• Kolumbien
    Kolumbien

    Laguna Grande

  • Kolumbien
    Kolumbien

    Scharlachara am Rande des Regenwaldes

  • Sonnenuntergang in der Wahiba
    Oman

    Sonnenuntergang in der Wahiba

  • Morgenstimmung am  Pyramid Lake
    Kanada

    Morgenstimmung am Pyramid Lake

  • Marokko
    Marokko

    Unterwegs im Hohen Atlas

10. Tag        20.10.2014 - Ghunsa (3415m)

Heute ist ein Akklimatisationstag auf dem Programm. Unsere Träger haben frei, ich vermute mal, sie werden entsprechend auch nicht bezahlt, müssen ihre Unterkunft aber noch selbst zahlen. Aber ein Tag Pause von der Plackerei wird ihnen wahrscheinlich gut tun. Als ich um 6:30 Uhr aus dem Zelt gekrabbelt komme, ist dieses komplett verreist, gleiches gilt natürlich auch für den Boden drum herum. Eine große Schüssel mit Wasser, die hier noch an der Waschstelle stand, ist komplett durchgefroren - es waren immerhin rund 10 cm Wasser in der Alu Schüssel.

Wie gehen heute auf einen kleinen Gipfel bzw. eine Anhöhe in der Nähe um uns an die Höhe zu gewöhnen. Das bedeutet mindestens bis zu den Gebetsfahnen, die sich oberhalb von Ghunsa auf ca. 3850 m befinden. Wie auch sonst dauert es morgens eine Zeit bis die Sonne uns im Tal erreicht. So ist es anfangs relativ kühl, wird aber schnell sehr viel angenehmer, sobald wir aus dem Schatten heraus sind. Da es anfangs recht steil bergauf geht, wird einem aber auch so warm. Meine leichten Kopfschmerzen von gestern sind verflogen, und so bin ich trotz der Anstrengungen recht zufrieden mit meinem gesundheitlichen Zustand. Oben an den Gebetsfahnen angekommen machen wir erst einmal eine längere Pause und genießen einfach nur den Sonnenschein. Von hier hat man einen schönen Blick auf Ghunsa und auch unsere Zelte hinunter. Natürlich schaut man aber auch noch weiter nach oben, schließlich ist unser „Hügel“ an dessen Seite wir hochgekommen sind einer der Kleinen hier. Und wir sind noch nicht mal bis nach oben gestiegen, auch wenn wir nach der Pause noch etwa 200 Höhenmeter machen. Beim Blick zurück sieht man die Alm von Phale, wo wir noch gestern unsere Mittagspause gemacht haben. Und man überlegt schon mal, wo es wohl lang gehen könnte, wenn wir von der Nordseite des Kangchendzönga zurückkommen, um über die Pässe in Richtung der Südseite unterwegs sein werden. Und dann ist da natürlich auch noch der Blick nach vorne, man verfolgt schon mal den Verlauf des Tals, dem wir morgen wieder folgen werden. Es gibt hier oben weißen und auch blauen Enzian, noch mal zur Erinnerung, wir sind auf etwa 4000 m. Ansonsten wird das Buschwerk langsam kleiner, ist aber immer noch Buschwerk nicht zuletzt mit den vielen Rhododendren. Anschließend geht es den gleichen Weg auf dem wir hochgekommen sind auch wieder hinunter in Richtung Ghunsa. Der Ort selbst liegt in einem relativ engen Tal mit recht steil aufsteigenden Felsen an den Seiten. Von oben war auch zu sehen, dass erst nach 10:00 Uhr überhaupt die Sonne hoch genug steht, um die Ortschaft und insbesondere unseren Zeltplatz überhaupt zu erwärmen. Während wir absteigen landet ein Hubschrauber zweimal in Ghunsa, was eigentlich ein schlechtes Zeichen ist. Denn meist wird der nur im Notfall für den Rücktransport von Touristen gerufen. Wobei schon im Vorfeld geklärt wird, wer den Flug bezahlt, keine Deckung -> kein Flug. Da die normalen Nepalesen sich das niemals leisten könnten, müssten sie ihre Kranken zu Fuß in einem Korb bis nach Taplejung transportieren. Auf einer Trage ist das bei den Wegeverhältnissen an vielen Stellen kaum möglich. Sicherlich sind wir viel langsamer als sie, aber wir sind schon tagelang zu Fuß unterwegs um überhaupt bis nach Ghunsa zu kommen. Eine Straße gibt es nicht, die einzige Verbindung ist der „Trampelpfad“, den auch wir benutzen.

Bevor wir wieder über die Brücke über den Ghunsa Khola zurück zu unseren Zelten gehen, schauen wir noch bei einem örtlichen buddhistischen Kloster vorbei. Leider ist im Moment keiner der Mönche vor Ort um uns hereinzulassen. So bleibt nur der Blick auf die typischen bunten tibetischen Gebetsfahnen und durch einen kleinen Spalt ins Innere des Klosters.

So ist hier auch ein guter Platz, um ein bisschen über die Religionen in Nepal zu berichten. Die Hauptrichtungen sind Hinduismus und Buddhismus, es gibt aber auch ein paar Muslime und Christen im Lande. Von der Verteilung her sind etwa 80 % der Menschen Hindus, knapp 10 % Buddhisten, Muslime haben einen Anteil von etwa 4 %, während die Christen auf knapp 1,5 % kommen. Von jeher leben die Religionen in Nepal friedlich nebeneinander. Ja der Buddhismus ist sogar aus dem Hinduismus hervorgegangen. Im Hinduismus gibt es keinen klaren Gründer der Religion, was sie von allen anderen großen Weltreligionen unterscheidet. Dafür gibt es dort eine Vielzahl von Gottheiten, manche Zahlen gehen in die Millionen, was aber zusätzlich verwirrend durch die Reinkarnation wird. So glaubt man im Hinduismus an den ewigen Kreislauf von Leben und Tod. Im Hinduismus, der auch im 20. Jahrhundert Staatsreligion und Teil der Gesetze in Nepal war, gibt es ein strenges Kastensystem. Insbesondere in Indien wird es auch bis heute so gelebt. In Nepal ist dieses etwas aufgeweicht. Man kennt vier Hauptkasten. In der höchsten Klasse sind vor allem Gelehrte und Priester, man nennt sie auch die Brahmanen. Darauf folgt die Kishutria, zu ihr gehören Könige und Krieger und auch andere sehr wohlhabende. In der folgenden Vaishya sind Kaufleute und Bauern. Die Shudra als unterste Kaste beinhaltet Knechte, Handwerker und Arbeiter. Durch das Zusammenwachsen der verschiedenen Völker und Stämme sind diese vier Hauptkasten noch weiter in enorm viele Unterkasten aufgeteilt worden. Unter den Kasten gibt es dann noch die unberührbaren zu denen eigentlich auch wir Ungläubigen, jedenfalls nach der hinduistischen Sichtweise, gehören. In Indien soll diese Sichtweise durchaus sehr verbreitet sein, in Nepal werden die Touristen häufig in die zweite Kaste einsortiert, da sie als sehr reich gelten. Woher genau das Kastensystem kommt, weiß man bis heute nicht. In Nepal ist das Kastensystem eigentlich offiziell abgeschafft worden, lebt im Alltagsgebrauch, wenn auch in abgeschwächter Form, aber bis heute. Insbesondere dieses Kastensystem war auch für Buddha, mit Geburtsnamen hieß es Siddaartha Gautama, eine der Punkte an denen der Anstoß nahm. Genau genommen geht es hier um den historischen Buddha, denn wörtlich übersetzt bedeutet das Wort so viel wie „Erwachter“, was eine Art Ehrentitel ist. Damit drückt man aus, dass es ihm gelungen ist, die große Einsicht über alles Leben und die Zusammenhänge zwischen allen Dingen erlangt zu haben. Neben ihm gibt es weitere Buddhas, die aber nicht historisch belegt werden können, sondern deren Existens eher auf mündlichen Überlieferungen beruht. Aus der Lehre des historischen Buddhas entstand der Buddhismus, in ihm gibt es keine klare Doktrin über richtig und falsch. Es geht dabei darum, dass jeder für sich einen „gesunden“ Mittelweg findet. Die Lehre beschreibt eher das Ziel durch Meditation zu einer Einheit von Geist und der Natur der Dinge zu kommen. Es geht auch darum ein ethisch reines Verhalten zu erreichen. Das Ziel ist Leid und Unvollkommenheit zu überwinden, und dadurch auch den Kreislauf der ewigen Widergeburt zu durchbrechen, um den sonst immer wehrenden Leidenszustand zu überwinden. Im ursprünglichen Buddhismus gibt es keine schriftlich fixierten Lehren. Es wird ein Weg aufgezeigt, mit dessen Hilfe man den Einklang mit sich und dem Umfeld erreichen kann. Da der Buddhismus keine irgendwann in der Vergangenheit fixierten Regeln befolgt, sondern sich im Prinzip ständig automatisch wandelt, ist er eine vielleicht immer junge Religion, wenn auch reich an Jahren, die genauso für die Tradition wie für die Moderne steht. Neben diesen beiden Hauptzweigen von praktizierter Religion in Nepal, gibt es auch noch Einflüsse von alten Naturreligionen, die teilweise sowohl in den Buddhismus als auch in den Hinduismus Eingang gefunden haben. So haben auch zahlreiche insbesondere hinduistische Heilige ihren Sitz in den Bergen. Das geht sogar so weit, dass manche Gipfel als eigenständige Gottheiten verehrt werden, oder auch Bedeutung im Buddhismus als besonders wichtige Plätze für den Weg zur Einheit mit sich selbst und der Natur / dem Umfeld darstellen. Manche Tempel werden sogar von Hindus und Buddhisten gleichermaßen für religiöse Zwecke genutzt. Von der Verteilung her sind die Buddhisten insbesondere im höheren Himalaya zu Hause, während die Hindus eher im bevölkerungsreichen Tiefland anzutreffen sind. Im täglichen Leben ist für uns praktisch nicht zu unterscheiden, wer zu welcher Glaubensgemeinschaft gehört. Was aber eigentlich ja ein sehr gute Nachricht ist, denn alle finden sich im täglichen Leben wieder. Denn radikale Ansichten gegenüber Andersgläubigen werden sicherlich niemals zu einem vernünftigen Miteinander führen. Unter diesem Gesichtspunkt liegt der Buddhismus vielleicht sogar sehr weit vorne, wenn er vielleicht auch eine der schwierigsten Religionen ist, eben weil es kein schwarz oder weiß gibt, und niemand genau vorgibt, was richtig und falsch ist. Es geht vielmehr darum es sich selbst zu erarbeitet.

Zurück zu unserem Tag, Mittag ist heute ungewöhnlich spät nach 12:00 Uhr, was aber wohl wir verschuldet haben, da wir vom ersten Rastplatz oben auf dem kleinen Berg noch ein bisschen weiter aufgestiegen sind, die ursprüngliche Planung unserer Guides sah wohl ein bisschen anders aus. Aber der Nachmittag ist eh frei, so bleibt genug Zeit noch ein bisschen die verschwitzte Wäsche durch zu spülen, oder auch für eine warme Dusche, wenn man denn will. Letzteres spare ich mir, denn jeden Tag diesen Luxus wäre wohl doch zu viel.

11. Tag        21.10.2014 - Khambachen Alm (4145m)

Die Zeiten sind wieder wie gehabt: Morgentee 6:30 Uhr, Frühstück 7:00 Uhr, Abmarsch kurz vor 8:00 Uhr. Wie am Vorabend  das Abendessen ist auch heute wieder das Frühstück in der Küche des Inhabers von unserem Guesthouse. Das hat den Vorteil, dass es dort zumindest vom Ofen her ein wenig geheizt ist. Ansonsten sind die Zelte auch heute wieder übergefroren. Aber gefühlt ist es nicht ganz so kalt wie gestern. Im Gegensatz zu gestern ist heute aber wieder packen angesagt. Unsere Crew lässt ein paar Sachen hier, da wir in einigen Tagen wieder hierher zurückkehren werden. So haben die Träger zumindest temporär eine gewisse Erleichterung.

Anfangs geht es durch einen Wald, der sich wie gehabt entlang des Tals des Ghunsa Khola hinzieht. Es geht relativ sanft bergauf und bergab. Ab heute werden wir von unserem Guide geführt, was zu einem gleichmäßigeren Gang führt. Bis zur Mittagspause geht es dann noch mal auf etwas offeneres Gelände. Der Wind frisch etwas auf, wobei er bisher immer aus dem Tal den Fluss hinauf blässt, also im Moment von hinten kommt. Trotzdem ziehe ich über meine beiden T-Shirts erstmal wieder die Fleecejacke und die ganz dünne Softshell als zusätzlichen Windschutz. Bis auf die Handschuhe bin ich also wieder bei der Startkleidung von heute Morgen. Zwischenzeitlich hatte ich mich der Fleecejacke entledigt, als wir in die Sonne gekommen sind, was aber auch bis 10:00 Uhr gedauert hat. Die Berge an den Seiten sind eben hoch, und bis die Sonne dann auch das Tal erreicht, braucht seine Zeit.

Mittag ist wie gehabt um etwa 11:00 Uhr. Kurz nach zwölf setzen wir unseren Weg fort. Dazu wollen wir eine kleine Brücke über den Ghunsa Khola überqueren, dort kommen uns zuerst einmal zwei Yaks entgegen, davon hat das eine eine rotgefärbte Kopfbehaarung. Rot ist ohnehin die Nationalfarbe Nepals. Von hier geht es anfangs etwas ansteigend durch Gebüsch, aber noch ist alles relativ entspannt. Vor uns sehen wir aber schon das große Geröllfeld, das zuweilen auch mit Schotter belegt ist. Dazu geht es zunächst ein gutes Stück recht sportlich aufwärts. Auf halber Strecke machen wir noch eine kleine Verschnaufpause. Kurz vor dem Geröll- und Schotterfeld sehen wir den Jannu, ein Riese mit 7710 m. Auch für unseren Guide zählt der auf jeden Fall zu den „richtigen“ Bergen. Er meinte an einem der letzten Tage, nein dieser oder jenen kenne er nicht, schließlich gibt es hier in Nepal über 6000 Berge mit einer Höhe jenseits der 6000 m. Wir müssen noch einen Augenblick warten, bis eine andere kleinere Gruppe das Feld überquert hat, bevor wir selber uns wieder darüber auf den Weg machen können. Der Pfad ist sehr schmal und etwas in ständiger Bewegung. Eben wie es mit Schotter immer so ist. So nutzen mir meine Trekkingsstöcke nichts, was auf diesem kurzen Stück aber ja auch kein Problem ist. Zumal es ohne größere Höhendifferenzen vorwärts geht. Auf der Strecke von einigen 100 m gibt es nur zwei Stellen, an denen man entgegenkommendem Verkehr ausweichen könnte, oder auch wie sonst auf der Strecke üblich, einfach einen Träger vorbei lassen könnte. Aber unsere sind ohnehin längst weit vor uns. Das Geröllfeld ist die vom Weg her einzige etwas kribbelige Stelle auf unserer Tour. Da es hier zuweilen auch zu Steinschlägen kommt. Aber heute ist alles ruhig. Nach dem Schotter zieht sich der Weg noch ein gutes Stück höher, auch hier ist der Pfad relativ eng und wegen der Steigung anstrengend aber deutlich fester, und auch die Stöcke können wieder als Unterstützung eingesetzt werden.

Gegen 14:00 Uhr, also nach etwa 5 Stunden Gehzeit, erreichen wir schließlich die Khambachen Alm auf einer Höhe von etwa 4145 m. Mein Kopf meldet sich wieder ein wenig, aber immerhin sind die Blähungen inzwischen weg. Man freut sich ja schon zu Kleinigkeiten. Gegen 16:00 Uhr gibt es den täglichen Nachmittagstee, okay für mich wieder Kakao. Anschließend machen wir noch einen kleinen Spaziergang nach der guten alten Regel: Go high, sleep low. Also gehe hoch und schlafe tief. Dabei zeigt uns noch ein kleiner Junge wie man hier die Berge rauf und runter springt. Wobei er sicherlich keine Höhenanpassung mehr braucht.

12. Tag        22.10.2014 - Lhonak (4760m)

Der morgendliche Ablauf ist inzwischen schon längst Routine geworden, also 6:30 Uhr Morgentee, 7:00 Uhr Frühstück und kurz vor 8:00 Uhr geht es los. Es geht gleich nach dem Camp eine Anhöhe hinauf, die wir schon von unserem gestrigen Abend-Spaziergang kennen. Eine französische Gruppe ist vor uns aufgebrochen, doch einer der Teilnehmer leidet unter akuter Höhenkrankheit. Er ist scheinbar nur noch eingeschränkt bei Bewusstsein. Wie wir später erfahren, wird er noch am gleichen Tag absteigen, die einzige und wirklich effektive Methode gegen Höhenkrankheit. Mit ihm geht einer der Träger aus dieser Gruppe, auch er leidet unter der Höhenkrankheit. Wie wir später erfahren, hatte der Träger am Vorabend wohl ein bisschen Hirsebier getrunken. Die Träger schlafen meist in einem Raum bzw. Gemeinschaftszelt, was natürlich dann sehr unruhig ist. Und um dann besser einschlafen zu können, trinken viele von ihnen dann am Abend noch ein bisschen Hirsebier. Das ist sehr günstig und erzielt relativ schnell die gewünschte Wirkung. Nur leider verbessert der enthaltene Alkohol nicht eben die Höhenanpassung. Die  Höhenkrankheit kann übrigens jeden treffen, auch Menschen die schon häufiger in noch größeren Höhen unterwegs waren. Und natürlich sind auch Nepalesen davor nicht gefeit. Was leider unter den Trägern auch sehr verbreitet ist, ist das Rauchen. Auch das ist nicht gesund und macht die schwere Arbeit sicherlich auch auf Dauer nicht leichter, aber durchaus nachvollziehbar. Sie suchen meist einfach Ablenkung auf den Touren, auf denen sie oftmals Wochen unterwegs sind. So verwundert es insgesamt auch nicht, dass die meisten Träger noch sehr jung sind.

Es gibt noch immer einen Bewuchs aus kleinen Sträuchern und natürlich Gräsern und Moosen, immerhin befinden wir uns auf etwa 4300 m. Auf der rechten Seite begleitet uns fast den ganzen Tag der Mera. Aus unserer Position sieht er schon riesig aus. Dabei ist er „nur“ 6334 m hoch. Unterhalb des Gipfels sieht man einen Gletscher mit einem überstehenden großen Eis- bzw. Schneebrett. Zwischen den Gipfeln glauben wir auch schon den Kangchendzönga zu sehen, aber bei den vielen weißen Riesen, wer will das schon sagen. Und vielleicht ist ja auch ein bisschen der Wunsch der Vater des Gedankens. Für uns geht es noch mal eine gute Stunde über eine Moräne bzw. ein Schotterfeld. Dabei geht es auch ein gutes Stück weiter herauf, was die Sache ein bisschen anstrengend macht. Nach dieser Passage ist dann auch wieder Mittagspause, auch hier ist die Zeit mit etwa 11:00 Uhr wieder normal. Eine Stunde später geht es weiter, das erste Stück ist eigentlich relativ einfach. Es geht über eine Alm, auf der das Gelände nur leicht ansteigt. Ich merke an mir selbst aber, dass ich langsam müde werde. Meine Mittagsmahlzeit war für mich wieder ziemlich reichlich, womit dann auch jetzt mein Magen zu kämpfen hat. Ich fühle mich dabei nicht unwohl, auch von Kopfschmerzen bleibe ich heute völlig verschont. Und doch merke ich, dass wir inzwischen schon eine ordentliche Höhe erreicht haben. Die sportliche Vorbereitung auf diese Reise war nicht optimal, wohlmöglich bekomme ich so langsam die Quittung dafür. Und so bin ich dann auch nicht unglücklich, als es mal wieder Zeit für eine kleine Pause ist. Danach geht es noch an einem Schuttfeld vorbei, das auf der Seite einen recht steilen Abhang hat. Aber auch das ist technisch nicht schwierig und dann irgendwann geschafft. Nach der Überquerung einer kleinen Brücke geht es nur noch ein kleines Stück weiter durch ein kleines Schneefeld, in der schon ein Pfad „getrampelt“ worden ist. So ist der Weg etwas feucht und schlüpfrig. Aber es sind auch nur noch ein paar 100 m. So sind wir auch heute wieder relativ früh an unserem Camp. Wie auch am Vortag wieder nur eine Strecke von etwa 10 km. Aber 10 km in den Bergen zumal in dieser Höhe sind eben auch nicht mit 10 km im flachen Norddeutschland zu vergleichen. So bin ich müde aber ansonsten körperlich gut beieinander.

Das Camp in Lhonak liegt wie auch schon die Khambachen Alm auf einer Alm. So verwundert es auch nicht, dass in direkter Umgebung einige Yaks grasen. Es ist schon erstaunlich, wir sind fast auf Höhe des Montblanc, also dem höchsten Punkt der Alpen, und hier wird noch Weidewirtschaft betrieben. Wobei das natürlich nur in wenigen Monaten des Jahres möglich ist. Ansonsten ist es hier schlicht viel zu kalt und die Tiere finden dann unter dem Schnee auch kaum noch Nahrung. Um uns herum dann ein großartiges Bergpanorama. Auf der linken Seite sind die Berge ein wenig kleiner und braun, auf der rechten Seite sind dann die weißen Riesen. Nach dem Nachmittagstee machen wir es wie am Vortag, also wieder ein kleines Stück bergauf, um unsere Höhenanpassung zu fördern. Die britische Gruppe, mit denen wir in den letzten Tagen mehr oder weniger zeitgleich unterwegs waren, haben wir heute dann verloren. Sie schieben einen weiteren Akklimatisationstag auf der Khambachen Alm ein. In dem Zusammenhang vielleicht noch einmal ein kleiner Hinweis zum Schuhwerk unseres Begleitteams. Seit Ghunsa haben sie ihre Plastiksandalen ins Gepäck gepackt, dafür sind sie inzwischen alle mit richtigen Schuhen unterwegs. Über die Passgenauigkeit hatte ich mich ja schon einmal ausgelassen. Aber immerhin sind die Schuhe deutlich wärmer.

Aus gegebenem Anlass an dieser Stelle noch ein paar Hinweise zur Höhenkrankheit. Sie tritt ab einer Höhe von etwa 2500 m auf. Ab einer Höhe von etwa 4500 m sind bei fehlender Akklimatisation zwischen 50 und 75 % der Bergsteiger betroffen. Neben der absoluten Höhe spielen die Aufstiegsgeschwindigkeit, sie sollte möglichst nicht mehr als 500 m pro Tag sein, fehlende Ruhetage, das Alter, Menschen unter 46 Jahren leiden deutlich häufiger darunter, und das Geschlecht eine Rolle. Dabei leiden Frauen prozentual häufiger als Männer daran. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass die Fitness eine Rolle spielt, gilt dieses inzwischen als überholt. Man wird dann nur schlicht früher müde. Interessanterweise leiden Tibeter seltener darunter, da sie eine höhere natürliche Atemfrequenz haben als andere Völker, auch wenn diese ebenfalls traditionell in größeren Höhen leben. Die Ursache, warum es zur Höhenkrankheit kommt, ist der mit zunehmender Höhe fallende Luftdruck. Die normale Regulierung des Atems durch den Körper funktioniert an dieser Stelle leider nicht, da diese nur auf den Kohlendioxidgehalt des Blutes reagiert. Der ist aber normal, es gelangt einfach nur weniger Luft über die Lungen in den Blutkreislauf, was an der Verengung der Blutgefäße wegen des geringeren Luftdrucks liegt. Zuweilen kommt es dann zu einer schnellen und sehr flachen Atmung, was eigentlich das Gegenteil von dem bewirkt was nötig wäre. Am besten in solchen Situationen ist ruhiges und sehr tiefes Ein- und Ausatmen. Häufiges Gähnen in der Höhe ist übrigens auch nicht unbedingt ein Zeichen für Müdigkeit, sondern verbessert die Atmung in der Höhe. Ein natürlicher Schutzmechanismus des Körpers. Durch die schnelle flache Atmung (Hyperventilation) steigt der pH-Wert im Blut. Das führt zu dem bekannten Symptom der Kopfschmerzen oder in ausgeprägteren Formen zu Verwirrung, Sinnestäuschung und Gleichgewichtsstörungen. Bei einer besseren Akklimatisation können Nieren diesen Effekt abmildern. Dabei kommt es allerdings zu einer Entwässerung des Körpers, warum auch die Zufuhr von sehr viel Flüssigkeit in der Höhe sehr wichtig ist. Dort braucht man also deutlich mehr Flüssigkeit als in der Ebene. Hier sollte man also immer auf die Farbe des Urins achten. Am Morgen darf er gelblich sein, sollte dann aber im Tagesverlauf klar werden, das gilt übrigens auch im Flachland. Neben den Kopfschmerzen sind Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen und Ohrensausen häufige Begleiterscheinungen der Höhenkrankheit. Auch Schlafstörungen gehen meist einher. Die größte Gefahr ist aber, dass sich wegen der Erhöhung des Blutdruckes in der Lunge oder im Gehirn Flüssigkeit ansammelt. Diese bildet Ödeme, was im schlimmsten Falle tödlich verlaufen kann.

13. Tag        23.10.2014 - Pang Pema (5140m)

Auch heute sind die Zeiten wieder wie gehabt, also 6:30 Uhr den Morgentee, 7:00 Uhr Frühstück und anschließend Abmarsch, was wieder kurz vor 8:00 Uhr der Fall ist. Vielleicht heute noch ein paar Hinweise zu den klimatischen Bedingungen. Am Morgen war es im Zelt -2 °C warm oder kalt wie man es nimmt. Denn draußen wurden -14 °C gemessen. Das treibt mich nicht gerade aus dem Schlafsack. Ansonsten scheint hier wie bisher jeden Morgen die Sonne. In den letzten Tagen verschwand sie gegen etwa 16:00 Uhr hinter den Wolken bzw. auch hinter den Gipfeln, was die Temperaturen dann augenblicklich nach unten treibt. Das umgekehrte Verhalten natürlicher am Morgen, kaum kommt die Sonne raus wird es merklich wärmer.

Auf unserem Programm steht heute die höchste Übernachtung im Pang Pema Camp. Es wird zuweilen auch als Basislager des Kangchendzönga bezeichnet, was genau genommen aber eigentlich nicht stimmt. Denn es gibt noch drei Basislager oberhalb von Pang Pema, und die werden eigentlich nur von den richtigen Gipfelstürmern frequentiert. Unsere Tour beginnt sanft über die Almen oberhalb von Lhonak. Wobei sanft natürlich relativ ist, immerhin starten wir auf etwa 4760 m, unser Ziel liegt auf 5140 m. Das Gefälle steigt nur leicht an, vom Gelände her ist es also relativ leicht. Am heutigen Morgen habe ich leichte Kopfschmerzen, aufgrund der Höhe empfinde ich es aber nicht als bedenklich oder bin auch nur wirklich überrascht davon. Auch mein Magen ist ein bisschen sauer, was sich aber mit einer Reisetablette leicht beheben lässt. Trotzdem bin ich heute mit den Mahlzeiten ein bisschen vorsichtig. Der heutige Anstieg ist mit etwa 5-6 Stunden Gehzeit veranschlagt. Der Weg führt fast die ganze Zeit am unteren harschen Teil des Kangchendzönga Gletschers entlang.

Dieser sieht ein wenig dunkel aus, da sich auf der Oberfläche allerhand Schmutzpartikel befinden. Diese dunklen Flecken sorgen übrigens für ein schnelleres schmelzen der Gletscher. Dabei kann es sich um Gesteinspartikel handeln, in jüngerer Vergangenheit haben aber wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass sie auch zu einem erheblichen Teil aus Verbrennungsresten bestehen. Wobei diese Aussage im Prinzip für den gesamten Himalaya gilt, und hier nicht besonders auf den Gletscher des Kangchendzönga bezogen werden kann. Die Ursache für diese Aschepartikel sind häufig Feuerstellen, die nur eine Öffnung haben. Diese finden sich typischerweise nicht nur in Nepal sondern zum Beispiel auch auf dem ganzen indischen Subkontinent. Das führt nicht nur bei den Frauen in Haushalten zu sehr erhöhten Gesundheitsrisiken, die Belastung ist etwa so groß wie mehrere Schachteln Zigaretten pro Tag, sondern durch die Winde aus südlichen Richtungen, also vornehmlich Indien, werden diese Partikel bis hoch hinauf in den Himalaya transportiert und regnen dann hier ab. Die schwarzen Partikel wiederum absorbieren das Sonnenlicht, was zu einer Erhöhung der Temperatur auf den Schnee- bzw. Gletscheroberfläche führt, was als Folge dann das Schmelzen bzw. schnellere Schmelzen der Gletscher nach sich zieht. So gehen auch im Himalaja praktisch alle Gletscher zurück. Das führt zum einem zu mehr ins Tal fließenden Schmelzwasser, was für die Landwirtschaft im Moment sogar eher positiv ist, aber eben leider auch Bodenerosion besonders befördert. Langfristig bedeutet das aber, dass es deutlich weniger Schmelzwasser geben werden wird. Was für die Landwirtschaft im betroffenen Gebiet verheerende Auswirkungen haben dürfte. Immerhin lieben in diesem Gebiet weit über 1 Milliarde Menschen. Und wir sprechen hier nur von der südlichen Seite des Himalajas. Das Problem gibt es genauso auf der nördlichen Seite also der chinesischen Seite. Auch dort sind mehrere 100 Millionen Menschen im Einflussbereich der großen Flüsse aus dem Himalaja. Zusätzlich gibt es in China große Wasserkraftwerke, die natürlich auf das Schmelzwasser angewiesen sind.

Aber zurück zu unserem Tag. Nachdem wir anfangs über die Almen gingen, folgt eine Überquerung eines kleinen Moränenabgangs, was aber nur der Vorgeschmack auf das ist, was dann folgt. Eine lange Moräne bzw. Schuttfeld, das in dieser Höhe eine Menge Kraft abverlangt. Es lässt mich auch ein bisschen „blau“ laufen. Ich versuche, das bei der nächsten Rast mit Traubenzucker und langfristig wirkenden Energiezufuhr auszugleichen. Von hier ist es nur noch ca. 1 Stunde, bis wir gegen 13:00 Uhr am Lagerplatz ankommen, dort erwarten uns schon das Mittagessen und ein freier Nachmittag. Das Lager Pang Pema ist etwas vorgelagert vor der Nordseite des Kangchendzönga, der im deutschen aber auch als Kangchenjunga bezeichnet wird. Überhaupt ist es mit den Übersetzungen oftmals ein bisschen schwierig, da meist eine Mischung aus offizieller Umsetzung der Buchstaben und „Lautschrift“ benutzt wird, was natürlich zu unterschiedlichen Ergebnissen und damit Übersetzungen führt. Von Pang Pema sind es noch fast 3500 m bis zum höchsten Gipfel des Kangchendzönga oder Kansch, wie man ihn in der deutschen Kurzform auch noch nennt. Nur zum Vergleich die Zugspitze, der höchste Berg Deutschlands, bringt es insgesamt nur auf knapp 3000 m. Wobei der Gipfel des Kangchendzönga leicht nach links versetzt liegt. Da er zusätzlich noch ein bisschen gegenüber seinen näheren Nachbarn zurückversetzt ist, kommt seine Dimension dabei nicht mal wirklich richtig raus. Und auch seine Nachbarn wie etwa der Nepal Peak sind schon über 7000 m hoch, und doch überragt der Kangchendzönga sie natürlich deutlich.


Noch ein paar weitere Informationen zum Kangchendzönga. Er ist mit 8586 m der dritthöchste Berg der Erde. Sein Name bedeutet übersetzt: „Die fünf Schätze des großen Schnees“. Die fünf Schätze sind Gold, Silber, Juwelen, Getreide und heilige Schriften, für die jeweils die fünf Gipfel der Größe nach stehen. Im Buddhismus gilt er als Heimstädte des Gottes des Reichtums. Im Buddhismus heißt er Vaisravana im Hinduismus Kubera. Er hütet dort die Schätze, verteilt sie aber auch ans Volk. Er gilt unter den Achttausendern als der heiligste Berg. Insgesamt gibt es auf der Welt 14 Achttausender. Davon sind acht Stück mit nepalesischer Beteiligung, Beteiligung deshalb weil 9 der 14 Achttausender eigentlich Grenzberge sind, also die Grenze zwischen zwei Ländern markieren. Sie galten auch lange als unüberwindbar von daher stellten sei eine natürliche Grenze dar. Immerhin sind drei der fünf übrigen Berge alleine in Nepal. Einer von ihnen der Annapurna fordert übrigens statistisch gesehen die meisten Todesopfer. Bei 154 erfolgreichen Besteigungen kam es zu 60 Todesfällen (Zahlen von 2008). Das Hauptproblem bei ihm sind sehr viele Lawinen, wodurch etwa zwei Drittel der Opfer umkamen. Beim Kangchendzönga bestehen die Schwierigkeiten vor allem durch sehr große Neuschneemengen, dadurch bedingt Lawinen auf allen Routen und häufige Höhenstürme. Wahrscheinlich ist der Mount Everest der am häufigsten bestiegene Achttausender. Bis 1979 gab es lediglich 99 erfolgreiche Besteigungen. Bis 1985 waren es bereits über 200, und im Jahre 2007 dann alleine 630 erfolgreiche Besteigung. In diesem Rekordjahr nahm Nepal alleine 2,3 Millionen $ für die staatlichen Permits am Mt. Everest ein. So ist die Besteigung des höchsten Berges der Erde zu einem kommerziellen Massenphänomen geworden, wobei es statistisch nur jeder fünfte Gipfelaspirant auch wirklich bis nach ganz Oben schafft. Die Teilnahme an einer der Besteigungsexpeditionen kann man sich bereits für ca. 40.000 $ erkaufen. So waren auch am 23. Mai 2010 169 Bergsteiger auf dem Gipfel. Genau das ist auch Teil des Problems, so versuchen zunehmend immer mehr eigentlich nicht geeigneter Personen auf den höchsten Berg der Welt zu kommen. Wegen des „Gedränges“ und des relativ kleinen Zeitfensters im Jahr, in der der Gipfel überhaupt vom Wetter her offen ist, brechen zuweilen Expeditionen auch zu eigentlich ungünstigen Bedingungen auf. So kamen im Mai 2011 219 Gipfelstürmer bei extrem widrigen Wetterverhältnissen bei der Besteigung ums Leben. Und nach wie vor ist das größte Risiko eigentlich nicht der Aufstieg sondern der Abstieg. Auch hier ist der große Andrang ein Teil des Problems. Denn bereits beim Aufstieg stehen die Gipfelaspiranten häufig im Stau, kühlen aus und sind dann bei dem Abstieg meist schon zu erschöpft bzw. haben sich zusätzlich schwere Erfrierungen eingehandelt. Als Abschluss vielleicht noch eine kleine Anekdote zur Namensvergabe des Berges. Benannt ist er nach George Everest der nicht, wie man hätte meinen können, der erste erfolgreiche Besteiger war, sondern lange der Leiter der Großen Trigonometrischen Vermessung Indiens war. Aber erst unter seinem Nachfolger Andrew Scott Waugh gelang die Bestimmung des höchsten Berges und dann auch die Vermessung. Erstmals wurde er, damals noch unter der Bezeichnung „Peak B“ 1848 von Indien aus vermessen, da Nepal den Zugang verweigerte. Aus über 200 km Entfernung errechnete man die Höhe aus verschiedenen Ansichten auf 8840 m und lag damit lediglich 8 m daneben. Heute ein paar Vermessungen später und mit ganz anderen technischen Möglichkeiten wird seine Höhe mit 8848m angegeben. Die Erstbesteigung gelang dann erst 1953 durch den Neuseeländer Sir Edmund Hillary und den Nepalesen Tenzing Norgay. Dabei startete man übrigens von Kathmandu aus mit insgesamt etwa 1700 Trägern. Drei von ihnen waren Soldaten und nur für den Transport des Geldes zuständig, dass man brauchte um die Träger täglich bezahlen zu können. Das scheint übrigens bis heute üblich zu sein.

Aus aktuellem Anlass noch ein Bericht zu einem Unglück, das während unseres Trekkings hier in Nepal geschah. Im Anna Purna Gebiet kam es zu einem schweren Zyklon, der Schneemengen von teilweise 1,5m in sehr kurzer Zeit brachte. Betroffen war auch die viel begangene „Anna Purna Runde“. Das Problem verschärfte sich offensichtliche durch fehlende Wetterinformationen auf den dort eigentlich mit Satellitentelefonen ausgestatteten Schutzhütten. Dann lief die Hilfe viel zu langsam an, was wohl nicht unerheblich auch mit der langen Entscheidungsfindung der entsprechenden Stellen in Kathmandu zusammen hing. Und als es dann endlich losging, fehlte es an Helfern und vor allem technischen Gerät wie Helikoptern. Dazu muss man auch noch wissen, dass die Traglast von Hubschraubern in solchen Höhen deutlich nachlässt. Selbst als die Rettungsaktion dann lief, war diese wohl auch noch sehr schlecht koordiniert. Eine Bergrettung wie etwa in den Alpen gibt es in Nepal nicht. Manche Stimmen meinten später, ein Teil des Problems wäre auch das Kastensystem in Nepal. Die Entscheidungsträger gehörten meist zu der Kaste der Brahmanen, die vermeintlich Betroffenen aber zu den unteren Kasten. Insgesamt gehörte das Unglück zu den größten jemals statt gefundenen in Nepal. Es konnten 543 Bergsteiger gerettet werden, 43 weitere kamen dabei ums Leben. Unter ihnen waren 22 Nepalesen. Unsere Begleiter, die das Geschehen so gut es ging verfolgten, sich uns gegenüber aber eher bedeckt hielten, die Nachrichtenlage war zu dem Zeitpunkt offensichtlich noch sehr unübersichtlich, machten sich in dem Moment eher Sorgen um die Auswirkung auf den Tourismus, als um die Opfer oder vielleicht auch die eigenen Gefahren, denen sie bei ähnlichen Touren ausgesetzt sein könnten. Denn insbesondere unsere beiden Guides sind beide auch in dem Gebiet tätig. Und im Frühjahr hatte es erst ein schweres Unglück am Mount Everest gegeben, bei dem ebenfalls mehr als 20 Nepalesen ihr Leben verloren, als sie versuchten die Gipfelroute am Berg für die Touristen vorzubereiten.

14. Tag        24.10.2014 - Khambachen Alm (4145m)

Der heutige Tag beginnt zweigeteilt. Jene aus unserer Gruppe, die noch den Dromo Ri Sporngipfel besteigen möchten, brechen dazu um 5:00 Uhr auf. Die anderen, zu denen ich auch gehöre, beginnen den Tag eine halbe Stunde später als gewöhnlich, also aufstehen bzw. Morgentee erst um 7:00 Uhr, Frühstück entsprechend 7:30 Uhr, Abmarsch gegen 8:30 Uhr. Wir sind hier in Pang Pema in der letzten Nacht die einzigen Touristen gewesen. Es ist auch fast „normaler“ in Lhonak zu übernachten, von dort zum vorgeschobenen Basislager nach Pang Pema zu gehen und am gleichen Tag wieder bis Lhonak abzusteigen. Dann würde man aber natürlich die klare, kühle Morgenluft vor dem Kangchendzönga im Sonnenschein verpassen. Und auch die grandiose Ruhe hier heute. Man verpasst allerdings auch Temperaturen von -20 °C am Morgen. Wobei letzteres natürlich auch kein so großer Verlust ist. Fairerweise muss man aber sagen, die Luft ist sehr trocken dabei und auch der Wind geht heute kaum.

Für mich wäre es vielleicht mit dem morgendlichen Aufstieg von Lhonak und dann am selben Tag den Abstieg dorthin zurück besser gewesen. Ich musste erstmalig nachts aus dem Zelt, um eine Notdurft zu verrichten. Es war vorsichtig formuliert „frisch“, zumal man auch nicht unbedingt alle Kleidungsschichten dazu überzieht. Es tut einem fast Leid um jeden Tropfen warmer Körperflüssigkeit. Aber viel schlimmer ist, ich habe ordentliche Kopfschmerzen und Probleme mit dem Gleichgewicht. Schönen Gruß an die Höhenkrankheit. Insbesondere mit dem Gleichgewicht ist es nachts mit Stirnlampe nicht wirklich zu empfehlen. Der Gang zum Toilettenzelt ist ein bisschen wie „besoffen“ bei klarem Verstand. Dazu war der Untergrund teilweise noch ein wenig vereist, was das Unternehmen auch nicht gerade vereinfachte. Da wir heute, anders als eigentlich im Programm vorgesehen, nicht nur bis Lhonak sondern bis zur Khambachen Alm absteigen werden, immerhin von 5140 m auf 4145 m also etwa 1000 Höhenmeter, erhoffe ich mir eine Befreiung von beidem. Ich trinke mehr als genug, im Grunde bin ich nur noch ein Durchlauferhitzer. Mein Urin ist schon am frühen Vormittag weiß. Ich schlafe auch ordentlich, sicherlich wache ich zwei bis dreimal in der Nacht kurz auf, aber wenn man inzwischen schon zwischen sieben und acht am Abend einschläft, und dann um etwa 6:00 Uhr morgens wieder aufwacht, ist das wohl eigentlich nur normal. Wie dem auch sei, wir beginnen den Abstieg. Auf der ersten Hälfte auf dem Weg nach Lhonak geht es wieder über das Schutt- und Geröllfeld. In meinem derzeitigen Zustand nicht eben optimal, aber nach unten geht es eben nur da lang. Ich freue mich fast, als die Fladen der Yaks, dabei sind sie eigentlich nur ein Kreuzung zwischen Yaks und Rindern, reinrassige Yaks dürfte es schon lange nicht mehr geben, langsam mehr werden. Ein untrügliches Zeichen, dass wir Lhonak näher kommen. Dort haben wir auch unsere Mittagspause, was etwa gegen 11:45 Uhr der Fall ist. Heute ist hier in Lhonak allerhand los, wir treffen auch die britische Gruppe wieder, mit der wir zeitgleich die ersten Tage unterwegs waren. Sie hatten einen zusätzlichen Tag zur Akklimatisation auf der Khambachen Alm verbracht. Außerdem ist eine große Gruppe Amerikaner dort, die Franzosen, die wir kurz nach unserem Aufbruch an der Khambachen Alm überholt hatten, und ein paar einzelner Personen. Als wir gestern hier waren, waren wir fast alleine, was mir ehrlich gesagt auch lieber war. In dieser Umgebung möchte man auch gerne die Stille im Hier und Jetzt genießen dürfen. Einfach nur schön, nicht unwichtig dabei aber natürlich auch die Sonne, die uns bisher an jedem Tag hier zugelacht hat.

Nach dem Essen geht es für uns weitere 600 Höhenmeter weiter abwärts bis zu unserem heutigen Tagesziel. Mit meinem Gleichgewichtssinn wird es zunehmend besser, auch wenn er immer noch alles andere als normal ist. Die Kopfschmerzen bleiben mir, da helfen mir auch nicht meine Paracetamol. Was sich auch positiv verändert sind die Blähungen im Damentrakt, die mit fallenden Höhen praktisch völlig aufgehört haben. Noch bevor wir die Khambachen Alm erreichen, holt uns unser Gipfelstürmer, der es heute schon bis zur Spitze des Dromo Ri Sporngipfel geschafft hatte, wieder ein. Nach seinen Messungen liegt der Gipfel auf einer Höhe von 5976 m, oder anders ausgedrückt, er ist 25 Meter zu klein. Aber Martin, ich bin mir sicher, du wirst deinen 6000 er noch machen. Auch so ist es für ihn ein neuer Höhenrekord, und auch höher als ich wahrscheinlich jemals kommen werde.