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11. Reisetag        Pocone (Pantanal) - 12.08.2024

 

Auch heute geht es wieder früh um 5:30 Uhr aus den Federn. Frühstück gibt es um die Zeit im Hotel noch nicht. Wir fahren wieder direkt zum Flughafen hier in Brasilia, wobei die Straßen in der Früh genauso leer sind wie am gestrigen Abend. Die Banderolen für das Gepäck kommen wieder nicht aus dem Automaten. Vermutlich wieder, weil wir am Vortag schon die beiden Bordkarten ausgespuckt bekommen haben, und die Dame am Check-In Schalter manuell eingreifen musste, damit das Gepäck nicht gleich bis Cuiaba, unserem heutigen Flugziel, durchgecheckt wurden. In einem der kleinen Flughafenshop gibt es dann wieder ein paar kleine Kommunikationsprobleme. Die nette Dame spricht kein Englisch, und ich kein Portugiesisch. Aber mit „Händen und Füßen“ ist das dann kein Problem. Gestern Abend, als wir auf den Transfer-Shuttle zum Hotel gewartet haben, lagen die Probleme ein bisschen anders. Ich stand in einem Shop der Systemgastronomie an, um mir ein Sandwich zusammenzustellen. Auch das klappte mit Händen und Füßen unfallfrei, nur beim Bezahlen per Kreditkarte wurde es dann ein bisschen holprig. Die Dame an der Kasse fragte, ob ich debito oder credito zahlen wollte. Nun gut, ich habe eine Kreditkarte mit Debit-Funktion, was bedeutet, dass die jeweiligen Abbuchungen zeitnah vorgenommen werden, und nicht über den Monat gesammelt werden. Bei der Frage war ich dann ein bisschen langsam im Kopf und dachte natürlich debito. Das war leider falsch, weshalb ich schließlich bar zahlte, weil die Karte „nicht wollte“. Was war passiert? Technisch gesehen ist meine Karte eben doch eine reine Kreditkarte. In Brasilien sind Kreditkartenzahlung üblich, auch für kleinste Beträge. Und wer kann zahlt credito, wer debito bezahlen muss, bekommt keinen Kredit mehr. Insbesondere die ärmeren Schichten verschaffen sich über die Kreditkarte ein bisschen Luft bei der Zahlung, denn die Abbuchung erfolgt ja erst später. Wer dann nicht zahlen kann, bekommt es schnell mit horrenden Zinsen zu tun. Die meisten Brasilianer sind verschuldet bis hin zu eigentlich überschuldet, viele Dinge bis hin zu Schuhen werden nicht selten per Ratenkauf bezahlt. Die (vielen) kleinen Summen kratzt man irgendwie zusammen, und wenn es über weitere Schulden ist. Aktuell leben etwa 75 Millionen Brasilianer, das entspricht etwa einem Drittel, vom Mindestlohn von 1440 Real, umgerechnet etwa 240 Euro. Manche haben sogar noch weniger, weil sie in informellen Arbeitsverhältnissen arbeiten. Manche bekommen von ihren Arbeitgebern Tickets für den Bus, damit sie überhaupt zur Arbeit gelangen, oder bekommen Essensmarken, die insbesondere in den Favelas aber auch eine Zweitwährung sind. In den Straßenküchen werden meist große Portionen ausgegeben, die sich dann zwei Personen teilen. So hat man eine Essensmarke gespart, die sich verkaufen oder tauschen lassen. Bei vielen ärmeren Familien kommt zu Hause oft ausschließlich Reis, Bohnen und Brot, ohne Butter, auf den Tisch. Insbesondere in den großen Städten nähern sich viele Preise dem europäischen Niveau an, wofür der Mindestlohn dann hinten und vorne nicht reicht. Um irgendwie über die Runden zu kommen, gehen viele noch einer Nebenbeschäftigung nach, oder verkaufen Billigartikel aus Paraguay auf der Straße. Auf der anderen Seite leben die Brasilianer auch „Hier und Jetzt“, Probleme von Morgen bereiten ihnen heute noch keine Falten auf der Stirn.

Zurück zu unserem Tag, der Flug von Brasilia nach Cuiaba ist wieder pünktlich wie ein Uhrwerk, die Flugzeit beträgt rund 2,5 Stunden. Auch das Gepäck kommt schnell auf dem Band, was auch daran liegt, dass die Brasilianer typischerweise nur mit einem Hartschalenkoffer als Handgepäck unterwegs sind. Die sind dann auch schon mal so „klein“, dass diese wegen der Rollen nicht längs ins Gepäckfach passt, was den Platz dann zusätzlich verknappt. Das führt natürlich im Flugzeug immer dazu, dass die Gepäcksfächer überquellen und die Flugbegleiter immer noch ein bisschen Handgepäck-Tetris spielen müssen, und beim Aussteigen der Koffer auch schon mal deutlich hinter der eigenen Sitzreihe ein Plätzchen gefunden hat. Darüber hinaus liegen viele der Handkoffer unter den Sitzen. Und auch beim Einsteigen fischen die Fluggesellschaften noch allerhand Handgepäck ab, dass dann doch als Hauptgepäck transportiert wird, damit überhaupt alles irgendwie im Passagierraum verstaut werden kann.

Wir verlassen Cuiaba sofort wieder, um in Richtung der Transpantaneira zu fahren. Doch bevor wir diese schließlich erreichen, machen wir in Pocone bei einem typischen brasilianischen Schnellrestaurant Station, wo es jeden Mittag Rodizio gibt. Das Lokal hat ein bisschen den Flair und die Akustik einer Bahnhofshalle, aber es geht auch darum, nicht zu viel Zeit zu verlieren, und schnell geht es tatsächlich.

Von hier geht es dann weiter auf die Transpantaneira, einer Straße oder eigentlich eher einer Piste, die durch das Pantanal führt. Der Begriff Pantanal bedeutet übrigens nichts anderes als Sumpf, und genau das ist es auch. Und die Transpantaneira ist in Brasilien die einzige öffentliche Straße durch das Gebiet, die ganzjährig befahrbar ist. Und das ist mit 140.000 bis 210.000 qkm ziemlich groß. Die große Spreizung erklärt sich durch den schwankenden Wasserstand. Die Ausdehnung in nord-südlicher Richtung beträgt fast 600 km. Insgesamt liegen etwa zwei Drittel des Pantanal in Brasilien, der Rest liegt in Bolivien und Paraguay. Durch den Rio Paraguay und seine Nebenflüsse wird auch das Wasser in das größte zusammenhängende Binnenland-Feuchtgebiet der Welt transportiert. Aber auch in Pocone beträgt der durchschnittliche Niederschlag etwa 1400 Liter pro Jahr, also etwa doppelt so viel wie in Deutschland. Der Rio Paraguay ist wie der Amazonas über weite Strecken sehr flach. In diesem Gebiet beträgt das Gefälle auf einer Flusslänge von 600 km gerade mal 30m. Entsprechend langsam fließt das Wasser, und überschwemmt zur Regenzeit dieses riesige Gebiet zu großen Teilen. Es bilden sich dann unzählige Seen und Dammflüsse im Pantanal. Dabei schaffen die Dammflüsse ihre Ufer praktisch selbst durch die Ablagerung von Sedimenten am Rand. Bricht ein solcher Damm bei Hochwasser, bildet sich ein neuer Nebenarm, der wieder Uferdämme durch die Ablagerung von weiteren Sedimenten aufschichtet. Insgesamt ist das Pantanal mit 2,8 Millionen Einwohnern für die Fläche nur relativ dünn besiedelt. Die Adressen an der Transpantaneira werden übrigens mit der Entfernung in Kilometer vom Anfang der Straße bezeichnet. Man wohnt dann etwa Transpantaneira Kilometer 35,6. Das erste Stück der Straße ist noch geteert, geht dann aber bald in eine Staubpiste über, deren Zustand aktuell eher „mittelmäßig“ ist, weshalb wir nur langsam vorankommen. Dazu machen wir noch einige Stopps, weil neben den zahlreichen Kaimanen, es gibt im ganzen Pantanal etwa 35 Millionen, und damit mehr als irgendwo sonst auf der Welt, zahlreiche Vögel an den langsam schwindenden Wassertümpeln zu finden sind. Wir sehen schon direkt an der Straße Rosalöffler, Grüne Ibisse, Weißhals Ibisse, Amazonas Seeschwalben, Silberreiher, Blaureiher, Jabiru bis hin zu ein paar Sittichen und Tangaren. Die meisten stellen den Fischen und Amphibien in den verbliebenen Wasserlöchern nach, die dort in der Falle stecken. Insgesamt gibt es allein im Pantanal etwa 650 Vogelarten, aber auch etwa 240 Fischarten, 60 Amphibienarten und 120 Reptilienarten. Dazu kommen dann noch über 1700 verschiedene Pflanzenarten. Wahrlich ein Garten Eden, weshalb das Gebiet im Jahre 2000 auch von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt worden ist. All das wusste ich vorher, und hatte mir auch einige Bilder im Vorfeld angesehen. Und jetzt wo ich hier bin, bin ich reichlich erstaunt. Denn es sieht hier im August so gar nicht wie in einem Sumpf aus. Es ist eher das Gegenteil, die Landschaft sieht über weite Strecken staubtrocken aus, in der fast nur in den großen Gräben seitlich der Transpantaneira noch die Wassertümpel stehen. Ansonsten ist es nur trocken.

Gegen 16 Uhr erreichen wir schließlich unsere Unterkunft, die direkt am Rio Pixaim gelegen ist. So bleibt vor der Dämmerung gerade noch genug Zeit für einen kleinen Spaziergang um unsere Lodge herum. Unser erstes Ziel ist ein Aussichtsturm, von dem man gut den nahen Fluss und die mit Büschen und Bäumen bestandene direkte Umgebung überblicken kann. Auf dem weiteren Weg findet unser lokaler Führer noch Spuren von einem Ozelot und einem Jaguar, es bleibt aber bei den Spuren. Tatsächlich zu sehen bekommen wir im letzten Licht des Tages einen jungen Tapir, der sich durch das Gestrüpp arbeitet.