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    Sonnenaufgang mit dem Viluchinsky im Hintergrund

12. Reisetag          Vachkazhets – 21.08.2018

Heute heißt es früh aufstehen. Das Frühstück wird bereits um 6:30 Uhr ausgeteilt. Anschließend werden die Zelte abgebaut, und alles zurück an den Fluss geschafft. Dort hat die Begleitmannschaft schon das „Ausrüstungsboot“ zu Wasser gelassen. Bis schließlich alles verladen ist und auch wir wieder in den Boden sitzen ist es fast 9:00 Uhr geworden. Heute scheint die Sonne von einem blauen Himmel, während es gestern immer bewölkt und fast zu regnen beginnen wollte. Wegen des frischen kalten Windes ist es trotz des Sonnenscheins recht kühl. Wir bekommen noch einen einzelnen Bären vor die Linse. Da wir ihn offensichtlich beim Fischen stören, zieht er es vor, am Ufer flussaufwärts zu ziehen, während wir unaufhaltsam flussabwärts treiben. Neben dem Bären sehen wir noch zwei kleine Gruppen mit Enten und zwei Bieber. Die Bieber wurden übrigens hier in Kamtschatka zwischenzeitlich wegen ihres Pelzes ausgerottet, und später dann wieder aus Kanada kommend neu angesiedelt. Heute hält der Bystraja noch ein paar kleinere Stromschnellen für uns bereit, wobei die aufgrund des zu Ende gehenden Sommers mit entsprechend relativ geringem Wasserstand bzw. mäßiger Fließgeschwindigkeit auch nicht wirklich dramatisch sind. Jedenfalls für uns, die wir nur im Boot sitzen. Unsere Bootsführer haben in dem immer noch zügig fließenden Fluss an einigen Stellen ordentlich zu tun, um uns entweder am Ufer entlang zu halten, wenn es etwas zu sehen gibt, oder aber in sicherem Fahrwasser, vorbei an Kiesbänken oder auch ein paar Felsen, die relativ dicht unter der Wasseroberfläche liegen. An einigen Stellen konnte man auch vom Boot aus die sich an einer geschützteren Stelle sich ausruhenden Lachs sehen. Nach einer kleinen Pause und einer Fahrzeit von ca. 3,5 Stunden oder 24 Kilometer erreichen wir schließlich das Ziel unserer Bootsfahrt. An der Stelle führt über eine alte Brücke eine Pipeline über den Fluss, wichtiger für uns aber, auch ein Weg an den Fluss. Ansonsten haben wir unterwegs nichts dergleichen gesehen. Auch insgesamt leben in dem Gebiet nur sehr wenige Menschen, was auch die hohe Bärendichte erklärt. Insgesamt schätzt man die Bärenpopulation in Kamtschatka auf etwa 10000 Exemplare, in der Welt sind es noch ca. 190000 Braunbären. In den Naturschutzgebieten dürfen sie nicht bejagt werden, außerhalb der Schutzgebiete werden sie von privater Seite geschossen, Teilen der Bären werden in China positive Eigenschaften nachgesagt, was die Jagd hier fördert. An einem größeren Fluss wie dem Bystraja haben nur die jüngeren Bären ihre Reviere, da sich die besseren im Hinterland an den kleinen Füssen, an denen man auch noch einfacher fischen kann, längst die großen männlichen Tiere gesichert haben. Und vor allem sind diese weit weg von Siedlung der Menschen. Insgesamt gelten die Bären in Kamtschatka, genau genommen muss man eigentlich Braunbären sagen, als relativ friedlich. In Kamtschatka ernähren sich die Bären vor allem von Fisch, Beeren aber auch anderem pflanzlichen Material wie Gräsern und Wurzeln. Wobei sie insbesondere beim Pflücken der kleinen Beeren mit ihren großen Pranken eine erstaunliche Fertigkeit an den Tag legen. Nur sehr selten stehen auch größere Wirbeltiere wie Elche oder Renntiere auf ihrem Speisezettel. Die Braunbären in Kamtschatka sind nach den Kodiak-Bären von der gleichnamigen Insel südlich von Alaska die größten der Welt. Wissenschaftler führen das bei den beiden Populationen vor allem auf den hohen Anteil an Fisch in der Ernährung zurück. Die Männchen erreichen in Kamtschatka bis zu 600 Kilogramm bei einer Höhe eines aufrechtstehenden Bären von locker 2,50 m. Die Weibchen sind sowohl bei der Größe als auch beim Gewicht etwa um ein Drittel kleiner. Bären sind erstaunlich schnell, sie erreichen Geschwindigkeiten von 50-60 km/h, können auf der anderen Seite in freiem Gelände aber auch problemlos 100 km pro Tag zurücklegen. Dazu sind sie im steinigen Gelände gute Kletterer, auf Bäume können lediglich sehr junge Bären klettern, da ältere einfach zu schwer sind. Sie gehen im Paarlauf, bewegen also normalerweise beide Beine einer Seite zusammen, wobei ihre hinteren Tatzen deutlich größer sind, als die beiden vorderen. Es macht ihnen auch nur wenig aus, wenn sie stundenlang beim Fischen im eiskalten Wasser sitzen. Ausgewachsene Bären haben eigentlich nur noch Artgenossen als natürliche Feinde. So erreichen sie in freier Wildbahn ein Alter von 20 – 30 Jahre. Todesursache sind nicht selten Mangelerscheinungen in der Ernährung oder aber Parasitenbefall bzw. deren Folgen incl. der Übertragung von Krankheiten. Jungtiere fallen schon mal älteren Bärenmännchen zum Opfer, um die Bärin wieder Paarungsbereit zu machen. Überhaupt sind die Tragezeiten eine Besonderheit bei den Bären. Die Paarungszeit ist meist Frühjahr bzw. Anfang des Sommers. Aber das befruchtete Ei entwickelt sich dann nicht gleich, meist geschieht das erst, wenn die Bärin sich zur Winterruhe begibt. Anders als es die allgemeine Meinung ist, halten Bären gar keinen Winterschlaf, sondern lediglich eine Winterruhe, aus der sie relativ leicht aufwachen. Bei der Winterruhe wird die Körpertemperatur lediglich um ein paar Grad abgesenkt, die Herz- und Atemfrequenz wird aber deutlich gesenkt. Während der Winterruhe werden Fettreserven aus dem letzten Sommer aufgebraucht, interessanterweise lagern sich in ihren Gefäßen aber auch im Herbst keinerlei Fette ab, wobei bis heute nicht bekannt ist, warum das so ist. Sie nehmen während der Winterruhe weder Nahrung noch Wasser auf. Auf der anderen Seite scheiden sie aber auch nichts aus. Insbesondere für ihren Urin haben sie die Fertigkeit entwickelt, während der Winterruhe keinen Harnstoff, sondern besondere Aminosäuren zu produzieren, die wiederverwertet werden. Männchen verlieren dabei durchschnittlich rund 22% ihres Körpergewichts, Weibchen bis zu 40%. Der Unterschied geht im wesentlich auf die Tragzeit bzw. das anschließende Säugen zurück. Die eigentliche Tragzeit beträgt lediglich sechs bis acht Wochen, die Zeit vom Geschlechtsakt bis zur Geburt aber schnell 180 – 270 Tage, die restliche Zeit befindet sich das Ei in einer Art Ruhezustand. Geboren werden die meist zwei kleinen Bären dann noch im Winterbau, meiste eine Felsspalte oder auch eine selbst gegrabene Erdhöhle, die oft über mehrere Jahre genutzt wird. Bei der Geburt wiegen sie weniger als 400g, bei einer Größe von rund 25cm. Die Milch der Bärin mit einem Proteingehalt von 6 – 17%, und einem Fettgehalt von ca. 20% ist extrem nahrhaft, weshalb die jungen Bären sehr schnell zunehmen. Nach drei Monaten wiegen sie bereits 15kg, nach 6 Monaten sind es bereits 25kg. Während des Wachstums ändert sich interessanterweise auch die Schädelform. Anfangs ist sie relativ rund, bekommt dann aber mit zunehmendem Alter die längliche Schnauze. Die Aufzucht ist dabei alleine die Aufgabe der Bärin. Wie auch sonst Bären Einzelgänger sind. Lediglich zur Paarungszeit treffen sie sich, insbesondere dann kommt es auch häufig zu Kämpfen zwischen den Männchen. Nach dem Paarungsakt bewacht das Männchen häufig noch das Weibchen, um sicherzustellen, dass die Bärin sich nicht noch mit einem anderen Bären paart. Überhaupt geschlechtsreif werden Bären im Alter von fünf Jahren. Bleibt noch zu klären, was ist zu tun, wenn man einem Bären begegnet. Die wichtigste Vorsichtsmaßnahme findet eigentlich im Vorfeld statt: Sich bemerkbar machen, also Lärm verursachen. Fast alle Bären halten dann Abstand, so wie sie auch ihren Artgenossen normalerweise einen gewissen Raum lassen. Bären mögen nicht überrascht werden. Daher sollte man nicht direkt auf sie zugehen, sondern ihnen entsprechend ihren Raum lassen. Kommt es zu einer Begegnung sind weglaufen, er ist ohnehin schneller, oder ruckartige Bewegungen zu vermeiden. Man sollte sich stattdessen möglichst gerade aufrichten, um sich groß erscheinen lassen. Ist man in einer Gruppe unterwegs, sollte die Personen zusammenrücken, um als eine Einheit zu erscheinen. Dann gilt es sich langsam rückwärts zu entfernen. Bei Übernachtungen zum Beispiel im Zelt sollten keine Essbaren Dinge im Zelt sein, dazu gehören auch Bonbons oder ähnliches. Auch riechende Dinge wie Kosmetika, Zahncreme oder auch nur Seife sollte man vermeiden. Bären können zwar nur mäßig sehen, hören auch nicht besonders gut, aber ihr Geruchssinn ist sehr ausgeprägt.

Aber genug von den Bären, wir selbst machen nach dem Entladen der Boote zunächst eine Mittagspause, beladen unseren schon wartenden LKW. Mit dem fahren wir in Richtung Osten, also zurück in Richtung der Hauptstraße, und dann wieder ein kleines Stück nach Norden. Unser Ziel ist der Vachkazhets, in dessen Nähe wir nach einer Fahrzeit von rund zwei Stunden unser Lager auf einer größeren Wiese aufschlagen. Wobei größer natürlich relativ ist, bisher waren wir entweder im Wald oder auf der Lavaasche des Tolbatschik unterwegs. Und hier sind eben ein paar tausend Quadratmeter mit hohen Gräsern und Blumen bewachsen. Dazu scheint weiter die Sonne von einem blauen Himmel, der Wind hat merklich nachgelassen, kurzum bestes Wetter um noch einen kleinen Spaziergang zu machen, aber natürlich in der Gruppe auf einem Weg, denn auch hier gibt es wie in ganz Kamtschatka Bären. Wobei die größte Population rund um den Kurilen See im Süden der Halbinsel beheimatet ist.

13. Reisetag          Paratunka – 22.08.2018

Unser Tag beginnt wie bereits gewohnt um 8:00 Uhr mit dem Frühstück. Jedenfalls soweit der Plan. Es verzögert sich etwas, da die Gasflasche eingefroren ist. Die Flasche war gestern Abend bereits relativ leer, und in der Nacht hat es zum ersten Mal während unseres Aufenthalts hier in Kamtschatka gefroren. Ich selbst bin mitten in der Nacht aufgewacht, und habe mir noch was im Schlafsack übergezogen, da mir kalt geworden war. Heute Morgen war auf meinem Zelt eine ordentliche Schicht gefrorenen Raureifs. Gleiches gilt natürlich auch für die Pflanzen drumherum. Aber auch heute scheint wieder die Sonne vom blauen Himmel, und so erwärmt sich auch das Gas in der Flasche soweit in der Sonne, dass es wieder nutzbar wird. Während wir darauf warten, bietet es sich natürlich an, noch schnell ein paar Fotos von der Szenerie zu machen, so ist die Zeit alles andere als verloren.

Nach dem Frühstück machen wir uns dann auf zu einer kleinen Wanderung im Umfeld unseres Zeltplatzes. Dieser liegt in unmittelbarer Nähe zum Vachkazhets. Wie könnte es anderes sein, handelt es sich auch dabei um einen Vulkan. Wobei er ursprünglich sehr viel größer war, aber bei einer großen Eruption in grauer Vorzeit explodierte und in drei Teile zerbarst. Die drei Teile tragen die Namen Letnyaya Poperechnaya (1417 m), Vachkazhtsymountain (1500 m) und Vachkazhets (1556), wobei letzterer auch der Namensgeber für die ganze Gruppe ist. Wir gehen direkt von unserem Zeltplatz ein kurzes Stück die Straße hinunter, um dort dann die offizielle Zufahrt zu nehmen. Wobei die Zufahrt keine einheitliche Zufahrt ist, sondern eher der Versuch von unzähligen Allradfahrzeugen sich irgendwie zwischen den Bäumen dichter in Richtung der Berge zu „wühlen“. Und genauso sieht es dort auch aus. Es gibt unzählige Fahrspuren, die zwei tiefe Furchen aufweisen und in der Mitte eine vom Unterboden der Fahrzeuge glatt geschliffene Fläche haben. Genau darauf konnte man hier in diesem Bereich am besten voran. Die Fahrspuren selbst sind teilweise tief mit Wasser gefüllt. Die einzige Schwierigkeit zu Fuß ist eigentlich, dass es wegen dem aus den Fahrspuren aufgeworfenen Matsch ein bisschen schmierig ist. Auf die Frage an unseren russischen Bergführer, wie er hier in dem Gewirr den richtigen Weg findet, lächelt dieser nur, und meiner alle Spuren führen letztlich in die gleiche Richtung. Insgesamt geht es gut voran. Wir bewegen uns hier auf eine Höhe von ca. 300 m auf anfangs relativ ebenem Gelände durch ein Gebiet mit dem typischen Birkenwald. Nach den ersten Höhenmetern verlassen wir den Birkenwald und steuern auf einen Bergsee zu, in dem sich die umliegenden Bäume aber auch die umgebenden Bergspitzen spiegeln. Bis zu diesem See führt auch der Weg für die Allradfahrzeuge. Zum Glück sind heute Morgen noch keine unterwegs, so dass wir den See noch für eine ruhige Rast nutzen können, erst als eine größere Schülergruppe kommt, gehen wir weiter, und überlassen auch ihnen den See ganz für sich. An einem kleinen Wasserlauf steigen wir weiter auf, damit überschreiten wir dann auch die Baumgrenze und passieren auch schon die ersten Schneefelder. Auf unserem Weg zu einer Bergwiese, müssen wir uns noch durch ein Dickicht von Krüppelkiefern, was das Vorankommen ein bisschen beschwerlich macht. Die Bergwiese ist auch der höchste Punkt auf unserer kleinen Runde mit etwas über 700 m. Hier oben sehen wir noch ein paar Ziesel davonhuschen, und auch ein paar Bauten von Murmeltieren. Die Murmeltiere selbst oder ihr markantes Pfeifen sehen bzw. hören wir nicht. Dafür aber einen kleinen Hasen, der sich bewegungslos aber mit ziemlich wild pochendem Herzen im Gras zu verbergen versucht.

Wir gehen noch weiter in Richtung eines kleinen Wasserfalls, der dieses Mal auch diesen Namen wirklich verdient. Auf dem Weg dahin begegnen wir noch ein paar Zieseln, die ganz offensichtlich schon des Öfteren Kontakt zu Menschen hatten, sie laufen nicht nur nicht weg, sondern kommen sogar neugierig heran. Eines von ihnen lässt sich auch weniger als 1 m von mir entfernt nieder und beäugt mich neugierig durch seine dunklen Augen. Nach diesem kurzen Fotostopp gehen wir noch die letzten paar Meter in Richtung des Wasserfalls. Um diesen aber einsehen zu können, müssen wir noch den klaren aber sehr kalten Bergbach überqueren, der sich dann ein paar hundert Meter weiter über die Kuppe stürzt. Es bieten sich zwei Alternativen an: Schuhe ausziehen und sich bezüglich des kalten Wassers nichts anmerken lassen, oder aber so wie ich ein kleines Stück Bach aufwärts gehen, und dort über einige im Wasser liegende Steine balancieren. Als bekennender Warmduscher entscheide ich mich für die zweite Variante, wenn auch vor allem deshalb, weil ich mir so das Aus- und Anziehen der Schuhe spare. Im Prinzip auch die richtige Wahl, nur leider bleibt auf dem Rückweg die Lose um den Hals gehängt Kamera ein bisschen an der Jacke hängen, so dass der Objektivdeckel herunterspringt und ich ihn in dem schnell fließenden Wasser praktisch sofort aus den Augen verliere. Ärgerlich eigentlich nur deshalb, weil ich leider keinen Ersatz dabeihabe, und das Plastikteil natürlich auch nicht in die Landschaft gehört. Immerhin habe ich noch weitere ähnliches Objektiv im Gepäck. Also locker 500 Gramm Objektiv dabei, aber keine 5 Gramm, den gefühlt der Ersatzdeckel auf die Waage bringt. Aber wenn das die Probleme sind, dann geht es einen zweifellos wirklich gut.

Von hier gehen wir zurück in Richtung des Sees, von dort auf der anderen Seite wie heute Morgen um den See und weiter auf dem Weg, auf dem wir auch gekommen waren, in Richtung unseres Zeltplatzes. Insgesamt sind wir etwa 6 Stunden unterwegs, und haben in der Zeit mit den längeren Pausen lediglich 14 km zurückgelegt. Aber es war ohnehin als weitere Eingewöhnung für die Tage die noch kommen werden gedacht. Dazu hatten wir heute schönstes Wetter in einer ebensolchen Landschaft. Nach einem entsprechend verspäteten Mittagessen, bauen wir unsere inzwischen getrockneten Zelte ab, und verladen alles wieder in den Lkw. Gegen 17:00 Uhr brechen wir auf in Richtung Paratunka. Auf dem Weg dorthin legen wir noch einen kleinen Fotostopp in Elizovo für den Koryaksky, immerhin 3456m hoch, und den Avachinsky, dem wir zum Ende dieser Reise noch sehr viel näherkommen werden, ein. Es ist nicht unbedingt der optimale Platz, hat aber den Vorteil, dass die Mannschaft an dem Ort noch ein paar Kleinigkeiten erledigen kann. Gegen 19:00 Uhr erreichen wir schließlich in Paratunka zum zweiten Mal das Hotel, in dem wir auch unsere erste Nacht in Kamtschatka verbracht haben.

14. Reisetag          Gorelij – 23.08.2018

Heute ist der Vormittag frei, daher wird das Frühstück noch ein bisschen später angesetzt als sonst. Geplant ist ca. 9:00 Uhr, wobei auch das frei ist, da wir heute im Hotel übernachtet haben. Den restlichen Vormittag verbringe ich mit Lesen, oder auch einfach mal nur nichts tun, und auf dem Bett liegen. Treffen soll dann um 11:45 Uhr mit Gepäck vor dem Hotel sein. Um 12:00 Uhr kommt die Mannschaft mit dem Kamaz. Das Gepäck wird noch schnell verladen, und dann kann es losgehen. Der erste Stopp ist dann bereits im Ort Paratunka, also nach wenigen Kilometern, da wir ein bisschen außerhalb wohnten. Dort werden noch letzte Lebensmittel gekauft. Ich gönne mir noch ein Eis, und eine „schwarze Brause“ um gegebenenfalls mal eine Abwechslung zum täglichen Wasser zu haben. Auch der nächste Stopp ist nicht wirklich weit. An einem Fluss, dem man eine verjüngende Wirkung zuschreibt, er soll auch unter anderem wissenschaftlich nachgewiesen einen hohen Gehalt an Silberionen enthalten, füllen wir die allgemeinen Wasservorräte auf. Dann kann es aber auch wirklich losgehen. Anders als die bisherigen Schotterpisten ist diese nach Süden führende Strecke leider relativ schlecht. Das mag durchaus an dem relativ starken Lkw Verkehr liegen, der hier in Richtung eines Geothermalkraftwerks, vor allem aber zu einer Goldmine führt. Es geht dabei um die Asacha Goldmine, die im Besitz der Trans Siberian Gold ist, die wiederrum dem Investmenthaus UFG gehört, beide haben ihren Sitz in Großbritannien. Im Jahre 2017 gab es dort einen Wassereinbruch, was sich negativ auf die Produktion ausgewirkt hat. Insgesamt wurden dennoch rund 185000 Tonnen Erz verarbeitet, wobei die Ausbeute bei rund 6,6g Gold, und 12,3g Silber pro Tonne Erz lag. Spitzenwerte aus Südafrika liegen zwischen 15 und 20g Gold je Tonne Erz. In Südafrika kämpft man sich heute übrigens wieder durch die riesigen Abraumhalden einiger eigentlich geschlossener Goldmiene, da dies beim heutigen Weltmarktpreis von rund 1200 Dollar je Unze mit moderner Technik wieder lukrativ erscheint. Dabei lagen die Produktionskosten nach offiziellen Angaben bei der hiesigen Asacha Miene bei sehr günstigen 590 Dollar pro Unze, eine Unze entspricht 31,1g. Ein auch international sehr günstiger Wert, die meisten börsennotierten Goldförderer müssen zwischen 850 und 1000 Dollar je Unze aufbringen. Anders ausgedrückt hat man für 125 Dollar 1 Tonne Erz abgebaut, und das Gold herausgewaschen, wofür massiv sehr giftige Chemikalien eingesetzt werden. Aus diesem Grund gibt es durchaus fragwürdige Berichte über die Umweltzustände im Bereich der Goldmiene. Da diese aber natürlich großräumig abgeschirmt und streng bewacht wird, sind die tatsächlichen Zustände für Außenstehende, für Touristen wie uns natürlich schon lange, nicht wirklich zu beurteilen. Üblicherweise wird bei der chemischen Herauslösung des Goldes das Gestein sehr fein zermahlen, und dann in einem Wasserbad unter Zusatz von Quecksilber das Gold vom übrigen Gestein gelöst. Dabei verbindet sich das Gold mit dem Quecksilber zu Amalgam. Dieses wird schließlich erhitzt, wobei alles bis auf das Gold verdampft, das schließlich als „Bodensatz“ zurückbleibt. Alternativ wird das fein gemahlene Gestein mit einer Cyanidlösung versetzt. Dadurch trennt sich das Gold ebenfalls vom übrigen Gestein. Schließlich wird dann das Edelmetall über die Zugabe von Zinkstaub aus der Lauge herausgefiltert. Beide Verfahren sind leider für die Umwelt nicht gerade unbedenklich. Alternativ gibt es ein Verfahren unter Einsatz von Borax, dass dafür sorgt, dass das übrige Material schneller geschmolzen werden kann. Wie man sich unschwer denken kann, ein sehr energieintensives Verfahren. Die vierte Lösung sieht den Einsatz großen kegelförmige Zentrifugen mit Rillen vor. Da das Gold sehr schwer ist, wird es durch die Fliehkräfte stärker nach außen gedrückt, als das übrige Material im Erz. Das in einem dieser üblichen Verfahren gewonnene Rohgold wird dann in sogenannten Scheideanstalten in der Reinheit durch ein Elektrolyseverfahren in der Reinheit auf einen Wert von 99,99% gebracht. Man spricht dann von Feingold. Dieses wird zu Schmuck verarbeitet, zu Goldbarren gegossen, aber auch zur Verwendung in der Industrie vermarktet. So sind in vielen Chips und Speicherbausteinen der uns bekannten Geräte wie Computer, Smartphones und vielem mehr winzige Anteile Gold enthalten. Insgesamt werden rund 330 Tonnen in der Welt pro Jahr industriell verarbeitet. Im Jahre 2017 wurden weltweit ca. 3270 Tonnen Gold gefördert. Insgesamt kommt die Goldnachfrage auf etwa 4570 Tonnen, die Differenz zur Förderung wird durch die Wiederaufarbeitung geschlossen. Die größten gesicherten Reserven lagern in Australien mit 9800 Tonnen, Südafrika kommt auf 6000 Tonnen dann folgt Russland mit 5500 Tonnen. Insgesamt gelten rund 54000 Tonnen als gesicherte und förderungsfähige Reserven. Es werden aber bis heute immer wieder neue Goldfunde gemacht. Auf der anderen Seite sind China mit 913 Tonnen, Indien mit 666 Tonnen und die USA mit 213 Tonnen die größten Nachfrageländer. Deutschland folgt übrigens mit „bescheidenen“ 121 Tonnen auf Rang 4. Auch interessant dabei, in China landeten im Jahr 2017 beachtliche 629 Tonnen und in Indien 505 Tonnen in der Schmuckproduktion. Gold gibt es übrigens in verschiedenen Farben, das hängt vor allem von den Lagerstätten ab, auch bei den Abnehmern gibt es Differenzen, so werden im Mittleren Osten nur rötliche Goldsorten als Schmuck verkauft, aber praktisch keine der bei uns üblichen sehr gelbliche Varianten.

Nun aber auch genug vom Gold, wir haben schließlich keines gefunden. Wir machen unsere Mittagspause ein bisschen verspätet am Viluchinsky-Pass. Ein Ort mit guter Aussicht, wie man bei einem Pass wohl auch erwarten darf. Heute ist die Sicht allerdings eher mäßig, dass gilt sowohl talwärts als auch in Richtung der in Wolken gehüllten umliegenden Vulkane. So ist es auch mit einem T-Shirt und einer Softshell Jacke recht frisch. Anders als noch am Vormittag, als die Sonne in Paratunka noch schien. Vom Pass geht es dann direkt zu unserem Camp, wo wir gegen 16:30 Uhr ankommen. Das Gepäck und die Ausrüstung wird entladen, und wir beginnen sofort das Küchenzelt aufzubauen. Anschließend errichten wir noch die eigenen Zelte, und richten uns schon einmal ein bisschen ein. Es bleibt bis zum Abendessen gegen 20:00 Uhr noch ein bisschen Zeit, um sich die Beine auf einer kleinen Runde zu vertreten. In den knapp 2 Stunden gehen wir ein Stück die Piste hinauf, auf der wir gekommen sind, um dann über einen Hügel mit dem typischen Bewuchs für eine Tundra-Landschaft, der nur aus einem niedrigen Pflanzenbewuchs vor allem aus Gräsern besteht, zu gehen. Oben auf dem Hügel stehen wir in leichten Nebelschwaden, die Sicht ist entsprechend. Aber schon auf dem nächsten Hügel reist die Wolkendecke plötzlich auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Auch der mächtige Mutnovskij Vulkan zeigt sich zu großen Teilen. Das gilt auch für seine Aktivitäten mit dem rauchenden Schlot. Sein kleinerer Nachbar steht fast völlig frei. Unter unserem Hügel ist dann noch der Rest eines Sees, dem man aber ansieht, dass er zuweilen deutlich größer ist als aktuell. Immerhin fallen in diesem Gebiet im Winter bis zu 5 m Schnee, was entsprechend eine Menge Schmelzwasser bringt. Daher gab es auf der Piste hierher auch zahlreiche hochaufragende Stahlrohre, sie dienen im Winter als Gradmesser für die Schneehöhe und wichtiger noch um die Piste in den Schneeverwehungen besser erkennen zu können. Mit der Sonne wird aus dem Stapfen im Nebel noch ein wirklich schöner Spaziergang. Dafür ist der Abend dann aber wieder ziemlich frisch, inzwischen ist der Himmel nahezu wolkenlos, und der nahezu volle Mond zeigt sich in seiner vollen Pracht.

15. Reisetag          Gorelij – 24.08.2018

Heute heißt es früh aufstehen. Geplant ist 5:00 Uhr, OK ich bin ein paar Minuten hintendran, aber die Abfahrt ist ohnehin erst für 6:00 Uhr geplant, und wird dann auch noch ein bisschen später. Wie das eben bei Gruppen immer so ist, irgendwer kramt immer noch herum. Womöglich weil er/sie noch etwas geringfügig modifizieren möchte, und sei es die Befestigung der Gamaschen. Wir fahren mit dem Kamaz zum Geothermalkraftwerk, in dem Strom erzeugt wird. Hier ist noch mal das gleiche Phänomen, so geht es dann erst ca. 7:45 Uhr tatsächlich los. Unser Ziel ist heute der Krater des Mutnovskij auf einer Höhe von ca. 1600m. Wir schlagen einen Halbkreis um das Kraftwerk, was übrigens eine ordentliche Geräuschkulisse produziert. Die Arbeiter sind 14 Tage hier, um dann 14 Tage bei ihren Familien zu sein. Betrieben wird das Kraftwerk derzeit von der amerikanischen Firma Aecom, die sich auf den Betrieb von öffentlichen Bauwerken spezialisiert hat. Darunter sind Flughäfen, Gefängnisse und eben auch einige Kraftwerke wie hier. Der Einsatz von erneuerbaren Energien hat insbesondere mit der Wasserkraft vor allem in den 50er und 60er Jahren des 20 Jahrhunderts in Russland eine lange Tradition. Auch wenn wegen der eigenen großen Vorkommen an Kohle, Öl und Erdgas diese lange weniger aus einer wirtschaftlichen Notwendigkeit oder gar aus ökologischen Gründen ausgebaut wurde, es war eher eine gerade im fernen Osten im Überfluss vorhandene Ressource, die nicht aufwendig zu den Orten mit entsprechendem Bedarf transportiert werden musste, sondern einfach verfügbar war. Das erste Geothermalkraftwerk wurde auch bereits im Jahre 1966 in Pauzhetka hier auf Kamtschatka gebaut. Dann blieb es lange ruhig um diese Energiequelle. Im Jahre 1997 erhielt die russische Firma Geoterm einen Kredit von 99,9 Millionen Dollar von der Europäischen Entwicklungsbank. Zunächst errichtet man am Mutnovskij einen Kraftwerksblock mit einer Nennleistung von 12MW, es folgte dann Anfang des Jahrtausends noch ein weiterer mit 40MW. Insgesamt verfügt Russland über eine Kapazität von 79MW, die sich komplett in Kamtschatka befindet. Insgesamt wird das Potential auf ca. 5000MW allein in Russland geschätzt, überhaupt wird am pazifischen Feuergürtel in vielen Ländern auf diese gleichmäßig zur Verfügung stehende Energiequelle zurückgegriffen. In Russland befindet sich, wie man den vorher genannten Zahlen entnehmen kann, rund 2/3 der genutzten Kapazität in der Kraftwerksanlage am Mutnovskij. Die Energie wird über 17 Bohrlöcher gewonnen, aus denen das heiße Wasser austritt, über Wärmetauscher wird dann die Energie gewonnen, und das dann relativ kalte Wasser über sechs weitere Löcher wieder am Vulkan versenkt, wo es sich in der Tiefe wieder erhitzt, und der Kreislauf beginnt von vorne. Das Kraftwerk deckt übrigens rund 30% des Strombedarfs auf Kamtschatka. In unmittelbarer Nähe zum Kraftwerk befindet sich ein ehemaliges Hotel, das eigentlich für zahlungskräftige Touristen gedacht war. Sich aber nicht recht durchsetzen konnte, man könnte auch sagen, es war ein völliger Fehlschlag. Gelegentlich machen hier Trainingsgruppen von russischen SKI-Leistungskadern Station. Aufgrund des Klimas liegt hier früh Schnee, und dann auch bis April / Mai hinein. Heute wird das ehemalige Hotel vor allem als Herberge für die Arbeiter des Thermalkraftwerks genutzt. Es dürfte damit wohl zu den luxuriösen Unterkünften von russischen Arbeitern gehören.

Auch auf dem weiteren Weg zum Mutnovskij Krater begleiten uns noch Zeichen des Kraftwerks. Man sieht einige der Bohrungen, aus denen es zischt und dampft. Sie bilden ein bisschen eine Geräuschkulisse einer viel befahrenen Bundesstraße. Gefühlt laufen wir in einer sehr sanften Steigung um den halben Berg herum, in Wirklichkeit ist es nicht ganz so weit. Erst nachdem wir ein größeres Schneefeld überquert haben, geht es ein bisschen steiler bergauf. Aber auch das ist gut erträglich. Es geht über einen kleinen Kamm, und dann wieder über eine Querung eines kleinen Schneefelds durch eine kleine Schlucht in den Krater des Mutnovskij hinein. Eigentlich sind es insgesamt vier Krater, die sich wie an einer Perlenkette aufreihen. Im ersten Krater gibt es kaum Fumarolen, dafür aber größere Schneefelder, die teilweise vergletschert sind. Diese Felder sind noch deutlich mit Sand und feinem Geröll bedeckt, was ihnen in der noch scheinenden Sonne eine gelbliche Farbe gibt. Der zweite Krater ist deutlich höher gelegen und man erkennt von unten die deutlich blauschimmernden Gletscherflächen, dazu Fumarolen die in unmittelbarer Nähe ihre heißen Gase ausstoßen. Ein etwas seltsamer Anblick. Ein kleines Stück weiter am Weg, der sich durch die verschiedenen Krater, die zusammengenommen ein langgezogenes Tal im Zentrum des Berges bilden, kommt man an sehr aktiven Fumarolen vorbei, die allerhand schweflige Gase ausstoßen. An ihnen kann man unmittelbar vorbeigehen, und so auch die vom Schwefel gelblich gefärbten Öffnungen deutlich erkennen. Das direkte Umfeld dieser Fumarolen ist mit einer dicken grauen Schicht bedeckt. Unser Weg führt uns weiter über ein Schneefeld, unter dem sich vermutlich auch ein Gletscher befindet, der das Aussehen des Tales maßgeblich beeinflusst haben dürfte. Am Ende des Anstiegs sieht man dann in einen mit Schnee und Eis bedeckten Kegel, dessen Zentrum ein kleiner türkisfarbene See bildet, den dritten Krater. Der vierte und letzte Krater liegt in unmittelbarer Nähe, um in ihn hinein sehen zu können, muss noch eine kurze steile Passage an einem alten Tau überwunden werden. In diesem Krater werden die deutlich meisten Gase ausgestoßen, deren Schwefelwasserstoff ist deutlich von weitem am Berg zu sehen, und bildet die für den Mutnovskij so typische aufsteigende Qualm Wolke, die ihn so markant macht. Je nach Windrichtung sind es aber auch die gleichen Gase, die einem unangenehm ins Gesicht schlagen, sobald man die kurze steile Passage überwunden hat. Immerhin ist es das Ziel der heutigen Tageswanderung. Wir haben dabei rund 13 km und 800 Höhenmeter zurückgelegt, und wegen für meinen Geschmack zu vielen und zu langen Pausen fast 7 Stunden gebraucht. Zugegeben ist heute Vormittag der Himmel auch meist wolkenlos gewesen, und lädt damit natürlich auch zu zahlreichen Fotostopps ein. Auf dem Rückweg machen wir noch nach dem Ausgang aus der Kraterkette einen kleinen Schlenker zu einer nahegelegenen Schlucht, in der sich der Namensgeber des Mutnovskij in einen ca. 90 m hohen Wasserfall hinabstürzt. Bei dem Wasser handelt es sich um Schmelzwasser, das zahlreiche Sedimente transportiert, und dabei fast ein bisschen wie „plöriger“ Milchkaffee aussieht. Mutnovskij heißt übrigens übersetzt „der Trübe“, warum er den Namen trägt ist bei dem Wasser nur zu verständlich. Eigentlich bezieht sich das auf eben jenes Wasser, man kann das aber auch auf das hier häufig vorherrschende Wetter beziehen, das ganze Jahr muss mit Nebel und auch teilweise tagelangen Niederschlägen gerechnet werden, die vom nahegelegenen Pazifik hereingedrückt werden, und hier auf den 2322 m hohen Mutnovskij treffen. Vom Wasserfall geht es auf direktem Weg zurück zu dem Pfad, auf dem wir auch hergekommen sind. Der Rückweg ist insgesamt deutlich zügiger, immerhin geht es ja auch mehr oder weniger sanft bergab. Lediglich in den Schneefeldern ist es ein bisschen anstrengender, zumal der Schnee ein bisschen sulzig ist. Insgesamt kommen so 12,5 Stunden und 29 km zusammen, bis wir zurück beim Geothermalwerk wartenden Kamaz sind. Mit dem geht es dann über die arg rumplige Piste zurück zum Camp, wo schon das Abendessen auf uns wartet, als wir mit der einsetzenden Dunkelheit zurück sind.

16. Reisetag          Gorelij – 25.08.2018

Eigentlich ist unser heutiges Programm laut Reisebeschreibung gestern vorgesehen gewesen. Wegen des besseren Wetterberichts hatten wir aber getauscht. Das hat heute dann den Vorteil, dass wir wieder mit normalen Zeiten in den Tag starten, also Frühstück um 8:00 Uhr. Kurz nach 9:00 Uhr geht es dann direkt vom Zeltplatz unterhalb des Gorelij los. Schon nach wenigen Minuten geht es auf den Pfad, der uns direkt zum Hauptgipfel des Gorelij führt. Dazu muss man wissen, der Gorelij ist eigentlich ein eigenes Vulkansystem mit insgesamt elf Kratern. Zu seinen Besonderheiten gehört, dass er keine größeren Mengen Lavaasche oder Ähnliches auswirft, sondern direkt relativ festes Material, das sich dann im Bereich der Krater ablagert und diese entsprechend wachsen lässt. Am Hauptkrater befinden sich eigentlich schon zwei Krater. Im ersten, den man nach ca. 800 Höhenmetern erreicht, kann man auf einen grünen Kratersee blicken, auf dem einige Eisschollen treiben. Wir erreichen den Kraterrand nach ca. zweieinhalb Stunden. Zum eigentlichen Gipfel ist es dann nicht mehr weit, den bildet eine Spitze, die sich mit ihren 1829 m deutlich vom restlichen Kraterrand abhebt. Wir gehen weiter am Kraterrand entlang, um diesen dann zu umrunden. Die meisten Besucher heute, und es sind relativ viele, da offensichtlich viele Russen aus dem nahen Petropawlowsk das gute Wetter am heutigen Samstag für einen Ausflug nutzen, drehen am Gipfel wieder um. Wir können auf unserer Runde auch in den zweiten Kratersee hinabblicken. Bei ihm handelt es sich um den derzeit aktiveren Krater. In ihm befindet sich stark schwefelhaltigen Säure, dass jegliches organisches Material innerhalb kürzester Zeit zerfrisst. Seine Farbe ist entsprechend mit fast oliv gänzlich anders, als der sehr viel freundlicher aussehende See im älteren Teil des Hauptkraters. Aus dem kleinen neuen Kratersee sind auch die letzten Eruptionen in den Jahren 1980-1981 und 1984-1986 ausgebrochen. Und auch nur dort gibt es zahlreichen Fumarolen am Kraterrand. Seit 2010 stellt man wieder verstärkt Aktivitäten am Gorelij fest, so hat man bei ihm die Warnstufe wieder auf gelb hoch gesetzt. Vielleicht auch ein guter Zeitpunkt, um mal über verschiedene Zählarten von Vulkanen zu sprechen. So hat Japan nach eigenen Angaben zwischen 300 und 400 Vulkane. Bei ihnen gelten Vulkane als aktiv, wenn sie nachweisbar jemals ausgebrochen sind. Kamtschatka verfügt je nach Quelle über um die 160 Vulkane, russische Vulkanologen bezeichnen davon 28 als aktiv. Bei ihnen sind Vulkane nur dann aktiv, wenn sie in den letzten 1000 Jahren ausgebrochen sind. Und viele der Vulkane auf Kamtschatka können wohl als sehr aktiv gelten, so brechen in jedem Jahr durchschnittlich sechs Vulkanen in Kamtschatka aus, wobei nicht jeder dieser Eruptionen dann zwangsweise riesige Mengen an Lava oder Vulkanasche auswerfen, es sind häufig auch sehr begrenzte „kleine“ Eruptionen, bei denen große Mengen Gase mit relativ wenig Material an die Erdoberfläche drückt. Die Vulkane in Kamtschatka sind im Wesentlichen auf zwei Linien aufgereiht. Auf der westlichen Seite hin zum Ochotskischen Meer liegt die Reihe der nach russischer Sichtweise erloschenen Vulkane. Im östlichen Teil entlang des Pazifiks reihen sich die Aktiven auf. Aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte gibt es trotz der vielen Eruptionen kaum menschliche Opfer. Wenn sind eher Vulkanologen oder aber Touristen betroffen. Verbunden mit den Aktivitäten der Vulkane gibt es in Kamtschatka auch relativ viele und auch starke Erdbeben. Das liegt ebenso wie die Entstehung der Vulkane an den tektonischen Platten der Erde. So schiebt sich auf der Linie von Kamtschatka bis hinunter nach Japan die pazifische Platte unter die eurasische Platte, auf deren Rand Kamtschatka liegt. Das geschieht übrigens mit sehr hoher Geschwindigkeit von 8 – 10 cm pro Jahr. Gleichzeitig schiebt sich auch die nordamerikanische Platte, auf der übrigens auch Teile des südöstlichen Sibiriens liegen, unter die eurasische Platte. Das geschieht mit einer Geschwindigkeit von 3 – 4 cm pro Jahr. Man kann sich unschwer vorstellen, welche gigantischen Mengen an Material dabei nach unten gedrückt werden, und welche Spannungen das zwangsläufig auslöst. So gehört Kamtschatka zum erdgeschichtlichen aktivsten Teil unseres Planeten.

Aber zurück zu unserem Tag, wir gehen weiter auf unserer Runde um den Hauptkrater des Gorelij. Bei klarer Sicht wie heute, ist es möglich bis hinüber zum Pazifik zu schauen. Wir wollen auf der dem Gipfel gegenüberliegenden Seite bis hinunter zum mit leicht milchigem Wasser gefüllten alten Kratersee zu gehen. Auch wenn mir beim Hinuntergehen von geschätzt 75 Höhenmeter bis zum Wasser schon in den Sinn kommt, dass der Aufstieg ziemlich beschwerlich sein könnte, da es auf sehr losem Material nach unten geht. Dafür ist das Panorama unten sehr beeindruckend, zumal auch gerade die Wolken über dem Vulkan vom Wind weggetrieben werden. So kommen die vielen aufgetürmten zum Teil sehr bunten Gesteinsschichten sehr gut zur Geltung, dazu der fast türkisfarbene See mit den Eisschollen darauf. Genauso kalt ist das Wasser allerdings auch, aber wir wollen ja auch nicht darin schwimmen gehen. Sehr schön! Auch wenn wir mit ein bisschen Häme feststellen, dass wir einigen oben am Kraterrand mit unseren bunten Jacken ein bisschen die Bilder des Kratersees versauen. Das hält uns aber natürlich nicht davon ab, unten am Kratersee auch unsere Mittagspause zu machen. Auf dem Weg auf dem wir hinuntergekommen sind, geht es auch wieder hinauf zum Kraterrand, was aber leichter ist, als ich im Vorfeld befürchtet hatte. Wir gehen schließlich noch zu einem etwas kleineren Nebenkrater des Gorelij in direkter Nachbarschaft hinüber. Dieser ist vom Durchmesser etwas kleiner als der alte Hauptkrater. Vor allem ist er aber deutlich flacher. Hier ist nur etwas verblüffend, wie kreisrund der Schnee aus dem größten Teil des Kraters getaut ist.

Für uns geht es dann vom Nebenkrater wieder abwärts, wobei die Querung in Richtung des Hauptpfades, auf dem wir auch aufgestiegen waren, anfangs ein bisschen beschwerlich ist. Er verläuft meist über Kieselstein bis zum mehr oder weniger großen Geröll, ist dann allerdings immer wieder durch tiefe Gräben, geschaffen durch die Erosion des Schmelzwassers, durchzogen. Dafür geht es dann aber über ein Schneefeld mit gefühlten Siebenmeilenstiefeln in einer Mischung aus Gehen und Schlittern einen Teil des Abstiegs ziemlich zügig voran. Auch wenn er sich inzwischen ein bisschen zuzieht und die Luft ein bisschen feuchter wird, ist das Wetter heute doch sehr viel besser als vorhergesagt. Insbesondere am Vormittag war es nach der kalten und feuchten Nacht und dem ziemlich frischen Wind am Morgen, schon bald sonnig geworden, und auch zahlreiche Vulkane der näheren und weiteren Umgebung haben sich im besten Licht gezeigt. Nach gut 14 Kilometern Strecke, und rund 980 Höhenmeter Aufstieg erreichen wir schließen gegen 16:45 Uhr wieder unser Camp.