9. Reisetag Sao Thome (Rio Negro) - 10.08.2024
Heute geht es wieder früh los, geplant ist die Abfahrt für 6:00 Uhr mit dem Beiboot zur weiteren Vogelbeobachtung. Ich selbst bin noch ein bisschen früher unterwegs, und setze mich gegen 4:30 Uhr auf das Sonnendach unseres Schiffs. Die Sonne scheint natürlich noch nicht, aber die Insekten des Urwaldes spielen schon ihr lautes Konzert. Die ansonsten himmlische Ruhe wird nur von den Geräuschen des kleinen Diesels für die Stromerzeugung auf unserem Boot gestört. Ansonsten sind keine menschlichen Besiedlungen oder Ähnliches zu sehen oder auch nur zu hören. Gegen 5:30 Uhr verstummen dann die Insekten, und die Vögel verschaffen sich Gehör. Auch das eine ziemlich beruhigende Atmosphäre. Inzwischen beginnt dann auch die Schiffsmannschaft zu werkeln, und auch andere Mitreisende genießen hier oben die „laute“ Stille.
Auf unserer Bootsfahrt sehen wir neben einigen Vögeln ein paar große Süßwasserdelphine sporadisch aus dem Wasser auftauchen. Aber das Fotografieren gestaltet sich sehr schwierig, weil sie nicht ziehen, sondern sich unregelmäßig im Wasser bewegen, und damit das nächste Auftauchen reine Glückssache ist. Aber nach dem Frühstück ist gegen 9:30 Uhr eine Fahrt zu einem kleinen Strand geplant, an dem wir den bis zu 3m langen Amazonasdelphinen deutlicher näher kommen werden. Sie zu sehen ist relativ sicher, da sie regelmäßig mit ein paar Fischen angelockt werden. Dabei werden sie dort nur mit ein paar wenigen Fischen gefüttert, um sie zu motivieren, dort leichte Beute machen zu können, sie gleichzeitig aber auch ihren natürlichen Jagdinstinkt nicht verlieren sollen. Bei unserem Besuch kann man sie nicht nur zu sehen, sondern sogar hautnah erleben. Wir stehen vor einem Strand im Wasser, während eine Einheimische die Amazonasdelphine zunächst mit dem Schlagen auf das Wasser anlockt. Es dauert auch nicht lange, bis sich die ersten Tiere einfinden. Sie schwimmen direkt an unseren Beinen vorbei, sind aber natürlich vor allem an den Fischen interessiert. Aber auch sonst sind sie offensichtlich ziemlich neugierige Tiere. So tauchen sie schon mal unmittelbar vor uns auf, oder streifen die Beine. Dabei lassen sich anfassen, man muss dabei nur darauf achten, sie nicht im Bereich des Gesichts oder der Luftöffnung am Kopf zu berühren. Dabei ist der Rumpf relativ weich, insbesondere die sehr muskulöse Schwanzflosse aber sehr hart, wenn sie damit Schwung holen, schürft es ordentlich am Bein. Sie tauchen nur relativ kurz, da sie alle etwa 30 Sekunden Luft holen müssen. Die Delphine haben nur verkümmerte kleine Augen, die zwar im Prinzip voll funktionsfähig sind, aber mit denen sie nur ausgesprochen schlecht sehen können, was hier im Schwarzwasser des Rio Negro aber auch ohnehin wegen der geringen Sichtweite kaum von Nutzen wäre. Stattdessen sind sie mit einer Art natürlichem Echolot ausgestattet, mit dem sie sich orientieren, und auch ihre Beute orten. Diese besteht vor allem aus Fisch, wovon sie jeden Tag etwa acht Kilo zu sich nehmen. Als Besonderheit weist der Amazonasdelphin im hinteren Bereich größere vor allem breitere Zähne auf, die es ihm auch ermöglicht, kleinere Panzer zu brechen. Ebenfalls besonders an den Amazonasdelphinen ist, dass im Gegensatz zu den Verwandten im Meer die Halswirbel nicht verwachsen sind, was ihn beweglicher macht. Insgesamt ist er aber deutlich weniger agil als die Verwandtschaft, Luftsprünge kommen bei ihnen praktisch nicht vor. Die Amazonasdelphine sind anfangs grau, werden mit zunehmendem Alter dann auf der Unterseite rosa. Sie erreichen ein Gewicht von 85 bis 160kg. Insgesamt leben die Amazonasdelphine eher als Einzelgänger und nicht in großen Gruppen. Dabei halten sie sich auch eher weniger im Hauptstrom auf, sondern suchen mehr die Nebenarme bis hin zu fast stehenden Gewässern auf. Insgesamt gibt es im Amazonas-Flusssystem drei Gattungen, wobei die Amazonasdelphine die deutlich größte ist. Die beiden anderen, Araguaia-Delfin und der Bolivianische Amazonasdelphin, sind durch Stromschnellen natürlich getrennt. Alle drei sind in ihrem Bestand gefährdet. Dem Amazonasdelphin setzt vor allem die Wasserverschmutzung zu. Insbesondere eingeleitetes Quecksilber ist dabei ein Problem. Aber auch die Klimaerwärmung ist für ihn ein Problem. So wurden am Tefe-See, an der Mündung des Tefe in den Amazonas im Jahre 2023 über 150 Kadaver gefunden. Ihnen ist der Anstieg der Wassertemperatur auf teilweise über 40°C zum Verhängnis geworden. Sie vertragen lediglich Temperaturen von maximal 38°C. Auch werden sie immer noch, obwohl in Brasilien eigentlich verboten, manchmal von Fischern gejagt, um sie als Köder für das Fischen nach Piracatinga oder Zamurito, beides Wels Arten, zu benutzen. Andere verfangen sich in Fischernetzen oder werden von Schiffsschrauben getötet. Aber auch Staudämme engen ihren Bewegungsradius und letztlich ihren Genpool ein.
Nach einer guten Stunde kehren wir zurück zu unserem Boot. Wenig später geht unser erster Regenschauer während unseres Aufenthalts im Regenwald nieder. Er ist kurz aber heftig. Insgesamt fallen im Gebiet um Manaus etwa 3000 Liter Niederschlag pro Quadratmeter im Jahr, zum Vergleich in Deutschland sind es etwa 700 Liter. Immerhin ist hier der August normalerweise mit etwa 115 Liter und nur 13 Regentagen der regenärmste Monat, im März sind es mit 21 Regentagen fast 400 Liter. Die Luftfeuchtigkeit ist übrigens jetzt im August mit etwa 80% auch am niedrigsten, in den Monaten März bis Mai steigt sie dann auf durchschnittlich fast 90% an. Die Temperaturen schwanken über das Jahr mit weniger als 2°C in der Bandbreite von knapp 26°C bis knapp 28°C nur wenig.
Nach unserer Rückkehr zu unserem Boot fahren wir damit noch ein kleines Stück weiter, und legen an einem kleinen schwimmenden Laden an, wo es die Möglichkeit gibt, ein paar Kleinigkeiten zu kaufen. Nach dem Mittagessen schließt sich dann wieder wie an den Vortagen eine kleine Siesta an. Gegen 16 Uhr brechen wir erneut mit dem Beiboot auf, um noch mal nach ein paar Vögeln Ausschau zu halten, was auch von mehr Erfolg gekrönt ist, als bei unserer Tour am Morgen. Trotzdem sind hier im Bereich des Rio Negro natürlich sehr viel weniger Tiere als am Amazonas zu sehen. Das heutige Highlight ist ein Faultier.