwar oben ein Dach haben, aber trotzdem oben offengehalten sind. Dadurch kann dort die warme Luft nach oben aufsteigen und entweichen. Die Türen der Studierzimmer gehen alle nicht bis ganz auf den Boden, auch das sorgt wieder dafür, dass unten kühlere Luft in die Zimmer strömen kann, und auch diese relativ angenehm kühl halten.

Für uns geht es dann weiter in die angrenzende Medina, die praktisch die Gründungszelle der Stadt ist. Traditionell ist dessen Zentrum die älteste Moschee der Stadt. Von ihr wird das Gebet ausgerufen, und erst danach rufen auch die anderen Muezzins der umliegenden Moscheen der Stadt zum Gebet. Um die alte Moschee herum waren traditionell die Händler für Gold- und Silberschmuck, Parfüm, Weihrauch oder Gewürzhändler. Ebenso waren dort in unmittelbarer Nachbarschaft die Koranschule und auch Buchhändler zu finden. Dann folgten umliegend weitere Händler, und in den äußeren Bereichen der Medina dann die Wohnungen selbst. Die verschiedenen Bereiche sind wieder durch Torbögen untereinander getrennt. Die Wohnhäuser sind meist nur über Innenhöfe erreichbar, wobei die weiter im Inneren liegenden Wohnbereiche die beliebteren waren, und dann nur über kleine Sackgassen erreichbar waren. Die Wohnbereiche, die direkt an den Gassen lagen, waren eher die „billigen“. In den schmalen Gassen kann bis heute alles nur mit Lastkarren, auf dem Fahrrad oder mit kleinen Mopeds bzw. gleich zu Fuß erreicht werden. Richtige Straßen gibt es in der Medina nicht. Insgesamt hatten die Wohnungen in der Medina auch eine wichtige soziale Komponente. Innerhalb der Wohnung lebten meist drei Generationen unter einem Dach. Deshalb ist eine Wohnung in der Medina typischerweise einige Hundert Quadratmeter groß. So eine Großfamilie konnte aber auch schnell mehr als 20 Personen umfassen. Und die Großmutter ist typischerweise die Patriarchin. Die Familienmitglieder eines Hauses unterstützten sich gegenseitig und bilden damit eine Sozialgemeinschaft. Da viele jungen Familien sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend nicht mehr bedingungslos dem Wohl und Wehe einer Patriarchin unterwerfen wollten, sind immer mehr Menschen aus der Medina in die neueren Stadtteile gezogen. Damit zerbrach auch die soziale Komponente. Heute leben in der Medina eher die ärmeren Gesellschaftsschichten. Wer es sich leisten konnte, zog in die modernen klimatisierten Wohnungen außerhalb. Anders als in vielen Reiseführern beschrieben, besteht die Medina aber eben nicht nur aus einem Händlerbereich, dem Souk. Man lebte und arbeitete in der Medina.

3. Reisetag        Fes - 19.09.2023

 

Heute beginnen wir wieder mit den Zeiten wie am Vortag, Frühstück gibt es ab 7:00 Uhr, plus ein paar afrikanische Minuten, was aber kein Problem ist, schließlich soll es erst gegen 8:30 Uhr mit dem Bus nach Fes gehen. Die Fahrzeit ist mit rund 1,5 Stunden veranschlagt. Wir kommen ein bisschen schneller voran, so sind wir zu unserer Stadtführung ein bisschen zeitig dran. Fes ist wie auch schon Meknes eine der vier Königsstädten in Marokko. Fes war auch bereits im 9. Jahrhundert die erste Königsstadt im Land überhaupt. Die Stadt mit ihren heute etwa 1,1 Millionen Einwohner, manche sprechen auch schon von 1,4 Millionen, geht bereits auf das Jahr 789 zurück. Sie liegt am gleichnamigen Fluss. Wobei unter Idris I zunächst nur eine Flussseite besiedelt wurde, aber schon wenige Jahrzehnte später errichtete auf der gegenüberliegenden Flussseite Idriss II eine weitere Siedlung, die dann zum heutigen Fes zusammenwuchsen. So gilt heute Idris II als eigentlicher Stadtgründer, ihm ist in Fes auch ein großes Mausoleum gewidmet. Schon früh wurde die Stadt durch große Zuwanderungswellen geprägt. So kamen bereits Anfang des neunten Jahrhunderts ca. 8000 Familien aus Andalusien, die in ihrer alten Heimat aus politischen Gründen verfolgt und vertrieben worden sind. Nur wenig später kamen weitere 2000 aus Kairuan im heutigen Tunesien dazu. Sie alle brachten aus ihrer alten Heimat besondere handwerklichen Fähigkeiten aber auch das Leben in städtischen Strukturen mit. Im Umfeld der Stadt waren alle für den Bau wichtigen Rohstoffe wie Steine, Ton und auch Holz vorhanden. So wuchs die Stadt sehr schnell, und baute gleichzeitig eine funktionierende Verwaltung auf. Dazu kam, dass sich in ihr wichtige Karawanenstraßen kreuzten. Durch die Stadt kamen die Karawanen auf dem Weg vom Atlantik in die heutigen Maghrebstaaten vorbei, und ebenso die Verbindung vom Mittelmeer nach Schwarzafrika. Der Handel brachte Geld in die Stadt. Bereits im Jahre 859 entstand die Universitätsmoschee al-Qarawiyin, die bis heute besteht, und damit eine, manche sagen auch die älteste, durchgehende existierende Universität überhaupt ist. Sie wurde von Fatima el-Fihrya gestiftet, sie war Tochter eines reichen Kaufmanns, aus dessen Nachlass die Moschee wie auch die Koranschule gebaut wurde, aus der dann die Universität entstand. Auch der Kaufmann kam übrigens aus Kairuan im heutigen Tunesien mit einer der großen Flüchtlingswellen. So bildete sich in Fes schnell ein Ort der Geistlichkeit, Kultur und vor allem der Wissenschaft und Bildung. Viele Gelehrte der damaligen Zeit kamen hier her, um hier zu studieren aber auch zu lehren. Schon früh kamen so zum Beispiel führende Astrologen in die Stadt, um sich hier auszutauschen. Damit wurde der Grundstock von Fes als wichtigstes geistliches Zentrum des Islam im westlichen Afrika inklusive Spaniens gelegt. Die Stadt wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach von verschiedenen Berber-Stämmen bzw. Stammesverbände eingenommen, die teilweise auch das ganze frühere Marokko unterwerfen konnten. So ist es auch zu erklären, dass es mehrere Königsstädte, also Sitze des Sultans, in Marokko gibt. Die verschiedenen Stämme verlegten aus ganz unterschiedlichen Gründen den Sitz des amtierenden Sultans nach eigenem Ermessen immer wieder. Fes war von 807- 926 unter den Idrisiden, 1248 – 1465 unter den Meriniden und 1666-1672 und dann noch mal 1727 – 1912 insgesamt vier Mal und damit auch am häufigsten die Hauptstadt des Landes. Fes blieb aber immer Zentrum der Wissenschaft im Land und darüber hinaus, auch wenn es nicht die Status des Sitzes des Sultans innehatte. Die Geschichte von Fes hat logischerweise auch ein paar nicht so rühmliche Episoden. So gab es im Jahre 1033 einen Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung mit etwa 6000 Toten. Gleichzeitig waren die Juden aber auch wichtig für die Entwicklung der Stadt, da sie den Handel förderten. So wurde im Jahre 1325 die jüdische Bevölkerung zu deren Schutz zwangsweise in die Nähe des Königspalasts umgesiedelt. Für sie wurde im Bereich einer ehemaligen Militärgarnison ein ganz neues Stadtviertel, Mellah, errichtet. Heute leben nur noch ein paar Hundert Juden in der Stadt. Trotzdem ist man sich ihres Erbes bis heute bewusst, immerhin gehen ihre Wurzeln bis auf die Vertriebenen aus Andalusien zur Zeit der Stadtgründung zurück.

Aber wieder ins hier und jetzt - zu unserem Tag. Wie alle Königsstädte teilt sich auch Fes in drei Teile auf. Es gibt als Keimzelle die Medina, den Königspalast inklusive der ihn umgebenden Gebäude und Ville Nouvelle, die ursprünglich auf die französische Protektoratszeit zurückgeht, und wo heute die Villen aber auch die modernen Häuser der normalen Menschen entstehen. Und es entstehen viele, die Stadt wächst nicht zuletzt auch wie alle Städte in Marokko durch den Zuzug der Landbevölkerung stürmisch. So hatte die Stadt nach der Volkszählung im Jahre 1994 etwa 770.000 Einwohnen, heute etwa drei Jahrzehnte später steuert man annähernd auf die doppelte Zahl zu, wobei es 1974 nur 330.000 waren. Die Medina von Fes gilt, gemessen an der Bevölkerung, übrigens als die größte Fußgängerzone der Welt. Die dortigen Gassen sind viel zu schmal für Autos, und es leben etwa 160.000 Menschen heute noch dort. Wir starten unsere Stadtführung vor dem Haupttor der Königsstadt mit dem großen obligatorischen Platz davor. Auch dieses Tor ist natürlich reichlich verziert. Das Tor selbst ist mit Bronze beschlagen, und die umgebenden Mauern weisen eine unvorstellbare Zahl an kleinen Mosaiksteinchen auf, die in teilweise sehr komplizierten Mustern angeordnet sind. Fes ist auch heute noch bekannt für die Produktion von Keramik von Hand nach alten Methoden. Bevor wir uns aber eine solche Manufaktur ansehen, besuchen wir noch Mellah, das alte historische jüdische Viertel. Dieses weist bis heute mit den Balkonen auf die Straße raus einige Besonderheiten auf. So sind bis heute häufig kleine Geschäfte unterhalb der Wohnungen mit den Balkonen. Das Viertel ist übrigens UNESCO Weltkulturerbe, und wurde in den letzten Jahren restauriert. Wobei die Arbeiten bis heute noch in vollem Gange sind. Von dort geht es zu einem Aussichtspunkt, von dem man einen guten Blick über die Stadt Fes hat. Die Topographie von Fes ist geprägt von unzähligen mehr oder weniger kleinen Hügeln, so scheinen die meisten Straßen und Gassen der Stadt immer leicht bergauf oder bergab zu führen. Damit ist es dann auch Zeit, uns die Keramikherstellung anzusehen. Der Ton kommt aus der Gegend, und wird mit Wasser gesättigt zu einer formbaren Masse. Diese wird dann zum Beispiel auf einem kleinen runden Tisch, der durch eine große Holzscheibe angetrieben wird, die wiederum mit einem Fuß des Töpfers in Schwung gehalten wird, mit geschickten Fingern zu einem Gefäß modelliert. Dieses Gefäß wird dann in einem alten mit Olivenkernen befeuerten Ofen gebrannt. Anschließend werden die Erzeugnisse dann von Hand bemalt. An anderer Stelle werden aus der Ton Masse kleine eckige Tafeln gefertigt, die dann wieder in den Farben der vier Königsstädte bemalt werden. Dabei hat jede Königsstadt ihre eigene Farbe, die sich dann auch immer wieder auf allen Toren der Stadtmauern, den Moscheen und anderen Gebäuden in den Mosaiken wiederfinden, und auch nur diese vier Farben. Dabei steht die heutige Hauptstadt Rabat für weiß, Marrakesch ist terrakottafarben, Meknes grün und Fes blau, weshalb man Fes auch als die blaue Stadt bezeichnet. Aus diesen kleinen Tafeln von kaum mehr als 10x10cm werden dann die kleinen einzelnen Mosaike von Hand geschlagen. Wobei dann unzählige kleine einzelne Mosaike mit der immer gleichen Größe und in wenigen Formen geschlagen werden. So machen die Arbeiter vielleicht den ganzen Tag nur kleine grüne Rauten. Dabei sitzen sie auf ihren Beinen hockend auf der Erde, ich würde mal behaupten, in der Haltung könnte ich schon nach weniger als einer Stunde nur noch ziemlich beschwerlich wieder hochkommen, und wie sich dabei mein Rücken anfühlen würde, mag ich mir kaum vorstellen. Diesen kleinen einzelnen Steinchen, bei denen manchmal noch mit ein bisschen Sandpapier eine winzige Nase an- / abgeschliffen wird, werden dann zu den Mosaik-Bildern wieder zusammengefügt. Bei kleineren Objekten arbeiten die Arbeiter mit z.B. einem runden Rahmen, oder bei größeren Objekten frei auf der Erde, nur mit ein paar darauf gezeichneten Bleistiftlinien. Dabei werden die einzelnen Mosaik-Steinchen mit der farbigen Seite auf den Boden in das „Puzzle“ gefügt. Das Gesamtbild entsteht also nur Steinchen für Steinchen im Kopf des Arbeiters, sehen kann er es nicht. Das Einzige was er sieht, ist die Form der einzelnen Steinchen. Am Ende wird dann die jetzt oben liegende Rückseite des Mosaik-Bildes vergossen, damit alle Elemente an ihrem Platz bleiben, und das Gesamtmosaik dann irgendwo im Stück aufgebracht werden kann. Und auch diese Arbeiter sitzen den ganzen Tag mit untergeschlagenen Beinen auf der Erde vor ihrer Arbeit.

Von der Mosaik-Manufaktur geht es für uns dann in die Medina, also im Prinzip die Altstadt von Fes. Wie schon mal angeklungen, gibt es dort keine Straßen. Alles was in die Medina rein oder raus muss, wird entweder selbst getragen, auf Eseln oder kleinen Schubkarren transportiert. Wobei die Gassen in Fes noch ein bisschen kleiner als in Meknes erscheinen. Hier gibt es einige, in der sich zwei Personen nicht normal gehend begegnen können, da sie keine 70cm breit sind. In den etwas größeren Gassen wuseln dann auch noch meist jugendliche Fahrer mit ihren kleinen Rollern und Mopeds durch. Die Läden im Zentrum der Medina sind meist auch nur wenige Meter breit, und sind dann zuweilen auch nur wenige Meter tief. Es gibt natürlich auch größere, aber insgesamt sind sie schon relativ kleinteilig. Das Angebot ist meist wieder in verschiedene Segmente unterteilt. So gibt es Bereiche, wo vor allem Körbe und ähnliches angeboten wird, oder Gegenstände vom Gefäß bis hin zur Lampe aus Metall. An einigen Stellen kann man auch noch beobachten, wie die Gegenstände entstehen und auch poliert werden. Immerhin letzteres passiert schon maschinell, aber alles andere ist pure Handarbeite. In den „Hauptgassen“ finden sich dann zuweilen auch wieder Dinge, die sich vornehmlich eher an Touristen richten, auch wenn sie dabei noch einen einheimischen „Touch“ haben. So gibt es sehr viele Geschäfte für Lederwaren, für die Fes sehr bekannt ist, aber auch Holzschnitzereien. Und natürlich auch die aus China oder Südostasien importieren Trikots der großen internationalen Fußballclubs, die man aus der Champions League kennt. Immerhin behauptet keiner der Verkäufer, dass es sich natürlich um Originale handeln würde. Wie auch insgesamt die Verkäufer eher ruhig und zurückhaltend sind, auch wenn sie natürlich potentielle Käufer in ihre Geschäfte zu lotsen versuchen. Bei allen heißt es aber: handeln. Und ich schreibe es hier bewusst klein, also als Verb oder Tätigkeit. Der erste genannte Preis ist kaum der, den der Händler wirklich haben will. Und für Touristen gibt es sicherlich noch mal einen Aufschlag. Es ist sicherlich unterschiedlich, aber je mehr das Geschäft an einer der größeren Gassen ist, desto mehr Spanne ist daran. Da kann man auch schon mal mit dem halben Preis als Gebot in den Handel einsteigen. Und man muss sich dann auch nicht auf halben Weg zwischen dem ursprünglichen Angebot und dem ersten eigenen Preis treffen. Unser Weg durch die Medina führt uns übrigens auch noch an dem Fluss Fes vorbei, auch wenn der an den meisten Stellen unterirdisch, also längst überbaut, fließt, so ist es an den wenigen sichtbaren Stellen zumindest aktuell auch eher ein größeres Rinnsal mit relativ wenig Wasser. Unser nächstes Ziel ist aber ohnehin die bekannte Gerberei und Färberei innerhalb der Medina von Fes. Sie ist inzwischen als Kooperative organisiert und ebenfalls selbst auch wieder Weltkulturerbe. Es werden verschiedene Ledersorten mit Geflügeldung gegerbt. Früher benutze man dafür reines Ammoniak. Da man bei einer Besichtigung einige Meter erhöht auf einer Terrasse steht, hat man zwar einen guten Überblick über die verschiedenen steinernen Bottiche, ist aber nicht so dicht dran, dass es noch eine wirkliche Geruchsbelästigung ist. Zum Gerben wird das Leder in verschiedene Bottiche gegeben, die nach der Farbe der Flüssigkeit zu urteilen, verschiedene Konzentrationen haben. Wobei der Arbeiter, den wir dabei beobachten zwar Gummistiefel und Gummi-Handschuhe trägt, aber so ganz frei von Rückständen der Flüssigkeit ist er an seinen bloßen Beinen und Armen oder seine Kleidung nicht. Aber nichts gegen die Kollegen, die später, wenn die Leder getrocknet worden sind, das Färben übernehmen. Wobei deren Kredenzen zum Färben vermutlich auch nicht ganz so aggressiv sind. Dazu tragen sie aber auch keinerlei Schutzkleidung, also keine Gummihandschuhe und keine Gummistiefel, sondern hantieren mit bloßen Gliedmaßen in den Bottichen. Ich würde mal annehmen, dass die keinerlei Probleme mit Fußpilz befürchten müssen. Ist aber jetzt natürlich nur ein persönliches Vorurteil, und ich kann nicht wirklich beurteilen, was zum Färben des Leders benutzt wird. In dem angeschlossenen Geschäft der Kooperative konnte man dann noch verschiedene Dinge wie Jacken und Mäntel, Taschen oder auch Sitzsäcke aus Leder erwerben. Die dort herunter zu handelnden Preisspannen waren deutlich kleiner, ob das nun an den Käufern oder dem Verkäufer lag, bzw. die Aufschläge geringer waren, kann ich auch wieder nicht beurteilen. Für deutsche Verhältnisse sind die Preise aber günstig, wenn man denn Bedarf an Ledererzeugnissen hat. Von da ging es dann weiter in Richtung eines Restaurants innerhalb der Medina. Zuvor kommen wir noch an einer Moschee vorbei, in dem sich auch das Mausoleum von Moulay Idriss II befindet, das aber für uns als nicht gläubige Muslime nicht zu besichtigen ist. Und direkt in der Nähe unseres Restaurants befindet sich dann noch eine der ehemaligen Karawansereien, in der früher zu Zeiten der Karawanen die Führer und wichtigeren Teilnehmer der Karawanen unterkamen, und von dort auch ihren Handel trieben. Die einfachen Teilnehmen mussten draußen vor der Stadt bei den Tieren und den transportierten Waren bleiben. Nach dem Mittag geht es noch in ein Geschäft, in dem noch Tücher und Decken selbst gewoben werden. Im Geschäft selbst ist auch noch ein Webstuhl, der tatsächlich noch für die Produktion eingesetzt werden. Insgesamt kann man sagen, ist die Medina von Fes um einiges größer als die Meknes, und die Gassen sind kleiner und auch noch mehr verwinkelt. Insgesamt gibt es rund 9400 kleine und kleinste Gassen in der Medina von Fes. In all den kleinen Gasse kann man sich gefühlt mühelos verlaufen, auch wenn selbst Google-Maps viele davon kennt. Aber die Verbindung zu den Satelliten für die Navigation ist vermutlich in vielen der schmalen Durchgänge schwierig. Aber schon an der Form der Straßenschilder, ja die gibt es tatsächlich für die kleinen Gassen, kann man erkennen, ob es sich um eine Sackgasse in irgendeinem Innenhof handelt, oder es irgendwie weiter geht. Viereckige Schilder bedeuten, es gibt Verzweigungen, bei Sechseckigen handelt es sich um eine Sackgasse. Die Schilder sind übrigens oftmals in drei Sprachen ausgewiesen. Arabisch und Berber sind die beiden Amtssprachen. Wobei Arabisch von rechts nach links geschrieben wird, Berber wie bei uns von links nach rechts, und darüber hinaus steht der Name dann oftmals noch in französischer Sprache. Auch wenn ich kein französisch kann, so kommen einem da wenigstens die Buchstaben geläufig vor, und man, ich jedenfalls, kann sich das deutlich leichter merken. Aber bei den beiden anderen bin ich komplett raus. Für uns geht es dann aus den engen kleinen Gassen auch wieder auf die größeren Straßen hinaus. Wir fahren mit unserem Kleinbus zu unserem Hotel hinüber, das sich im Zentrum vom Ville Nouvelle, also dem neuen und modernen Teil der Stadt, befindet.

4. Reisetag        Beni Mellal - 20.09.2023

 

Die Zeiten sind heute wie bisher immer, ab 7:00 Uhr Frühstück, und abfahrbereit wollen wir um 8:30 Uhr sein. Auf dem Programm steht ein Fahrtag mit einem ansonsten eher übersichtlichen Restprogramm. Unseren ersten Stopp machen wir in Ifrane, einer der angeblich drei saubersten Städte der Welt. Naja, für Marokko ist es auf jeden Fall sehr sauber, man sieht unzählige „unsichtbare“ Hände, die Straße kehren und die Grünanlagen pflegen. Aber dass überhaupt kein Müll herum liegt, kann man dann doch nicht sagen. Das gilt insbesondere für den oberen Bereich des königlichen Denkmals auf einer Anhöhe im Zentrum der Stadt. Der Ort ist um 1920 von den Franzosen zum Leben erweckt worden. Das Klima ist im Sommer sehr mild, und insbesondere, wenn man wie wir aus Fes kommt, gibt es in Ifrane, das immerhin auf rund 1650m im mittleren Atlas liegt, eine angenehme Frische. Der Ort wird auch von den Marokkanern gerne als ihr kleine Schweiz bezeichnet. In der Umgebung gibt es ein paar Chalets, die Häuser im Ort selbst haben mit roten Tonziegeln gedeckte Spitzdächer, und der Ort wird von einem Zedernwald also Nadelbäumen eingefasst. Es gibt in der Gegend auch einige Skilifte, und von daher könnte der Ort tatsächlich fast schon in den Alpen liegen. Gleichzeitig ist Ifrane aber nur eine Autostunde von Fes entfernt. So hat die obere Gesellschaft Marokkos hier ihr Ferienhäuschen, auch der König hat hier übrigens einen Palast. Bekannt ist der Ort außerdem für die Privat-Universität, die alleine schon über die Studiengebühren dafür sorgt, dass sich hier nur Mitglieder die elitäre Gesellschaft des Landes einschreiben. Und viele der Studenten bekleiden später wichtige Position in der Wirtschaft und staatlichen Stellen – man kennt sich. Gegründet wurde die Universität übrigens von Hassan II, dem Vater des heutigen Königs Mohammed VI, und dem 2005 verstorbene Saudischen König Fahd. Früher unterhielten die beiden sunnitischen Länder beste Beziehungen, die sich in den letzten Jahren aber vernehmlich abkühlten.

Nach einer kurzen Pause, um uns ein bisschen umzusehen, und dem Fahrer Gelegenheit zu einer kleinen Pause zu geben, geht es für uns weiter. Nach wenigen Kilometern steht ein Fahrzeug am Straßenrand. Als wir näherkommen, wird auch schnell der Grund klar: Eine Gruppe Berberaffen. Sie gehören zu den Makaken, und sind die einzigen dieser Gattung, die nicht in Asien leben. Sie sind in Marokko im Rifgebirge und hier im Mittleren Atlas zu Hause. Sie kommen aber auch in Algerien und auf Gibraltar vor, wobei sie dort von Menschen eingeschleppt worden sind. Sie sind Allesfresser, ernähren sich aber vornehmlich von Früchten, Samen, Blättern, Knospen und Wurzeln. Verschmähen aber auch Vogeleier oder Insekten bis hin zu Würmern, Spinnen oder Skorpione nicht. Das sie Allesfresser sind, unterstreichen sie hier auch gleich mal. Wenn man sie, wie von den Insassen des angehaltenen Fahrzeugs praktiziert, anfangs mit Apfelstückchen und später mit Chips füttert, verputzen sie auch die. Ein Unding, Gibraltar lässt an der Stelle recht schön grüßen. Die Berberaffen haben keine Schwänze, sind zwar gute Kletterer, verbringen aber auch viel Zeit am Boden. Sie wiegen zwischen 10 und 15kg, wobei die Männchen deutlich größer und schwerer sind als die Weibchen. Die Affen leben hier im Zedernwald, dabei handelt es sich übrigens um Atlas Zedern, die bis zu 40m hoch und bis zu 700 Jahre alt werden können. Wobei sie seit 2013 auf der roten Liste stehen. Auch wenn es in Marokko noch im Mittleren und Hohen Atlas große Populationen gibt. Aber der Zedernwald verjüngt sich auf natürliche Weise kaum noch. Dabei spielt vermutlich der Klimawandel eine Rolle, aber auch insbesondere im mittleren Atlas die Beweidung der Wälder bzw. Randgebiete der Wälder mit Schafen und Ziegen dürfte ein Grund dafür sein, da sie die noch jungen Bäumchen abfressen. Atlas Zedern sind eigentlich aufgrund ihrer tiefen Pfahlwurzel relativ resistent gegen Stürme und auch Trockenheit, aber junge Zedern habe eben noch keine tiefer gehenden Wurzeln, was dann bei ausgedehnten regenarmen Periodenwie wie aktuell ein Problem darstellt. Atlas Zedern wachsen in Höhen ab etwa 1500m, sie überstehen Minustemperaturen von bis zu -28°C, gleichzeitig aber auch heiße Sommertage. Das Holz ist leicht, relativ hart und sehr haltbar. Die Deckenkonstruktion der Moscheen in Meknes und Fes wurden aus Atlas Zedern hergestellt. Teile davon sind bereits mehr als 800 Jahre alt, und immer noch im Original.

Von Irfane geht es für uns tiefer in das Atlas Gebirge. Auf dem Weg liegen versprengt einige Häuser der Bauern in der Landschaft. Wo ausreichend Wasser zugänglich ist, gibt es neben den Olivenbäumen auch Apfelplantagen. Die sind häufig unter feinen Netzen, was sie gegen hier selten vorkommenden Hagel schützen soll, gleichzeitig aber auch die Vögel fernhält. Teilweise gibt es auch abgeänderte Getreidefelder, wobei der Boden eher karg und sehr trocken aussieht. Gegen 13:00 Uhr machen wir eine Pause von ca. 1 Stunde für das Mittagessen. Anschließend geht es weiter in Richtung Beni Mellal, einer sehr fruchtbaren Ebene unmittelbar vor dem Übergang des Mittleren Atlasgebirges in den Hohen Atlas. Hier gibt es Getreide, Oliven aber auch zum Beispiel Orangen. Zum hiesigen fruchtbaren Boden kommt auch das Wasser aus dem Hohen Atlas, oder genauer gesagt aus einem Stausee im Hohen Atlas. Denn Leider fällt der Großteil des Niederschlags im gesamten Atlas Gebirge im Winter, in vielen Teilen auch als Schnee, das Wasser wird in der Landwirtschaft aber über einen langen Zeitraum zur Bewässerung genutzt. Beim Ausfluss des Wassers aus dem Stausee wird noch eine Turbine zur Stromproduktion angetrieben. Das Wasser wird mittels einer Leitung vom Stausee her befördert. So sind an einigen Stellen auch neben der Straße künstliche Kanäle zu sehen, in denen das Wasser zu den Feldern geleitet wird. Ohne die Bewässerung wäre Landwirtschaft in weiten Teilen der Gegend hier sonst so nicht möglich.

Kurz bevor wir Beni Mellal erreichen, macht unser Fahrer noch eine kurze Pause am Straßenrand. Offensichtlich gibt es auch in Marokko Lenkzeiten, und unser Fahrer möchte deswegen keinerlei Probleme mit der allgegenwertigen Polizei bekommen, die wir im Laufe des Tages an verschiedenen Stellen an der Straße stehen sehen haben, und immer wieder einzelne Fahrzeuge kontrollieren. In Beni Mellal steuern wir zunächst einen Supermarkt an, in dem wir uns noch mit ein paar Kleinigkeiten versorgen. Abendessen wird es heute in unserem etwas abseits gelegenen Hotel nicht geben. Wir hätten das heute früh vorbestellen können, dann hätte die Möglichkeit bestanden, aber wir haben uns alle dagegen entschieden. Schließlich haben wir uns heute kaum bewegt, und den Tag eher mehr oder weniger dösend im Bus verbracht. Reisen macht eben müde. Das Hotel liegt schließlich in Afourer. Die ganze Anlage ist sehr großzügig, was so auch auf die Zimmer zutrifft. Geschätzt ist mein Zimmer locker 30qm plus Bad groß. Auch wenn das Hotel offensichtlich schon bessere Zeiten gesehen hat, lässt es sich hier durchaus aushalten. Zumal in den nächsten Tagen die Isomate im Zelt ruft. Mein Balkon geht nach hinten auf den nahezu verwaisten Pool raus. Und dahinter gäbe es auch noch ein paar Tennisplätze. Alles ist saftig grün, dafür steht hier am Rande des Hohen Atlas genug Wasser zur Verfügung.