14. Reisetag Pocone (Pantanal) - 15.08.2024
Heute mache ich mit ein paar anderen aus unserer Reisegruppe einen „fakultatives Alternativprogramm“, oder anders gesagt, gegen eine nicht ganz unerhebliche Extrazahlung leisten wir uns eines der Highlights im Pantanal. Wir versuchen einen Jaguar zu finden. Dazu werden wir gegen 6:10 Uhr bei unserer Lodge abgeholt, und fahren über die Transpantaneira tiefer ins Pantanal hinein. Unser Ziel liegt in der Nähe des rund 85 km entfernten Porto Jofre. Je länger wir auf der Piste unterwegs sind, desto mehr ähnelt die Landschaft dem, was ich eigentlich erwartet hatte. Es wird deutlich grüner und auch an immer mehr Stellen sieht man ein bisschen Oberflächenwasser stehen. Im Bereich unserer Herberge ist eigentlich alles mehr oder weniger braun. Es gibt lediglich noch einige wenige Tümpel oder das aktuell eher armselige Flüsschen Rio Pixaim. Das hat sicherlich mit den geringeren Niederschlagsmengen auch im Zuge des Klimawandels zu tun, ist aber auch ein Stückweit direkt von Menschen gemacht, in dem man größere Stauseen an vielen Zuflüssen ins Pantanal errichtet hat, und damit der Wasserzufluss reguliert wird. Und auch heute ist die Luft insbesondere nach Sonnenaufgang dunstig und es riecht ein bisschen nach Rauch. Entsprechend ist die Sicht nicht ganz optimal.
In der Nähe von Porto Jofre steigen wir vom Auto in ein Boot um. Porto Jofre ist übrigens auch nach knapp 150 Kilometer der Endpunkt der Transpantaneira. Die Straße, eigentlich eher eine Piste, sollte ursprünglich weiter bis nach Corumba gebaut werden, endet dann wegen eines im Jahre 1973 geänderten Beschluss aber hier. Damit entwickelte sich der Ort hier überhaupt erst. Für uns geht es ab hier auf dem Rio Cuiaba und seinen Nebenarmen weiter. Es fällt an dem Boot sofort der ziemlich mächtige Motor auf, bisher waren das sowohl am Beiboot auf dem Amazonas als auch hier auf dem Rio Pixaim eher kleine Motörchen. Dieser Motor läuft ziemlich rund, und macht auch den Eindruck, als wenn er fast zu groß für unser kleines Boot wäre, und auch ohne, dass der Motor wirklich hochdreht, geht es relativ zügig los. Wir fahren zunächst in einen Seitenarm des Flusses hinein, wo auch schon ein paar andere ähnliche Boote wie das unsrige unterwegs sind. Auch die sind mit ähnlichen Antrieben ausgestattet. Das Ganze erinnert ein bisschen an eine Wildtierbeobachtung in Afrika, nur eben mit dem Boot statt mit dem Jeep. Zunächst bleibt es bei den Vögeln am Ufer. Zwischen 9 und 10 Uhr setzt ein bisschen Wind ein, der den Dunst und Rauch beiseite schiebt, und damit einen halbwegs blauen Himmel schafft. Damit brennt dann aber auch die Sonne ordentlich herunter, und es wird trotz des Fahrtwindes ziemlich warm. Immerhin sind heute wieder Temperaturen jenseits der 40 °C angekündigt. Unsere nächste Sichtung sind dann zwei Riesenotter, wovon einer einen Fisch gefangen hat und gerade verzehrt.
Gegen 11:00 Uhr wird dann klar, wozu der relativ große Motor gut ist. Mit Höchstgeschwindigkeit machen wir kehrt, und es geht wieder ein Stück auf dem Fluss zurück, bis wir auf eine größere Ansammlung von anderen Booten treffen, womit natürlich dann auch uns unbedarften Touristen klar ist, dass dort im Schatten des Uferbewuchses ein Jaguar liegen muss. Als wir auch einen Platz auf der „Tribüne“ ergattert haben, steht das mächtige Männchen auf. Es geht ein paar Schritte, um sich dann dort auch gleich wieder hinzulegen. Nach ein paar weiteren Minuten verzieht er sich dann auch gleich ganz aus dem Blickfeld. Damit starten die Boote auch wieder ihre Motoren und brausen in einer „Expresskarawane“ zu einer weiteren Sichtung. Wie auch in Afrika bei den Fotosafaris sind auch hier die Boote in ständigem Kontakt miteinander. So verbreitet sich eine gute Sichtung in Windeseile. Auch dieser Jaguar ist ein Männchen. Er trägt einen Sender um den Hals, sein Bewegungsprofil wird also offensichtlich von offizieller Stelle überwacht. Die Jaguare hier im Pantanal sind deutlich größer, als ich erwartet hatte. Wobei die beiden, die wir gesehen haben, beides Männchen sind, die ein bisschen größer als die Weibchen sind. Die Männchen sind es auch, die sich hier nach der Jagd in der Nacht am Ufer ausruhen, wo es ein bisschen kühler ist, und sie sich auch präsentieren. Die Weibchen kümmern sich eher um den Nachwuchs. Jaguare sind die größten Raubtiere in Südamerika, und werden unter den Großkatzen der Welt nur noch von Löwen und Tigern überboten. Sie können eine Kopf-Rumpflänge von bis ca. 180cm bei einer Schulterhöhe von etwa 70cm, und ein Gewicht von bis zu 160kg erreichen, in den meisten Regionen sind es aber mit bis zu 100kg deutlich weniger. Wobei die Vertreter in Südamerika deutlich größer als die Vertreter in Mittel- und Nordamerika sind. Der Name Jaguar stammt übrigens aus der Sprache der Tupi, in der es soviel bedeutet wie „der Räuber, der seine Beute in einem einzigen Sprung macht“, was ganz gut seine Jagdmethode beschreibt. Er ist weder besonders ausdauernd noch besonders schnell, so versucht er sich möglichst dicht an seine Beute heranzupirschen, und dann mit wenigen Sätzen zu ihr hin zu kommen, und dann mit einem Biss in den Hals oder auch in den Schädel zu töten, letzteres ist einzigartig unter den Großkatzen. Dabei ist sein Gebiss und ganzer Schädel extrem kräftig gebaut, seiner Beißkraft ist etwa doppelt so hoch wie die eines Löwen. Damit kann er sogar den Panzer von Schildkröten knacken. Sein Revier ist in dichten Wäldern oder mindestens mit einer dichten Vegetation, die er zum Anschleichen braucht. Grundsätzlich können sich Jaguare relativ gut an ihre Lebensumgebung anpassen. Als Nahrung kommen für sie nahezu alle Säugetiere, aber auch Fische, Reptilien, kleinen Kaimanen und selten bis hin zu Vögeln alles in Frage. Im Gegensatz zu nahezu allen anderen Katzen leben sie gerne im Bereich von Flüssen, und scheuen das Wasser nicht. In der Nahrungskette stehen sie in ihrem Lebensraum ganz oben, haben als Feinde im Erwachsenenalter nur noch Artgenossen oder den Menschen. Üblicherweise haben Jaguare ein kurzes gelbbraunes Fell, und sind mit unzähligen farblichen Flecken übersäht, was wieder ihre Tarnung unterstützt. Es gibt aber immer auch welche mit schwarzem Fell, oder auch welche die im Grundton schwarz sind, und bei denen die gelbbraunen Flecken im richtigen Lichtwinkel durchschimmern. Die rein schwarzen werden häufig auch als schwarze Panther bezeichnet. Die schwarze Färbung kann genetisch bedingt sein, kann aber auch durch äußere Bedingungen in deren Lebensraum wie Sonneneinstrahlung, Luftfeuchtigkeit und Temperaturen begünstig werden. Bei Jaguaren werden nach einer Tragzeit von rund 100 Tagen meist zwei Junge zur Welt gebracht. Die Kleinen wiegen 700 – 900 Gramm und sind bei der Geburt blind und damit komplett hilflos, weshalb sie von ihrer Mutter meist an einem geschützt liegenden Ort geboren werden. Nach etwa 6 Wochen beginnen sie aber der Mutter auf Streifzügen zu folgen. Anfangs werden sie gesäugt, aber bereits nach 10 – 11 Wochen wird die Ernährung durch Fleisch ergänzt. Mit etwa einem halben Jahr wechseln sie komplett zu Fleisch als Nahrung. Im Alter von etwa 2 Jahren verlassen sie die Eltern. Geschlechtsreif werden Weibchen mit zwei bis drei Jahren, die Männchen etwa ein Jahr später. Insgesamt erreichen sie ein Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren. Aufgrund der Zerstörung ihres Lebensraums gilt in weiten Teilen der Jaguar als bedroht. Zum Teil wird er auch heute noch gejagt, da er als anpassungsfähiger Jäger bei fehlendem anderen Nahrungsangebot auch Haus- und Nutztiere reißt. Die international größte Verbreitung hat der Jaguar hier im Pantanal, aber auch im Amazonasbecken gibt es noch eine verhältnismäßig große Population.
Aber zurück zu unserem Tag. Auch den zweiten Jaguar verlassen wir nach einigen Minuten, auch um noch nach uns eingetroffenen Booten die Möglichkeit zu geben, einen guten Blick auf das Tier zu bekommen. Dabei gehen die lokalen Guides hier auch untereinander scheinbar relativ fair miteinander um. Sie wissen, dass die Touristen für die Jaguartouren relativ viel Geld zahlen, und dann auch einen sehen wollen. Auch wenn es natürlich immer noch Natur und eben kein Zoo ist, wo die Tiere mit Zahlung des Eintrittsgeldes quasi garantiert sind. Aber keiner der Guides will natürlich unzufriedene Gäste haben. So lässt man alle einen einigermaßen ungehinderten Blick auf die Tiere werfen. Unser Guide versucht nun noch unseren „eigenen“ Jaguar zu finden, was auch tatsächlich gelingt. Wobei mir komplett unverständlich bleibt, wie man den dort im Vorbeifahren überhaupt entdecken konnte. Mag sein, dass die verschiedenen Tiere ihre Lieblingsplätze haben, aber dieser liegt oben auf der Böschung platt im Schatten eines Gebüschs in einer kleinen Kuhle. Selbst als er den Ort genau beschreibt, können wir „unwissenden“ Touristen ihn kaum erkennen. Erst als er sich für einen kurzen Moment etwas mehr auf den Rücken dreht, und seine vier Pfoten kurz ein bisschen gen Himmel streckt, ist er deutlich zu erkennen. Ansonsten ist es eher ein blindes fotografieren, und dann ein bisschen ins Bild zoomen, um ihn wirklich deutlich zu erkennen. Über Funk bekommt unser Guide noch die Info über eine weitere Sichtung. Dort sind nur drei Boote, und auch der Jaguar hat sich zur Mittagsruhe platt in den Schatten gelegt, und ist nur schlecht zu sehen. Aber wir hatten ja bereits unsere zwei ziemlich perfekten Sichtungen, also eigentlich fast mehr als wir erhofft hatten. So machen auch wir unsere Mittagspause auf dem Boot. Danach geht es dann zurück zu unserer Anlegestelle, wo wir gegen 13:30 Uhr ankommen. Nach weniger als zwei Stunden Fahrt sind wir wieder an unser Lodge. Ich bin sichtlich beeindruckt! Als wir gestern die Tour gebucht hatten, war die Aussage, man würde uns heute früh so gegen oder kurz nach 6 Uhr abholen, und am Nachmittag wären wir zurück. Als wir heute früh ins Auto gestiegen sind, haben wir folgenden Abriss bekommen: Wir fahren jetzt los, steigen dann ins Boot, am Vormittag sehen wir den Jaguar, dann gibt es den mitgebrachten Lunch, anschließend fahren wir zurück, und um 15 Uhr sind wir wieder da. OK, es ist gegen 15:15 Uhr, also eine „Verspätung“ von bummelig 15 Minuten. Wenn ich gehässig wäre, würde ich sagen, für die Deutsche Bahn wäre das schon ordentlich, bei 9 Stunden unterwegs, noch dazu mit eigentlich nicht planbaren Naturbaustein darin. Offensichtlich war der Guide sich ziemlich sicher, dass wir auch Jaguare zu sehen bekommen.
Als wir an unserer Lodge eintreffen, bricht der Rest unserer Reisegruppe gerade zu einem weiteren Piranha-Angeln auf, was wir geflissentlich sausen lassen. Stattdessen gönnen wir uns ein Eis unterm Sonnenschirm am Pool. Die Welt kann aber auch ungerecht sein.
Kurz vor Sonnenuntergang steigen wir dann doch noch wieder ins offizielle Reiseprogramm ein. Es geht zu einer letzten Fahrt auf der Pritsche des Pickups in den bzw. zum Sonnenuntergang. Auch heute ist das eine staubige Angelegenheit, aber das grüne Pantanal hatten wir als Kontrastprogramm schließlich schon am Vormittag. Auf der Transpantaneira ziehen die Fahrzeuge eine ordentliche Staubfahne hinter sich her. Jetzt am Abend ist es wieder windstill geworden, und der Staub wabert gefühlt endlos in der Luft. Auf den Pflanzen am Rande der Piste liegt eine dicke Staubschicht. Auf dem Weg zurück zu unserer Lodge entdecken wir noch einen Sumpfhirsch und zwei junge Tapire. Aber selbst für ein schlechtes Foto reicht das Licht bei mir eigentlich nicht mehr. Für die kommende Nacht sind übrigens mit 26°C mal eben 10°C mehr als in den beiden letzten Nächten vorhergesagt, und eigentlich eher Temperaturen, die hier zu dieser Jahreszeit nachts nicht unüblich sind.