6. Reisetag Rio Negro - 07.08.2024
Heute geht es für uns auf dem Amazonas wieder flussaufwärts in Richtung Manaus, wo wir gegen 8:00 Uhr eintreffen wollen. Zuvor kommen wir aber noch an einer Stelle vorbei, an der der Rio Negro in den Solimoes fließt, wie der Amazonas bis zum Zusammenfluss offiziell in Brasilien heißt. Das Besondere am Zusammenfluss ist die Farbe des Wassers. Der Amazonas bzw. Solimoes führt viele Sedimente mit, und das Wasser ist deshalb eher milchig braun. Der Rio Negro ist ein Schwarzwasserfluss. So strömen die beiden gewaltigen Wasserläufe noch ein paar Kilometer mehr oder weniger sichtbar nebeneinander her, bis sich das Wasser schließlich vermischt hat. Auffällig ist auch, dass das Wasser des Rio Negros im Schnitt etwa 5°C wärmer ist, als das des Amazonas. Das Schwarzwasser des Rio Negro ist deutlich saurer, was an die Huminsäuren und Fulvosäuren liegt, die im nördlichen Teil des Regenwaldes mit seinem relativ festen aber sehr nährstoffarmen Boden liegt, aus dem sie ausgewaschen werden. Sie bilden sich dort bei der Zersetzung einiger Palmenarten. In dem sauren Wasser gibt es praktisch keine Nährstoffe, weshalb es auch deutlich weniger Pflanzen im Wasser gibt. Das sorgt dann wiederum dafür, dass es auch nur wenige Fische im Rio Negro und seinem Schwarzwasser gibt. Und das ist die Ursache dafür, dass es auch deutlich weniger Vögel gibt, die sich zumeist vom Fisch ernähren.
Unser erstes Ziel heute ist wie schon erwähnt Manaus. Schon am Hafen verkaufen die ersten Fischer ihren frischen Fang direkt vom Boot. Wir gehen aber in den neuen Markt, wo neben unzähligen verschiedenen Fischarten auch Fleisch, Gemüse und andere landwirtschaftliche Produkte verkauft werden. Darüber hinaus gibt es vieles für den täglichen Bedarf. Insbesondere beim Fisch und Fleisch herrscht ein emsiges Treiben. Die Stände sind in der Markthalle schachbrettartig angeordnet, und meist haben die benachbarten Stände ein sehr ähnliches Angebot. Die Markthalle selbst ist ein großer Zweckbau. Nicht weit von der neuen Markthalle liegt auch die alte. Dort werden vor allem Gewürze, regionale Spezialitäten aber auch Seifenshampoos und ein paar Souvenirs angeboten. Die alte Markthalle heißt offiziell Adolpho Lisboa. Sie wurde bereits 1883 eröffnet, entworfen wurde sie von Gustave Eiffel, der auch der Erbauer des nach ihm benannten Eiffelturms in Paris ist. Die Metallkonstruktion wurde in Liverpool gefertigt, und dann hier in Manaus zusammengesetzt. Den Kautschukbaronen in Manaus, die auch die alte Markthalle errichten ließen, war nichts zu teuer, und man umgab sich gerne mit dem Besten und Teuersten aus Europa. Das mit Abstand bekannteste Gebäude in Manaus ist die Oper oder eigentlich Teatro Amazonas. Der Bau wurde 1881 vom Stadtabgeordneten Antônio José Fernandes Júnior vorgeschlagen. Zwei Jahre später erhielt ein portugiesisches Architekturbüro den Auftrag. Wegen Fragen der Finanzierung begann der Bau selbst erst ein Jahr später. Aber bereits im Jahre 1886 wurden die Bauarbeiten für mehrere Jahre eingestellt, bis dann 1893 endlich weiter gebaut wurde. Es ging mal wieder um die explodierenden Baukosten. Gleichzeitig war aber bei der Planung und dem Bau aber auch nichts zu teuer oder zu exklusiv. Das meiste Baumaterial wurde aus Europa importiert, so wurde Marmor und auch die Kronleuchter aus Italien hergeschafft, die Dekoration meist aus Frankreich, die Fliesen für die Kuppel stammten aus Deutschland, der Stahl aus Glasgow und das Gusseisen aus Paris. Selbst das Pflaster vor dem Teatro stammt aus Portugal, wurde dann mit Kautschukfugen verlegt, damit die vorbeifahrenden Pferdefuhrwerke die Aufführungen nicht störten. Allein die Edelhölzer stammten aus den brasilianischen Wäldern. Und natürlich ließ man es sich auch nicht nehmen, die besten Baumeister aus Europa für die Ausführungen der Arbeiten zu verpflichten. Die Eröffnung fand dann schließlich am 31.12.1896 statt, auch wenn die Bauarbeiten noch nicht ganz fertig waren, aber es war der letzte Tag im Amt für den noch amtierenden Bürgermeister, und das Prestige der Eröffnung wollte er sich dann doch nicht entgehen lassen. Die erste Aufführung fand dann eine Woche später am 07.01.1897 statt. Nicht zuletzt wegen der Oper, in der sich die Opern-Weltstars der damaligen Zeit praktisch die Klinke in die Hand gaben, und andere Luxusbauten und importierten Luxusgüter nannte man Manaus zu der Zeit auch das Paris der Tropen. All das wurde mit den Einnahmen aus dem Kautschukboom finanziert. Doch mit dem Verfall der Kautschukpreises fand auch das Luxusleben in Manaus ein jähes Ende. So fand bereits 1907 die vorerst letzte Aufführung statt. 1929 und 1975 versuchte man das Gebäude zu restaurieren, scheiterte aber an den Kosten in der Kombination mit dem feuchten Regenwaldklima und nicht zuletzt den Termiten. Zwischenzeitlich war das altehrwürdige Gebäude im 2.Weltkrieg zu einem Lager für Benzin und Reifen heruntergekommen. In den 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts schließlich gelang die Restauration. So konnte man im März 1990 die Oper mit Auftritten von Placido Domingo und Marcia Haydee wiedereröffnen.
Bei unserem Besuch des Teatro Amazonas lief im großen Saal mit seinen 701 Sitzplätzen übrigens gerade eine Probe zu Cinderella. Aber für uns geht es zurück zum Hafen, wo unser Boot frische Lebensmittel geladen hat, und bereit für die Fahrt in Richtung Rio Negro ist. Auf dem Weg zurück durch die Stadt kommen wir noch an ein paar weiteren restaurierten Gebäuden aus der Zeit des Kautschukbooms vorbei, aber auch an einigen Gebäuden im Zentrum, die unbewohnbar aussehen. Man sieht einigen Häusern durchaus das meist ziemlich feuchte Klima von Manaus an. Viele der Häuser haben bunte Anstriche, bis hin zu großen Wandgemälden, die schon mal über 15 Stockwerke reichen. In den Straßen geht es ein bisschen wuselig zu, jedenfalls verglichen mit den letzten Tagen auf dem Boot. Immerhin ist Manus mit seinen etwa 2,2 Millionen Einwohnern im Großraum eine dynamisch wachsende Großstadt mitten im Regenwald. Das Zentrum der Stadt bildet der Hafen, der neben dem Flughafen auch das Tor zur Welt ist, und selbst von großen Ozeanriesen erreicht werden kann. Bedeutende Straßenverbindungen gibt es nicht. So werden Waren nahezu ausschließlich per Schiff in die Stadt gebracht. Die Hafenanlagen befinden sich zum größten Teil auf schwimmenden Docks, die die zum Teil unterjährigen über 10m hohen Unterschiede des Wasserpegels ausgleichen. Das Umland um die Stadt ist noch relativ dicht besiedelt, aber je weiter man sich von der Stadt entfernt, desto dünner wird die Besiedlung, und auch die Infrastruktur lässt spürbar nach. Manaus ist die Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas mit einer Fläche von knapp 1560000 qkm, also mehr als die 4fache Fläche von Deutschland, und hat insgesamt gerade mal 3,9 Millionen Einwohnern, entsprechend wohnen mehr als die Hälfte von ihnen in Manaus. Im Bundesstaat Amazonas gibt es aber auch noch einige indigene Gruppen, die zum Teil wegen schlechter Erfahrungen versuchen, sich von der Zivilisation nach unserer Lesart fernzuhalten. Zum Teil weiß man auch heute bei einigen Gruppen lediglich von ihrer Existenz, aber nicht wo sie genau leben. In ganz Brasilien gibt es aktuell 115 solcher Gruppen, die den Kontakt vermeiden. So wurde etwa erst im Jahre 2011 bei einem Überflug eine neue Gruppe entdeckt. Aber für sie wird das Leben zunehmend schwieriger, da sich unsere Zivilisation trotz aller Unwägbarkeiten immer weiter in den Regenwald vorschiebt, und ihren Lebensraum immer weiter einengt. Insgesamt assimilieren die meisten Gruppen aber in dem Vielvölkerstaat Brasilien. Auch wir besuchen am heutigen Nachmittag eine Gruppe von Indigenen, die ein kleines Museumsdorf geschaffen haben. Dort können wir ein traditionelles Versammlungshaus ansehen, wo sie uns auch einige traditionelle Tänze vorführen. Daneben gibt es noch einige traditionelle Hütten, aber auch einige Nahrungsmittel, die sie im Regenwald finden. Die Indigene Gruppe hier nimmt natürlich komplett an der brasilianischen Lebensart teil, versucht aber gleichzeitig alte Traditionen zu bewahren und an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Sie gehören zu der Volksgruppe der Tukane. Ihnen gehören im Verlauf des Rio Negros 23 Stämme an, die im Wesentlichen fünf Untergruppen mit jeweils eigenen Dialekten zugeordnet werden können, aber alle aus einer Sprachfamilie stammen. So konnten sich die Stämme früher untereinander verständigen. Nach etwa einer Stunde endet unsere kurze Stippvisite in dem Museumsdorf, und wir fahren weiter den Rio Negro hinauf.