• Sonnenaufgang in der Kalahari
    Namibia

    Sonnenaufgang in der Kalahari

  • Spiegelung der im Sonnelicht leuchtenden Berge beim Stuvdalsvatnet
    Norwegen

    Spiegelung der im Sonnenlicht leuchtenden Berge beim Stuvdalsvatnet

  • Gipfel des Mera
    Nepal

    Gipfel des Mera

  • Matanuska Gletscher
    Alakshak

    Matanuska Gletscher

  • Oryx Antilope
    Südliches Afrika

    Oryx Antilope

10. Tag         18.08.2013 – Arvaikheer

Wieder ein Tag mit den üblichen Zeiten. Wobei sich die Routine immer besser einspielt und nicht schon um 6 Uhr das Rumoren beginnt. So geht es erst eine halbe Stunde vorm Frühstück los. Wieder peilen wir an, gegen 8 Uhr abzufahren, was auch wieder ganz gut klappt. Zur täglichen Routine wird es auch, nachdem alles zusammen gepackt ist, schon ein kleines Stück voraus zu gehen, während die Mannschaft noch alles nach ihrem System in den Fahrzeugen verstaut. Wie immer kommen wir nicht wirklich weit, wobei der Eindruck natürlich noch durch die sehr freie Landschaft etwas überzeichnet wird.

Wir fahren weiter in nördlicher Richtung, also weiter aus dem Kerngebiet der Gobi hinaus. Der Bewuchs wird so im Laufe der Fahrt dichter und vor allem grüner. Morgens ist der Boden von unzähligen kleinen Steinen übersät, die Farben grau und braun dominieren. Es wechselt zu rötlicheren Tönen mit grünen Farbtupfern, dazu grau bis anthrazit farbende Kiesel, die eine fast flächendenkende Schicht bilden. Nicht weit davon kommen wir auf eine große Fläche, die ganz offensichtlich noch vor wenigen Tagen überschwemmt worden ist. Das Gebiet ist über Kilometer mit einer aufbrechenden roten Kruste bedeckt. Sofort beginnt sich neues Leben zu regen. Pflanzen keimen bzw. bestehende schießen neu aus und bilden zum Teil winzige Blüten. Aber das Beispiel verdeutlicht eben auch das große Problem der schlechten Wasseraufnahmefähigkeiten des Bodens. Wenn es schon mal regnet, läuft das Wasser einfach ab und wäscht auch noch die dünne Krume aus. Wie unsere Dolmetscherin sagt: „nur wassergeduldige Pflanzen“ kommen mit diesen Bedingungen zurecht. Gleiches gilt natürlich auch für die Tierwelt.

Nicht weit entfernt sehen wir ein grünes Band mit einzelnen Tümpeln am Straßenrand vorbei ziehen. Es wirkt fast schon ein bisschen fehl am Platze, wenn man die übrige Landschaft sieht. An der Straße, auf die wir inzwischen aufgefahren sind, verläuft auch eine Stromleitung. Hier sind es Betonpfähle, an denen die Leitungen hängen. An anderer Stelle gab es aber auch oft einen Betonfuss, an dem mit einem etwa 8mm dicken Rundstahl ein Holzpfahl, wie sie früher auch in Deutschland üblich waren, mittels zweier Umwicklungen befestigt worden ist. Von unseren mongolischen Begleitern konnte mir niemand den Hintergrund dieser Konstruktion erklären. Er soll aber wohl so aus Russland übernommen worden sein. Ich vermutet mal, dass das dem Frost im Winter geschuldet ist.

Unser Ziel sind heute die Ruinen des Ogiin Klosters. Genau genommen sind es eigentlich die beiden Klöster Barlim khiid und das Khutagt khiid, die sich an den beiden Uferseiten am Ogiin gol gegenüber liegen und deshalb auch oft als Ogiin khiid bezeichnet werden. Wie man sich schon denken kann bedeutet khiid Kloster und gol Fluss. Die Klosteranlagen, in denen zur Hochzeit etwa 1000 Mönche lebten, waren ein bisschen in einem kleinen Gebirgszug versteckt, aber genau diesem Umstand verdankten sie auch den Zugang zu dem Fluss. Er entspringt hier in den Bergen um dann wenig später wieder zu versickern bzw. die Tümpel an der Straße, die wir zuvor gesehen haben, zu speisen, aus denen das meiste Wasser dann verdunstet. Von den Klosteranlagen ist heute nicht mehr sehr viel übrig. Man erkennt noch die Reste der Wände aus Lehmziegeln, oder auch die Öffnung in den Wänden, durch die Wasserdampf geleitet worden ist. Dieser war praktisch eine der ersten Heizungen in der ganzen Mongolei. Aber wie man sich unschwer vorstellen kann, war es hier auch extrem kalt. Heute stehen nur noch ein paar neuere Stupas und ein Museum, dass zur Zeit unseres Besuchs aber geschlossen war. Heute ist Sonntag und wir haben die Ruinen am späten Vormittag erreicht. Sowohl das Museum als auch die Stupas sind erst in den letzen Jahren wieder erbaut worden. Die Zerstörung des Klosters geht auf die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück, ein sehr dunkles Kapitel der mongolischen Geschichte. Im Jahre 1924 wurde die Volksrepublik Mongolei gegründet. Anfangs ging man noch sehr behutsam mit den buddhistischen Mönchen und Klöstern um. Diese hatten in den letzten 300 Jahren eine große Macht aber auch Reichtum angehäuft, den sie teilweise zu Wucherzinsen verliehen. Die Klöster waren Hochburgen der Kunst, der Bildung und Wissenschaft aber auch der Medizin. Einer der Schwerpunkt des Klosters von Ogiin war beispielsweise die Astrologie. Da sich eine solche Macht nicht mit den Plänen der gesellschaftlichen Neuordnung der sozialistisch / kommunistischen Machthabern vereinbaren ließ, wurden insbesondere auf Druck der Sowjetunion die Macht des Klerus beschnitten. So wurde 1926 die strickte Trennung von Kirche und Staat verfügt. Das beinhaltete auch Beschlagnahmungen und Steuern. Bis dahin waren faktisch auch weltliche Entscheidungen gegen die Lamas – Mönche – nicht möglich. Ende der 30er Jahre kamen es dann in Folge von politischen Agitationen und Gesetzen zu den umfassenden Zerstörungen praktisch aller Klöster. Maßgeblich verantwortlich dafür war Chorloogiin Tschoibalsan, der ein treuer und bedingungsloser Anhänger Stalins war, der ihn auch zum Führer der kommunistischen Partei und 1939 auch zum Regierungschef in der Mongolei machte. Während der Repressalien alleine Ende der 30er Jahre wurden ca. 25- bis 30000 Menschen Opfer von Verfolgungen, die im Zusammenhang mit der politisch gewollten Zerschlagung der Buddhismus in der Mongolei statt fanden. Alleine etwa 20000 von ihnen wurden hingerichtet. Das führte zu einem großen intellektuellen Verlust der Mongolei, da nahezu alle im Land gebildeten Menschen die Ausbildung in den Klöstern erhalten haben und zu einem erheblichen Teil noch als Mönche in ihnen lebten und arbeiteten. In dieser Zeit wurde auch genauso gegen den Schamanismus vorgegangen. Was dann eine weitere Verschlechterung der medizinischen Versorgung der Bevölkerung nach sich zog. Insgesamt wurden unter Tschoibalsan nach heutigen Schätzungen etwa 14% der mongolischen Bevölkerung im Zuge verschiedender Säuberungen umgebracht. Nach dem Ende des Kommunismus in der Mongolei wurde übrigens im Jahre 1996 ein Museum im ehemaligen Haus von Peldschidiin Genden von dessen Tochter eingerichtet. Genden, der sich als Regierungschef geweigert hatte, gewaltsam gegen die Mönche vorzugehen, wurde später unter dem Vorwand der japanischen Spionage, nach Haft auf der Krim, dann von Stalin in Moskau hingerichtet. Genden ist heute voll rehabilitiert, bei Tschoibalsan ist die Sache etwas unklarer. Manche sprechen von einer hohen Abhängigkeit von Stalin, andere sehen ihn aber auch als Eiferer von dessen Politik. Positiv werden bis heute seine Verdienste um die Alphabetisierung der Mongolen gesehen, auch wenn er damit die Verbreitung der kommunistischen Ideologien in den Schulen verband. Besonders kritisch neben den Verfolgungen, selbst die mongolischen Kommunisten sehen ihn heute als Tyrannen an, wird sein Personenkult gesehen, den er fast noch weiter trieb als Stalin, der ihm in vielen Dingen als Vorbild galt. So steht auch heute noch für ihn ein Denkmal in Ulan Bator, oder trägt eine Stadt im Osten der Mongolei seinen Namen. Sein Leichnam wurde von russischen Experten des Lenin-Mausoleums in Moskau konserviert und liegt heute in einem Mausoleum in Ulan Bator.

Für uns geht es nach dem Besuch der Kloster-Ruinen und einer Mittagspause am Fluss Ogiin weiter nach Norden. Wir versuchen noch weitere Kilometer zu machen, da das Tagespensum für den morgigen Tag laut Plan recht anspruchsvoll ist.

 

11. Tag        19.08.2013 – Karakhorum

Auch heute gelten wieder die üblichen Zeiten, Frühstück 7 Uhr, Abfahrt 8 Uhr. Die Begleitmannschaft ist heute etwas langsamer, so sind wir leicht in Verzug. Auf der Fahrt geht es anfangs relativ zügig voran, und wir liegen recht gut im Plan. Unser erstes Zwischenziel ist Khujirt. Der Ort wurde wesentlich in der kommunistischen Zeit errichtet, um die vielen Gästen beherbergen zu können, da sich im Umfeld der Stadt zahlreiche heiße Quellen befinden und Khujirt der bedeutendste Kurort der Mongolei ist. Die Stadt ist eines der Zentren des Övörkhangai Aimags, dessen Hauptstadt ist aber Arvaikheer, in dessen Nähe wir in der letzten Nacht waren. Aimags sind etwa mit unseren Bundesländern vergleichbar. In den Hauptstädten und meist einigen anderen Hauptorten befinden sich die Infrastruktureinrichtungen für den ganzen Aimag. Dort gibt es Strom, Schulen, Ärzte oder die Post. Oftmals auch einen Flughafen, wobei viele davon nur inländische Flüge anbieten. Insbesondere bei den Schulen ist man in der Mongolei recht weit. Das Övörkhangai Aimag ist das tierreichste in der ganzen Mongolei. Inzwischen sehen wir wieder Rinder aber auch Pferde in größerer Zahl, was zuletzt kurz nach dem Verlassen der Hauptstadt Ulan Bator der Fall war. Ziegen und Schafe sind ja bisher auf nahezu der ganzen Reise unsere Begleiter gewesen. Mit dem mehr an Tieren wechselt natürlich auch die Vegetation. Es ist jetzt richtig grün, an einigen Stellen sieht man sogar kleine Seen. Nicht weit von Khujirt müssen wir gar zwei kleine Bäche durchqueren. Die durchschnittlichen Regenmengen sind mit rund 250 Liter je Quadratmeter und Jahr schon etwa doppelt so hoch wie bei den Flaming Cliffs. Im ganzen Aimag leben etwa 113000 Menschen, und das auf einer Fläche von knapp 63000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: Bayern hat eine Fläche von rund 70000 Quadratkilometern, es leben aber etwa 12,5 Millionen dort. Und doch ist der Aimag von der Bevölkerungsdichte etwa Landesdurchschnitt.

Als wir dann Khujirt erreichen, beginnt es etwas zu tröpfeln. Als wir unsere Mittagspause in einem kleinen örtlichen Restaurant beenden, sehen wir uns einem ordentlichen Regenguss gegenüber. Blöd ist nur, dass das der Wettervorhersage für den heutigen Tag entspricht. So beschließen wir die Reiseroute ein bisschen zu verändern und von hier nach Karakhorum zu fahren. Es sind lediglich rund 40km und der größte Teil davon auf einer der wichtigsten Teerstraße des Landes. Aber auch wichtige Straßen haben zuweilen Straßenschäden. Da sich die Löcher natürlich längst mit Wasser gefüllt haben, ist leider nicht immer abzuschätzen, wie tief die Schlaglöcher wohl sind – und die sind zum Teil sehr tief. Auch wenn unser Fahrer soweit möglich meist eher einen Slalom-Kurs fährt, rumpelt es doch einige male beträchtlich. Aber die wirklichen Probleme kommen erst wenige Kilometer vor Karakhorum. Die Straße ist noch nicht fertig, und da es sich hier um die wohl meist befahrenste Strecke der Mongolei handelt, ist sie entsprechend breit ausgefahren. Und die Spurrinnen sind beträchtlich. Und wegen des Regens sind die natürlich auch ziemlich schlammig. Das wird uns dann auch irgendwann zum Verhängnis, unser Fahrer versucht zwar ziemlich geschickt den größten Spurrinnen auszuweichen, zweimal rumpelt es mächtig, weil wir kurz aufsetzen, aber dann ist es passiert, und wir sitzen auf. Die Räder drehen sich nutzlos im Wasser. Als weitere Fahrzeuge sind noch der japanische Jeep und einer der russischen geländegängigen Kleinbusse dabei. Letzterer hat ja schon am ersten Tag den 20-Sitzer eine kleine Anhöhe hinauf gezogen, und auch hier zieht er wieder das deutlich größere Fahrzeug aus der misslichen Lage heraus, was einer gewissen optischen Komik nicht entbehrt.

Unser heutige Behausung für die Nacht sind nicht unsere Zelte sondern Jurten, was ich angesichts des Wetters und auch des am Abend noch dazu kommenden schweren Gewitters durchaus zu schätzen weiß. Die Jurte verspricht auf jeden Fall eine trockene Nacht. In jede Jurte kommt noch jemand, der etwas Brennholz, etwas Anmachholz und Papier bringt und den Ofen anzündet. Das Anmachholz und das Papier werden anschließend wieder mitgenommen. Der kleine Ofen macht die Jurte relativ schnell warm, verbraucht dafür aber auch einiges an Brennholz. Solange wir noch im Zelt sind, können wir das Feuer auch noch gut unterhalten, aber nachdem wir nach dem Abendbrot zurück kommen, ist es längst erloschen. Da die Jurten im Sockelbereich nicht wirklich dicht sind, verspricht es daher eine eher kühle Nacht zu werden. Aber immer noch besser kühl als nass. Denn mein Zelt ist nur einwandig, und damit eben eher weniger für ein solches Wetter geeignet.

Das Abendessen verdient noch eine besondere Erwähnung. Und damit meine ich nicht, dass wir auf richtigen Holzstühlen sitzen, und nicht wie sonst auf teilweise etwas klapprigen Campingstühlen. Nein heute bekommen wir noch ein besonderes Kulturprogramm. Zwei Mongolen unterhalten uns mit historischen Instrumenten, darunter etwa einer Pferdekopfgeige, die anders wie unsere Geige nicht am Hals angesetzt wird, sondern in den Schoß gestellt wird und ähnlichem einem Cello gespielt wird. Dabei hat die Pferdekopfgeige aber nur zwei Saiten. Ein anderes Instrument ist die Yatga, die ein bisschen einer Zitter ähnelt. Dazu trug einer der beiden noch ein paar Lieder im Kehlkopfgesang vor. Was zugegeben für unsere Ohren sehr fremd klingt, aber doch von einer tiefen Intensität  ist. Beim Kehlkopfgesang trägt der Sänger quasi zwei Stimmen gleichzeitig vor. Eine schafft einen relativ gleichmäßigen Grundton, der aber von der Intensität eigentlich eher dominierend ist, dazu kommt dann noch eine weitere Stimme, die dann den eigentlichen Gesang ausmacht und auch der Melodie folgt. Kehlkopfgesang ist eine besondere Technik, die in dieser Form nur in der Mongolei praktiziert wird. Ähnliche Techniken, bei denen auch dem Kehlkopf eine besondere Bedeutung zukommt, gibt es aber auch in anderen Völkern.  Dazu zeigte noch eine Schlangenfrau, eigentlich müsste man eher von einem Schlangenmädchen von etwa 15 Jahren sprechen, ihre Tänze. Ich glaube von mir eigentlich, meinem Alter entsprechend recht gelenkig zu sein, aber ihre Bewegungen liegen weit außerhalb meiner Vorstellungskraft, von einer Nachahmung natürlich ganz zu schweigen, es tat eigentlich schon beim Zuschauen ein bisschen weh. Und dann meist ein Lächeln oder mindestens ein sehr konzentriertes Gesicht dazu, erfordert noch mal eine besondere Anstrengung.

 

12. Tag        20.08.2013 – Karakhorum

Da wir in Karakhorum, das heute eigentlich Kharkhorin heißt, sind, und damit auf historischem Gebiet, ist es Zeit für einen Blick weit zurück in die Geschichte. Nicht weit von Karakhorum liegt einer der bedeutendsten Zeugnisse der Geschichte. Es handelt sich dabei um eine Steele aus dem Jahr 732, die auf der einen Seite chinesische Schriftzeichen hat, und was eigentlich die kleine Sensation ist, auf der andern der gleiche Text in einer anderen Sprache mit eigenem Alphabet – einer Turksprache. Schon vorher war bekannt, das die Turkvölker vermutlich aus dem Bereich des heutigen Kasachstan kamen, aber soweit östlich hatte man sie bis dahin nicht vermutet. Die Steele ist damit der älteste Beleg einer Turksprache überhaupt. Interessanterweise gibt es heute rund 200 Millionen Menschen, die zu den Turkvölkern gezählt werden, bis auf eine kleinere Gruppe im Westen von Kasachstan, sind aber keine davon mehr im Ursprungsgebiet ansässig.  In chinesischen Quellen wurden die Erbauer der Steele, die bei den Chinesen „Tuje“ genannt wurde, bereits 100 Jahre früher erwähnt. Insgesamt dehnte sich das Gebiet der dortigen Turk-Dynastien etwas über die Grenzen der heutigen Mongolei aus, das vor allem in Teile der Inneren Mongolei, die heute zu China gehört, und auch nach Nordosten hin. Das türkische Großreich konnte sich bis ins 10. Jahrhundert halten, bis es in kleine Teile zerbrach. Die Menschen betrieben zu der Zeit vor allem Ackerbau und legten offensichtlich sogar kleine Bewässerungssysteme an. Es gab eine Aristokratie, und zur Zeit des Turk-Großreiches lag die Hauptstadt nur etwa 50km nördlich von Karakhorum.

Dem ersten mongolischen Großreich folgten dann die Kitan. Deren Machtzentrum lag etwas weiter im Osten, ihr Reich umfasste dann das Gebiet der heutigen Mongolei, aber auch größere Teile des heutigen nördlichen Chinas. Die Kitan hatten dabei offensichtlich aber größere Probleme, die verschiedenen Stämme zusammen zu halten, und haben wohl auch immer wieder je nach Erfordernissen verschiedene gegeneinander ausgespielt. So sagt man ihnen auch nach, die Weiten der Steppe nie wirklich absolut beherrscht zu haben. Auch wenn sie selbst sich für die vereinte Nation der Mongolen gehalten haben, so haben sich nach heutiger Sicht einige Stämme, die später zu den Tataren gezählt wurden, aber eigentlich mit mongolischer Herkunft aus den Turk-Völkern hervor gingen, den Kitan nicht unterworfen und waren durchaus in deren Großreich beheimatet. Als die Kitan 1125 von mandschurischen Jurchen, die aus China kamen, vernichtend geschlagen worden sind, zerfiel das zweite mongolische Großreich. Insbesondere die weiten Steppen wurden von da an von den Tataren beherrscht. Die Kitan waren eher Viehzüchter und betrieben nur noch nebenbei Ackerbau, lebten aber schon in festen Behausungen. Aber auch sie betrieben weiter Bewässerungssysteme, deren Spuren sich bis heute bis hinauf zum Baikalsee finden lassen. Man kann also wohl annehmen, dass das Klima zu der Zeit deutlich milder war.

Was auf die Kitan folgte war dann der berühmteste Mongole überhaupt: Dschingis Khan. Geboren wurde er als Temüjin, was vermutlich im Jahre 1162 war. Sein Urgroßvater war einer der Nachfolger des zerfallenen Großreiches der Kitan. Sein Vater vergrößerte auf Raubzügen vor allem gegen die Tataren seinen Reichtum und seinen Einfluss. Er wurde dann aber als Temüjin neun war von eben den Tataren vergiftet. Darauf begann für die Familie von Temüjin eine harte Zeit, in der er mit seiner Mutter und jüngeren Brüdern auf der Flucht war und in Armut ohne den schützenden Stamm überleben musste. Viele Stämme fürchteten ihn vor allem wegen seiner Herkunft und trachteten ihm nach dem Leben. Zwischen ihm und seinen Brüdern gab es häufig Streit, der schließlich dazu führte, dass er seinen Halbbruder Bektar tötete. Auf seiner Flucht wurde er schließlich von einem anderen Stammesführer, Taijut, gefangen genommen und als Sklave gehalten. Ihm gelang eine spektakuläre Flucht, die es ihm dann ermöglichte, verschiedene Bündnisse zu schmieden. Durch weitere geschickte Verhandlungen gelang es ihm nach und nach viele Stämme zu vereinen und sich selbst an deren Spitze zu setzen. 1190 wurde so die neue mongolische Nation geboren. Neben seiner geschickten Diplomatie war er aber auch ein sehr guter strategisch denkender Kriegsführer. Seinen Gefolgsleuten versprach er fette Beute auf seinen Beutezügen gegen benachbarte Steppenvölker. Im Jahre 1201 schlug er seinen ehemaligen Blutsbruder Dschamucha, der darauf versuchte mit verschiedensten Verbündeten, die teilweise früher ebenfalls Feinde waren, weiter gegen Temüjin Krieg zu führen. Seine Verbündeten lieferten Dschamucha aber schließlich aus. Doch Temüjin ließ wegen des Verrats nicht etwa Dschamuscha töten, sondern die Verräter samt ihrer gesamten Familien. Dschamuscha bat er hingegen wieder mit ihm zu kämpfen, dieser lehnte ab und bat statt dessen um einen ehrenvollen Tod, was ihm Temüjin gewährte. Im Jahre 1202 begann er seine Rache gegen die Tataren und vernichtete 4 Stämme fast vollständig in sehr blutigen Kriegszügen, er soll nur die am Leben gelassen haben, die nicht größer als die Achse seines Ochsenwagens hoch waren.  In den Folgejahren besiegte Temüjin die meisten Nachbarvölker und unterwarf sie. Im Jahre 1206 schließlich berief er einen Reichstag mit den mächtigsten Stammesführern und Schamanen ein, auf dem er sich zum Großkhan aller Mongolen, zum Dschingis Khan ernennen ließ. Er wurde zum uneingeschränkten Herrscher und alleinigen Gesetzgeber. Die wichtigsten Posten besetzte er mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Söhnen. Sein Sohn Ugedai beauftragte er damit, die neuen und bestehenden Gesetze in einer Art Grundgesetzt zusammen zu fassen. Damit unterband er die bisherige Willkür der Stammesführer. Sogar einige Sippen ließ er auflösen und den alten Stammesadel nach und nach abschaffen. Er ließ eine eigene mongolische Schrift entwickeln, obwohl er selbst Analphabet war. Heute ist das erste alte Zeichen in der mongolischen Flagge enthalten. Er schaffte eine Wehrpflicht ein. In der Armee ernannte er besonders folgsame und tapfere Weggefährten in bisherigen Kämpfen zu Tausendschaftsführern. So schuf er eine Struktur in der Armee und gleichzeitig schuf er eine Struktur im Staatswesen. Von nun an war nicht mehr Willkür, Verrat und Betrug bestimmend, sondern Disziplin und unabänderliche Gefolgschaft ihm dem Dschingis Khan gegenüber maßgebend. Für seinen persönlichen Schutz schuf er eine Leibgarde von 10000 Soldaten, die meist aus Söhnen und Brüdern der verschiedenen Stammesführer und Heerführer bestand. Sie kämpften für ihn, waren aber auch Faustpfand gegenüber den Stammes- und Heerführern. Im Jahre 1207 begann er gegen das nördliche China Krieg zu führen. So konnte er 1215 Zhongdu, was heute als Peking bekannt ist, einnehmen. Anschließend beschloss er sich weiter nach Westen zu wenden. Dort konnte er schnell große Gebiete in sein Reich eingliedern, da die dortige Bevölkerung meist aus Muslime bestand, die Herrscher aber Buddhisten waren, und Dschingis Khan den Menschen Religionsfreiheit zusicherte. Wenn er Krieg führte, war er anfangs immer darauf bedacht, einen Grund für den Krieg zu haben, damit es nicht den Anschein hatte, er führte nur Krieg um der Machterweiterung willen. Alle Männer aus den besetzten Gebieten konnten mit dem Eintritt in die Armee Mongolen werden, von da an zählte nur noch deren Geschick im Kampf, aber nicht mehr ihre Herkunft. Dieses Prinzip und die Einteilung seiner riesigen Heere nach dem Zehnerprinzip, also in Gruppen zu 10, dann zu 100, zu 1000 und schließlich zu 10000 Kämpfern machte seine Armee sehr diszipliniert und gut führbar. Durch die Pferde, die leichte Rüstung und dem relativ kleinen Bogen, der sich dafür aber vom Pferd abfeuern ließ, hatte seine Armee eine hohe Durchschlagskraft und war allen anderen überlegen. Erst im Norden des heutigen Irans beendete er seinen Feldzug im Westen. Mit den Machthabern des Choresmischen Reichs handelte er einen Friedensvertrag aus, der dann aber nicht sehr lange hielt, da eine mongolische Karawane überfallen wurde. 1218 berief Dschingis Khan erneut einen Reichstag ein, auf dem er seine Nachfolge regelte, demnach sollte für die damaligen Geflogenheiten unüblicher weise sein drittältester Sohn Ögedei, und nicht sein jüngster, ihm nachfolgen. Ihn hielt er für besonders besonnen aber auch guten Strategen. Außerdem wurde beschlossen, neben dem Krieg gegen das heutige China auch in einer Strafexpedition gegen das Gebiet des heutigen Irans, damals war es das Choresmische Reich vorzugehen. 1219 bzw. 1220 unterwarf er den Choresmische Schah. Von dort zog seine Armee weiter in den Kaukasus, das heutige südliche Russland bis 1223 dann in das Gebiet der heutigen Ukraine. Besonders bei diesen Eroberungszügen ließ er seine Armeen besonders grausam vorgehen, die Männer in den besetzten Gebieten waren meist Bauern und deshalb für die Eingliederung in seine Armee nicht geeignet. So ließ er die Völker lieber blutig unterwerfen, als zu versuchen sie in das dritte mongolische Großreich einzugliedern. Auch 1220 ließ Dschingis Khan in der Nähe des Orkhon Gol ein festes Versorgungslager errichten. Das Gebiet war sehr fruchtbar und deshalb schon bisher des öfteren vom ihm genutzt worden, um große Armeen zusammen zu ziehen, bevor sie in neue Gebiete vordrangen. Hier konnten relativ gut viele Menschen aber auch viele Pferde versorgt werden. Da hier auch früher verschiedene Großreiche ihre Hauptstadt hatten, stellte sich Dschingis Khan bewusst direkt in diese Reihe und ließ sein Versorgungslager ebenfalls ausbauen – das heutige Karakhorum entstand. Anders als in den überfallenen Gebieten herrschte in der späteren Hauptstadt ein buntes offenes Leben mit relativ großen Freiheiten für die Bürger. Es gab Religionsfreiheit, so lebten Buddhisten, Muslime und auch Christen friedlich nebeneinander in der Stadt, es gab einen regen Handel mit der halben Welt. Für die Kaufleute hatte das riesige Reich den Vorteil, nicht ständig an Grenzen zu kommen und mit nicht immer „rechtmäßigen“ Zollabgaben, aber immer hohen Kosten belastet zu werden. Die Kaufleute kamen aus Europa, Persien oder auch aus China hier her. Es kamen zahlreiche Handwerker, mache freiwillig, andere wurden von den Mongolen hier her verschleppt. Das Kunsthandwerk prosperierte,  Karakhorum war der Schmelztiegel der Welt. Selbst der Papst schickte Mönche um Güyük, einem späteren Nachfolger Dschingis Khans, zum Katholizismus zu bekehren, man erhoffte sich von ihm Schutz gegen die sich ausbreitenden Muslime. Dieser soll nur geantwortet haben, der Papst möge sich ihm unterwerfen, ansonsten sähe er sich gezwungen, seinem Wunsch mit Soldaten Nachdruck zu verleihen. Im Jahre 1227 zog Dschingis Khan mit seiner Armee gegen die Tanguten, einem Volk im heutigen Zentral-China. Am 18.08.1227, also heute vor fast genau 786 Jahren starb der Großkhan. Nach manchen Überlieferungen an den Folgen eines Reitunfalls, andere Gerüchte sagen, er wäre von Tanguten vergiftet worden, wieder andere sagen, er wäre von einer Tangutischen Prinzessin, die sich vor einer Vergewaltigung schützen wollte, mit einem versteckten Messer seiner Männlichkeit beraubt worden. Bis heute ist nicht bekannt, wo er dann begraben worden ist. Es gibt aber die Sage, dass das Gebiet von den Hufen von 1000 Pferden geebnet worden ist, und nach der Beerdigung alle Anwesenden umgebracht worden sein sollen, damit niemand den Ort der Bestattung erführe.

Die Nachfolge trat wie zuvor festgelegt sein Sohn Ögedei an. Unter ihm wurde das Reich nach einem großen Reichstag im Jahre 1235 weiter in westlicher Richtung erweitert. 1238 fiel Wladimir in Russland, 1240 Kiew in der Ukraine und wenige Tage später wurde Breslau in Polen zerstört. 1241 fielen die Mongolen in Schlesien ein, nur drei Tage später besiegte ein anderer Teil der mongolischen Reiter-Armee die ungarische Armee. Sie wurden auch als „Goldene Horden“ bezeichnet. Genauso schnell wie die Mongolen gekommen waren und große Teile Europas buchstäblich im Sturm genommen hatten, verschwanden sie dann aber auch wieder, sehr zur Überraschung der Europäer. Der Grund war in der fernen Mongolei zu suchen, nach nur 14 Jahren als Großkhan starb Ögedei. Die Nachricht erreichte die kämpfenden Truppen, an deren Spitze ein Neffe Ögedeis stand innerhalb weniger Tage. Die Mongolen unterhielten über das ganze Reich in einem engmaschigen Netz Versorgungsstationen mit frischen Pferden und Proviant, die es ermöglichten jeden Punkt des Reiches innerhalb von angeblich maximal 11 Tagen mit Postreitern von der Hauptstadt Karakhorum aus zu erreichen.

Nach einer fünfjährigen Zwischenperiode, in der das Reich von der Frau Ögedeis regiert wurde, übernahm sein Sohn Güyük, der aber wiederum nur zwei Jahre Großkhan war, bis er 1248 starb. In der Folgezeit kam es zu Streitigkeiten der verschiedenen Familienzweige, was schließlich dazu führte, dass das mongolische Großreich in vier Teilreiche mit verschiedenen Herrschern aufgeteilt wurde, die zwar alle eigene Ziele verfolgten, sich aber dennoch dem Erben Dschingis Khans verpflichtet fühlten. Einen Großkhan, der von allen anerkannt wurde, gab es nicht mehr. Das mongolische Großreich wurde so noch sehr viel weiter ausgedehnt, sie unterwarfen auch zum ersten und letzten Mal überhaupt China komplett. Sie führten im heutigen China eine Vierklassengesellschaft ein. Die oberste Stufe waren sie selbst inklusive ihrer Soldaten. Es folgten Muslime, durch die sie allgemeine Verwaltungsaufgaben erledigen ließen, da diese dort aber nicht verwurzelt waren, waren sie relativ leicht kontrollierbar. Die dritte Stufe machten die Nordchinesen aus, und die unterste Stufe bildeten schließlich die Südchinesen. Im Jahre 1368 stürzte dann eine Revolution in China das mongolische Reich in China und darauf folgend zerfiel das ganze Großreich völlig. Es entstand in China die Ming-Dynastie, die Krieg gegen die Mongolen führte und schließlich auch bis tief in die Steppe ins heutige Karakhorum vordrang und die ehemalige Hauptstadt nahezu völlig zerstörten. In den folgenden Jahrhunderten gab es immer wieder verschiedene Kriege zwischen dem heutigen China und der heutigen Mongolei. Daraus entstanden ist auch die Tatsache, dass das Gebiet, welches man als Innere Mongolei bezeichnet, heute in China liegt, und nur das was als äußere Mongolei bekannt ist, das heutige Staatsgebiet der Volksrepublik Mongolei bildet.

Das dritte mongolische Großreich hatte in der Spitze eine Fläche von etwa 26 Millionen Quadratkilometer, das sicher von den Mongolen beherrscht wurde. In ihm lebten etwa 100 Millionen Menschen, dabei hatte die heutige Mongolei selbst zu Zeiten Dschingis Khans gerade mal rund 200000 Einwohner. Das Reich war das größte jemals errichtete Staatsgebilde, noch dazu hat sich kein Staat, der Nomadischen Ursprungs war, jemals über einen so langen Zeitraum halten können.

Von genau den drei Mongolischen Großreichen zeugt auch unser erster Besichtigungspunkt an unserem heutigen Tag. Es ging zu einem Denkmal für eben die drei Großreiche ganz in der Nähe unseres Gers, auch wenn wir dazu einen kleinen Umweg durch Karakhorum machen müssen, um dort hin zu gelangen. Es ist sehr eindrucksvoll das gigantische Ausmaß insbesondere des von Dschingis Khan gegründeten Reichs illustriert. Ob die großen Betonwände schön sind, darüber könnte man aber sicherlich streiten. Das reißt dann auch der Ovoo im Zentrum nicht mehr raus.

Anschließend geht es dann weiter zu einem anderen wichtigen Ort in der mongolischen Geschichte, die Klosteranlage Erdene Zuu. Teilweise wurde die Klosteranlange aus den Trümmern, der von der Ming-Dynastie zerstörten ehemaligen Hauptstadt, erbaut. Der Kern von Erdene Zuu besteht aus einer Grundfläche von etwa 400x400m, die durch eine große Mauer mit 108 Stupas umgeben ist. Die Zahl 108 hat eine höhere Bedeutung im Buddhismus. In allen diesen Stupas, kleine Türmchen, gibt es Inschriften, teilweise befinden sich auch die mumifizierten Reste großer Lamas in ihnen. Erdene Zuu war die Geburtszelle des Buddhismus in der Mongolei. Um 1560 kam es im fernen Tibet zum Streit zwischen verschieden Glaubensrichtungen. Althan Khan, ein Fürst in der Inneren Mongolei, also dem heutigen China, mischte sich ein und verlieh dem obersten Lama der Gelbmützensekte den Titel Dalai. Gleichzeitig wurde der Dalai Lama der spirituelle Lehrer des Althan Khans. An dessen Hof traf der Dalai Lama auch den Khalkha Fürsten Abadai, dem er drei Thangkas schenkte. Thangkas sind sehr aufwendige Rollenbilder. Abadi war derart vom Dalai Lama beeindruckt, das er im heutigen Karakhorum drei Tempel erbauen ließ – die Keimzelle von Erdene Zuu. Damit begann auch die Verbreitung des „gelben Glaubens“ in der Mongolei. In der Folgezeit kam immer mehr Tempel dazu, die meisten von der Adelsfamilie der Kalkhas gestiftet. Durch zahlreiche Brände oder dem Angriff der Oriaten 1731 kam es immer wieder zu großen Schäden an der Klosteranlage. Sie wurde aber immer wieder aufgebaut. Im Laufe der Zeit wurde es wegen der zahlreichen dazu gekommenen Tempel innerhalb der Klosteranlage zu eng, so dass auch außerhalb der Mauern weitere gebaut wurden. Man schätzt das etwa 1500 Mönche innerhalb von Erdene Zuu lebten, insgesamt aber etwa 10000 Mönche hier lebten und sich den Kloster zugehörig fühlten. Im Jahre 1938, im Zuge der großen Zerstörungen fast aller religiösen Gebäude und Institutionen, wurde, wie fast überall im Land, die meisten Mönche erschossen. Gläubige konnten damals mit Hilfe einiger sympathisierender Offiziere einen Teil der Kultgegenstände in Sicherheit bringen. Trotzdem soll das Feuer für die Verbrennung der Buddhistischen Schriften einen Monat gebrannt haben. Seit 1965, also noch zu Zeiten der Kommunistischen Regierung, wurde in Erdene Zuu ein Museum mit einem Teil der geretteten Gegenstände und Ausgrabungsgegenstände aus Karakhorum wieder eröffnet. Im Jahre 1990 wurde in einem Gebäude im östlichen Teil von Erdene Zuu wieder damit begonnen Andachten abzuhalten, und ein Klosterleben zu etablieren. Auch Gläubigen ist es natürlich möglich an diesen Andachten teilzunehmen, selbst Touristen dürfen sie besuchen. Das Fotografieren ist dabei strengsten verboten, woran sich leider nicht alle halten. Auch wenn die Mönche es mit Fassung ertragen, möchte ich mal wissen, was bei uns los wäre, wenn mitten im Gottesdienst eine „Horde“ Touristen da hinein platzt, wie wild Fotos macht, und dann die Tür wieder ins Schloss krachen lässt. Aber das ist ein anderes Thema. Vielleicht noch ein bisschen was, über das was es heute noch in Erdene Zuu zu sehen gibt. Die Klosteranlage war wie eine Jurte angelegt, das heißt im westlichen (männlichen) Teil waren die wichtigsten Tempel. Dort befindet sich heute noch der Tempel des Dalai Lama, der 1675 aus roten Ziegelsteinen errichtet worden ist, die dann vergoldet worden sind. Dahinter, im Nordwesten – in einer Jurte der Ehrenplatz für Gäste, befinden sich die drei Haupttempel. Der wichtigste in der Mitte, der Gol Zuu, beherbergt eine Statue von Shakyamuni, eine Bezeichnung für den historischen Buddha. Neben ihm befinden sich Statuen von Ochtal Manal, der Verkörperung der Medizin, und Amithaba, der Verkörperung der geistigen Reinheit und Erleuchtung. Das sagt auch viel über die Schwerpunkte des ehemaligen Erdene Zuu aus, hier waren die wichtigsten Lehrorte für Heilkunde und der sehr komplizierten Buddhistischen Philosophie. Wobei ich gestehen muss, dass ich enorme Verständnisprobleme mit eben dieser Philosophie habe. Mich verwirrt das vermeintlich gleiche Gottheiten in immer wieder anderen Erscheinungsformen dargestellt werden, die teilweise auch immer wieder neue Namen haben, aber doch für das Gleiche stehen. Begründet ist das natürlich mit der Reinkarnation, also der Wiedergeburt. Dazu vielleicht nur ein paar Sätze zum Dalai Lama. Der Dalai Lama ist nicht das spirituelle Oberhaupt der Gelug Schule, die man auch als Gelbmützen innerhalb des Buddhismus bezeichnet. Übrigens nur eine von vier Schulen innerhalb des Buddhismus. Der Dalai Lama ist nur aus Mitgefühl reinkaniert, ist also bewusst in Form eines Mensch zurück gekommen, obwohl er als Erleutetes Wesen (Bodhisvata) im vorigen Leben eigentlich das Recht gehabt hätte, dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburt zu entsagen. Der Dalai Lama wird durch eine Findungskommission hochrangiger Mönche bestimmt. Nach der Findung erklärt man das Kind offiziell zur Reinkarnation des vorigen Dalai Lamas. Dann wird er mehrere Jahre auf sein Leben als Dalai Lama vorbereitet. Er erhält eine klösterliche Ausbildung inklusive der tibetischen Kultur, Kaligraphie, Schrift, Sprache und Allgemeinwesen. Dabei ist der Penchen Lama eine Art Lehrer für den Dalai Lama.

Aber wieder zurück zu den Tempeln, im östlichen Zuu befinden sich ebenfalls drei Statuen. Links Tsonkapa, der Gründer der Gelbmützen Sekte (Gelupka-Schule), in der Mitte wieder Shakyamuni, und rechts Avalokiteshvara, dem Bodhisavatta des Mitgefühls.  Im westlichen Zuu befinden sich die Statuen von Kasyapa, Shakyamuni und Maitreya, die Buddhas der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Dazu sind in allen drei Tempeln natürlich noch Thangkas, die zum Teil aus dem 17. Jahrhundert stammen, und Taras, insbesondere die weiße und grüne, die von Zanabazar dem ersten wichtigen gebürtigen mongolischen Lama geschaffen wurden. Zanabazar war neben religiösem Führer auch Bildhauer, und er schuf eben viele Taras, die als weibliche Seite von Avalokitesshvara gelten. Insbesondere die weiße und grüne soll übrigens seiner Frau nachempfunden sein. Die weiße noch als junge Frau, die grüne als reife Frau ein Jahr vor ihrem Tod, wobei sie lediglich 18 Jahre alt wurde. Auch sie war tief religiös und Bildhauerin. Nach der Legende sollen andere hohe Lamas Zanabazar heftig dafür kritisiert haben, dass er mit einer Frau zusammen lebt, worauf sie vor die Männer trat und mit bloßen Händen aus einem glühenden Ball aus Bronze eine Buddha Figur geformt haben soll, ohne sich die Hände zu verbrennen.

Aber ich schweife schon wieder ab. Außerdem gibt es in Erdene Zuu noch den Lavran-Tempel, der 1760 erbaut worden ist, und dem Bogd Gegeen als Residenz für den Empfang von Besuchern gedient hat. Das bedeutet, es sind in dem ganzen Areal lediglich noch 5 Tempel vorhanden, drei, die teilweise wieder neu nach altem Muster aufgebaut worden sind, ein leidlich erhaltener und ein Neubau, in dem heute das Klosterleben wieder praktiziert wird. Außerdem gibt es noch die Goldene Stupa, oder auf mongolisch Bodhi Suburgan. Sie wurde 1799 zu Ehren des vierten Bogd Gegeen erbaut. In ihr befindet sich auch eine Plastik der 100000 verschiedenen Buddha Inkarnationen sowie 55070 Mini Stupas. Um die goldene Stupa befinden sich noch acht weitere kleine Stupas. Dazu zwei Grabmäler aus Ziegelsteine, eins für Abadai Khan, und eins für seinen Sohn Gombodorj.  Damit soll es dann aber auch genug sein mit Erdene Zuu, auch wenn man die Bedeutung des Klosters bis heute wahrscheinlich nicht überschätzen kann.

Nach dem Besuch des Klosters geht es erst einmal zurück zu unserem Jurten-Camp um zu Mittag zu essen. Es folgt eine Pause um dann gegen 15 Uhr einen kleinen Spaziergang zu machen. Inzwischen scheint auch wieder die Sonne, nach dem sie am Vormittag wie vorhergesagt den Wolken und zeitweise auch einem feinen Nieselregen Platz machen musste. Wir gehen zu einer weiteren geschichtsträchtigen Skulptur hinüber. Zur Zeit Dschingis Khans wurden vier Schildkröten in alle vier Himmelsrichtungen ausgerichtet, die die gerade neu geschaffene Hauptstadt beschützen sollte. Man geht heute davon aus, dass sie ursprünglich große Stützpfeiler eines Gebäudes getragen haben und erst nachträglich außerhalb von Karakhorum aufgestellt worden sind. Von dort ist es auch nicht mehr weit bis zu einem Museum, das sich wie auch das Kloster Erdene Zuu etwas am Rande des heutigen Karakhorum befindet. Es beschäftigt sich mit den Ausgrabungen, die man an diesem selbst für die ganze Welt sehr wichtigen Punkt bis heute durchführt, um unter anderem auch mehr über die andere Seite von Dschingis Khan und seine Zeit zu erfahren. Denn neben der „Kriegskunst“ war er eben auch sehr geschickt darin, ein für die damalige Zeit sehr modernes Staatswesen mit einer gut organisierten Verwaltung aufzubauen. Nach dem Museum schließen wir unsere Runde damit ab, vom Museum wieder zurück zu unseren Jurten zu gehen, wobei uns eine kleine Gruppe junger Rinder dabei begleitet, die hier frei herum laufen, und doch offensichtlich abends wieder zurück zu ihren Höfen kommen, auf denen man zeitweilig auch Hunde bellen hört. Aber ein oder sogar mehrere Hunde gehören hier praktisch zu jedem Haus.

 

13. Tag        21.08.2013 - Orkhon Tal

Heute wird unser Straßenbus gegen zwei geländegängige Fahrzeuge getauscht. Genau genommen ist der Bus gestern schon nachmittags abgefahren. Heute gegen 8 Uhr sollen dann die Ersatzfahrzeuge da sein, die dann auch eher der Reisebeschreibung entsprechen. Für den Tagesablauf bedeutet das dann wieder die normalen Zeiten, also um 7 Uhr Frühstück. Hier im Jurtencamp gab es gestern und auch heute noch die Gelegenheit zu einer mehr oder weniger warmen Dusche. Gestern hatte ich es ausgelassen, schließlich war ich bei unserer Ankunft hier ja schon unter einer „sehr erfrischenden“ Dusche, aber sowas spart ja immer Zeit. Ich bin eigentlich bekennender „Warmduscher“, und nur kalt nötigt mich dann doch schon ziemlich, mich zu beeilen. Aber das ist ein anderes Thema. Heute früh war das Wasser warm, und so hat es eben etwas länger gedauert. Trotzdem habe ich mit den Zeiten keine Probleme und bin rechtzeitig abfahrbereit. Nur sind die neuen Autos noch nicht da. Mit rund einer halben Stunde Verspätung kommen sie an. Anschließend wird alles verladen und es kann los gehen – jedenfalls fast. Wir brauchen noch eine weitere Stunde bis dann alle Fahrzeuge getankt sind, und auch die letzten Besorgungen für die Auffüllung der Küchenvorräte erledigt sind. Etwas nachdenklich stimmt mich dabei, dass der Fahrer des neu dazu gekommenen russischen Kleinbusses, der hier aus Karakhorum kommt, gleich mal bei unserem ersten Halt von einem kleinen Supermarkt hinten die Radmuttern nachzieht. Vielleicht ist er aber auch nur besonders um die Sicherheit bemüht.

Das erste Stück unseres heutigen Weges kennen wir ja schon, auf dem sind wir schon nach Karakhorum gekommen. Auf der Herfahrt war es noch vom Regen in eine Schlammpiste verwandelt worden, jetzt ist es abgetrocknet und wir kommen trotz der Bauarbeiten zur Fertigstellung der Straße gut voran. Auch wenn sich die inzwischen vier Fahrzeuge wieder untereinander versuchen zu überholen, in dem sie die vermeintlich beste Spur zu finden versuchen. Auf der anschließenden Teerstraße sieht man jetzt auch, wie tief die Löcher auf der erst wenige Jahre alten Straße eigentlich sind. Dagegen sind die Löcher in unseren Straßen fast schon lächerlich. Aber der harte lange Winter mit dem extremen Frost setzt den Straßen hier schon ziemlich zu, im Grunde ist die Strecke hier schon wieder sanierungsbedürftig, obwohl sie noch gar nicht ganz fertig gestellt worden ist. Etwas besser ist es meist an den Stellen, an denen Wasserunterführungen eingerichtet worden sind. Dort scheint auch das Schotterbett einfach besser verfestigt worden zu sein, und oben besteht die Straße dann statt aus Teer aus einer dicken Betonschicht.

Wir fahren jedoch nicht ganz zurück bis Khujirt, sondern verlassen die Straße vorher in Richtung des Orkhon Tals. Die Abzweigung ist nicht weit von ein paar Rapsfeldern entfernt. Auf Nachfrage meinte eine unsere Begleiterinnen, es müsste wohl Korn sein, aber sie hätte so etwas noch nie zuvor gesehen. Meine eigentliche Frage ging eher dahin, ob man davon Speiseöl oder Benzinzusätze machen würde. Aber nein Benzin wäre hier Benzin, und das 95 und 92 wäre nur die Reinheit. Naja, stimmt irgendwie auch. Allgemein kann man aber sagen, die Gegend hier gilt als eine der fruchtbarsten der ganzen Mongolei. Und so sind die Rapsfelder auch die ersten wirklich als „Felder“ zu bezeichnenden landwirtschaftlich genutzten Ackerflächen.

Der Weg, den wir hier eingeschlagen haben, hält ein paar Besonderheiten bereit, die wir bisher so noch nicht hatten. Durchquerungen von mehreren Metern breiten Wasserläufen, die auch gut und gerne 40 – 50 cm tief sind. Der Weg ist auch aufgrund seiner Auswaschungen etwas unwegsamer. So bin ich recht froh, dass wir inzwischen nur noch für dieses Gelände geeignete Fahrzeuge haben. Nach etwa zwei Stunden kommen wir an einen Schlagbaum, der die Grenze in den hiesigen Nationalpark darstellt. Wenn man wollte, hätte man den mit einem kleinen Umweg auch locker umfahren können. Einen Zaun oder ähnliches sucht man vergebens. Auch sonst ändert sich praktisch nichts, es gibt Viehwirtschaft, fast noch mehr als zuvor, als wir von der Straße abgefahren sind. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es hier schon früh im Jahr regnet, auch schon vor der eigentlichen Regenzeit im Juli. So gibt es auch schon früh relativ üppiges Grün. Direkt am Checkpoint gibt es einen schönen Ausblick. Man fährt hier an einer Bergflanke ein bisschen aufwärts, und direkt unterhalb des Weges schlängelt sich ein kleiner Nebenarm des Orkhon entlang. Und über dem nutzen zahlreiche Milane die günstige Thermik, um sich in die Höhe zu schrauben.

Im folgenden Gebiet gibt es an zahlreichen Stellen Gestein, das aus dem Boden aufragt und leicht den Unterboden der Fahrzeuge aufreißen könnte. So gilt es ein bisschen Slalom zu fahren. Erschwerend kommt noch dazu, dass es hier und da immer wieder feuchte Stellen gibt. Da sich die Fahrzeuge in der Mongolei traditionell auch immer mal wieder neue Wege suchen, bilden sich hier und da auch immer wieder kleine Schlammlöcher, die es auch möglichst zu umfahren gilt. Denn niemand kann ahnen, wie tief die dann wirklich sind. Auch wenn die Fahrzeuge hier zurzeit ein bisschen mehr zusammen bleiben, will sich natürlich auch keiner der Fahrer eine Blöße geben und wohlmöglich stecken bleiben. Ansonsten bewegen wir uns auf einer großen flachen Ebene, die links und rechts jeweils von einem Bergrücken eingerahmt wird. In dieser Landschaft machen wir auch unsere Mittagspause. Während unsere Mahlzeit zubereitet wird, gehen wir ein wenig in der Landschaft spazieren. Vor einem etwas höheren Berg sehen wir einen Viehstall, der sich in einer kleinen Senke vor dem Wind duckt. Von dort hört man auch irgendwo in der Nähe etwas rauschen. Nicht weit hat sich ein weiterer Nebenarm der Orkhon tief ins Gestein gearbeitet. An dessen Ufer stehen auch einige Büsche und Bäume. Die sind hier eigentlich schon fast die Attraktion, und nicht die unzähligen Ziegen und Schafe, die wir hier überall in großen Herden umherziehen sehen. Zurück bei den Fahrzeugen gibt es auch Mittag, über uns finden sich dazu auch die ersten Milane ein. Wenig später wird auch klar, auf was sie es abgesehen haben. Einer schnappt sich ein paar Nudel aus den Resten der Suppe, und schnappen ist durchaus wörtlich zu nehmen, er greift sich im Flug so viele, wie er eben zu fassen bekommt. Aber die größere Beute sind natürlich die Knochen einer richtigen mongolischen Mahlzeit. Unsere Fahrer beginnen ihre Mahlzeit meist damit, mit einem großen Messer das Fleisch von einem Knochen zu lösen, und dazu gibt es dann: Nichts. Mongolen essen eben viel Fleisch, und das auch schon mal pur.

Bis ca. 16 Uhr erreichen wir unseren heutigen Zeltplatz. Wobei auffällt, dass hier im Orkhon Tal die Menschen wieder mehr auf Pferden unterwegs sind. Ansonsten sind es oft die kleinen Mopeds aus chinesischer Produktion. Doch hier ist das Gelände durch zahlreich mehr oder weniger kleine Wasserläufe durchzogen. Dazu gibt es immer mal wieder kurze Senken, so kommen wir auch mit den Autos kaum schneller voran als ein Mongole, der parallel zu uns auf dem Pferd unterwegs ist. Unser Zeltplatz liegt nur ein paar Minuten von einer der größten Sehenswürdigkeiten des Landes entfernt. Das Gelände um den Orkhon Wasserfall ist bisher der am stärksten touristisch erschlossenen Ort auf unserer Reise. Gut für jemanden aus Mitteleuropa ist der etwa 30m hohe Wasserfall sicherlich auch schön, aber mit Sicherheit nicht halb so spektakulär, wie für die einheimischen Mongolen in ihrem sonst so von Wasserknappheit geprägten Land. In unmittelbarer Nähe zum Wasserfall sind deshalb auch zahlreichen Gers. Als der größte Ansturm sich gelegt hat, gehen wir auch hinüber, um uns den Wasserfall aus nächster Nähe anzusehen. Oben an der Kante ist natürlich auch einer der so typischen Ovoos mit den blauen Gebetsfahnen. Wir aber machen uns daran, an einer Stelle ein kleines Stück Flussabwärts die Böschung hinunter zu steigen, um uns das Ganze auch mal von unten anzusehen. Der Orkhon hat sich hier sein eigenes kleines Amphitheater geschaffen. Zurück zu den Fahrzeugen geht es in einem kleinen Bogen. Dabei kommen wir auch durch eine kleine Freilichtausstellung. Es werden Tierschädel aber auch ein paar wenige Tierpräperate gezeigt. Dazu gibt es ein paar alte Zeichnungen, über deren Echtheit ich mir lieber kein Urteil erlauben möchte. Soweit ist eigentlich alles gut, nicht so gut ist, dass sich am Himmel wieder einige dunkle Wolken auftürmen und auf uns zukommen. Das macht zwar die Bilder dramatischer, aber ein kräftiger Landregen wirkt auf mich nicht so sehr verlockend. Zumal ich nicht so unerschöpfliches Vertrauen in die Dichtigkeit meines Zelt habe. Und außerdem hatten wir für den Abend ein kleines Lagerfeuer geplant. Hier im Orkhon Tal gibt es Bäume und damit auch Holz, um ein kleines wärmendes Feuer machen zu können. Aber was soll ich sagen, statt Regen gibt es nur einen fast perfekten halbrunden Regenbogen, der nicht mal ins Foto passt.

Das Orkhon Tal ist wegen der Fruchtbarkeit ein für die Geschichte der Mongolei wichtiger Ort. Schon vor den Turkstämmen haben andere etwa die Reiche der Xiongnu, die noch keine festen Siedlungen hatten, hier ihre Grabhügel als Zeugnisse ihrer Kultur zurück gelassen. Und auch für den bedeutendsten Mongolen Dschingis Khan war das hiesige Gebiet der ideale Ort, um seine Armeen zu sammeln. So etwas dauerte oft Wochen, da viele auch aus Gebieten, die außerhalb der heutigen Mongolei liegen, her kamen. Hier konnten in dieser Zeit die Pferde geweidet werden, aber auch die Männer selbst versorgt. Eine solche Armee konnte aber natürlich nicht nur mit tierischen Produkten wie Fleisch und Milch ernährt werden. Schon damals gab es hier Ackerbau. Auch heute noch sind hier die größten Ackerflächen der ganzen Mongolei. Die Fruchtbarkeit ist nicht nur in den relativ großen Regenmengen begründet, der Orkhon bringt von seiner Quelle auch Bestandteile vulkanischen Ursprungs und damit nährstoffreichere Böden mit. Aber auch für die Viehwirtschaft ist es das hiesige Aimag klar die Nummer eins. Dazu vielleicht noch ein paar Zahlen. In der Mongolei leben nach offiziellen Zahlen etwa 3,2 Millionen Menschen. Es gibt nach Schätzungen aus dem Jahr 2008 262000 Kamele, 2,1 Millionen Pferde, 2,5 Millionen Rinder und Yaks, aber 17,9 Millionen Schafe und 19,5 Millionen Ziegen. Insbesondere die Schafe und Ziegen nehmen stark zu, so schätzt man, dass ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr um jeweils um rund eine Millionen zugenommen hat. Dazu tragen auch die Eigentumsverhältnisse des Lands bei. Über 90% der Fläche gehört den Staat. Der Landbevölkerung ist es nun gestattet innerhalb eines bestimmten Gebietes ihre Tiere frei zu weiden. Das heißt man muss nur dafür sorgen, dass die Tiere im Winter Futter bekommen. Und selbst das kann teilweise als Heu noch auf dem staatlichen Grund und Boden geerntet werden. Ansonsten fallen nur geringe Kosten an. Aber die Erträge kommen den jeweiligen Familien zu. Die starke Zunahme von Schafen und Ziegen wird aber zunehmend ein Problem. Die Tiere fressen nicht nur das Grün, sondern insbesondere im Süden alles incl. der Wurzel der Pflanzen an. Das beschleunigt dann die Verwüstung und begünstigt natürlich auch zusätzlich die Wind und auch Wassererosion, wenn es überhaupt mal regnet. Viele Experten warnen heute auch vor den Folgen der Überweidung. Nur stehen für die einzelnen Familien natürlich die eigenen Einnahmen im Vordergrund. Große Schwankungen in den absoluten Zahlen hat es immer schon gegeben. Da je nach Wetterlage im besonders schweren Wintern viele Tiere schlicht verhungerten. Dabei spielen dann nicht nur die in absoluten Werten extremen Temperaturen eine Rolle. Gibt es im eigentlich niederschlagsarmen Winter zu viel Schnee, man spricht dann vom weißen Winter, also eine geschlossene Schneedecke von 10cm und mehr, können die Tiere nicht mehr nach Nahrung suchen.  Oder es gibt den schwarzen Winter, das ist der umgekehrte Fall, es gibt keinen Schnee. Damit fällt dieser als Wasserquelle aus, die natürlichen Wasserstellen und Brunnen sind aber zugefroren. Zu beiden gesellen sich im Winter dann häufig Stürme, die über die baumlose Steppe fegen, und ein Umziehen mit den Herden in andere Gebiete unmöglich machen. Und wenn all das Überstanden ist, wartet noch der „Eiserne Zud“ im Frühling. Von ihm spricht man, wenn es im Frühling regnet, sich daran dann aber noch eine längere Frostperiode anschließt. Dann ist die Nahrung unter einem Eispanzer verborgen. Die letzte große wettertechnische Problematik bildet der Gan, das Ausbleiben von Niederschlägen im Sommer also eine Dürre. Insbesondere durch die Zufütterung von teurem importiertem Futter im Winter wurden die Folgen in den letzten Jahren aber abgemildert, was dann ein noch schnelleres Anwachsen der Bestände begünstigt. Heute entfallen etwa 80% der landwirtschaftlichen Erzeugnisse auf die Viehwirtschaft. Die Anbaufläche in der Ackerwirtschaft beträgt etwa 270000ha jährlich, und das bei einer Vegetationszeit von lediglich 95-110 Tagen. Nutzbar wären etwa 1,2 Millionen ha, wobei auch viele Flächen davon wegen der wenigen Nährstoffe nur alle zwei Jahre bestellt werden können. Zum Vergleich in Deutschland werden etwa 11,8 Millionen ha landwirtschaftlich als Ackerland genutzt, und weitere 5 Millionen ha entfallen noch mal auf Grünland, sind also rein der Viehwirtschaft zuzurechnen, und dabei hat die Mongolei etwa die vierfache Fläche Deutschlands. Trotzdem machte die Landwirtschaft vor wenigen Jahren in der Mongolei noch 60% der Ausfuhren aus. Dies wandelt sich durch die Gewinnung von Rohstoffen derzeit dramatisch. Die Industrieproduktion spielt nach wie vor aber nahezu keine Rolle. Von der Landwirtschaft bzw. davon abhängigen Branchen lebt noch heute fast jeder Dritte Mongole. Fischfang spielt trotz großer Fischvorkommen insbesondere in den großen Seen im Norden des Landes übrigens im Prinzip keine Rolle.

 

14. Tag         22.08.2013 – Tsetserleg

Der heutige Tag hat wieder die üblichen Zeiten, also Frühstück 7 Uhr und ab 8 Uhr soll es dann los gehen. Wobei sich die Gruppe dann aufteilt, wer möchte, hat die Möglichkeit zu einem Ausritt auf einem mongolischen Pferd. Die sind deutlich kleiner als in Europa üblich. Sie gelten nach unseren Maßstäben als eher nicht zugeritten. In der Reisebeschreibung war dazu vermerkt, dass diese Option nur geübten Reitern zu empfehlen ist. Das kommt dann für mich schon mal nicht in Frage. Wie sich später heraus stellen sollte, wurden die Pferde aber von einem Mongolen auf seinem Pferd geführt und waren auch sonst eher von der zahmen Sorte. Ich selbst entscheide mich für einen kleinen Spaziergang. Anfangs geht es etwas weiter in ein Tal hinein, immer schön in der Nähe eines kleinen Wasserlaufs entlang. Am Ende des Tals kann man eine Jurte mit dem Schornstein des Ofens sehen, über dem sich der Rauch leicht kräuselt. Das Wetter ist schön, wenn es anfangs auch noch etwas frisch ist. Mit zunehmender Kraft der wieder scheinenden Sonne wird es aber schnell angenehm. Nach einem guten Stück biegen wir links ab und steigen durch einen Lärchenwald den Bergrücken hinauf. Auch dieser Wald ist Teil des hiesigen Nationalparks. Den ortsansässigen Familien ist es aber auch gestattet für den Eigenbedarf Holz zu schlagen. Wobei auch hier die Stämme extrem gerade gewachsen sind. Das Holz ist wegen des geringen Wachstums sehr hart. Das Wachstum ist dem kargen Boden aber auch den langen sehr kalten Wintern geschuldet. Neben dem Eigenbedarf gibt es aber auch den kommerziellen Holzeinschlag im Nationalpark. Als wir in ihn hinein fuhren, kamen uns am Vortag zwei schwer beladen LKW mit Holzstämmen entgegen. Wobei es natürlich nur mit entsprechender Konzession von staatlicher Stelle erlaubt ist, hier Bäume zu fällen. Das Holz aus dieser Gegend wird übrigens bevorzugt dazu benutzt, daraus das tragende Holzgerüst der Jurten zu fertigen. Für deren Qualität sind die entsprechenden Handwerker der Gegend auch im ganzen Land bekannt. Aber zurück zu unserem kleinen Spaziergang. Oben angenommen wenden wir uns wieder nach links und gehen praktisch oben zurück. Von hier sieht man schön auf beiden Seiten über die Landschaft, auch auf die Tiere, die gerade das Lager der Jurte gegenüber unserem Lagerplatz verlassen und fast sternartig zum Grasen ausschwärmen. Einige Yaks sind da schon ein gutes Stück weiter, und sind längst auch auf unserem Bergrücken um sich das saftigste Gras schmecken zu lassen. Kurz bevor wir oberhalb unseres Lagers wieder absteigen, entdecken wir noch zwei junge Zicklein, die gestern offensichtlich den Abstieg verpasst haben und jetzt „mähen“. Aber die Rettung ist unter mit der vermutlichen Herde dazu ja schon unterwegs.

Geplant ist gegen 10 Uhr weiter zufahren, was auch fast auf die Minute so hinkommt. Und da sage noch einer, hier gingen die Uhren irgendwie anders. Wir wollen heute in Richtung Tsetserleg fahren, nur ein Strecke von rund 120km. Da sollte eigentlich noch Zeit sein, die heißen Quellen von Tsenkher zu besuchen. Das erste Stück führt uns den Weg zurück, auf dem wir auch gekommen sind. Dann biegen wir aber links ab, wobei wegen der fehlenden Wege abbiegen eigentlich schon zu viel ist. Wie auch bisher führen einfach verschiedene Fahrspuren in die eine oder andere Richtung und treffen teilweise später wieder aufeinander. Wie man sich da orientiert, wann man welche Spur nehmen muss, bleibt mir weiter ein Rätsel. Aber ich muss ja auch nur mitfahren, und kann darauf vertrauen, dass die Fahrer schon wissen, wie sie so wohin kommen. Es geht zu einer Brücke über den Orkhon, deren Konstruktion sagen wir mal etwas abenteuerlich aussieht. Wichtig ist aber ja nur, dass wie drüber kommen, denn der Fluss ist hier definitiv nicht mehr mit unseren Fahrzeugen zu durchqueren. Aber schon der Weg dorthin, ist für den Jeep, in dem ich heute sitze, ein bisschen beschwerlich. Dieser schon etwas in die Jahre gekommende Pajero, übrigens mit dem Steuer rechts, hat etwas weniger Bodenfreiheit, wie die drei anderen Fahrzeuge aus russischer Produktion. So müssen wir an drei Stellen aussteigen, damit die Federwege etwas entlastet werden, und der Jeep so gefahrlos über den aus dem Boden vorstehenden Felsen hinweg fahren kann. An einer Stelle treffen wir auf einen Mini-Van, der sich fest gefahren hat. Ein weiterer Wagen des gleichen Typs der selben Agentur steht ein bisschen hilflos ein kleines Stück zurück. Unser Fahrer fährt entgegen den normalen Gepflogenheiten weiter. Eigentlich ist es üblich, dass man sich auf den zuweilen einsamen Straßen hilft, sollte jemand ein Problem haben, das er nicht selbst lösen kann. Wir sind ohnehin schon etwas hinter den anderen Fahrzeugen zurück gefallen. Auch heute sucht wieder jeder so die vermeintlich beste Spur, so fahren wir immer mal wieder mit den verschiedenen Fahrzeugen breit nebeneinander, oder der kleine Tross zieht sich sehr in die Länge. So haben zwei der anderen Fahrzeuge hinter der Brücke auf uns gewartet. Der andere „neue“ russische Kleinbus fehlt aber auch noch, wobei ich nicht bemerkt habe, wo wir an ihm vorbei gezogen sind. Dazu muss man aber auch sagen, dass das letzte Stück vor der Brücke auch durch deutlich größere Felsen, über die man nicht mehr drüber schauen kann, gekennzeichnet ist. Während wir warten, kommt ein Mongole mit seinem kleinen Moped an den Orkhon, um seine mitgebrachten Kanister mit Wasser zu füllen.

Nach dem auch das letzte Fahrzeug angekommen ist, geht es weiter. In der Karte und auch im Reiseführer ist der nun folgende Abschnitt selbst für mongolische Verhältnisse als schlechte Wegstrecke vermerkt. Dabei ist die Strecke, wenn auch nicht wirklich gut, doch deutlich besser als erwartet. Trotzdem geht es nur langsam voran, weil der „neue“ russische Kleinbus immer wieder stoppen muss, da sein Kühler zu heiß wird. Am Nachmittag kommt dann noch eine Reifenpanne dazu. Übrigens hinten links, wo der Fahrer schon bei der Abfahrt in Karakhorum die Radmuttern nachgezogen hatte.

Mit meinem Jeep kommt auch der russische Jeep gegen 16.30 Uhr in Tsetserleg an. Der Name bedeutet übrigens übersetzt Garten. Wir halten vor dem ehemaligen Kloster Zayain Khuree, in dem heute ein Museum für mongolische Geschichte untergebracht ist. Da in meinem Jeep auch die Küchencrew sitzt, fährt er wieder ab, um noch ein paar Vorräte einzukaufen. In der nächsten Stunde passiert erst einmal nichts. Dann kommt einer der beiden russischen Kleinbusse mit dem Cheffahrer. Er lotst uns in das Museum, das eigentlich in einer halbe Stunde schließen sollte. Im Reiseführer sind die Zeiten anderslautend mit 07 bis 22 Uhr. Gleichzeitig kommt aber auch noch eine Gruppe französischer Touristen an dem Museum an. Ich bin fast verwundert, die ersten Franzosen in der Mongolei. Auf meinen letzten Reisen waren immer auch viele Franzosen unterwegs. Aber die Mongolei ist eben noch nicht so im Mainstream des internationalen Tourismus. Wenig später kommt dann auch das „Pannenfahrzeug“ an, in dem auch unsere Reiseleitung und weitere Mitglieder unserer Gruppe unterwegs sind. Auch sie kommen noch ins Museum. Gezeigt werden ein paar wenige religiöse Exponate, der Schwerpunkt liegt eher auf Gegenständen des Alltags. So gibt es eine historische Jurte, ein Ochsenkarren, das noch bis vor wenigen Jahrzehnten übliche Transportmittel der Landbevölkerung. Dazu aber auch historische Waffen oder auch Musikinstrumente. Ich war dann noch mal auf der Toilette in dem Museum. Da es sich um eine Außentoilette handelte, hatte ich schon ein Plumsklo erwartet. Es wäre jetzt auch nicht das erste in der Mongolei gewesen. Aber hier bestand es aus einem etwa 3m tiefen Loch auf einer Grundfläche von etwa 1,2x1,5m. Darüber lagen jeweils zwei Bretter von etwa 15cm Breite. Nicht wirklich beruhigend, aber immerhin die Fliegen hatten nicht nur unten offensichtlich ihren Spaß.

Die warmen Quellen mussten heute leider ausfallen, und damit auch die warmen Duschen, die es dort gibt. Zum Einen sind wir schon jetzt zu spät – mal wieder, zum Anderen sind die Quellen zurzeit von Tsetserleg nicht direkt erreichbar. Dazu müssten wir einen Fluss durchqueren, der im Moment wegen der Regenfälle der letzte Tage aber zu viel Wasser führt. Wegen des wieder nicht eingehaltenen Zeitplans kommt es zu einem Eklat. Eine Mitreisende möchte die Reise wegen der chaotischen Verhältnisse an dieser Stelle abbrechen. Nicht zuletzt auch wegen der Verhältnisse mit den Fahrzeugen. Sie entsprechen nicht den für die Reise ausgeschriebenen bzw. sind offensichtlich nicht wirklich einsatzfähig. So suchen wir statt der eigentlich geplanten Weiterfahrt für die nächste Stunde einen Platz in der Nähe von Tsetserleg. Da es von hier einfach leichter ist, etwas zu organisieren, als wenn wir noch ein gutes Stück weiter draußen sind. Wir fahren in nordöstlicher Richtung aus der Stadt und schlagen unsere Zelte nicht weit von der Hauptstraße auf. Diese ist übrigens mit privatem Geld gebaut worden und deshalb an dieser Stelle mautpflichtig.

Hier noch ein paar weitere Informationen zu Tsetserleg. Die Stadt mit ihren rund 20000 Einwohnern ist das Aimagzentrum des Arkhangai Aimags. Es liegt mit rund 1700m relativ hoch und unmittelbar an den Südhängen der Berge Bulgan und Mane. Damit bildet sie auch das nördliche Ende des Orkhon Tals. Es ist eine angenehme Stadt mit einem für mongolische Verhältnisse fast schon modernen Flair. Früher war sie eines der religiösen Zentren des Landes, wozu auch das schon erwähnte Zayain Khuree Kloster wesentlich beitrug. Im 19. Jahrhundert kamen russische und chinesische Händler hierher. Genau diesen Händlern ist es auch zu verdanken, dass das Kloster Ende der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts nicht völlig zerstört wurde. Man nutzte die Räumlichkeiten des Klosters einfach als Lagerräume weiter.